Release Date:
2003
Label:
Guerilla Artist Recordings Company
Tracklist:
01. Dawn Of A New Error
02. Defective Experiment
03. Freeze Frame
04. Frozen Blink
05. Some Day
06. Fingerprints On The SUN
07. Head Games Reprise
08. Tyranny
09. Suffer Great Nation
10. Three M's
11. Apt. 204
12. CPU
13. CPU Reprise (Attack Of The Clones)
14. War @ 120/80 (Floodgates)
15. Algorithm
16. El Grito
17. Escalator
18. Flood Gates Open
Review:
Der Untergrund von Floridas Hauptstadt hat mehr zu bieten als Miami-Bass-Nachfahren, das weiß die Welt spätestens seit Acts wie Cyne. Doch auch eine andere Crew kämpft sich - etwas weniger erfolgreich - parallel ihren Weg in die Szene. Seth P. Brundel und Dr. Faustus versuchen schon auf der High School, mit diversen Geschäftsideen, Fuß zu fassen und gründen 1997 mit Plex, dem Dritten im Bunde, Algorithm. Doch zuerst geht nichts voran, vielmehr ist es Spirit Agent, das aus Plex und dem Rapper Stres besteht, die 2000, nach ihrem Solo, eine 12" auf dem gerade von Danny Dominguez gegründeten Counterflow Recordings veröffentlichen und dem Label damit eine Grundlage bescheren, auf der Danny beschließt, auch Algorithm eine Chance zu geben, was in Form einer ersten Single geschieht. Mit dem respektablen Erfolg des Labels wendet sich Danny anderen Städten zu, was Algorithm nicht passt, woraufhin kurze Zeit später das eigene Label Guerilla ARC ins Leben gerufen wird, auf dem man 2003 das Debüt "Dawn Of A New Error" veröffentlicht.
WRITTEN FOR Rap4Fame
Irgendwo ist es schwer ironisch, dass die Jungs zur Finanzierung ihres
Projekts als Videoeditoren in den Büros von BangBus.com arbeiten - einem
der Inbegriffe der selbstgefälligen, dekadenten Gesellschaft, der
Algorithm in ihren Texten so vehement den Kampf angesagt haben. Doch
ohne Geld keine Musik und das wäre ein wahrer Jammer, denn die
Machenschaften des Trios haben es in sich. Das fängt schon damit an,
dass es schwerfällt, Vergleichbares zu finden, denn mit Nachbarn wie
Cyne haben Algorithm nicht viel gemein. Die instrumentale Ausstattung
von Plex und Brundel ist weniger verspielt und verträumt, aber
mindestens genauso kunstvoll und profitiert von edler Sample-Kunst, die
nicht selten südländische Gefilde heimsucht, was vielleicht daran liegen
mag, dass Brundel als Hispanic zweisprachig unterwegs ist. Dass die
Scheibe Material zusammenfasst, das mehrere Jahre zurückreicht (vieles
ist bereits als Single erschienen), stört überhaupt nicht, denn "Dawn Of
A New Error" klingt wie aus einem Guss. Es mag seinen ganz eigenen
Sound haben, der wiederum viel Platz für Variationen lässt, doch
insgesamt klingt das Album sehr homogen. Über die musikalische Güte
lässt sich dabei nicht streiten, Songs wie "Fingerprints On The SUN"
sind kaum zu überbieten: ein langsamer Einstieg, in dem nur Seths Raps
regieren, bis langsam die Akustikgitarre und Plex' Backing Vocals
einsetzen und in einen komplexen, immer wieder aufwallenden, dabei doch
sehr ruhigen und genau deshalb so präzisen Song einladen. Die Krönung
sind die Raps von Doc Faustus und Seth, die ebenfalls sehr markant sind
und sich durch rapide Wortsalven, die in selten so gut zelebriertem
Offbeat-Stil vorgetragen werden und teils an Spoken Word erinnern,
auszeichnen. Das reicht noch nicht für intensive Hörunterhaltung? Dann
lausche man den Lyrics, die in ihrer Gesamtheit auf der LP eines der
politisch geladensten Bilder abgeben, die es zu jener Zeit zu hören gab.
"Three M's" bietet alles, was es an Algorithm zu schätzen gibt: Faustus ruft zum Kampf gegen die Fehlverteilung des Reichtums auf ("Dedicated to those poor, unfortunate victims of global wealth disproportionate / Social-economic pyramid contortionists"),
während Plex dem Hörer mit überragend gesampeltem Flötenspiel den Atem
raubt. Da lässt sich Brundel, der den weitaus größeren Anteil der Raps
beansprucht, nicht lumpen und holt etwa in "Defective Experiment"
zu komplexem Wortschwadenstakkato aus, das von clever verschraubten
Klavier-Samples umrahmt wird. Zwischen diesen lyrischen Kalorienbomben
warten immer wieder Instrumentals, die natürlich nicht minder stark sind
("Apt. 204" freut sich über subtile Background Vocals) und im Falle "Tyranny",
das mit einem Sample aus "The Spook Who Sat By The Door" den Aufstand
gegen das oppressionistische System prophezeit, ein echtes Highlight
ausspucken, das wieder von langsamem Spannungsaufbau lebt. "Suffer Great Nation"
ist schwere Kost, eine bitterböse Abrechnung mit dem Staat, die vor
9/11 geschrieben wurde, aber einen irakischen Terroristen gegen Amerika
schickt und später die Apokalypse des Staates an die Wand malt. Diesen
Song wollte Danny Dominguez nicht veröffentlichen, was mit einer
herzlichen Widmung im Inlay bedacht wird. Fand sich in der ersten Hälfte
des Albums noch das eine oder andere "eigenwillige" Instrumental,
erfolgt in der zweiten noch eine Steigerung: "War @ 120/80" führt tanzende Streicher in Plex' Anlagen, "El Grito" widmet sich der Panama-Invasion, wofür Brundel auf Spanisch rappt, und schließlich wäre da noch "CPU", das unterlegt von einem erneut betörend guten Instrumental die Machtübernahme künstlicher Intelligenzen ("The CPU you once owned now ownes you") inszeniert.
"Dawn Of A New Error" gehört zu den ambitioniertesten Alben seiner Zeit und gibt zudem die Sicht auf eine Gruppe frei, deren Talent so groß ist, dass es praktisch eine Schande ist, wie wenig man als Algorithm aufnahm und wie unbekannt das Aufgenommene dann noch blieb. Seth und Faust haben ihren ganz eigenen, messerscharfen Rap-Stil (in dem sie sich übrigens auch noch recht ähnlich sind), Plex und Seth ihren eigenen Sound, der die Konkurrenz in einer schwer kommerzialisierten HipHop-Welt mittels durchdachter, fesselnder Beats zum Frühstück verspeist. Des Weiteren muss man die politische Ausrichtung von Algorithm nicht bedingungslos unterschreiben, um diese intelligenten Zeilen zu schätzen. Dem hier vorliegenden Debüt fehlt zwar an einigen Stellen noch das gewisse Etwas, doch die Mängel sind so gering, dass "Dawn Of A New Error" nur knapp an einer Spitzenwertung vorbeischrammt und nichtsdestotrotz ein unbedingter, uneingeschränkter Kauftipp ist (der übrigens ein Jahr später auf dem japanischen P-Vine in einer um zwei Bonus-Cuts erweiterten Version erschien).
"Dawn Of A New Error" gehört zu den ambitioniertesten Alben seiner Zeit und gibt zudem die Sicht auf eine Gruppe frei, deren Talent so groß ist, dass es praktisch eine Schande ist, wie wenig man als Algorithm aufnahm und wie unbekannt das Aufgenommene dann noch blieb. Seth und Faust haben ihren ganz eigenen, messerscharfen Rap-Stil (in dem sie sich übrigens auch noch recht ähnlich sind), Plex und Seth ihren eigenen Sound, der die Konkurrenz in einer schwer kommerzialisierten HipHop-Welt mittels durchdachter, fesselnder Beats zum Frühstück verspeist. Des Weiteren muss man die politische Ausrichtung von Algorithm nicht bedingungslos unterschreiben, um diese intelligenten Zeilen zu schätzen. Dem hier vorliegenden Debüt fehlt zwar an einigen Stellen noch das gewisse Etwas, doch die Mängel sind so gering, dass "Dawn Of A New Error" nur knapp an einer Spitzenwertung vorbeischrammt und nichtsdestotrotz ein unbedingter, uneingeschränkter Kauftipp ist (der übrigens ein Jahr später auf dem japanischen P-Vine in einer um zwei Bonus-Cuts erweiterten Version erschien).
8.4 / 10