Samstag, 28. Juli 2012

Statik Selektah - Population Control


Release Date:
25. Oktober 2011

Label:
Showoff Records / Duck Down Records

Tracklist:
01. Population Control (Feat. Sean Price & Termanology)
02. Play The Game (Feat. Big K.R.I.T. & Freddie Gibbs)
03. Groupie Love (Feat. Mac Miller & Josh Xantus)
04. New York, New York (Feat. Styles P, Saigon & Jared Evan)
05. Sam Jack (Feat. XV, Jon Connor & The Kid Daytona)
06. Never A Dull Moment (Feat. Action Bronson, Termanology & Bun B)
07. You're Gone (Feat. Talib Kweli, Colin Munroe & Lil Fame)
08. They Don't Know (Feat. Pill & Reks)
09. Down (Feat. Push! Montana & LEP Bogus Boys)
10. Let's Build (Feat. Chace Infinite, JFK, Mitchy Slick & Wais P)
11. Smoke On (Feat. Dom Kennedy & Strong Arm Steady)
12. The High Life (Feat. Kali, GameBoi & Chris Webby)
13. Half Moon Part (Feat. Skyzoo, Chuuwee & Tayyib Ali)
14. Black Swan (Feat. Nitty Scott MC & Rapsody)
15. Harlem Blues (Feat. Smoke DZA)
16. Gold In 3D (Feat. STS & Dosage)
17. Damn Right (Feat. Joell Ortiz & Brother Ali)
18. Live & Let Live (Feat. Lecrae)
19. A DJ Saved My Life (Feat. DJ Premier, DJ Babu, Scram Jones & DJ Caze)



Review:
Ganz gleich, wie sehr man ihn und seine Arbeit nun schätzt, Statik Selektah scheint der Arbeitswut verfallen wie kaum ein anderer. Vielleicht hat er den Plan gefasst, von jedem halbwegs bekannten Rapper respektiert zu werden, jedenfalls umfassten die letzten eineinhalb Jahre seit seinem dritten Producer-Album ("100 Proof: The Hangover") so viele andere Projekte, dass man sich direkt wundern muss, wieso nun bereits das vierte Album an den Start geht. Da war 1982, zwei schnelle Kollabos mit Freeway bzw. Freddie Gibbs, ein wenig beachtetes Album mit Freddie Foxxx und schon bald eine heiß erwartete Zusammenarbeit mit Action Bronson, während er ganz nebenbei seine Beats bei diversen bedeutsamen Künstlern unterbringen konnte. Ob diese Materialflut noch genügend Sorgfalt für "Population Control" zuließ, muss sich erst zeigen.



WRITTEN FOR Rap4Fame

 Immerhin arbeitet Statik - mit Unterbrechungen - schon seit einem Jahr an seinem Viertling, wohingegen die vorigen Alben in ein paar Monaten im Kasten waren. Weniger verwunderlich ist die Anzahl der Gäste, wobei man schnell feststellt, dass es diesmal nicht um die größten Namen geht: Da es in letzter Zeit und speziell im beinahe verstrichenen Jahr wieder eine Unzahl an Newcomern gab, will Statik Selektah dem durchschnittlichen HipHop-Hörer Hilfestellung und leisten und mit "Population Control" klären, wer Statik's offizielle Zulassungsbescheinigung erhält. Etwas vermessen, aber gut, einige der angesagtesten Jungspunde hat er schließlich wirklich aufgereiht. Ein Top-Album sollte man deswegen keineswegs erwarten, Statik war seit jeher kein besonderer Beat-Bastler und die Quote an Brettern, die regelmäßig aus seiner Schmiede entsteigen, verteilt sich inzwischen auf zu viele Projekte - dazu kommen zahllose Niemande in der Tracklist, bei denen sicher nicht jeder einen vernünftigen Geschmack bei der Beat-Wahl aufweisen wird. In etwa so läuft der Hase dann auch, tatsächlich machen sich schnell Ermüdungserscheinungen ob des enormen Outputs des Bostoner Producers breit, was im Klartext heißt: Unter diesen 19 Stationen gibt es etliche, die man sofort wieder vergessen hat. "Groupie Love" ist ein solcher Fall, eine vollkommen zahnlose Nummer mit dem hier schwer austauschbaren Mac Miller, der nur noch vom Gesang Josh Xantus' übertroffen ("That groupie love - it's lots of fun" - ach wirklich?) wird. Ordentlich krachen lässt Statik es diesmal nämlich nicht; wie sehr Action Bronson (hinter den man sowieso keinen Termanology setzen sollte) in "Never A Dull Moment" vom etwas berechenbaren Klavier-Geklimper restringiert wird, spricht Bände (und ist übrigens nicht die beste Werbung für "Well Done"). Auf der Suche nach dem, an was es sich zu erinnern lohnt, bleibt man erstaunlicherweise bei "New York New York" hängen, einem der ausgelutschtesten Song-Konzepte, das durch seine Trompete, den lockeren Vibe und Saigon's Flashbacks zwar immer noch keine Offenbarung, aber doch recht hörenswert ausfällt. Direkt im Anschluss treiben Hörner "Sam Jack" so gut an, dass die großspurigen Zeilen mit zahlreichen Querverweisen zum Namensgeber funktionieren. Weiter hinten sind es Stücke wie "Half-Moon Part" oder "Harlem Nights", die in ihrer ordentlichen Ausführung wenig Kritik zulassen, aber irgendwo doch etwas zu charakterlos bleiben, um Akzente zu setzen. Darum bemüht ist "Black Swan", Statik flippt hierfür (keineswegs als erster) Vigrass & Osborne, seine zwei weiblichen Starterinnen vermögen herauszustechen. Das schafft ein Brother Ali mit links, wobei auch "Damn Right" irgendwie die Handbremse nicht völlig löst. Kweli manövriert zusammen mit einer völlig themenfremden Hook und einem Lil Fame, für den in billigster Weise der altbekannte Mountain-Drum-Break eingeworfen wird, durch "You're Gone", "The High Life" räumt zu Unrecht einigen (teils sehr jungen) Nonames Platz ein, der christliche Rapper Lecrae hat mit einem mittelmäßigen Beat zu kämpfen, während K.R.I.T. und Gibbs das eher unauffällige "Play The Game" in trockene Tücher bringen.

 Es ist das alte Problem: Das Album selbst hat zu viele Gäste und zu viele Einflüsse, um nicht zusammengewürfelt zu klingen, noch dazu ist Statik ohnehin nicht der Mann, der 19 Tracks am Stück heiß auftischt, hier hat er außerdem nicht seine beste Ware am Start. Insgesamt fehlt ein wenig der Zug, vor allem relativ zu ihrer Länge schippert die Platte zu gemächlich vor sich hin. Seine Stellung als Knotenpunkt in der Szene wird Statik Selektah trotzdem weiter ausbauen, doch wer "Population Control" wegen seiner Features in Erwägung zieht, sollte sich bewusst machen, dass fast keine der Kombos so stark klingt wie vielleicht auf dem Papier. Das Album ist, wie zu erwarten war, ordentliches Ostküsten-Standard-Futter ohne große Mängel, leider aber ohne große Highlights, zu denen Statik durchaus in der Lage gewesen wäre.

4.9 / 10

Black Milk & Danny Brown - Black And Brown


Release Date:
01. November 2011

Label:
Fat Beats Records

Tracklist:
01. Sound Check
02. Wake Up
03. Loosie
04. Zap
05. Jordan VIII
06. Dada
07. WTF
08. LOL
09. Dark Sunshine
10. Black And Brown
 

Review:
Danny Brown ist zur Zeit nicht nur in Detroit einer der heißesten Newcomer: Dank diverser Medieninstitutionen wird der Rapper mit dem unkonventionellen (Klamotten-)Stil und der Zahnlücke zur Zeit schwer gehypt, was durch das diesjährige kostenlose Release "XXX" nur noch befeuert wurde. Einen seiner ersten von der Öffentlichkeit bemerkten Auftritte verbucht Danny allerdings auf einem Beat von Black Milk (auf einem Elzhi-Track), auch auf "Jay Stay Paid" schaut er vorbei und ein Jahr später ist er auf BM's "Album Of The Year" zu Gast. Die Kollabo kommt so gut an, dass man sich kurzum dazu entschließt, mehr zusammen aufzunehmen. Ein vollwertiges Album war wohl vorerst zu viel des Guten, weswegen "Black And Brown" lediglich eine EP darstellt.



WRITTEN FOR Rap4Fame

 Die zehn Tracks mögen täuschen, denn mit unter 23 Minuten ist "Black And Brown" äußerst schnell wieder vorbei. Glücklicherweise verzichtet man dafür auf Gäste und beschränkt sich auf das Wesentliche: Danny am Mic und Milk (hauptsächlich) an den Beats. Das Ergebnis ist ein unbeschwerter Trip, der nur die künstlerische Freiheit der beiden im Gepäck führt. Im Falle Black Milk bedeutet das eine Mixtur aus angenehm ausgefallenen Samples, denen trotzdem der Geist der Motor City in Form von den so schwer einschlagenden Drums, injiziert wurde; Danny Brown lässt seinem ohnehin locker gewachsenen Mundwerk freien Lauf und prägt die EP somit mit dem ihm eigenen, so einzigartigen, vulgären Rap-Stil. Am ausfallendsten wird das in einem Track wie "Jordan VIII", der mit den Lines "This bitch told me I need my teeth fixed / I said, 'Nah hoe. That's perfect for licking clits' / And when I said that shit that hoe got wet" loslegt und dann munter und nicht jugendfrei das Thema weiterspinnt. Tiefgründiges hat man hier nicht zu erwarten, lediglich das von BM als schöner und ruhiger Einstieg gestaltete "Wake Up" macht sich ob Danny's exzessiven Lebensstils ein paar tiefere Gedanken über das Leben ("At ATM withdrawing for promethazine fluid / I toss at night so I fall asleep sedated / Sometimes I feel like life is so overrated / And two things for certain, that's death and taxes"), lässt diese dann aber schnell fallen, um Platz zu machen für den selbstbewussten, Cocain-beladenen, schwer potenten Danny Brown (natürlich auch in musikalischer Hinsicht: "These bitches masturbatin' to my mixtape"), der des Hörers Freundin dazu bringt, dessen Schwester unter den Rock zu gehen. Das ist trotz der äußerst expliziten Texte praktisch durchgehend unterhaltsam und passt außerdem wie die Faust aufs Auge zu Black Milk's Produktion, die dank sehr kurzer Track-Längen und Beat-Interludes am Ende einiger Tracks zwar nur wie eine Collage anmutet, dafür aber wie etwa am Ende des Instrumentals "WTF" 30 berauschend gefühlvolle Sekunden zwischenwirft. Direkt im Anschluss wird es mit "LOL" auch schon wieder laut, wenn Bayeté Umbra Zindiko durch den Sampler wandert. "Zap" fasst in zwei Minuten alle Stärken des Duos zusammen: Die Drum treibt den Track voran, ein gepitchtes Voice-Sample verziert die instrumentale, kreative Auskleidung und Danny spuckt mittendrin seine Zeilen. Langweiligen Standard-BoomBap darf man anderswo suchen. Nach dem besten Instrumental der Platte, dem grandiosen "Dark Sunshine" (spätestens in solchen Momenten wird Black's Händchen für erhabene Samples deutlich), schließt die EP mit "Black And Brown" ab, dem schon auf "Album Of The Year" vertretenen Song, dessen Wiederverwendung an dieser Stelle nicht wehtut und den ersten echten Rap-Part von BM aufführt.

Vor allem da diese EP mit ihren vielen viel zu kurzen Songs so halbfertig wirkt, wäre es höchst interessant, die beiden auf einer voll ausgearbeiteten gemeinsamen LP zu hören. Danny Brown scheint Black Milk's kreativere Seite zu wecken, die ihn zu instrumentalen Spielereien und meist auch Höchstleistungen antreibt - dass man ihn dabei nicht am Mic hört, ist wahrhaft zu verschmerzen. Natürlich muss man ein Freund von Danny Brown und dessen Art sein, um hier glücklich zu werden, doch eigentlich fällt es bei seiner nach wie vor gepflegten, flegelhaften Ausdrucksweise schwer, abgeneigt zu sein. Wer nicht den Fehler macht, "Black And Brown" für ein ausgefeiltes Album zu halten, der wird vom kurzen aber feinen musikalischen Brainstorming der beiden Hauptdarsteller beeindruckt sein. Bleibt zu hoffen, dass diese Zusammenarbeit ausgebaut wird.

 6.7 / 10

MarQ Spekt & Kno - Machete Vision



Release Date:
25. Oktober 2011

Label:
QN5 Music

Tracklist:
01. Machete Vision (Intro)
02. Roadhouse (Feat. Action Bronson)
03. Top Back (Feat. Deacon The Villain)
04. The Royal Peasants (Feat. Anna Wise)
05. Opium Den
06. AquaMarine (Feat. StaHHr)
07. All Smiles (Plastic Mask)
08. The Devil
09. Danger (Feat. Meyhem Lauren, Huey P. Capone, FT & Lex Boogie)
10. WikiLeaks


Review:
Viele Freund- und Bekanntschaften im HipHop bleiben dem öffentlichen Auge verborgen. Wer hätte auf den ersten Blick schon gedacht, dass Kno, der aus Kentucky stammende Produzent hinter den CunninLynguists und inzwischen ein gefeierter Untergrund-Held, und MarQ Spekt, ursprünglich aus Jersey stammend und schon seit Jahren in Atlanta wohnend, sich schon seit Langem regelmäßig treffen und abhängen? Die Verbindung bringt das um die Jahrtausendwende (dank Bigg Jus) mit einem Bein in Atlanta operierende Sub Verse, mit dem die aus Minneapolis nach ATL gezogenen Micranots arbeitet: In diesen kreativen Kreisen lernen sich Kno und MarQ kennen, die Idee eines gemeinsamen Projekts steht bald zur Diskussion, wird aber nie umgesetzt - vor allem Kno erfährt schließlich anderweitig beträchtliche Aufmerksamkeit. 2011 kommt dann doch noch alles unter Dach und Fach und die Welt darf sich über "Machete Vision" freuen.


WRITTEN FOR Rap4Fame

 Unterbeschäftigt war Kno sicherlich nicht, "Oneirology" ist noch nicht sonderlich alt. Doch er selbst meint, dass die Arbeit mit MarQ Spekt eine ganz andere Richtung einschlüge, was dieses Album nicht nur für CunninLynguists-Fanatiker interessant macht - für die genau genommen weniger als für die sehr überschaubare Fan-Base, die Spekt sein Eigen nennt und die seinen bisherigen Werdegang von den Anfangstagen bei Sub Verse und den (ein Album bei Day By Day abwerfenden) Indie-Schritten mit den Broady Champs bis zur Kooperation mit den Backwoodz Studioz (mit dem Invizzibl-Men-Projekt als Hauptvermächtnis) verfolgt haben. Diese Diskographie sollte lehren, dass MarQ kein alltäglicher Emcee ist, dass sein Stil sperrig daherkommt und die bisherigen Kollaborationspartner und Arbeitskollegen ein gutes Bild davon vermitteln, was der Herr so von sich gibt. Der Schluss, dass er kein billiger Ersatz für Deacon und Natti ist, sollte also nicht mehr schwer fallen. Und genau das macht "Machete Vision" so interessant, denn Kno kann hier eine Seite zeigen, die auf CL-Alben keinen Platz findet: harte Drumlines und düstere Samples, die nicht sofort in ihrer eigenen Schwermütigkeit ersaufen. Was in "Roadhouse" auf den Hörer rauscht, ist nicht weniger als edel und besticht mit einer typisch herzhaften Drumline von Kno und bedrohlicher Sound-Kulisse, über das die laut-aggressiven Raps von Spekt eingespielt mit den abgebrühten Rhymes des Mannes der Stunde, Action Bronson (der mit Zeilen wie "Hookers take checks, smoke blunts after they suck dick / Piss out the side of their panties, they keep it movin' / Sittin' on the stoupe of the building, drinking the brew in" seinen derzeitigen Hype rechtfertigt), fließen. "MacheteVisions" ist noch ein wenig dunkler angestrichen, "Top Back" verschafft sich mit ein paar Klavierakkorden Platz. Das Album schwenkt zwar recht bald zu weniger drückenden und dafür nachdenklicheren Tönen um, den Schwung aus den eröffnenden Tracks nehmen Spekt und Kno trotzdem mit: Das grandiose "Opium Den" lädt zum Durchatmen ein und sieht auch MarQ in einem gemäßigten und dafür sozialkritischen Tonfall ("Strive to survive and they strive to keep us ignorant"). "The Devil" klingt Beat-technisch schon wesentlich eher nach dem CL-Kno, passt dank gesunder Drumline jedoch trotzdem ins Bild und ruft einen ernsten MarQ auf den Plan. "All Smiles" macht sich den Leitspruch "Fuck the status quo, cause HipHop needed a rebel - but I don't need any credit" zum Motto und führt wie fast alle Songs im Mittelteil Gesang - ähnlich ist es beim atmosphärischen "The Royal Peasants" und bei "AquaMarine". Mit "Danger" als Posse-Track mit dichtem Streichergewand biegt das Album dann in die Zielgerade ein, die im von Gitarre begleiteten "WikiLeaks" mit - man ahnt es - ein wenig Systemkritik - überschritten wird.

 Mit zehn Tracks und unter 40 Minuten hat das Album sein Ende schnell erreicht, doch das soll keineswegs heißen, dass MarQ Spekt und Kno nicht reichlich genug auftischen. Die Ankündigung von Kno, mit diesem Projekt ein wenig abseits seiner Norm zu spielen und die Sache etwas härter anzugehen, hält, was sie verspricht. Vor allem ist es allerdings der wesentlich unbekanntere MarQ Spekt, ein Rapper, den vor diesem Projekt niemand auf Kno's Beats gesetzt hätte, der mit seiner Art einen unerwartet frischen Wind in die Sache bringt und selbst die durchschnittlicheren Instrumentals (wobei sich derer ohnehin fast keine finden) aufwertet, der für viele Hörer die Überraschung des Albums sein wird. Für die ganz dicken Punkte fühlt sich "Machete Vision" an einigen Stellen noch zu sehr nach dem Sparring zweier Kumpels an, mit einer Energie, die beispielsweise "Oneirology" überholt, schrammt Spekt trotzdem nur knapp an den vier Kronen vorbei.

7.3 / 10

Reef The Lost Cauze & Snowgoons - Your Favorite MC


Release Date:
25. Oktober 2011

Label:
Goon MuSick / ihiphop Distribution

Tracklist:
01. Brotherhood
02. Fuck Rappers
03. Euthanasia (Feat. Jus Allah & Sicknature)
04. Timezones (Feat. Outerspace)
05. Kill Somebody
06. Boxcutter Samurai
07. Black Opz
08. Brain On Drugs (Feat. MC Esoteric)
09. High By Myself
10. Devil`s Advocate
11. The Legend Of Mr. T
12. Mount up (Feat. Sabac Red & Wise Intelligent)
13. Big Shots (Feat. J.O. (The Uncanny) & King Magnetic)
14. 100 Rhyme Books
15. Fuck Rappers (Remix) (Feat. Slaine & FT)
 

Review: "Fuck rappers. Reef is my favorite MC - mit diesem Schlachtruf reitet Reef The Lost Cauze" 2008 auf dem "Black Snow"-Album der Snowgoons über die Single "This Is Where The Fun Stops" und festigt damit die Freundschaft, die zwischen den deutschen Produzenten und dem Philly-Rapper seit der ersten Zusammenarbeit gedeiht. Eine solche kann man sich auch schon früh auf tiefergehenderer und vollwertiger Ebene vorstellen, nur da man nichts erzwingen will, bleibt es zunächst bei der beidseitigen Bereitschaft. Bis ins Jahr 2011, in dem die Snowgoons inzwischen schon eine stattliche Diskographie vorzuweisen haben und Anlauf für das kommende, Release-reiche Jahr nehmen. Für Snowgoons-Verhältnisse lässt man sich sogar reichlich Zeit und bringt "Your Favorite MC" dann über ihiphop bzw. das eigene Goon MuSick.


WRITTEN FOR Rap4Fame

 Vor allem die Snowgoons möchten mit diesem neuen Werk beweisen, dass sie wandlungsfähiger sind, als die kritischen Stimmen sie nach ihren vier Producer-Alben sowie den Projekten mit den Savage Bros und Lord Lhus sehen. Ob allerdings Reef die richtige Wahl ist, der Welt mehr Facettenreichtum zu präsentieren, ist eine andere Frage, denn wenngleich seine bisherigen Alben allesamt mindestens solide waren, steht der bärtige Rapper aus Philadelphia doch seit jeher für handfesten Street-Sound ohne großen Schnickschnack. So ist das Endergebnis dann auch ein recht gemischtes, einerseits (und hauptsächlich) mit sehr erwartungsgemäßen Momenten, aber auch mit solchen, die die höheren Ziele von Illegal und Det andeuten. "Timezones" ist ein gutes Beispiel für diesen Dualismus: Sicknature gräbt ein Sample aus, das bereits von Cyne geflippt wurde (eine so schlechte Wahl kann er damit also gar nicht getroffen haben), der finale Beat für Reef mutet mit dem Standardpack an Cuts (Biggie lässt grüßen) und seinen vordergründigen Streichern dann aber doch wesentlich herkömmlicher an als beim Quartett aus Florida. Reef trägt - wie zu erwarten war - seinen Teil dazu bei, dass alles in geregelten Bahnen läuft: Dass er ein sehr sicher flowender MC mit Wortwitz und adäquaten Battle-Skills ist und dies auch hier wieder unter Beweis stellt, sollte niemanden überraschen, die Komponenten, die über dieses Grundmaß hinausgehen, lassen sich wie schon auf früheren Alben an einer Hand abzählen und sind insofern gewissermaßen ebenfalls keine Überraschung. Ebensowenig verwunderlich ist es, dass es gerade die weniger "typischen" Songs sind, die im Gedächtnis bleiben, denn ein Song wie "Fuck Rappers", der mit Hörnern die Türen eintritt und dann noch wilde Streicher sowie ein wenig Choralgesang mit in den Topf kippt, ist etwas zu berechnend bzw. vermisst einfach einen wirklich einzigartigen und angemessenen Auftritt am Mic (ein wütender und leider auch im Remix nicht vertretener Canibus böte sich an). "Euthanasia" und "Brotherhood" komplettieren einen kraftvollen, aber doch besorgniserregenden Start, wenn man bedenkt, dass die Goons gerade solche Power-Walzen etwas subtiler ins Rennen schicken wollten. Das ergibt sich glücklicherweise sehr natürlich im restlichen Verlauf der Scheibe, "Boxcutter Samurai" beispielsweise zehrt von einem (keinesfalls jungfräulichen), gut genutzten Sample, verlässt dabei zwar keinesfalls die gutbürgerlichen BoomBap-Gefilde, erinnert aber (dezentere Kick außen vor) an "German Lugers"-Tage. Im Folgenden findet Reef dann sogar Zeit, sein Themenspektrum abzulaufen: "High By Myself" ist ein eher unauffälliges Liebeslied ans eigene Dutch, "The Legend" ein nur auf den ersten Blick unscheinbares Highlight, in das geschickt ein wenig Grown Man Talk aus Reef-Sicht eingebracht wird. "Black Opz" ist der eher langweilige und standardmäßige Bericht vom Krieg vor der eigenen Haustür, "Mount Up" ergeht sich mit entsprechenden Gästen in sozio-politischem Kommentar. Das selbsterklärende "Brain On Drugs" lebt vom treibenden Beat, die zusammengewürfelten, als nachdenklich stimmend gedachten Geschichten in "Devil's Advocate" freuen sich über ein sehr ruhiges Instrumental, von dessen Sorte sich ein noch besseres in "100 Rhyme Books", einem sehr persönlichen Brief mit Gedanken und Ratschlägen an den eigenen Sohn, findet.

Die Ziele der Snowgoons für ihre Produktionsarbeit bei Reef's neuem Album sind genau die richtigen, die Umsetzung könnte dann allerdings noch etwas besser sein. Ein wirklich bahnbrechendes Album hat sicherlich niemand erwartet, doch da Illegal und Det beweisen, dass sie mehr sind als die Scheuklappen-Producer, als die sie mancherorts abgeurteilt werden, hätte es dann auch durchaus etwas mehr dieser Abwechslung sein dürfen (insofern darf man gespannt sein, was auf den nächsten Projekten geschehen wird), zumal Reef sowieso nicht der Emcee ist, der auf den dramatisch-pompösen Arrangements eines "typischen" Snowgoons-Beats zuhause ist. "Your Favorite MC" ist er nebenzu übrigens auch nicht (was ein Großteil aller Hörer unterschreiben wird) - Reef wird von fast jedem geachtet, aber von fast niemandem wirklich an der Spitze gehandelt. Zusammen mit den Goons hinterlässt er der BoomBap-Welt ein solides, aber keinesfalls essenzielles Machwerk.

5.9 / 10

Moka Only & Chief - Crickets





Release Date:
08. November 2011

Label:
Feelin' Music

Tracklist:
01. Crickets
02. Mess Around
03. Let It Show
04. For Always
05. In Here
06. Form The Future
07. Relief
08. What To Do
09. Tropicana
10. Show
11. Next Step
12. It's All Us
13. Appreciation
14. First Time Back
15. If You Want It
16. The New





Review: 2008 ist das Jahr, in dem der Grundstein zu hiesigem Album gelegt wird. Der Schweizer Producer Chief und sein Label Feelin' Music schicken sich an, in der internationalen HipHop-Welt ein wenig Bekanntheit zu erlangen und signen dabei unter anderem das kanadische Arbeitstier Moka Only, der zu diesem Zeitpunkt schon zig Alben auf dem Konto stehen hat. Mit "Lowdown Suite 2: The Box" kommt noch eines hinzu, auf dem es die erste Kollabo von Moka und Chief zu hören gibt. Man versteht sich von Anfang an gut, erkennt aber erst gut zwei Jahre später, dass die Chemie so gut passt, dass man eigentlich direkt ein komplettes Album zusammen aufnehmen könnte. Inzwischen hat Moka schon diverse weitere Alben veröffentlicht und auch Chief ist mit "Collabo Collection" und einem jüngeren Instrumental-Tape ins Land hinausgezogen. Ende 2011 kommt man mit "Crickets" dann endlich wieder zusammen.


WRITTEN FOR Rap4Fame

 Die Ankündigung, hier vielleicht das beste Indie-Album des Jahres vor sich zu haben, ist ebenso hoch gegriffen wie falsch, doch ein überheblicher Pressetext sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Kollabo durchaus interessant ist. Man muss natürlich irgendwie mit Moka Only's Art zurechtkommen, diesen monotonen, unaufgeregten und immergleichen Raps, die den Hörer nie fesseln und meist nur Beiwerk sind - denn das ist auch hier der Fall -, doch ist diese Hürde genommen, warten die leckeren Sound-Konstrukte von Chief, der das fabriziert, was man von ihm schon kennt: luftige BoomBap-Baupläne, überzuckert mit lockeren, jazzig angehauchten und oft schlichtweg entspannten Sample-Spielereien, die einen Relax-Faktor garantieren, den man auf anderen HipHop-Platten selten bis gar nicht findet. Deswegen muss Moka mehr als zufrieden sein, denn über einen so kohärenten und gelungenen Untersatz kann er sich nicht auf jedem seiner Alben hermachen. Dass das Album mit Grillenzirpen beginnt, ist beim Titel schon fast Pflicht, "Crickets" legt kurz darauf einen sehr gemächlichen, nahezu schon trägen Start ins Album hin, der mit "Mess Around" auch noch weitergeführt wird. Doch man sollte sich nicht abschrecken lassen, denn Moka und Chief legen früh genug los, um dann konstant qualitativ ansprechende Kost zu verfüttern, die unter anderem in Schmuckstücken wie dem Sax-geschwängerten "Show" endet - wen stört es da, dass man dem, was Moka zu erzählen hat, nicht zuhört? Das ist sowieso nicht der Sinn des Albums, denn zugegebenermaßen ist es nicht so, als vollbrächte der Emcee hier Großtaten - schon gar nicht in textlicher Hinsicht. Doch er begnügt sich mit der Rolle des Rappers, der schlichtweg gut zu seinen Beats passt. Damit ist ein wirklich atemraubendes Album natürlich ausgeschlossen, doch das war von Anfang an nicht der Plan. Diese Songs wurden zum nebenzu Ausspannen gefertigt - oder einfach, um den Hörer mit unanstrengender Musik durchatmen zu lassen. "For Always" führt mit fidelem Pianolauf und ein wenig Trompete vor, wie man's macht, der Großteil der Songs folgt: Herausragende Highlights gibt es fast keine, Überraschungen noch weniger, der springende Punkt ist der durchgehende Vibe der Platte, der von kleinen Dingen wie dem schönen Klaviereinsatz in "Next Step", dem Voice-Sample im (sogar für dieses Album) ruhigen "First Time Back" oder dem Dickicht, durch das "Tropicana" wummert, lebt und seinen Charme bezieht. "It's All Us" ist die treffendste Aussage, die Moka von sich gibt, was im gleichnamigen Song nochmal deutlich unterstrichen wird. Kurze, instrumentale Interludes zu Ende vieler Songs gehören übrigens auch zum Programm, das mit "The New" ein wieder sehr unaufgeregtes Ende findet. 

Zugegeben, es gibt wenige Alben, die harmloser sind als die Kollabo von Chief und Moka Only. Doch das ist noch lange nichts Schlechtes, man darf dieses Album eben nur zum richtigen Anlass einwerfen: Wen der Großteil der Releases das Jahres anstrengt, wer HipHop sucht, mit dem er problemlos verschnaufen kann, der ist hier an der richtigen Adresse und wird kaum besseren Balsam für seine Ohren finden als Chief's milde Produktionen. Hart gesprochen und gewissermaßen ist "Crickets" damit allerdings auch Hintergrundmusik, was sich u.a. in Symptomen wie dem Fehlen richtiger Highlights äußerst. Diese 50 Minuten fahren ein recht konstantes, gut genießbares Level, das trotz überschaubarer Wertung für oben genannten Anlass uneingeschränkt empfohlen werden kann.

6.2 / 10

Lord Lhus - Fuck You Lord Lhus


Release Date:
01. November 2011

Label:
Eigenvertrieb / Free Download

Tracklist:
01. Intro
02. I'm Coming Up
03. It's Lord Lhus
04. Raw Essence (Feat. Reef The Lost Cauze, Matt Maddox & King Magnetic)
05. When I Woke Up (Feat. Savage Brothers)
06. Cunt Control
07. Fuck You Lord Lhus (Skit)
08. Fuck You Lord Lhus
09. Beast
10. S.C.Y.K.O.T.I.K.Z. (Feat. Eternel & Unkn?wn)
11. Hali-Cackalack (Feat. Ghettosocks)
12. S.C. Streets (Feat. V.I.B.Ez)
13. Take In The Light
14. What You Know About It
15. What The Fuck Is You Talking About? (Skit)
16. Star Scope (Feat. IDE)
17. This For Ya'll (Feat. Eternel & Unkn?wn)
18. Outro


Review:
Lord Lhus darf als eine der Personifikationen des leichten Hypes, den die Renaissance des "härteren" HipHops mit Eastcoast-Prägung in den letzten Jahren erfuhr und immer noch erfährt, angesehen werden. Der South Carolina Stalker krebst schon seit ein paar Jährchen im Untergrund herum (freestylt mit Unkn?wn und Knowledge beim Mittagessen und wird Teil von Bloodline), hat den großen Sprung ins Rampenlicht aber letzten Endes den Snowgoons zu verdanken, die ihn auf ihre Alben holen, ihm mit den Savage Brothers sogar ein komplettes Album produzieren und die internationalen Tour-Bühnen für ihn öffnen, auf denen Lhus sein neues Zuhause findet. Das ambitionierte Touren ist es auch, was ihm einen entscheidenden Vorsprung gegenüber vielen Kollegen sowie eine stetig wachsende Fanbase einbringt. Doch zugleich fängt er an, mit einigen seiner Kollegen anzuecken, es folgt der Zwischenfall mit Vinnie Paz und Ill Bill, woraufhin Lhus den Rückhalt der Goons verliert. Doch das hält ihn nicht davon ab, sein schon länger geplantes "Fuck You Lord Lhus" umsonst an den Mann zu bringen. 

WRITTEN FOR Rap4Fame

 Da Lhus fast immer auf Tour ist, verwundert es nicht, dass weniger als die Hälfte der Songs in seiner Heimat in South Carolina aufgenommen wurden. In Bern scheint er seine Europa-Basis aufgeschlagen zu haben, denn dort werden nicht weniger als acht Werke aufgenommen. Als Produzenten engagiert Lhus großteils Nonames, aber auch ein bekanntes Gesicht wie Al'Tarba ist anzutreffen. Ansonsten zeigt das Album alle Facetten des Lord Lhus, der eine sehr extrovertierte Persönlichkeit präsentiert, die sich um den aktuellen Zustand der HipHop-Szene ebenso sorgt wie um das Tour-Leben, die eigene Herkunft und was eben sonst noch so im Leben eines Rappers passiert. Der Sound ist zumeist in die vorhersehbare AOTP-Ecke zu schieben, doch die unbeschriebenen Blätter an den Boards geben sich oft erfolgreich Mühe, nicht wie ein Abklatsch eines der vielen dort beheimateten Alben zu klingen. Immerhin ist es auch Lhus selbst, der durch seine ausfällige, direkte Art, eine feurige Delivery und bemüht vielseitige Lyrics nicht umsonst so viele Fans gewinnen konnnte. Im Endeffekt sollte man zwar nicht zu viel Geistreiches erwarten, aber wie der Lord schon in "I'm Comin' Up" (natürlich der sich selbst sowie die eigene Ideologie vorstellende Song) einen 8-Bit-Aufsatz zerschreddert, hat gewissen Unterhaltungswert. Leider wird zur Situation mit AOTP, den Snowgoons sowie der Grindhouse Gang auf der ganzen LP kein klares Wort verloren, der Diss "Gang Rape" hätte sich hier durchaus gut gemacht. Stattdessen erfährt die Welt, wie es Lhus mit der Frauenwelt hält: "Cunt Control" ist nett, aber in seiner oberflächlichen Art schon ein wenig zu oft gehört. An die Heimat South Carolina gibt es in Form von "S.C. Streetz" eine langsamere, mit Vocals von V.I.B.Ez nicht schlecht besetzte Widmung. Die besten Momente hat das Album, wenn es hart zugeht: "Star Scope" klingt mit schaurigem Intro und polternden Drums nach IDE-Produktion und ist folglich bestens gastbesetzt. Junior Makhno zeigt sein Können in "When I Wake Up", wird aber von Al'Tarba trotzdem in die Tasche gesteckt, da der Franzose im Titeltrack einmal mehr sein unglaubliches Gespür für düstere Atmosphären und beinharte Drums zelebriert, was so gut gelingt (und ganz nebenbei auch auf eine Bloodline-Scheibe gepasst hätte), dass Lhus' aus der Ich-Perspektive vorgetragener Selbst-Diss fast schon zu schade dafür ist, aber immer noch ein abwechslungsreiches Konzept bietet. Auch "Beast" lässt es so krachen, wie man Lhus am liebsten spitten hört. Dagegen können Tracks wie das möchtegernintelligente "What You Know About It", das etwas zu sehr auf die Härte seiner Gitarren-Riffs setzende, sich selbst feiernde "It's Lord Lhus" oder auch die Premo-Kopie "Hali-Cackalack" dann fast schon einpacken. Beachtet man nun noch das gefühlvolle, mit persönlichen Texten ("I fell in love with two women when I thought it was smart / But they just both ended up breakin' my heart") bestückte Streicher-Arrangement "Take In The Light", hat man auch schon alles Nennenswerte abgegrast.

 "Fuck You Lord Lhus" soll ein Statement an alle sogenannten Indie-Cats sein, die dann aber doch nach den Pfeifen irgendwelcher Labels tanzen. Deshalb veröffentlicht Lhus es nicht nur selbst, er verschenkt es, denn ihm geht es nur um die Musik. Das nötige Talent, mit einem solchen Album einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, hat der South Carolina Stalker auf jeden Fall, weswegen auch einige sehr behaltenswerte Tracks auf dem Album vorzufinden sind. Insgesamt versäumt er es dann aber doch, das große Feuerwerk zu zünden, das seiner Karriere nochmal einen kräftigen Schub nach vorne versetzen könnte. So muss er sich weiterhin aufs Touren und auf seine überschaubaren verbliebenen Freunde verlassen, denn "Fuck You Lord Lhus" wird, wenngleich nicht schlecht, keine großen Wellen schlagen.

5.7 / 10

All Natural - Second Nature




Release Date:
24. April 2001

Label:
All Natural Inc. / Thrill Jockey

Tracklist:
01. Second Nature
02. The Stick-Up
03. Think Again
04. Queens Get The Money (Feat. Spotlite)
05. Elements Of Style (Feat. Iomos Marad & Allstar The Fabulous)
06. The Next Mile
07. Vegetarian (Feat. Tone The Strategist)
08. Return Of The Avenger
09. Mr. Sexy (Feat. Allstar The Fabulous)
10. Here's The Hate On Chicago
11. Ill Advisory (Feat. J.U.I.C.E.)
12. Chatham (Feat. O Type Star & Mr. Greenweedz)
13. 01/21/01
14. Stellar
15. Uncle Sam (Feat. Slug)
16. Renaissance (Feat. Lone Catalysts)
17. Liquid Paper II
18. Godspeed
19. Future Is Now



Review:
Was macht man als Rap-Act, wenn dem ersten, independent veröffentlichten Album überdurchschnittlicher Erfolg beschieden war? Ganz einfach, man holt die Crew ins Boot. Im Falle All Natural heißt das, das vorsichtig und in erster Linie als Reaktion auf die Wild-Pitch-Situation aufgezogene All Natural Inc. zum vollwertigen Label aufkeimen zu lassen und Künstler hinzuzufügen, die man schnell als den Family Tree vorstellt. Und dann wird durchgestartet. Zumindest in der Theorie. In der Praxis operieren Capital D und Tone B. Nimble immer noch auf Low-Budget-Basis und sind sich keinesfalls sicher, wie erfolgreich die Musikkarrieren verlaufen werden. Immerhin bringt man im neuen Jahrtausend einen Deal mit Thrill Jockey (sowie interessanterweise einen Vertriebsdeal mit Fat Beats für das Vinyl-Release) zustande und beschert der Welt "Second Nature".
 
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
 "Second Nature" bezieht sich nicht auf den Fakt, dass dieses das Zweitlingswerk des Chicagoer Duos ist, sondern meint das Wesen der HipHop-Musik, die für All Nat so alltäglich und natürlich ist, dass sie quasi zur zweiten Haut geworden ist - zum eigenen Namen passt dieses Konzept natürlich auch super. Jeder, der "No Additives, No Preservatives" kennt, der weiß, wie dieser lebenserhaltende HipHop aussieht, und vor allem wie er nicht aussieht. Schließt man Chicago's Gangsta-Rap-Schiene aus, dann repräsentieren All Nat den Sound der Stadt so gut wie kaum jemand, sie verbinden kluge Lyrics mit dem ungeschliffenen Sound, der als Markenzeichen der Metropole, die zwischen den Küsten ihr Schattendasein fristet, zählt. Als Produzenten steigen Memo und Panik von den Molemen in den Ring und leisten damit G(riot) (einem der Family-Tree-Künstler) sowie Cap D und Tone selbst Gesellschaft, am Mic regiert ein sich mit nur wenigen externen Gästen umgebender Cap, die Scratches legt dafür Tone B. Nimble komplett. Cap selbst behauptet, dieses Album sei nochmal eine Steigerung zum Debüt, und wenngleich man solchen Aussagen zumeist kein Gehör schenken darf, trifft er damit den Nagel auf den Kopf: Seine Raps fließen noch intensiver, scheinen weder Punkt noch Komma zu kennen und haben an Aufgewecktheit selbstverständlich nichts verloren, die Instrumentals reichen von bedrohlich-roh bis hin zu sinnend-jazzig und passen trotzdem wunderbar unter ein Dach, welches wiederum von All Natural aufgespannt wird. Ganz grob lässt sich die Scheibe dabei in einen aufrührerischeren vorderen und einen gezügelteren hinteren Teil gliedern. Anfangs geht jedenfalls erstmal ordentlich die Post ab: Der "Stick-Up", den All Nat durchziehen, geht dabei aber vollkommen ohne Schießeisen vonstatten, was das Intro offenbart, in dem der Fam Tree kurz davor ist, mit Mics bewaffnet einen Club zu stürmen. Nichtsdestoweniger ist Panik's "Stick-Up" ein furioser Sturm, eine wahre Hymne, in der von den Streichern über die Scratches bis hin zu Cap's eiskalter Performance alles perfekt ineinandergreift. Ähnliches geschieht in "Vegetarian", für das Cap ein weiteres düster-bombastisches Instrumental entfesselt. "Mr. Sexy" dagegen läuft ganz klassisch über einen eingängigen Piano-Loop ab und nimmt Stilwandel durchlaufende, trendorientierte Ex-Thugs und Möchtegern-Playboys aufs Korn. Den Gold-Diggern widmet man sich dagegen mit dem relaxten "Queens Get The Money" ("and broads get the boot"), während "Think Again" mit dichter Streicher-Atmosphäre aufwartet, die sich mit Cap's stetem, cleverem Wortspiel verwebt. Was geschieht weiter? Die All-Nat-Familie wird vorgestellt und weiß sich zu verkaufen, mit Chicago-Altmeistern Juice und O Type Star klopft man die zwei wunderschönen Kopfnicker "Ill Advisory" und "Clatham" aus den Boxen, Slug schaut für eine sarkastische Personifizierung des "Uncle Sam" vorbei und J. Rawls schlendert, entspannte Klaviernoten im Gepäck, mit seiner typisch jazzigen Art mit "Renaissance" ins Bild (J. Sands und Cap passen am Mic zudem bestens zueinander), womit der Hörer sich noch auf ein großartiges Finale freuen darf: "Godspeed" ist eine unaufgeregte lyrische, selbstreflektive Großtat ("Living in the mist of these miracles / How could I not be spiritual? / And why would I edit what comes out? / And what more important could I talk about? / And I don't claim to have all the answers / I don't even know half the questions / But as we search for a cure for our cancer / We forget to reflect on our blessings"), "Future Is Now" setzt als Pendant zu "50 Years" (mit ähnlich treffsicheren Worten) einen so eindringlichen Schlusspunkt, dass G(riot)'s Instrumental mit seinem tragenden Klavierlauf und dem leicht melancholischen Saxophon vollkommen zu Recht noch eine Minute lang ausklingt. Für den Hörer gilt: Augen schließen und den Geist schweifen lassen.

Selten genug kommt es vor, dass Künstler mit ihrem Zweitling nochmal eine Steigerung hinlegen können, All Natural ist das trotz ihres ohnehin schon exzellenten Debüts gelungen. Die Gründe sind offensichtlich: Man operiert weiterhin mit kompletter künstlerischer Freiheit, die beteiligten Gäste sind alle voll auf der Höhe ihres kreativen Schaffens und die Aufteilung aus eigenen und fremden Beats ist bestens gewählt. Auch Tone's Scratches tragen sehr zum Charakter der Platte bei. Obwohl diese Scheibe ein großes Spektrum abdeckt und sowohl den Hardcore-Fanatikern, den Suchenden nach anspruchsvollen Lyrics als auch den Liebhabern von relaxten Tönen à la Lone Catalysts etwas bietet, ist sie doch in sich geschlossen, geleitet vom roten Faden, den Cap und Tone selbst auslegen, was "Second Nature" atmosphärisch abrundet. Ob man sich bei 75 Minuten Spielzeit kürzer hätte fassen können bleibt Ansichtssache, in jedem Fall hat man es hier mit einem überragend guten Album zu tun.

9.1 / 10

The Away Team - Stars & Stripes


Release Date:
11. Oktober 2011

Label:
Jamla Records / Duck Down Records

Tracklist:
01. Intro
02. Bad News (Feat. King Mez & Blue Raspberry)
03. Scars & Stripes
04. 4 The People
05. Cheers (Feat. Heather Victoria)
06. What Is This (Feat. Evidence)
07. The Road To Redemption
08. Drift
09. Set It Off (Feat. Talib Kweli & Rapsody)
10. Happenin’ Today
11. Hot Potato (Feat. Halo & Sundown (of Actual Proof))
12. I Ain’t Mad (Feat. Jay Rush)
13. Paid (Feat. Laws & Big Remo)
14. Proceed (Feat. Enigma (of Actual Proof))
15. Get Down (Feat. GQ)
16. Picture This (Feat. Kelsy Lu)
17. See U Later (Feat. Phonte)

Review:Die Justus League ist nicht mehr so wirklich existent, die Einzelteile der Gruppierung können sich zwar immer noch gut riechen, zurechtkommen muss aber jeder für sich selbst. Das ist für weniger bekannte Acts wie das Away Team logischerweise am schlimmsten, wobei es Sean Boog und Khrysis problemlos schaffen, bei 9th Wonder's Jamla unterzukommen - etwas später zieht man sogar einen Deal mit dem ewig wachsenden Duck Down, die offenbar alles und jeden zu signen planen, an Land. Während man also den Schritt vom gefragten J-League-Act in die karge Zeit danach meistert und während die Brötchengeber ihre Post-Little-Brother-Karriere angehen, halten Boog und Khrysis weiter zusammen und legen mit "Scars & Stripes" bereits das dritte Album vor.

WRITTEN FOR Rap4Fame  

 Das zweite Album war nach dem doch recht netten Debüt zugegebenermaßen sehr unauffällig und alles andere als eine Offenbarung; und wenn man sich den Querschnitt dessen anhört, was Khrysis in der letzten Zeit so aus seinen Apparaturen zerrte, hat man eigentlich keinen Grund, sich großartig auf dieses dritte Away-Team-Release zu freuen, denn wie Mentor 9th Wonder ist auch Khrysis nicht mehr vollends verlässlich, beizeiten sogar eher das Gegenteil. Doch das scheint vor allem deshalb passiert zu sein, weil er sich seine besseren Beats für dieses Album aufgehoben hat - und somit diejenigen, die auswärtige Produzenten forderten, zum Schweigen bringt. Atemberaubend ist hier zwar nichts, doch wer die Justus-League-Hinterbliebenen schon komplett abgeschrieben hat, der wird feststellen, dass der herzhafte Sound, der das Kollektiv zu seiner Blütezeit auszeichnete, noch nicht komplett verblüht ist. Der Titel gibt des Weiteren die thematische Marschrichtung vor: Man ist gealtert, hat Erfahrungen gesammelt und dabei Federn gelassen. Dass die LP also für den Durchschnittsbürger (sowie aus dessen Sicht) gerappt (und auch produziert) ist, sollte nicht groß verwundern. Das zigtausendste Album über die alltäglichen Kämpfe und Anstrengungen setzt sich mit der markant hellen Stimme von Sean Boog ein wenig vom Rest ab, wenngleich der rappende Teil des Away Teams deshalb kein Virtuose am Mic ist - dafür fehlt es an überdurchschnittlichem Elan in Sachen Flow, Schärfe oder Inhalte. Dass Khrysis selbst ein paar Male mit ans Mic tritt, hilft gar nichts: Das einminütige "4 The People" ist eigentlich schon Beweis genug, dass Khrysis bei dem bleiben sollte, was er kann, was er erfreulicherweise nicht selten auch demonstriert: "Drift" sättigt die Nackenmmuskeln, während Boog etwas davon erzählt, die Gedanken schweifen zu lassen. "Hot Potato" ist auf klassischen 9th-Wonder-Drums aufgebautes Material, folglich nicht wild, trotzdem macht es Spaß. Denn fast während des gesamten Albums gräbt Khrysis frische Samples aus, um dem typischen NC-Sound den nötigen Sprit zuzuführen. Das rettet, wenn in "I Ain't Mad" nervtötenden Gesang in Form von Jay Rush lädt, zwar nichts mehr, führt andernorts aber zu waschechten Highlights, wie etwa dem gut gelaunten "Get Down", das ähnlich Stimmung macht wie LB's 2003er, entgegengerichtetes "The Get Up". Weitere Highlights umfassen das mit hölzernen Drums parkettierte "What It Is" mit einem Evidence, der sogar Sean Boog wie ein Wiesel am Mic aussehen lässt, einen weiteren klassischen Justus-League-Cut namens "Paid" sowie das melancholisch gehaltene "Picture This" mit einerr tragischen Geschichte. Verwandt ist das von Streichern begeleitete und etwas berechenbare "Road To Redemption", während Kweli sich für den besten Gastauftritt bewirbt.

The Away Team werden nie mit einem ihrer Alben wirklich große Wellen schlagen, dafür fehlt ihnen zweifelsohne der Schneid. Doch solange Khrysis bei seinen Beats bleibt und man weiterhin den kleinen Mann im geregelten Arbeitsalltag mit entsprechenden Raps anspricht, ist trotzdem eine gewisse Grundqualität gegeben, die anderswo nicht zu finden ist. Wer dem alten Sound der Justus League nachtrauert und mit den neuen Unternehmungen von 9th Wonder und Anhang nur noch teilweise warm wird, der ist mit "Scars & Stripes" eventuell sogar ganz gut beraten. Das Album ist nicht aufregend, aber auch ohne große Mängel und mit einigen sehr hübschen Momenten versehen, die an frühere Little-Brother-Tage erinnern.

5.9 / 10