Samstag, 25. Dezember 2010

Hitfarmers - Conquering The Throne


Release Date:
13. September 2010

Label:
LCOB Productions

Tracklist:
01. Rasul Allah & Chinch 33 - Prelude To A Sequel
02. Adlib, Kasper & Warpath - The Tables Turn
03. L.I.F.E. Long, IDE, Respect Tha God, Critical, Alucard & Jise - Joining Forces
04. Underclassmen - Game Time
05. Emskee - International Selection
06. Chapter 1 (Skit)
07. EQ, Jugganot & Sick Since - One Shot
08. Block Mccloud - My Word
09. Ciph Barker - This is Hip Hop
10. Mr Malchau - U Don't Know Me
11. Mesidge - Once Again
12. Randam Luck - Classic Hits
13. Braille - Quiet Storm
14. J-Spliff - By Any Means
15. Nervous Wreck & Blak Philly - Storming The Castle
16. Mar'z & Big Left - Hustlers Wish
17. Chapter 2 Skit
18. Brown Bag Allstars - Motivate
19. Contribution X - Sound Of Invasion
20. Doap Nixon & Sick Six - Doap Sick
21. W.A.R.P.A.T.H. - Pitch Black

Review:
Lange hat es gedauert, und vor allem die deutschen Liebhaber amerikanischen HipHops werden das letzte, von Verschiebungen und ausgebliebenen Informationen geprägte Jahr immer wieder mit einem Auge darauf geachtet haben, wie es um das Debüt der Hitfarmers steht. Deutsche Produzenten - Münchner, um genau zu sein -, die für US-BoomBap-Größen Beats schustern - das ist bereits bekannt und weckt nicht die schlechtesten Erinnerungen. Die Hitfarmers sind als Teil der LCOB Productions zudem direkt in einem sehr lebendigen Netzwerk verankert, das auch die Frage nach dem Label beantwortet, auf dem "Conquering The Throne" letztendlich erscheint.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die Tracklist ist zwar nicht so fett und saftig wie der verwöhnte Hörer das etwa von den Snowgoons gewöhnt ist, doch einen Schluss auf die Qualität der Musik lässt das sowieso nicht zu - denn mit einem Aufgebot an hungrigen Unbekannten lässt sich unter Umständen sogar mehr reißen. Die Zusammenstellung der Gäste bietet im Großen und Ganzen keine Überraschungen, es fällt jedoch schon vorab auf, dass man sich mit 19 vollwertigen Songs einiges vorgenommen hat, dass diese Fülle an Tracks sehr gefährlich hinsichtlich des Gesamtpakets werden wird. Denn da das Phänomen der Alben europäischer Produzenten mit amerikanischen Gästen - vor allem im großteils ostküstlichen Milieu mit Anspruch auf härtere Gangart - keine Seltenheit mehr ist, bedarf es schon mehr als der Standardpackung BoomBap-Beats, um heutzutage noch irgendeinen Hund hinterm Ofen hervorzulocken. Die Hitfarmers machen es dem vorausschauenden Hörer allerdings nicht sonderlich schwer und laufen (sehr zum Verdruss ebenjenes Hörers) genau in besagte Falle. "Conquering The Throne" hat, das lässt sich schon beim Ersten Anhören feststellen, nichts, um als einzigartig gewertet zu werden. Das ist schade, denn Talent haben die Münchner ohne Frage, doch wenn MC Shan zum hundertsten Mal gesampelt und in "This Is Hip Hop" zu einem (durchaus guten) nicht in die Extremen schlagenden Instrumental das eigene Genre heroisiert wird, will sich verständlicherweise keine Euphorie einstellen. Ein weiteres Problem sind die Gäste, die zwar für sich genommen alle eine saubere Show hinlegen, die aber als Gesamtheit weder (ein für ein Producer-Album so wichtiges) kohärentes Bild abgeben noch sonderlich herausstehende Performances zu bieten haben - dass in dieser Hinsicht lediglich Big Left zu nennen ist, sollte aussagekräftig genug sein. Eigenen Charakter haben natürlich auch die CJM-Jungs, denen trotzdem ein recht lauwarmes Instrumental untergeschoben wird. Kurz darauf trifft man auf die schweizerischen Underclassmen in einem leider ebenfalls sehr unauffälligen "Game Time". Und so zieht sich das leider durch die ganze Scheibe, mal mit etwas pompöseren Bläsern und mal mit Streichern. Einige starke Momente gibt es natürlich trotzdem: "U Don't Know Me" ist (mit melancholischem Touch) angenehm ruhig, in "By Any Means" gelingt der Streichereinsatz erfreulich gut und "Pitch Black" fährt stilvoll die stürmische Schiene, wenngleich die Darbietung von W.A.R.P.A.T.H. nichts Besonderes ist. Auf der anderen Seite stehen Minimalstvariationen von unzählbar oft gehörten Kopfnickerkonzepten, wie etwa "Classic Hits" mit den professionellen Durchschnittlern von Randam Luck oder die wiedergekäuten Battle-Raps von Emskee in "International Selection". Dass Braille nicht auf diese Party passt, konnte man sicher vorher schon erahnen, sein pseudo-tiefgreifender und mit piepsig-dünner Stimme vorgetragener "Quiet Storm" vergrault dann schon in der anfänglichen Hook jegliche eregierten Ohren. Gänzlich sparen können hätte man sich übrigens auch die beiden "Chapter"-Skits.

So sehr man es ihnen gegönnt hätte, als Einstand ist "Conquering The Throne" keine wirklich überzeugende Angelegenheit. Selbst die noch nicht gänzlich von der zu großen Zahl mittelmäßiger BoomBap-Platten übersättigten Hörer dürften hier auf der Suche nach Knallern verzweifeln. Wenn selbst den Snowgoons vorgeworfen wird, das Standardrezept überzustrapazieren, dürfen die Hitfarmers nicht darauf hoffen, mit einem solchen Erzeugnis einen großen Wurf zu landen. Auch hätte man bei der Wahl der Gäste unter Umständen ein etwas weniger wahllos wirkendes Bild anstreben sollen. Dieses Debüt kommt schließlich dank einiger gelungener Tracks mit Ach und Krach noch auf eine ausgeglichene Bilanz, mit gleichbleibender Leistung wäre ein weiteres Album aber gänzlich unnötig.

4.8 / 10

Skillz - The World Needs More Skillz





Release Date:
26. Oktober 2010

Label:
E1 Entertainment

Tracklist:
01. Celebrate Life
02. Regular Guy
03. Wants And Needs (Feat. Bilal)
04. Call Me Crazy (Feat. Raheem DeVaughn)
05. Superbad
06. Enjoying The View (Feat. Joe Tann)
07. The World Needs More Skillz (I Gotchu)
08. Flash Of Genius
09. Going Up
10. R.N.I.T.R.
11. Good Money
12. Adam
13. Still Standing

Review:


So bekannt er in der BoomBap-Szene dank seines 1996er Debütalbums auch sein mag, so sehr gehört Skillz zu der Sorte Rapper, die im neuen Jahrtausend weiterhin darum bemüht ist, Anschluss zu finden. Der Emcee aus Virginia hat mit seinem KOCH- (bzw. inzwischen E1-)Deal nicht die schlechtesten Karten, sein inzwischen gut zwei Jahre altes letztes Album erhielt trotzdem - zu Recht - weitesgehend lauwarme Kritiken. Also wird der nächste Versuch gestartet, der Welt zu beweisen, dass die HipHop-Welt mit mehr Skillz besser dran ist. "The World Needs More Skillz" ist der dementsprechende Titel des nunmehr fünften Albums, das laut Eigenaussage ganz anders als noch der Vorgänger sein soll.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die der Kritik nie müde werdende HipHop-Gemeinschaft erblickt einen Skillz in Lehnstuhl und Pose, die mehr nach einem Rap-Rentner als nach einem Battle-König, der Skillz ja immer noch zu sein beansprucht, aussieht. Die Botschaft ist gleichsam grauenvoll wie unmissverständlich: Mr. Skillz ist noch reifer geworden. Die volle Dröhnung dieser Reife haut er seinem Publikum dann auch in den 13 folgenden Tracks um die Ohren, was natürlich nur auf psychischer Ebene wehtut, denn mit den butterweich geschliffenen Instrumentals, die Skillz von großteils unbekannten Nonames rekrutiert, versprüht kein einziger auch nur im Ansatz Gefahr. Softe Klänge und meist eine sekundäre Rolle bekleidende Drumlines illustrieren die Light-Versionen von etwas Piano-Geklimper, ein paar Synthies oder auch einem kleinen Streicheraufgebot. Oder um es mit "Million Dollar Backpack" zu vergleichen: Was damals negativ auffiel, wird weiterverfolgt und ausgebaut. Skillz mimt den gut gelaunten, sympathischen Elternvorzeigerapper, der ermüdend positive Stimmung verbreiten will. Dass er dafür nicht so recht beschaffen ist, scheint ihm nicht in den Sinn gekommen zu sein, ebensowenig wie er an keiner Stelle zu merken scheint, dass sein Beat-Teppich so unterhaltsam ist wie die wiedergekäute Portraitierung des "Regular Guy", der er zu sein vorgibt. Für die einen fehlen bei solchen Songs Ecken und Kanten, und selbst wenn man die Liebe-Musik-Prämisse akzeptiert, klafft zwischen der Realität und dem Schluss, es hier mit einem stark umgesetzten Album zum Relaxen zu tun zu haben, eine breite, schwarze Schlucht. Griffige Ideen scheint Skillz ebenfalls keine mehr gehabt zu haben, weswegen man über Tracks wie "Celebrate Life" stolpert, dessen lethargische Party-Aufforderungen man kaum ernst nehmen kann, zumal der Beat so schlaff daherkommt, dass sich nicht einmal der kleine Zeh rührt. Ein nicht unbedeutender Teil der LP richtet sich ans schönere Geschlecht und gibt Skillz ausgiebige Gelegenheit, sich als Gentleman und guter Kerl zu inszenieren. Da ist die Storytelling-Abhandlung über das "stick up chick" in "Superbad" sogar eine willkommene Abwechslung mit einem durchaus stark performenden Skillz, die - man ahnt es schon - wegen Defiziten in der trockenen Produktion trotzdem keine Begeisterungsstürme lostritt. Was also tun? Wie wäre es mit einer Widmung an einen gestorbenen Freund, in diesem Fall DJ AM und geschehen in "Adam"? Ohne ein Urteil über die Tragik des Verlusts abzugeben, hat man schon bewegendere Grabreden in Songformat gehört, zumal der von Claps begleitete Beat nicht viel Trauer hergibt. Wenn wie in "Wants And Needs" dann doch einmal das Tempo angezogen wird, greift die scheinbare Sample-Knappheit im HipHop und man ist unweigerlich daran erinnert, wie ein gewisser Nine vor einigen Jahren selbiges Sample in seine Einzelnoten zerlegte, nur um Skillz' zart besaitete Performance in kein gutes Licht gestellt zu sehen. Die Battle-Künste sollen im Titeltrack demonstriert werden, doch auch an dieser Front fehlt inzwischen Einfallsreichtum ("You bros' not crazy / Y'all just playin notorious like Gravy / [...] / Man, my flow in the top of the trees / Your flow stopped growing in '93 - it's Jermane Dupri"), ganz zu schweigen vom miserablen Instrumental von Harley. Nachdem in "Good Money" dann nochmals ohne großen Nachdruck (wenngleich besser als auf den meisten anderen Songs) gefeiert wurde und mit "Still Standing" ein obligatorischer Pseudo-Motivationssong das letzte Häuflein setzt, wird der wenig begeisterte Hörer entlassen.

Fazit: so nicht. Der Charakter des erwachsenen Connaisseurs führt in diesem Format zu nichts und dient lediglich als Einschlafhilfe. Ganz nebenbei konnte Skillz dabei auf qualitativer Ebene nicht einmal die altbackenen und einfallslosen BoomBap-Strukturen, die noch beim letzten Album Kritik ernteten, übertreffen - die Zahl der akzeptablen Songs ist dafür zu gering. Anstatt sich darauf zu besinnen, was sein Debüt damals zu einem Erfolg machte, wird weiterhin nach Erfolgsrezepten gesucht, die Skillz' eigentlich vorhandenes Talent kastrieren und schon viel zu oft (vor allem in besserer Ausführung) gehört wurden. Geht es nach diesem Album, darf gesagt werden: "The World Needs More Skillz"? Mag sein. Skillz aber auch.

4.2 / 10

9th Prince - One Man Army


Release Date:
12. Oktober 2010

Label:
Babygrande Records / ihiphop Distribution

Tracklist:
01. 9th Chamber
02. Hood Guerillas
03. Concrete Jungle
04. What U Wanna Do (Feat. Dom Pachino)
05. I Remember
06. Assassins (Feat. Sav Killz & Dasha)
07. Another Summer Love (Feat. RZA, Beretta 9 & Outlines)
08. Ladies And Gentlemen (Feat. Frukwan)
09. Industry Grave Digga
10. Young Black Millions (Feat. Don Don)
11. Rap Disease (Feat. Akir & Archangle)
12. Be Careful What You Wish 4
13. Prince Of The Empire State (Bonus)

Review:
Babygrande scheint in die Release-Offensive zu gehen und schickt alles, was es noch unter Vertrag hat, mit neuen Alben ins Rennen. Einer dieser Kandidaten ist 9th Prince, der nach dem Re-Release seines "Prince Of New York" sein letztes Album über die Wu Music Group an den Start brachte - was übrigens auch erst ein halbes Jahr her ist. Doch die Taschen von Chuck Wilson scheinen nicht dick genug zu sein, was die Wiederveröffentlichung von "Granddaddy Flow" nur unterstreicht. Darüber hinaus sind ja angeblich die Aufnahmen für das neue Killarmy-Album voll im Gange, was es recht zweifelhaft erscheinen lässt, ob in "One Man Army" der nötige Aufwand gesteckt wurde.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Das Producer-Lineup ist immerhin schonmal nicht schlecht: RZA, True Master und Bronze Nazareth geben sich neben unbekannteren Namen wie BP, Shawneci oder Soul Professa die Ehre. Auf die Idee, dass man vom letzten Album unter Umständen noch bestens verköstigt sein könnte, ist der neunte Prinz aber anscheinend nicht gekommen. So ist dieses auch das Hauptproblem der Scheibe: Übersättigung - dicht gefolgt von einer der Langeweile gefährlich nahekommenden Routine. Ein Hauch Ideenlosigkeit steht schon dem Cover ins Gesicht geschrieben und auch sonst waren die geschwungenen lyrischen Schwerter schonmal schärfer. Das soll natürlich nicht heißen, dass 9th Prince vollkommen ins Klo gegriffen hat; seinen Geschmack für gute Beats zeichnet ihn weiterhin vor Brüdern im Geiste wie etwa Dom Pachino aus, voll ins Schwarze wurde aber ebensowenig getroffen. "One Man Army" geht nicht mehr so sehr direkt nach vorne wie "Revenge Of The 9th Prince" und bleibt insgesamt etwas blasser. Das mag daran liegen, dass - obgleich 9th seit jeher auf unbekannte Namen setzte - die Verpflichteten an den Boards meist nichts liefern, was man nicht schon gehört hätte. Da schaffen in manchen Fällen auch die teils nicht uninteressanten Gäste keine Abhilfe, schon gar nicht Abt RZA höchstpersönlich, der "Another Summer Love" den Beat und seine Stimme zur Verfügung stellt, nur um sich mit einem seicht-sonnigen Nümmerchen eines Songs eine Backpfeife für den Tiefpunkt der LP einzufangen. Dieser Song als Vorab-Single in Kombination mit dem Cover gibt dann aber glücklicherweise doch ein falsches Bild der LP ab: Bestes Gegenbeispiel ist schon der Opener "9th Prince", der mit tanzenden Streichern und Kung-Fu-Sample zwar nicht überrascht, aber trotzdem alle Wünsche erfüllt. Für einen weiteren Höhepunkt ist Bronze Nazareth zu danken, der für "Concrete Jungle" einmal mehr das fabriziert, was er am besten kann und was auch 9th Prince gut zu Gesicht steht. Später dann wird demonstriert, dass die Killarmy-Masche nicht immer funktioniert: "Rap Disease" klingt ein wenig zu sehr nach Standard, um mit seinen schmetternden Hörnern zu begeistern. Wo 9th in fast allen Tracks wenig bis nichts zu sagen hat (an einer Stelle wird Bruder RZA's Intellekt über den eines Einstein gestellt), hebt sich "I Remember" vom Rest ab und gibt einen schönen Rückblick bis in die Neunziger, was dem Hörer den Wu-Tang-Hype, die Killarmy-Entstehung usw. aus schön subjektiver Perspektive beschert. Da ist ein Track wie "Young Black Millions" recht schnell vergessen. Die besseren Momente haben sowieso oft Streicher im Gepäck, so etwa "Be Careful What You Wish 4" oder "Assassins". Wer dem Album insgesamt vorwiegend kritisch gegenübersteht, dem macht 9th mit "Prince Of The Empire State" noch ein versöhnliches Abschiedsgeschenk, das aus True Master's Hand einmal mehr die (selbst unter Wu-Künstlern anscheinend) halb totgesagte Stärke der Wu-Elements unterstreicht.

Sein drittes war schon sein schlechtestes Album, 9th's viertes unterbietet den Vorgänger sogar noch und kommt nicht über das gute Mittelfeld hinaus. Man kann nur schwer hoffen, dass die richtigen Kracher-Beats für die Killarmy-Platte aufgehoben wurden und dass "One Man Army" mehr schlecht als recht und unter Zeitdruck von Babygrande zusammengekleistert wurde - unter diesen Bedingungen wäre die Scheibe noch eine echte Wonne. Denn bei aller Kritik gibt es nicht wenige Tracks, die sich nicht nur als unverbesserlicher Wu-Head genießen lassen. Als Produkt obersten Niveaus sollte "One Man Army" dabei aber nicht betrachtet werden - das nächste Mal doch bitte wieder etwas mehr Zwischenraum zum vorigen Album.

5.8 / 10

Skyzoo & Illmind - Live From The Tape Deck


Release Date:
05. Oktober 2010

Label:
Duck Down Music

Tracklist:
01. Digital Analog
02. Frisbees
03. The Burn Notice (Feat. Sean Price & Rock)
04. Speakers On Blast
05. #Allabouthat
06. Barrel Brothers (Feat. Torae)
07. The Winner's Circle
08. Krylon
09. Kitchen Table
10. The Now Or Never (Feat. Styles P & Buckshot)
11. Understanding Riley (Feat. Rhymefest)
12. Langston's Pen

Review:
Die Release-Flut im Hause Duck Down geht munter weiter. Und es scheint sich zu rechnen, denn wo andere Labels sich das Pressen neuer CDs nicht leisten können, haben Dru Ha und Kollegen anscheinend keine Bedenken, ein neues Skyzoo-Album ein Jahr nach dem offiziellen Debüt zu veröffentlichen. Immerhin gilt der Emcee aus Brooklyn spätestens seit besagtem Debüt als einer der vielversprechendsten "Newcomer", der in Form von (und dank 9th Wonder und Khrysis) Illmind zudem einen derzeit gefragten Producer für dieses Kollaboprojekt, das dem Hörer "Live From The Tape Deck" entgegenschallt, gewinnen konnte.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Für alle Freunde (vor)schneller Urteile sieht die LP beileibe nicht nach etwas aus, auf das man sich zu freuen hat. Die Nostalgie-Referenz, die der Titel abgibt, geht beinahe Hand in Hand mit dem inzwischen einschläfernden Credo, goldene und bessere Zeiten der HipHop-Kultur zurückzubringen. Glücklicherweise muss diese Vermutung so nicht stehenbleiben, denn wenngleich man ebendiese Motivation bei Skyzoo erwarten könnte und obwohl Illmind mit dem, was er zuletzt von sich hören ließ, wahrhaftig keine Erleuchtung (um nicht zu sagen: stinklangweilig) war, soll das Ziel, das man sich für "Live From The Tape Deck" gesetzt hat, nur hinsichtlich des Qualitäts-Geistes ein Blick zurück sein. Der Sound selbst soll voll und ganz 2010 sein. In der Tat bekommt der Hörer recht schnell zu spüren, dass Sky und Ill sich keinesfalls anhören wollen, nur Altbackenes aufzubereiten, weswegen BoomBap-Strukturen nicht omnipräsent sind und Elemente wie Synthies unerwartet hohen Einsatz finden. Das ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung, doch so ganz hat Illmind seinen Hang zur Langeweile nicht verloren, weshalb er als alleiniger Producer an einigen Stellen ins Straucheln gerät. Skyzoo dagegen, obwohl er selbst im Vorfeld erwähnte, dieses Album solle weniger Konzepttracks beinhalten, gibt ein überraschend gutes Bild ab und gießt einige lupenreine Tracks in die von Illmind vorgegebenen Fassungen. Im Falle "Digital Analog" ergibt das einen das Album definierenden Track, der somit perfekt an die erste Stelle passt, zumal Illmind's Beat ebenfalls schwer in Ordnung ist. Das funktioniert allerdings nicht immer, der verbale (nichts mehr rettende) Schlagabtausch mit Torae als "Barrel Brothers" beispielsweise bringt den einfallslosen Illmind zum Vorschein, der einem gestohlen bleiben kann. Immerhin gibt er sich Mühe, es besser zu machen, was auch streckenweise gelingt: "Understanding Riley" ist so ein Fall, in dem Sky den Ego-Hunger, der den klischeebepackten Boondocks-Charakter ausmacht, erklärt und rechtfertigt. Unter den restlichen Gästen finden sich Buckshot und Styles P, die auf dem trockenen und wenig attraktiven "Now Or Never" stranden, wobei vor allem Buckshot stimmlich eingeht (bei ihm keine Seltenheit). "The Burn Notice" hätte die Schützenhilfe von Rock und Ruck, die auf dem Illmind-Instrumental (ganz im Gegensatz zum stimmlich etwas zarter besaiteten Sky) nicht so recht zünden wollen, nicht nötig gehabt. Der Track endet mit einem Auszug aus "Do The Right Thing", das als perfekter Vorlauf (und Batterienkauf) für "Speakers On Blast" fungiert, das nicht viel mehr sein will, als der Titel bereits verrät. In "Kitchen Table" funktionieren ausnahmsweise die simplen Zutaten (gesunde Drumline und Piano-Sample), im restlichen Aufgebot findet sich "Frisbees", bis auf die bescheuerte Hook das Highlight der Platte mit großartigen Raps (was Skyzoo hier treibt, wird man schnell selbst heraushören), außerdem ein aus Writer-Perspektive startendes und dann unverständlicherweise in (recht totgetrampeltes) Storytelling-Gelände wechselndes "Krylon" sowie "#Allaboutthat", die semiromantische Nummer über soulig-smoothes Instrumental.

Hat sich dieser Zusammenschluss also gelohnt? Ja, durchaus. Illmind wird dazu motiviert, seinen Hintern aus der selbstgeschaffenen Beat-Ödnis zu schwingen und zumindest den mit Teilerfolg beschiedenen Versuch zu wagen, etwas Neues in seine Instrumentals einzubauen, während Skyzoo selbst auf jenen Beats klingt, als wäre er dort zuhause. Übertrieben gut ist das Endergebnis deswegen nicht, hin und wieder beweist Ill, warum er den BoomBap-Stillstands-Standard mitdefinieren könnte, während auch Skyzoo trotz insgesamt lobenswerter Performance nur mit einem recht langweiligen Stimmorgan gesegnet ist. "Live From The Tape Deck" ist trotzdem schon deshalb eine positive Überraschung, weil es keine eintönige Retrosause geworden ist. Dass es zu einem guten Album ebenfalls nicht ganz gereicht hat, lässt sich dabei eigentlich verkraften.

6.2 / 10

IDE & Alucard - For Fuck Sake


Release Date:
28. September 2010

Label:
Creative Juices Music

Tracklist:
01. Open Bar
02. Mix Signals
03. For Fuck Sake (Feat. Critical & UG)
04. Slurred Speech
05. Drunken Masters
06. Tequila Shots (Feat. I Am Many)
07. Beer Muscles
08. Porcelain Gods (Feat. Respect Tha God)
09. Triple Distilled (Feat. Jise)
10. Dirty Ol' Town
11. Drink By Myself
12. Irish Car Bombs
13. Home
14. Puerto Rican Rum (Feat. UG)
15. Last Round
16. I Got To Go (Feat. Frank Sasoon)

Review:
Was soll man von einem Machwerk halten, das sich damit brüstet, ausschließlich in nicht nüchternem Zustand gefertigt worden zu sein? In der Regel wohl nicht viel, doch glücklicherweise darf bei HipHop als Profession eine Ausnahme gemacht werden. Die Schuldigen Schnapsdrosseln sind IDE und Alucard, zusammen mehr oder weniger das Herzstück des New Yorker Underground-Labels Creative Juices Music. Dort besitzt man die Unverfrorenheit, ein solches Album aufzunehmen und ihm dann auch noch einen unerhörten Titel wie "For Fuck Sake" zu verpassen - dass damit die Essenz der Platte getroffen wurde, erkennt man aber schon, ohne die Scheibe gehört zu haben.

 WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Für Fans des Labels ist dieses Album mehr als nur ein kleines, Whiskey-durchflößtes Nebenprojekt. Es markiert einen Wendepunkt in der Lebenslinie von CJM (oder sollte dies zumindest tun), denn nachdem die jüngeren Projekte zusehends von dem ursprünglichen, so geschätzten Stil von IDE und Konsorten abdrifteten - ganz ungeachtet der Tatsache, dass "Ideology" immer noch ein gutes Album war -, wurde für hiesiges Projekt versichert, dass es wieder vollgepackt mit rohster CJM-Ware sei. Ring frei also für die "Jameson stories", die zur großen Freude aller Vorahnungsbelasteten zum Großteil von IDE selbst produziert wurden - ein nicht selbstverständlicher Luxus. Dass die Welt außerdem noch in Ordnung ist, kündigt sich schon mit den ersten Sekunden von "Open Bar" in Form eines von wummernder Bassdrum umrahmten Hochgefühls an. Man hat es zu einem gewissen Grad mit einem Fun-Album zu tun, doch den Sound und die Battle-Rhymes beeinflusst das nur bedingt - eine sehr ähnliche Grundeinstellung haben IDE und Alucard sowieso im nüchternen Zustand, ein schwerer Hang zum Jameson schlägt hier natürlich trotzdem voll durch und passt dabei bestens zu den Instrumentals, die sich nicht einmal im Ansatz mit dem vergleichen lassen, was Anfang des Jahres auf "Addicted To The Vision" zu hören war. "For Fuck Sake" sind wieder düstere, ungebrauchte Samples aus den Abgründen von IDE's Crates über dröhnende Bass- und krachende Drumlines. Kurzum alles, was man von Creative Juices möchte. Sehr zur Freude des Genießers reift das Album zudem von Hörgang zu Hörgang und offenbart ein ums andere Mal neue Perlen - "Drink By Myself" ist ein solcher Fall, der zwar nicht zu den besten Momenten zählt, den man aber trotzdem (nicht sofort) schätzen wird. Und beste Momente hat das Album glücklicherweise reichlich. Da wäre beispielsweise schon der Titeltrack, "For Fuck Sake", der die CJM-Mitglieder in feinster Manier über ein Edelstück aus IDE's Schmiede jagt und zudem noch einen erstklassigen Mitgröl-Refrain abwirft. Den Wanderpokal für den besten Gastproduzenten dagegen fährt TzarizM ein, der mit "Drunken Masters" eine Bombe loslässt, die an keinen Ort besser gepasst hätte als auf diese LP und das Konzept so trefflich verkörpert, dass man als Hörer fast dieselbe Freude hat, die man dem sichtlich in Fahrt kommenden Duo am Mic anhört. Nicht zu verachten sind die schon genug aussagenden Track-Titel: Das "Beer Muslces"-Flexen geht mit pompösem Voice-Sample als weiteres Highlight vonstatten, die "Tequila Shots" teilt sich Alu mit niemandem, lässt allerdings Many Styles noch mit einem Gedankenmonolog folgen. Im hinteren Teil des Albums, kurz vor der "Last Round", die natürlich auch mit einem Song geehrt wird, hat IDE noch ein paar schwer amüsante Worte zu seinem "Home" zu sagen ("They say there's no place like home / But I got no place to go!") und unterstreicht damit sein auf der LP hart erarbeitetes Alkoholikerprofil. Wem das noch nicht genug ist, der bekommt in "Triple Distilled" einen weiteren Kracher in dreifach am Mic veredelter Form, darf sich in "Irish Car Bombs" über erneut grandioses Sampling freuen und wird in "Puerto Rican Rum" erleben, wie der an sich schon fruchtige Beat zur Hälfte versiegt, nur um Platz für ein zweimnütiges UG-Solo zu machen, in dem der stimmgewaltige Dwella über ein weiteres Sahne-Instrumental keine Überlebenden hinterlässt. Den einzig ernst zu nehmenden Kritikpunkt findet man in "I Got To Go", das als zehnminütiger Vortrag von Frank Sasoon erheblich überdimensioniert ist.

Alle langsam aufkeimenden Zweifel hatten durchaus ihre Berechtigung, doch IDE schafft, was wenigen anderen Künstlern gelingt: Nachdem er mit "Ideology" eine andere, weniger ertragreiche Richtung eingeschlagen hat und es für einen Außenstehenden so aussah, als drifte er (die altbekannte Krankheit) komplett von seinem ursprünglichen Stil ab, gelingt die Kehrtwende auf einem Hauch Lo-Fi, mit Alkohol als Treibstoff und in neuem Glanz. Hoch anrechnen muss man IDE und Alucard das Absehen von namhaften Gästen oder außenstehenden Produzenten, die eventuell einen käuferwerbenden Effekt eingebracht hätten. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass man mit den kommenden Projekten genau dem Motto von "For Fuck Sake" treu bleibt, und zumindest für "Primitive Tools" stehen die Zeichen gar nicht schlecht. 

 7.8 / 10

Big Remo - Entrapment


Release Date:
28. September 2010

Label:
It's A Wonderful World Music Group / Jamla

Tracklist:
01. The Cast
02. What It Takes
03. Don't Matter (Over There)
04. The Game (Tre 4)
05. Go (Feat. 9thMatic)
06. Wonderbread (Feat. David Banner)
07. Mo Heat (Quiet Nights)
08. Girls Most Wanted (Feat. Colin Munroe)
09. Serenity
10. Go Ladies (Feat. Robert Alred)
11. Woop Woop (Stand Back) (Feat. Ricky Ruckus, 9thMatic)
12. Entrapment (Feat. Khrysis)
13. What Is Your Name (Feat. Mela Machink)
14. It's Like That
15. Grown Man Biz
16. Without You
17. Nothing's Gonna Stop (Feat. Tyler Woods)

Review:
Big Remo ist ein so austauschbarer Name, dass man versucht zu glauben ist, ihn bereits auf zahlreichen Alben der Justus League als Feature gelesen zu haben. Der einzig bisher erwähnenswerte Auftritt findet sich allerdings nur auf 9th Wonder's "Dream Merchant Vol. 2", was gleich den Bogen zu Remo's Labelsituation spannt: Als Schützling von 9th Wonder ist sein "Entrapment" das erste Album, das einzig und allein über 9th's It's A Wonderful World Music Group" (genau genommen über den Jamla-Zweig erscheint, was der LP nach der Little-Brother-Trennung noch eine besondere Beinote gibt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
In gewisser Weise hat nicht nur Remo, sondern auch 9th hiermit etwas zu beweisen, schließlich wirkt sein IWW-Label wie ein kleiner Konkurrenz-Betrieb zu den (Ex-)Kollegen bei Hall Of Justus. Mit Ausnahme von Khrysis scheint man auch (trotz Shoutouts) recht isoliert zu arbeiten. Man könnte meinen, eine Justus League wäre schon mehr als genug, doch mit Big Remo legt 9th Wonder den Paradebeweis vor, dass sich in North Carolina immer noch ein weichgespülter Conscious-Rapper mehr finden lässt, um über die seit nunmehr Jahren stagnierenden Beats der Little-Brother-Gefolgschaft zu wandeln. Wieso also sollte das auf hiesigem Release anders sein? Ganz genau, ist es nicht. Zwar werden bei der Verpflichtung der Produzenten alle Register des neuen Jamla-Rosters gezogen (E. Jones, Ka$h, Fatin, AMP, Khrysis), im Endeffekt hätte es aber auch keinen großen Unterschied gemacht, wenn 9th Wonder in einer Standardsession alle Instrumentals selbst seinem Fruity Loops abgerungen hätte. Doch er ist inzwischen schwer damit beschäftigt, als 9thmatic die Welt der Mikrophone unsicher zu machen. Das eigentliche Problem, das man mit "Entrapment" allerdigns haben sollte, rührt daher, dass keiner der Beteiligten auch nur ansatzweise versucht, aus der Schublade, in die man die North Carolinians der ehemaligen Justus League schon vor längerer Zeit verbannt hat, zu entkommen. In der Sample-Landschaft, die durchgehend in einem vertraut wirkenden Milieu spielt, wird jeder auf ein paar alte Bekannte stoßen, der Beat-Teppich bietet wenig Überraschungen und kommt auf sachten Drums und hin und wieder auch mit gepitchten Voice-Samples daher. Wie das schon immer bei der Justus League war, besteht das Resultat auch hier aus einigen netten Tracks, für echte Highlights reicht es dagegen kaum bis gar nicht. Achja, dann wäre da natürlich noch Remo selbst; für seine Austauschbarkeit seien ihm gar keine großen Vorwürfe gemacht, doch zuträglich ist es einem Album selbstverständlicherweise auch nicht, wenn jemand klingt wie ein gesichtsloser Lakai aus der zweiten Reihe (der Remo in der Tat auch ist). Thematisch wird man mit einem für Rap sehr alltäglichen Bühnenbild konfrontiert: Es wird gehustelt, es bleibt Zeit für die eigenen Wünsche und Träume und das Albummotto, die sozialkritische Metapher auf die Lebenssituation der Hood-Allgemeinheit, kommt natürlich auch nicht zu kurz. "What Is Your Name", erzählt als akzeptabler Track von einem Frauenschicksal und versucht, als tiefgreifender Track etwas Abwechslung ins Geschehen zu bringen. Zu den besseren Tracks der Scheibe zählen: Khrysis' hübsch drumlastiger Opener "What It Takes", das inhaltlich etwas hohle "Woop Woop", "Without You" und das satt soulige "Go Ladies", denen eine ganze Reihe an schnell vergessenen Standardtracks gegenüberstehen. Dazu zählen auch "Wonderbread" (trotz dem Abwechslung bringenden David Banner) sowie "Go", in dem 9th's Bemühungen am Mic einmal mehr höchstens mit einem Achselzucken quittiert werden können.

Kurz umd schmerzhaft: Die Rap-Welt braucht keinen Big Remo - sie hat schon zu viele. Dafür kann Remo natürlich nichts, er ist wohl lediglich zu spät dran mit seinem Debüt, das so oft an die hundert Justus-League-Alben, die man bereits kennt, erinnert. Abgesehen davon, dass er sich also nicht profilieren kann, ist er ein solider Emcee, dem man problemlos zuhören kann. Für 9th Wonder's IWW ist dieses Album ebenfalls kein glanzvoller Einstand, schließlich wurde die Chance, sich direkt zu Beginn von der Einfallslosigkeit, mit der man bei HoJ zu kämpfen hat, zu distanzieren, verpasst. Wer Alben mit Beats von 9th und Khrysis bis zuletzt gefeiert hat, der wird auch mit "Entrapment" glücklich, was daran liegt, dass die gebotene Kost natürlich keinesfalls schlecht ist. Ganz nüchtern betrachtet ist sie aber auch keine Offenbarung.

5.1 / 10

Waka Flocka Flame - Flockaveli


Release Date:
05. Oktober 2010

Label:
1017 Brick Squad / Warner Bros. / Asylum Records

Tracklist:
01. Bustin' At 'Em
02. Hard In Da Paint
03. TTG (Trained To Go) (Feat. French Montana, YG Hootie, Joe Moses & Baby Bomb)
04. Bang (Feat. YG Hootie & Slim Dunkin)
05. No Hands (Feat. Roscoe Dash & Wale)
06. Young Money / Bricksquad (Feat. Gudda Gudda)
07. Fuck The Club Up (Feat. Pastor Troy & Slim Dunkin)
08. Homies (Feat. YG Hootie, Popa Smurf & Slim Dunkin)
09. Grove St. Party (Feat. Kebo Gotti)
10. O Let's Do It (Feat. Cap)
11. Karma (Feat. YG Hootie & Popa Smurf)
12. Live By The Gun (Feat. Raw Diggs & Uncle Murda)
13. For My Dawgs
14. G Check (Feat. YG Hootie, Bo Deal & Joe Moses)
15. Snake In The Grass (Feat. Cartier)
16. Smoke, Drank (Feat. Mouse & Kebo Gotti)
17. Fuck This Industry

Review:
Wer hin und wieder einen Blick Richtung Süden wirft, um sich über die dortigen Trends - seit einigen Jahren nunmehr eine der Speerspitzen des Mainstream-HipHop-Genres (ohne dabei jegliche Wertung abzugeben) - schlau zu machen, der wird auch über den Namen Waka Flocka Flame gestolpert sein. Seit gut einem Jahr macht der Interpret aus Riverdale, Georgia die Szene mit seinem (wie er es selbst nennt) Westcoast-beeinflussten Crunk unsicher. Mit dem (ehemaligen) Mentor Gucci Mane, der ebenso wie OJ Da Juiceman zur Label-Gemeinschaft gehört, hat der Ahnungslose schon zwei, mit Waka's Gastauftritt auf Lil Jon's letztem Album drei Anhaltspunkte, was ihn auf dem so sehnlichst erwarteten Solodebüt "Flockaveli" erwartet.

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Wer also dumm genug ist, sich dieses Album zu kaufen oder aber es einfach nur anzuhören, um sich den "einfach nur Stimmung machen wollenden" Sounds des Waka Flocka Flame auszusetzen, den erwarten ganze 70 Minuten mit teils schwer amüsanter und teils zutiefst verstörender "Musik". Wer schon beim Namen ins Stolpern kommt, dem sei verraten, wie Waka seinen eigenen Namen wieder und wieder über die Lippen bringt: Wo die amerikanische Sprache allgemein eine starke Tendenz zur Vereinheitlichung ihrer Lautsprache in Richtung Schwa aufweist, verkümmert Waka's verbale Artikulation vollkommen zu herausgestoßenen Lauten, die eher an die Brunftlaute einer prähumanen Spezies als an einen Homo Sapiens erinnern. Um Konsonanten herauszuhören, muss man sich schon gewaltig anstrengen, die harten werden sowieso gänzlich eingeweicht. Der kultivierte Rap-Fan hielt Mike Jones seinerzeit für repetitiv? Dann kann er dieses Album nicht gehört haben, dann muss es (zu seinem eigenen Glück) an ihm vorbeigezogen sein, wie Waka dem Hörer in "Hard In Da Paint" seinen Namen wie ein sich gerade der Sprache bemächtigender Zweijähriger vorkaut. Deswegen sei davon abgesehen, Waka in die Riege der Emcees (oder auch erst der Rapper) aufzunehmen, zumal sein lyrisches Spektrum so eindimensional ist wie sein phonetisches. Auf der Suche nach Hoffnungsschimmern in diesem Sumpf primitiver Geräuschkulisse begibt man sich an eine andere Front, zu den hauptsächlich von Lex Luger produzierten Beats. Hier großes Lob auszupacken, wäre (wie hätte es anders sein können) ebenfalls schwer irrational, doch vermag der Instrumentalteppich den einen oder anderen Song davor zu retten, total ins Wasser zu fallen. Könnte man Waka subtrahieren, hätte man mit "For My Dawgs" sogar einen Höhepunkt zu feiern. Und selbst der Zottelkopf sieht hier einmal davon ab, sich verbal mit den Fäusten auf die Brust zu trommeln, sondern bekundet endlose Loyalität zu den Homies. Zur großen Freude aller Masochisten wartet mit "G Check" direkt im Anschluss wieder das totale Desaster. Nicht mehr als eine Frechheit ist die Single "O Let's Do It", die in haarsträubender Weise das Wegfallen sämtlicher Konsonanten in der Aussprache des (natürlich bis zum Erbrechen wiederholten) Titels demonstriert. Ein Desaster ist im Übrigen auch das Album als Ganzes, denn im Verhältnis zu dem, was Waka zu bieten hat, sind 17 Tracks ein gutes Stück zu viel - jeder noch so gut gemeinte Versuch, das Album durchzuhören, ist dank Eintönigkeit zum Scheitern verurteilt. Unterstrichen wird das schon durch Titel wie "Bang", "Bustin' At Them" oder "Trained To Go", das aufgrund solider Produktion allerdings sogar zu den besseren Momenten dieses Trauerspiels zählt. Irgendwo mittendrin muss man sich noch darüber wundern, wie tief Pastor Troy gesunken ist, um in der hirntoten Kopie einer Kopie namens "Fuck The Club Up" aufzutreten, während der Großteil der Gäste (irgendwo möchte man schon sagen: glücklicherweise) keine Spuren hinterlässt. Nachdem Waka sich also brüllend und mit der geschätzten Hilfe von einem Dutzend Gehirnzellen durch sein Album degeneriert hat, gibt es zum krönenden Abschluss mit "Fuck This Industry" noch eine Portion Selbstreflektion - nachdem Waka sein beschränktes Innenleben ein wenig nach außen gekehrt hat ("Shoutout to my grandma for all them ass-woopings / That shit made me tough, no more ass whoopings"), weiß man die hohlen Representer erst richtig zu schätzen.

Waka Flocka Flame will Party-Musik sein. Dieser Anspruch an sich ist auch noch völlig legitim. Der Haken ist Waka selbst, durch seine Art vollkommen unfähig, den normalen Rap-Fan zu animieren. "Flockaveli" ist Musik für Primaten und selbst die Fähigkeit, derartige Beleidigungen für den Evolutionsstand der Menschheit zu fertigen, verlangt ein gehöriges Maß an Abwesenheit von Intelligenz. Als Album versagt "Flockaveli" sowieso vollkommen, da man sich dank einiger akzeptabler Beats höchstens den einen oder anderen Track anhören kann - am Stück wären selbst bei Nichtbeachtung aller anderen Mängel die Ermüdungserscheinungen bereits zur Hälfte erdrückend. Bleibt zusammenzufassen: Waka Flocka Flame ist eine armselige, domestizierte und stimmlich kastrierte 2010er Ausgabe von Lil Jon, deren Album höchstens als Ventil für gestaute Aggressionen gehässiger Rezensenten einen Sinn findet.

1.0 / 10

Group Home - Gifted Unlimited Rhymes Universal


Release Date:
28. September 2010

Label:
Babygrande Records

Tracklist:
01. Intro
02. G.U.R.U. (Feat. Jeru The Damaja)
03. Pay Attention (Feat. Guru & Smiley The Ghetto Child)
04. Get Out The Car
05. Ghetto Soldiers (Feat. Young Luchiano)
06. Up Against The Wall (Feat. Lord Jamar & MC Ace)
07. Ears To The Streets (Feat. Young Luchiano)
08. Bodega
09. You Got It
10. Bright Lights
11. Brooklyn
12. The Realness 2010 (Feat. Blackadon & Black)
13. The Legacy (Feat. Guru)
14. Be Like That (Feat. Blackadon & Guru)
15. Sista Love (Outro)

Review:
Man hat schon die Tage gezählt, die es bis zum Erscheinen des ersten Guru-Tributalbums dauern würde. Mit Group Home setzen wahrlich nicht die unangebrachtesten Künstler diesem Zählen ein Ende. Dass es den Tod eines gemeinsamen Mentors brauchte, um eine Reunion herbeizuführen, ist etwas schade, doch nun ist man natürlich gespannt, was das Duo dieser Tage noch zu bieten hat. Die Zeit seit dem letzten Album, die Malachi The Nutcracker im Nirvana und Lil Dap mit einem mäßig begeisternden Soloalbum um die Ecke brachte, war nämlich nicht der Rede wert. Dementsprechend sieht sich das über das totgeglaubte Babygrande erscheinende "Gifted Unlimited Rhymes Universal" einem kritischen Publikum ausgesetzt.

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Die großen Virtuosen am Mic waren Dap und Malachi noch nie, doch selbst wenn sie nicht die geborenen Emcees sind, führt ihre gemeinsame Diskographie bisher zwei Alben, die allgemein mindestens als gut, wenn nicht gar als sehr gut gelten - nicht zuletzt wegen einer starken Beat-Auswahl. 2010 steht dem Duo zwar kein Premier und auch kein Agallah mehr zur Verfügung, dafür werden einige unbekannte Namen wie Lord Ron (der bereits für C-Rayz Walz produzierte), Swiss Boy oder E Water verpflichtet, die sich anschicken, den in den Neunzigern hängengebliebenen Dap und Malachi den richtigen Sound auf den Leib zu schneidern. Und wohl zur großen Überraschung vieler Hörer gelingt das erstaunlich gut. "G.U.R.U." klingt in der Tat so, wie man sich eine solche Transformation am ehesten vorstellt. Dass damit niemand mehr aus dem Sessel gefegt wird, war natürlich abzusehen, doch genau deshalb tut es gut, Group Home dabei zuzuhören, wie sie ihr Ding wie eh und je, als hätten sie nie pausiert, technisch schlicht aber solide, durchziehen. Für den vollständigen Tribut an Guru hätte man sich natürlich einen Premier-Track, am besten mit der komplett versammelten Gang Starr Foundation, gewüsncht, doch "G.U.R.U." macht ebenfalls eine sehr gute Figur und ruft mit Jeru zumindest einen der gewünschten Gäste auf den Plan, auf dass zu dritt der verlorene Freund in Ehren gehalten wird:

"Man it hurt me so much, man I had to sit back
Prayed to god, hoping that you will come back
But if your mission is done, so you gotta go now
Oh let's pray that you go to a better place now
No more jealousy and envy hurting you now
No more fake niggas just hanging around
"

Die unterschwellige Botschaft an Solar ist kaum zu verkennen, wenngleich man die restliche Zeit jedoch ausschließlich Guru selbst widmet ("It's because of you dude that I'm on my fifth passport"). Den Rest der LP bekommt man übliche Straßenkost vorgesetzt, von den Tracktiteln schon unmissverständlich angedeutet. Das könnte zwar manchmal etwas spektakulärer vonstatten gehen, klingt aber - anders als viele andere Platten - nie wie eine verzweifelte, misslungene Kopie besserer Zeiten. "Ears To The Street" beispielsweise ist als schlichter und gleichzeitig effektiver Kopfnicker genau das, was Group Home brauchen. Man kann sich natürlich auch auf die gegenübergesetzte Position stellen und fragen, wieso genau die Welt Tracks wie "Bodega" noch braucht - gleichzeitig muss man sich aber fragen, was die Erwartungshaltung an dieses Album war/ ist. Denn Tracks wie "Brooklyn" oder "The Realness 2010" knüpfen in ihrer Essenz direkt da an, wo 1999 aufgehört wurde. Von dieser Perspektive aus betrachtet ist es vielleicht kein Beinbruch, wohl aber ein schon auf "I.A. Dap" aufgetretenes Ärgernis, dass alte Tracks (von "A Tear For The Ghetto") unverändert übernommen wurden. Den damit an Guru gezollten Tribut hätte man auch anderweitig erreichen können, beispielsweise mit "Pay Attention", das als bis dato ungehörter und trotzdem ansehnlich produzierter Track den Guru-Spirit (vor allem in Gesellschaft von Smiley) optimal fortsetzt.

Manch einer wird positiv überrascht sein von dieser Scheibe. Nicht, weil sie so überragend gut ist, sondern weil die Erwartungen wahrscheinlich etwas tiefer saßen. Doch gemessen an dem, was heutzutage andernorts von Veteranen fabriziert wird, darf man sich nicht großartig bei Dap und Malachi beschweren. Sie liefern handfesten Street-Rap, wie sie es schon seit jeher getan haben, verbringen nicht zu viel Zeit des Albums damit, Guru hinterherzuweinen und bringen trotzdem einen gelungenen Tribut-Track zustande. Als Fan hätte man sich natürlich einen neuen Premo-Beat gewünscht, doch die unbekannten Produzenten stellen einen sehr akzeptablen Ersatz dar. Selbstverständlich lässt sich darüber streiten, ob ein solches Album wirklich notwendig ist, wo man doch einfach "Livin' Proof" oder "A Tear For The Ghetto" in den Player schmeißen könnte, doch abgesehen davon (und einigen mittelmäßigen Tracks) ist "Gifted Unlimited Rhymes Universal" nicht verkehrt.

6.0 / 10

Freitag, 26. November 2010

7L & Esoteric - 1212


Release Date:
12. Oktober 2010

Label:
Fly Casual Creative

Tracklist:
01. Retrospects
02. Run This (Feat. Celph Titled)
03. Aneurysm
04. 12th Chamber (Feat. Inspectah Deck)
05. The Handle (Feat. Sadat X)
06. For My Enemies
07. Drawbar 1-2 (Feat. Evidence & The Alchemist)
08. No Shots
09. Bare Knuckle Boxing (Feat. Ill Bill, Vinnie Paz & Reef The Lost Cauze)
10. I Hate Flying
11. The Most Rotten (Feat. Statik Selektah)
12. New Rapper

Review:
Man mag von ihnen halten, was man will, 7L & Esoteric sind eine feste Größe der Bostoner HipHop-Szene. Das letzte gemeinsame Album liegt zwar schon eine ganze Zeit zurück, untätig war jedoch keiner von beiden. Neben der Beteiligung an anderen Projekten (u.a. natürlich AOTP) steckte Esoteric viel Energie in seine Solokarriere, während 7L immer wieder mitprodzierte und weiter kräftig als DJ unterwegs war. Inzwischen operiert man außerdem auf dem eigenen Label, Eso's Fly Casual Creative, und kann "1212", das inzwischen fünfte Studioalbum des Duos, völlig independent veröffentlichen.

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Dass "1212" ein Dutzend Tracks an den Start bringt, ist irgendwie keine große Überraschung. Das Lineup an Gästen kann sich, gemessen an der Trackzahl, daher durchaus sehen lassen und wird all jene besonders erfreuen, die Esoteric auf Albumlänge als anstrengend empfinden - wobei es fraglich ist, ob jene Hörer dem Album überhaupt eine Chance geben. Die Produktionsarbeit wird brüderlich und fast zu gleichen Teilen zwischen 7L und ES (mit einer Ausnahme) aufgeteilt, womit den 40 Minuten BoomBap nach bewährter Rezeptur, die den Hörer erwarten, nichts mehr im Weg steht. Für die Ausrichtung der Scheibe nämlich kamen die beiden auf die äßerst kreative Idee, sich grob an älteren Zeiten zu orientieren - im Pressetext ist dann vom "darkest album yet" hinsichtlich der eigenen Diskographie die Rede, de facto gibt es nichts, was "1212" von anderen Alben dieser Tage unterscheidet (oder diese Beschreibung rechtfertigt). Das scheint dem Herrn, der das Intro zu "Retrospects" spricht und dabei so sehr wie nur irgend möglich übertreibt (die Arbeit von 7L & ES wird als essenziell für das Nicht-Zusammenfallen des metaphorischen HipHop-Gebäudes bezeichnet), nicht im Geringsten zu interessieren. Der sich anschließende Track ist dabei durchaus in Ordnung und verschreibt sich einem alles andere als neuen Schema, dem Revue-Passieren-Lassen der eigenen Karriere als Albumeröffnung. Und so folgt man Esoteric von ersten Aufnahmen wie der "Protocol"-12" bis zu seiner letzten Solo-LP und natürlich "1212". Was dann folgt, ist eine recht ernüchternde Darbietung der eigentlich höheren Fähigkeiten der beiden Bostoner, in der man sich nur selten zu sättigender Kost aufrafft. "12th Chamber" ist ein solcher Fall und erinnert mit einem lupenreinen Einstiegsverse des Inspectah's an bessere Zeiten. Zeiten, in denen (so ganz nebenbei) kein Schwein 7L & ES kannte und die auf dieser Scheibe wohl gerne (aber erfolglos) öfters heraufbeschworen worden wären. Stattdessen sieht man sich in "Drawbar 1-2" mit halbgarem Gedudel und den mittelmäßigen Auftritten einer halbmotivierten Dreierschaft konfrontiert, muss sich die stinklangweilige 08/15-ES-Produktion "Aneurysm" antun oder verspürt selbst beim Besuch der Philly-Delegation plus Ill Bill im mit ungestümem und schlichtweg unschönem Sample bestückten "Bare Knuckle Boxing" keine Freude. Selbst Celph Titled strandet auf einem undankbaren Beat und bleibt eher blass, Selbiges gilt bei "The Most Rotten" und Statik Selektah, dessen Gastproduktion man sich bis in die letzte Sekunde hätte sparen können. Punkte dagegen gibt es für die Konzepttracks: "The Handle" mit zahlreichen BBall-(Spieler-)Referenzen, "I Hate Flying", das von einem der besseren Instrumentals profitiert und von Eso's Flugangst - natürlich während eines Flugs - berichtet, sowie "New Rapper", in dem sich die etablierte Underground-Größe Esoteric über gewisse Feature-Anfragen auslässt.

Selbst unter der Annahme, dass man Esoteric ohne Einschränkung ein Album lang genießen kann, gibt "1212" nicht besonders viel her. Weder 7L noch Esoteric machen an den Boards eine überragende Figur, wenngleich 7L leicht die Nase vorne hat. Die dicke Gästeliste hat mit widrigen Bedingungen zu kämpfen und stellt nicht durchgehend eine Bereicherung dar. Die Hauptschuld lastet aber natürlich auf den streckenweise regelrecht lustlos produzierten Tracks, denen Esoteric zumeist nicht viel erbaulicher aufsitzt. Es ist wieder einmal das Unverständnis gegenüber tausende von Malen besser gefertigtem Standard, der die negativen Erinnerungen an "1212" in den Vordergrund rücken lässt. Wirklich schlecht ist die Scheibe zwar nicht, zur Empfehlung fehlen dann aber doch mehr als ein paar Zentimeter.

 4.7 / 10

Canibus - C Of Tranquility


Release Date:
05. Oktober 2010

Label:
Interdependent Media

Tracklist:
01. Captn Cold Crush
02. Salute
03. C Scrolls
04. Merchant Of Mataphors
05. Lunar Deluge
06. Golden Terra Of Rap
07. Title 17 USMC
08. Free Words
09. The Messenger's Message
10. Cingularity Point
11. Pine Comb Poem
12. Good Equals Evil
13. Worthlessness Purpose
14. Right Now
15. Golden Terra Of Rap (iM Remix) (Feat. Von Pea & Donwill, Truthlive & Moe Green)

Review:
Fast drei Jahre Sendepause und dann zwei Alben in einem Jahr - nachzuvollziehen ist die Arbeitsethik von Canibus schwerlich. In jedem Fall muss die Veröffentlichung von "Melatonin Magik" zu Beginn des Jahres 2010 eine beflügelnde Wirkung gehabt haben, schließlich konnte Canibus seit "Rip The Jacker" keine so flächendeckend guten Kritiken mehr einfahren. Der nächste Longplayer findet allerdings in komplett anderem Milieu statt: Statt War Lab steht nun Interdependent Media, das eigentlich eine ganz andere Sorte Künstler (Tanya Morgan, Finale) beherbergt, als Label hinter dem Album, welches auf den Namen "C Of Tranquility" hört.

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Weiß der Geier, wie Canibus auf die Idee gekommen ist, unter diesem Label zu releasen, in jedem Fall ist man erfreut zu sehen, dass die ersten 14 von 15 Tracks komplett ohne Gäste auskommen. Hinzu kommt ein höchstgradig bunt gemischtes Producer-Lineup, das auch einige gestandene Größen zum Vorschein bringt. Aus dem Schneider ist Canibus damit natürlich noch nicht, denn auch mit diesem Album muss sich auf ein Neues zeigen, ob er sein ewiges Problem mit den passenden Beats zu überwinden vermag. Bevor man sich diesem Punkt zuwendet, dürfen aber noch ein paar Buchstaben über die Mic-Performance verloren werden: An dieser Front ist Konsistenz das Schlagwort, denn wie eh und je presst Bis seine Raps ins Mic, um dabei den Eindruck zu hinterlassen, seinen Rap-Kollegen meilenweit voraus zu sein. Bei genauer Betrachtung ist das aber nur bedingt der Fall, denn auch bei ihm wiederholen sich Battle-Rhymes und Schmähreden gegen die sich von den wahren, in den Neunzigern verankerten Werten abwende Szene. Man kann es drehen und wenden, wie man will (wie übrigens auch das Ambigramm auf dem gähnend langweiligen Cover), doch um dieses Album spannend zu machen, braucht Canibus einen Beat-Teppich, der mindestens ebenso gut ist wie der von "Melatonin Magik". Genau hier liegt das Problem: Die meisten Untersätze sind Canibus vollkommen dienlich und erfüllen somit ihren Zweck, doch man merkt recht schnell, das zu viele verschiedene Köche ihren Löffel in die Suppe getunkt haben. Dabei ist der Einstieg noch besser als man zu hoffen gewagt hätte: Scram Jones entreißt seiner Gitarre Schallwellen, die der Hörer nahezu physisch zu spüren bekommt, was dem "Cptn Cold Crush" natürlich voll in die Karten spielt und ihn dazu motiviert, seine Ausnahmekünste zu unterstreichen sowie der maroden Szene einige Hiebe zu verpassen ("Lyricism and wisdom got overshadowed by the singin' and blingin' / Deceit by a system that's media driven"). Umso enttäuschender, dass die darauffolgenden Minuten nicht viel passiert. In "Merchant Of Metaphors" hat Agent Canibus zwar lustige Spionsgeschichten zu erzählen, der eigentlich gelungene Beat ist auf lange Sicht allerdings zu weich für das Raukehlchen. Doch von solcher Kritik muss man schnell ablassen oder man wird dem starken "Cingularity Point" (mit Ehrung von qualitativ hochwertigeren Emcee-Zeiten) nichts abgewinnen können. Gleiches gilt für das von ruhig geschlagener Gitarre untermalte "Good Equals Evil", in dem über Gott und die Welt philosophiert wird. "Golden Terra Of Rap" ist als Premo-Bis-Kollabo interessant, reißt aber keine Bäume aus und sättigt erst recht nicht das Verlangen nach etwas härterer Kost, die man auf der LP auch kaum finden wird. Ein besseres Ende hätte man dann lieber beim schönen Kopfnicker "Worthlessness Purpose" gesetzt, um sich das verkorkste "Right Now" und einen Remix mit der vollkommen unpassenden Label-Kollegenschaft zu ersparen.

Ein Traumstart wird gefolgt von einer ernüchternden ersten Hälfte und schließlich noch einigen astreinen Tracks, die für Canibus' Verhältnisse eher untypisch ruhig gehalten sind. Das funktioniert zwar in einigen Tracks richtig gut, doch der mit Erwartungen belastete Fan wünscht sich natürlich mehr Tracks vom Schlage "Cptn Cold Crush" o.Ä. (an dieser Stelle darf außerdem die "Rip The Jacker"-Keule geschwungen werden). Ob dieser Wunsch bei Interdependent Media erfüllt werden kann, bleibt anzuzweifeln, weshalb ein Umsehen nach einer anderen Label-Umgebung keinesfalls schaden kann. "C Of Tranquility" ist ein ordentliches Album, aber nicht ordentlich genug, um auf ganzer Linie im Gedächtnis gespeichert zu werden.

5.9 / 10

Click Animosity - Feeders Of The Flamez


Release Date:
06. August 2010

Label:
Metal Barz Records

Tracklist:
01. Intro
02. Lyricist Supremacist
03. Back When (Heavy Heartz)
04. Teaz-One R.I.P. (Interlude)
05. Underground Crusades (Remix) (Feat. Shabazz The Disciple)
06. Claustraphobia (Feat. Craig G, Purpose & Mami Uno)
07. Gramz Of Raw (Feat. Slaine)
08. Bullet Teeth (Feat. Abeo Rzo)
09. Ride For The Authentic (Feat. Lord Superb)
10. Hip-Hop Hand Grenades
11. Corey Hain (Skit) (Feat. Deewuallah & T-Ruckus)
12. Just Spit!!! (Feat. T-Ruckus)
13. Via Frontlines
14. Grown Man Biz (Feat. Ripshop, Cool Gzus & Dagha)
15. Jay Black R.I.P. (Interlude)
16. Colors
17. Unseen Faces (Feat. Dee Black & Slim Pickens)
18. Black Roses (Feat. Tragic Allies, Kevlaar 7 & Salute The Kid)
19. Paint Pictures (Remix)

Review:
Vor gut zweieinhalb Jahren drang die Ankündigung eines Albums aus Boston, gespickt mit einigen lokalen Gästen sowie einigen gestandenen Größen, in Begleitung eines berauschend düsteren und vielverpsrechenden Artworks an die Öffentlichkeit. Der Vorlauf zu dieser LP reicht zurück in die Neunziger und zu den Anfängen der Emcee-Karrieren von Gage-One, T.Iz.M.O.E. und Rhetoric. Die ersten beiden kennen sich schon seit dieser Zeit, bilden zuerst eine eigene Gruppe und gründen erst 2007 die Click Animosity, zu der aufgrund der vielen schon bestehenden gemeinsamen Aufnahmen recht bald Rhetoric addiert wird. Nachdem man besagtes Album dann schon fast abgeschrieben hat (der Nachrichtenstrom dazu verebbte völlig), kommt "Feeders Of The Flamez" 2010 doch noch.

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Was genau mit dem ursprünglichen Artwork passiert ist und woher das unrepresentative, hässliche neue herkommt, weiß der Teufel, in jedem Fall zählt zu den vier Schönheiten auf dem Cover noch DJ Extremidiz als relativer Hauptproduzent und viertes inoffizielles Mitglied der Truppe. Für den Großteil aller Leser wird diese die erste musikalische Konfrontation mit der Click Animosity sein; in solchen Fällen ist man natürlich gespannt, wo genau am HipHop-Himmel sich der im Kreuzverhör stehende Interpret anordnen lässt. Durch die unbekannten Produzenten und großteils ebenfalls aus Boston stammenden Gäste machen CA einem eine Einschätzung gar nicht so einfach. Auf BoomBap nach traditionellen Werten wird sich berufen, damit sind die Informationsquellen aber auch schon ausgeschöpft. Wirft man die CD in den (virtuellen) Player, stellt man schnell fest, dass dieses Trio keine übersehenen Ausnahmetalente beherbergt. Vor allem T.Iz.M.O.E. ist dabei noch der beste und in jedem Fall ein beanstandungsloser Emcee, mit Gage (der als führender Promo-Betreiber nach außen wie der Kopf wirkt) sollte man aber auch keine echten Probleme haben, während Rhetoric mit einem etwas hysterischen, uneleganten Einsatz das eine ums andere Mal anstrengend werden kann. Darüber hinaus wird man schnell feststellen, dass sich die Click Animosity nicht ganz so feindselig gebärdet, wie der Name vielleicht vermuten ließe. Bei 19 Anspielstationen war ein durchgehendes Höllenfeuer sowieso unwahrscheinlich, die Sachlage liefert immerhin einige respektable Banger und eine allgemeinen eher raue Atmosphäre - mehr also, als die meisten Alben zu bieten haben. Was ebenfalls schnell auffällt, ist die Flut an Eindrücken, die auf den Hörer niedergeht: CA wollen mit ihrem Debüt offensichtlich einiges erreichen: Man selbst will sich vorstellen, einige namhafte Gäste sollen Hörer locken und zudem als Maß und Vergleich dienen, aber auch eine ganze Palette an unbekannten Emcees tummelt sich im Lineup - das alles lässt sich nur auf einer entsprechenden Trackzahl realisieren, was die LP zusammen mit den Skits, die zu Ehren verstorbener Freunde als unverzichtbar angesehen wurden, ordentlich aufbläst. Da hilft es auch nicht, dass der Anfang mit einem viel zu typischen 08/15-"Intro" gemacht wird und "Lyricist Supremacist" die Emcees nicht bestmöglich in Szene setzt. Und während die LP immer wieder einige Tracks aus den Boxen lässt, die nicht so ganz rund klingen wollen ("Claustrophobia" taugt dafür als Paradebeispiel), und man die Skits anders hätte aufziehen sollen, ist man mit einem satten Haufen fetter Tracks sehr gut bedient: Entweder es wird wie in "Via Frontlines" frontal angegriffen oder - noch besser - stimmungsreiche Perlen wie das streichergeleitete "Black Roses" kreuzen auf. Ein ordentlicher Malus muss noch für "Colors" (das beim einen oder anderen vielleicht noch Erinnerungen an "Buddens" weckt) verhängt werden. Ein Highlight dagegen markiert der die Gastgeber in ihre Schranken weisende Auftritt von Shabazz, als Gesamtheit wissen sich "Gramz Of Raw" mit grandios rohem Voice-Sample und direkt darauf "Bullet Teeth" als bombenstark relaxtes Gegenstück hervorzutun.

Das Fazit darf im Fall der Click Animosity, obwohl das Album an sich kein Meisterwerk ist, geradezu erstaunlich gut ausfallen. Natürlich bleibt das Trio die Erfüllung der Erwartungen, die der Name schürt, schuldig, doch viel fehlt bei einigen Tracks nicht. Ganz generell setzen sich CA mit den meisten Tracks von der grauen Masse ab, für ein besseres Album wäre lediglich das Fokussieren auf die guten Songs und somit eine Komprimierung der Trackdimension vonnöten gewesen. "Feeders Of The Flamez" hat zweifelsohne seine Momente und wenngleich man es nicht mit Ausnahme-Emcees zu tun hat, darf man sich auf zukünftige Releases freuen.

6.3 / 10

LA The Darkman - Heist Of The Century


Release Date:
17. November 1998

Label:
Supreme Team Entertainment, Inc.

Tracklist:
01. Lucci
02. Shine
03. City Lights
04. What Thugs Do (Feat. DJ Rogers & Puff)
05. Heist Of The Century (Feat. Killa Sin)
06. Fifth Disciple
07. Now Y
08. Spring Water (Feat. Raekwon)
09. 4 Souls (Feat. Shotti Screwface)
10. Street Life (Feat. Tekitha)
11. Love (Feat. Maia Campbell)
12. Figaro Chain (Feat. Havoc)
13. Polluted Wisdom
14. Gun Rule
15. Element Of Surprise (Feat. Masta Killa & U-God)
16. Az The World Turnz (Feat. Raekwon)
17. Wu-Blood Kin (Feat. Ghostface Killah & 12 O'Clock)
18. I Want It All (Remix)

Review:
In der Welle der Veröffentlichungen im Wu-Tang-Camp nach den ganz großen Jahren (bis "Forever") erblicken nicht nur viele Zweitlinge und Debüts der neun Generäle, sondern auch die Debüts vieler bis dato unbekannter Emcees aus der Wu-Tang-Familie das Licht der Welt. Einer von ihnen ist 20 Jahre jung und hört auf den Namen LA The Darkman. Seine ersten Gastauftritte verbucht er bei Blahzay Blahzay und auf der ersten "Soul Assassins"-Platte, profiliert sich dabei vor allem auf Zweiterer. So kommt es, dass (natürlich profitierend vom Wu-Hype) sein "Heist Of The Century" für ein Indie-Release auch auf kommerzieller Ebene auf fruchtbaren Boden fällt.

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Doch selbst in gediegenen Wu-Fan-Kreisen zählt der Darkman zu den am höchsten dotierten Emcees, im allgemeinen Rap-Pantheon wird sein Album dieser Tage trotzdem des Öfteren vergessen. Ein schwer verständlicher Umstand, schließlich spricht schon die Tracklist eine ganz eindeutige Sprache: Am Mic leisten Wu-Gebrüder und vor allem auch einige der Generäle Gesellschaft, hinter den Reglern versammelt sich ein Lineup, das sich gewaschen hat: Da tummeln sich der RZA, 4th Disciple und 6 July direkt neben DJ Muggs und Havoc. Das sieht nicht nur gut aus, es klingt auch so. Der Albumtitel deutet schon darauf hin, dass die Gedanken des Darkman über die eines Kleinkriminellen hinausgehen, weswegen ein Einfluss von Raekwon's drei Jahre älterem Debüt nicht nur anzunehmen, sondern auch zutreffend ist. La The Darkman baut dank der exzellenten Arbeit seiner Producer eine ganz eigene Atmosphäre auf, trotzdem kommt dank der Geschlossenheit der LP das eine oder andere Mal ein Hauch von "OB4CL" auf. Als Emcee ist LA ein ganz eigener Charakter mit einem erfrischend eigenen Stil und makellosem Flow, in dem er mal über die Härte des Lebens grübelt und sich mal als eiskalter, cleverer Superthug inszeniert. Wer hier allerdings ein Album im klassischen Wu-Stil erwartet, der wird enttäuscht sein: Der Longplayer ist zwar teils königlicher Eastcoast-Sound, behält aber immer mit überraschender Bestimmtheit seinen eigenen Sound bei, einen Crime-Rap-geschwängerten Flair - schlicht und ergreifend Musik für den "Heist Of The Century". Das Verwunderliche daran ist wohl, dass der Mastermind hinter diesem Sound nicht etwa der RZA, sondern Six July ist. Die Hälfte der Tracks stellt er und gibt damit den Rahmen vor, in den sich der Rest fügt, um dabei trotzdem Abwechslung ins Spiel zu bringen. Doch egal wessen Beat, man darf davon ausgehen, dass La so abgeklärt gelassen drüberflowt, als würde er genau das schon seit Jahren tun: "Witness La, hands of stone, on this action packed odyssey / Majesty, livin' out the golden book prophecy". Bezeichnend für die LP ist, dass RZA's Beitrag, "Polluted Wisdom", zwar gut, aber nicht überragend ist. Es ist vor allem 6 July, der hier richtig aufdreht: "Lucci" beginnt mit einem Sample aus "5 Deadly Venoms" und rollt dann mit unverschämt derben Snares und einem sich sofort ins Gehirn brennenden Piano-Sample ein. So gut aufgelegt geht es in "Shine", inklusive weiterer Träume von einem geldgesegneten Leben, weiter, sodass sich auch ein Havoc für "City Lights" zu einem von lodernden Streichern getragenen (und einen für ihn eher ungewöhnlichen) Beat hinreißen lässt. "Spring Break" ist als einer der schwächeren Tracks mit deutlich lockererer Stimmung versehen und erinnert an Tony-Montana-Fantasien, die der Darkman beim Texten sicherlich das eine oder andere Mal vor Augen hatte. Der Rest der Scheibe ist jedoch absolut straßentauglich, egal ob mit Tekitha in "Streetlife", mit Kumpel Shotti Screwface oder ganz alleine im schwer melancholischen "Gun Rule", das La in nachdenklicher Verfassung zeigt. Neben jenen düster gezeichneten Skizzen des Hustler-Lebens, denen auch die bärenstarken "Figaro Chain" oder "Az The World Turnz" zuzuordnen sind, fährt La weitere Punkte auf Muggs' Titeltrack, in dem es mit Killa Sin abgebrühtes Storytelling zu hören gibt, sowie auf den Stücken, die den Charakter der Scheibe besonders prägen, ein: "I Want It All" führt in musikalischer Form die Träume eines Gangsters vor, ohne dabei auch nur eine Sekunde etwas von der Schärfe der übrigen Songs zu verlieren, und "What Thugs Do" ist ein überragender Kopfnicker im selben Stil, dessen Lyrics zu den besten der LP zählen:

"Life is hard, so I dedicate to God / Mad cats sell coke, tryin' not to starve
Young girls sell vagina from Jersey to Carolina / Saw her moms do it, she learned it as a minor
Poverty, life expect to see ya short / Kids rob spots, push crack or play sports
The projects, single parent homes and tecs / Islam, baseheads and welfare checks
I'm try'na eat, pushin' wide-bodied whip through the streets / My whole fleet is wolves disguised as sheep
In society, the poor in America are miserable / Untrained, starvin' like the children in Israel
"

LA The Darkman hat die Gabe zum Crime-Rap und er hat die Gabe, das harte Leben in seinem Umfeld in messerscharfen Bildern in seine Rhymes zu packen. Zu allem Überfluss paart sich diese lyrische Stärke mit einer sehr markanten Stimm- und Flow-Performance am Mic, was das Lob, das Herr Lason Jackson für sein Debüt einsackt, durchaus rechtfertigt. Hinzu kommen die Beats von einem Traum-Lineup, das nicht immer, aber verdammt oft mitten ins Schwarze trifft und einen fast geschlossenen Beat-Teppich garantiert, der die Atmosphäre der LP ungemein pusht. "Heist Of The Century" ist in jeder Hinsicht der richtige Titel für dieses Album, das in Sachen Crime-Rap bei den ganz Großen mitspielt.

8.0 / 10