Dienstag, 26. Februar 2013

Spirit Agent - Depth Perception


Release Date:
1999

Label:
Navigators Inc.

Tracklist:
01. Exit Into
02. Ultraviolet Light
03. Womanism (Feat. Seven Star)
04. Servant Of The Center
05. Bioluminescence
06. Revolt
07. Cyclist
08. Discovery of Sole
09. Mind Virus
10. Vibrance
11. Further
12. Agents
13. Enchantment
14. The Voices In My Head
15. Inciting

Review:
Richmond Heights zu Beginn der Neunziger: Während in Sachen HipHop in ganz Florida der Miami Bass regiert, erhält ein gewisser Tory Jackson von seinem Cousin Tapes aus New York, was direkten Einfluss auf den Stil des sich im Verlaufe der Dekade als Stres mit seiner Crew The All in der lokalen Untergrundszene Miamis einen Namen machenden Rapper hat. The All bestehen im Kern noch aus Plex sowie Habib The Mysti alias Uday und Equate alias Bernbiz (das hintere Duo wird später als Evolver tätig sein). Mit einer selbst finanzierten EP generiert man einen kleinen Buzz und legt damit den Grundstein der in Form von Releases dokumentierten Alternativ-Szene Miamis. Es folgt die Gründung von Navigators Inc., das als Label und Fusion aus Gleichgesinnten (im Bunde sind noch Plex' ebenfalls schon bestehende Gruppe Algorithm sowie Seven Star) als Plattform dienen soll. Erstes Release bildet "Depth Perception", das Debüt der als Spirit Agent auflaufenden Stres und Plex.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Eine Sache sei gleich zu Beginn festgehalten: Spirit Agent ist anders, als man es erwarten würde, wenn Heads aus Florida vom New York der Frühneunziger beeinflusst sind. Die Kombo an sich - Plex Luthor als Produzent und Stres als Rapper - ist ganz und gar gewöhnlich, doch das war's dann auch schon. Ein erster Hinweis ist der Name: Mit Spiritualität hat die Scheibe nichts zu tun, "Spirit" meint das Unperzipierte, Unformulierte, Unbekannte, das den Menschen umgibt, Stres ist der "Agent", der Übersetzer, dessen Output seine Raps sind. Dieser hochtrabenden Maxime lassen Plex und Stres aber auch direkt Taten folgen, nicht etwa in einer wissenschaftlichen Abhandlung, sondern in musikalisch-dichterischer Essenz. Hier treffen sich die kongenialen Geister eines Sound-Architekten, der sich Zeit beim Basteln seiner Beats nimmt und selbige nur auf seinen momentanen Emotionen aufbaut, um mit exklusiver, ausgefallener, unverbrauchter Arbeit aufzuwarten, und eines Poeten, der mit einem einzigartigen Stil das Protokoll tiefster Kontemplation vor dem Hörer ausrollt. "The mind wanders where logic can't solicit". Eine Kumulation unwahrscheinlich tiefgründiger Beats trifft auf lyrische Ergüsse, die sich dank bedachter Eloquenz ungemein umfassend erstrecken. Feste Themen und Songkonzepte ergeben sich dabei kaum, die Ausnahme ist "Womanism", das dem schönen Geschlecht auf noble Art schmeichelt und zum starken Beginn des Albums zählt. Doch es wird noch besser. Denn für Fehler haben Spirit Agent weder Zeit noch Platz. In ihrem bilateralen Zusammenarbeiten hatten sie kaum je etwas an dem Beitrag des anderen auszusetzen, und das aus gutem Grund. Schon mit den ersten Sekunden knospt dieses Album, nur um wenig später aufzublühen in einer sonderbar beruhigenden, meditativen Art, dem Spiegel von Plex' Gemütszustand, in dem sich Flöten, Klavier und sachte Streicher die Hand reichen, nur um Stres' Worten zu lauschen, die in nicht minder ruhiger Art gesprochen werden und dabei die Schablone von Bars und Endreimen oft links liegen lassen - das perfekte Arrangement von in Lo-Fi-Laken gebetteten Samples fordert nicht danach. So baut das Klavier aus "Cyclist" zum melancholischen, selbstreflektierenden "Discovery Of Sole" auf, fließt das ganze Album ohne die kleinste Unstetigkeit voran, ohne je unnatürlich oder gezwungen zu klingen. Für die ergreifende Stimmung von "Enchantment" Worte zu finden, fällt schwer. Shades Lachen zu Beginn, Plex' surrendes Instrumental mit den hintergründig aufsteigenden Wasserblasen - so klingt HipHop-Seelenfrieden. Shade (Plex' damalige Freundin) findet mit einem Intro auf Französisch für "Voices In My Head" dann auch den rechten Übergang, auf dass sich das Album bis zu den drückenden Streichern in "Inciting" keine Blöße gibt und an dieser Stelle noch mit einem Zitat aus dem ekstatischen, frohsinnigen "Vibrance", welches das Wesen dieses Albums angemessen repräsentiert, beschrieben sei:

"The analytical tongue, critical as lung respiration
Political among no hypocritical sung intonation
Slung from my imagination, hung to esthetics
My tongue in moderation, it is clung to poetics
The synthetics are pathetic, they falter from the start
I alter the genetics of this art
"


 "Is this art or trash?" fragt Stres und könnte dabei keine eindeutigere Antwort erhalten. Nicht nur ist dieses Album Kunst, es ist zudem Pionierarbeit, das erste Manifest der in den folgenden Jahren recht lebendigen Untergrundszene Miamis. Der Einfluss auf Gruppen wie Cyne ist sehr naheliegend. An "Depth Perception" kam in dieser Form jedoch kein Album mehr (nicht aus Miami und von anderswo erst recht nicht) heran. Trotz des Equipments (das nicht das hochwertigste war) und des sich ergebenden, durch das ganze Album ziehenden Lo-Fi-Sounds - oder gerade deswegen - gibt es hier nichts zu verbessern. Obwohl direkt im Anschluss ein zweites Album geplant war, kam es nur noch zu der ebenfalls sehr hörenswerten "Input/Output EP", dann löste sich das Duo auf, Navigators Inc. schloss ebenfalls recht bald die Pforten. Doch aus diesem Release gingen indirekt Counterflow und zu gewissem Grad auch die Beta Bodega Coalition hervor, was der Welt in der Folgezeit weitere hochwertige Releases aus Miami bescheren sollte.

9.4 / 10

Pacewon & Mr. Green - The Only Number That Matters In Won


Release Date:
04. September 2012

Label:
RawPoetix Records

Tracklist:
01. Ever Since
02. Liquor & Drugs
03. Big Screen
04. Something To Say (Feat. Masta Ace)
05. Real Life
06. We Do This
07. Be Mine (Feat. Lee Scratch Perry & Elephant Pelican)
08. My God
09. Fresh Air
10. Champagne
11. My Song (Feat. Rival)
12. Insecure
13. Slow (Feat. Lawrence Arnell)
14. Lock Me Up (Feat. Snoop Dogg & Burnt MD)

Review:
Pacewon hatte eigentlich niemand mehr auf dem Schirm, vor dem Jahr 2008 war er mit zwei unbedeutenden Solos, einigen Gastauftritten (von den Fugees bis zu EC) und der Gründermitgliedschaft bei den nie so richtig in die Gänge gekommenen Outsidaz einer von unzähligen Emcees, die im neuen Millenium gestrandet schienen. Doch dann kam die Kollabo mit dem völlig unbeschriebenen Mr. Green und auf einmal war Pacewon gefeierter Veteran. Was dann folgt ist logisch - ausgiebiges Touren stockt die Kassen auf, zudem gründet Pace mit Teamwon Inc. ein eigenes Label und eine eigene Gruppe, die bisher über ein gähnendes Album nicht hinausgekommen ist. Auch Green gründet ein Label, veröffentlicht Instrumental-Platten und erlaubt sich noch einen Seitensprung mit Young Zee. All das mag dazu beigetragen haben, dass "The Only Number That Matters Is Won" einige Verschiebungen erfuhr.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Der Titel deutet es an, eigene Aussagen bestätigen es: Mit dem zweiten Streich des für ihre erste Kollabo weithin gefeierten Duos will man am Konzept nichts verändern, angestrebt ist mehr Kopfnickerware für dieselben Heads, die schon 2008 aufjubelten. Das geschah damals schließlich nicht ganz zu Unrecht, Mr. Green und sein Produktionsstil waren unverbraucht, das Album kam zur rechten Zeit und hatte vielleicht nicht die größte Halbwertszeit, wohl aber seine starken Momente. Vier Jahre später konnte Pacewon seinen Namen auf den Alben einiger Kollegen installieren, Mr. Green seine Beats u.a. auf dem letzten Album der Jedi Mind Tricks platzieren. Kurzum, auf den "Überraschungsfaktor" darf man hier weder hoffen noch setzen. Ein Umstand, den die beiden Gastgeber verschlafen zu haben scheinen. Im Hause RawPoetix kam wohl auch niemand auf die Idee, Pacewon darauf hinzuweisen, dass die "back in the day"-Raps schon längst nur noch als Werbesprüche für BoomBap-Bestattungsunternehmen dienlich sind. Wem also bereits 2008 zu sehr die Liebe zum guten, alten HipHop von anno damals gepredigt und zu viel Standardthematik durchgekaut wurde, der wird auf hiesigem Album schon bald Rotz und Wasser heulen. "Ever Since" holt direkt zu Beginn aus und baut Pacewon als ambitionierten Retter des Genres auf. Dabei offenbart sich Pacewons große Schwäche: Obwohl er durchaus eine Handvoll Themen abgrast, klingt er dabei schwer uninspiriert, im Falle von "Big Screen" ("Take your favorite movies that you've ever seen / X out the star and replace 'em with me") berechenbar und teils lächerlich. Und wo Green im Opener noch gesund loslegte, ist das Instrumental hier auch keine vergütende Unterstützung: Simple Piano-Loops haben schon vielen Tracks geholfen, hier erhält man lediglich flächendeckende Langeweile, die von einer platten Drumline noch unterstrichen wird. Generell stehen die Percussions beim Producer aus Jersey oft im Vordergrund, was es umso fataler macht, dass diesbezüglich ein gewisser Déjà-vu-Faktor steter Gast auf der LP ist. Doch keine Sorge, der macht sich auch bei der mangelhaften Klangvielfalt der Samples bemerkbar. So ist "My God" (textlich an das Source-Magazin zurückdenkend und kaum von Belang) eigentlich sehr ordentliche Arbeit, die aber trotzdem nicht ganz zündet. Weitere Themen der Platte sind übrigens - nach einem von lustlosem Piano-Loop geleiteten "Real Life", das kurz das harte Straßenleben im immergleichen Bilderrahmen skizziert - Frauen und Drogen. Letzteres serviert sehr offensichtlich "Liquor & Drugs" (hier stört "nur" eine schlechte Hook), Ersteres ein oberflächliches "Insecure", das für seine bescheuerte Hook einen Negativpreis verdient. "We Do This" ist vergessen schon bevor seine vier Minuten Spielzeit vorbei sind, "Something To Say" hat zwar nicht wirklich etwas zu sagen, klingt aber dennoch nach mehr als das arg trockene "Be Mine", in dem es die Gäste sind, die der nackten Rhythmussektion eines Beats etwas Charakter geben. Viel mehr passiert dann auch nicht mehr, Greens Ankündigung, Snoop Dogg auf den härtesten Beat gepackt zu haben, setzt hohe Erwartungen an "Lock Me Up", die der Standard-Kopfnicker wenigstens ansatzweise erfüllen kann.

Es war irgendwie abzusehen, jetzt beweisen Pacewon und Mr. Green es selbst direkt: Ihr Achtungserfolg, den sie 2008 erzielen konnten, nährte sich hauptsächlich aus dem Überraschungsmoment und der Unverbrauchtheit der Kombination der beiden Künstler. Vier Jahre später tritt beim Zweitling Ernüchterung ein: Ähnlich eines 9th Wonder hat Mr. Green seinen eigenen Sound, nur ist der schon um Welten schneller erschöpft, was den Sound-Teppich der LP ideenlos dastehen lässt. In ganz ähnlicher Weise scheint Pace nicht so recht zu wissen, wie er die Tracks füllen soll. Insgesamt klingt "The Only Number That Matters Is Won" wie ein zwanghafter Versuch, den Erfolg von "The Only Color That Matters Is Green" nochmals einzufangen, nicht wie ein inspiriertes Album. An einigen Stellen gelingt das zwar auch, insgesamt gibt die Scheibe aber nicht übermäßig viel her.

4.7 / 10

Brother Ali - Mourning In America And Dreaming In Color



Release Date:
18. September 2012

Label:
Rhymesayers Entertainment

Tracklist:
01. Letter To My Countrymen (Feat. Dr. Cornel West)
02. Only Life I Know
03. Stop The Press
04. Mourning In America
05. Gather Round (Feat. Amir Sulaiman)
06. Work Everyday
07. Need A Knot
08. Won More Hit
09. Say Amen
10. Fajr
11. Namesake
12. All You Need
13. My Beloved (Feat. Choklate & Tone Trezure)
14. Singing This Song

Review:
Die Jahre haben Rhymesayers alles andere als geschadet, das Label aus Minnesota ist weiterhin eines der Flaggschiffe des gepflegten Indie-HipHops und immer mehr Künstlern ein Zuhause. Einer der Vorzeigekünstler ist nach wie vor Brother Ali, der mit der Zeit ebenfalls immer populärer zu werden scheint. Im Großen scheint also nicht viel zu passieren bei der konstanten Karriere des Albinos, genügend Stoff für ein neues Album - gleichwohl zur Selbsttherapie als auch zur Predigt - gibt es für Ali jedoch immer. Der Besuch von Mecca und ein stetes Auge auf die Weltpolitik sind Punkte, die ihn zu "Mourning In America And Dreaming In Color" motiviert haben, seinem nunmehr fünften Album.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Wo die groben Eckpfosten zwischen "Us" und hiesigem Projekt nur eine eher blasse Einleitung abwerfen, gibt ein genauerer Blick auf die Scheibe schon mehr her: Ant, der seit "Shadows On The Sun" immer alleiniger Produzent und Kollaborator war, weicht aus pragmatischen Gründen Jake One: Da Atmosphere mehr Familienzeit zwischen ihren Touren einplanten, war man nicht im selben Rhythmus und kam nicht zu den gemeinsamen Sessions wie sonst. Eine gute Gelegenheit, sich mit Jake One, mit dem Ali schon seit einem Dutzend Jahren in Kontakt steht und nie im gewünschten Ausmaß zusammengearbeitet hat, kurzzuschließen; so entsteht aus ersten Zusammenarbeiten die letztendliche Komplettproduktion. Doch das und noch viel mehr adressiert Ali in "Stop The Press" selbst: Es kommt das halbherzige Gefühl, das er bei "Us" hatte, zur Sprache, die Abkehr von Langzeit-DJ BK-One, der Tod seines Vaters sowie der von Eyedea, die Reise nach Mecca und schließlich Jake One als jetziger Partner. Der Track ist allerdings eher ein Exot in der ersten Hälfte der LP, die den "Mourning In America"-Teil (ein Wortspiel auf den Werbe-Slogan aus Reagans Kandidatur) behandelt und somit die maroden Zustände Amerikas und seiner Verankerung in der Welt adressiert: "Letter To My Countrymen" deckt innen-, der Titeltrack (teils) außenpolitische Themen ab (beide aus einer negativen Sichtweise, die ein bösartiges, oligarchisches Amerika skizziert), "Gather Round" ist (im Geiste des Arabischen Frühlings) ein Aufruf zum Zusammenschluss und zur Veränderung. Ali selbst zeigt sich dabei rap-technisch (wie auch auf dem restlichen Album) in seiner gewohnten Form, was zu Jake One überleitet, der nämlich weder stets zu Ali passt noch durchgehend kohärente Top-Ware abliefert: Ali bemüht sich um "Won More Hit", aber perfekte Harmonie klingt anders. Man hört, dass der Albino nur eine Auswahl an vorgefertigten Beats zu Verfügung hatte - die Tracks mit Ant mögen teils harmlos gewesen sein, litten aber nie unter diesem Problem. "Only Life I Know" ist die typische, Drum-lastige Jake-One-Partie, in der nicht sonderlich viel passiert und die erst durch Ali mit einer (zugegebenermaßen etwas berechenbaren) Ode an die Arbeiterklasse einen Hauch von Charakter erhält; wesentlich besser ist da schon "Work Everyday", das den Arbeitsmarkt aus Sicht des leidenden Arbeitnehmers zum Thema macht. Auch die textlich großartige, mit Metaphern spielende Hustler-Hymne "Need A Knot" (den springenden Punkt des Songs darf man selbst nachhören) schwächelt beim Zusammenspiel zwischen Beat (treffend charakterisiert durch Bun B in der Hook) und Rhymes. Die "Dreaming In Color"-Hälfte schließlich beinhaltet einen Song über Liebe, einen über Alis Namensgeber sowie das grandiose "All You Need", das sich im ersten Vers an die Exfrau und deren Vernachlässigung des gemeinsamen Sohns Faheem richtet ("God might forgive you for that, I never did"), im zweiten dann direkt den Sohn anspricht.

Ironischerweise sind es nicht unbedingt die politischen, sondern jene Songs, die die persönlichen, alltäglichen Probleme des Brother Ali abhandeln, in denen dieses Album seine besten Momente hat. "MIAADIC" ist ohne Frage ein politisches Album, doch wer neue Ideen sucht, wer hier eine Staatskritik erwartet, die er nicht bei jedem zweiten "politischen" Rap-Album in ähnlicher Form um die Ohren gewatscht bekommt, ist auf dem falschen Dampfer. Die Gleichschaltung der sogenannten politisch orientierten Rapper steht der dabei stets der Herrscherschicht vorgeworfenen in wenig nach. Abgesehen davon macht Brother Ali eine gewohnt gute Figur am Mic, was sich so uneingeschränkt nicht vom Partner Jake One sagen lässt. Wie etwa auch bei seinem Album mit Freeway ist es durchwegs, mit einigen Highlights versehene, solide Arbeit (aber nicht mehr), die man zu hören bekommt, die aber der Harmonie, die Ali mit den wesentlich melodischeren, herzhafteren, instrumentlastigeren Beats von Ant selbst noch auf "Us" erzielte, nie gleichkommen wird. "Mourning In America And Dreaming In Color" erreicht trotzdessen noch (knapp) eine gute Wertung, der Qualitätsstandard von Ali ist dann nämlich doch nicht wegargumentierbar.

6.5 / 10

Royce Da 5'9" - Rock City (Version 2.0)


Release Date:
26. November 2002

Label:
KOCH Records / Game Recordings

Tracklist:
01. It's Tuesday (Intro)
02. Rock City (Feat. Eminem)
03. Off Parole (Feat. Tré Little)
04. My Friend
05. U Can't Touch Me
06. Mr. Baller (Feat. Clipse, Pharrell & Tré Little)
07. Let's Go (Feat. Twista)
08. D-Elite
09. Take His Life (Feat. Tré Little)
10. Nickel Nine Is...
11. Boom
12. Soldier's Story
13. Who Am I
14. Life (Feat. Amerie)
15. King Of Kings (Bonus)

Review:
Bis zu einem gewissen Punkt macht es Spaß, den Werdegang von Royce Da 5'9" zusammenzufassen: Mitte der Neunziger battelt sich Ryan Montgomery erfolgreich durch die gängigen Schuppen Detroits, bis er an einem Tag im Jahr 1997, als er für Usher eröffnet (am gleichen Tag kommt übrigens sein Sohn zur Welt und stirbt seine Großmutter), über seinen Manager Kino einen gewissen Eminem kennenlernt, mit dem die Chemie sofort stimmt. Man legt die Grundlage für Bad Meets Evil, die Em später in Cali ausfeilen möchte. Dort trifft Royce dann Dr. Dre, der begeistert von seinen Rhymes ist, mit dem es dank Kino und verplapperter Ghostwriter-Tätigkeit aber nicht perfekt läuft - so signt Royce auch bei Tommy Boy und nicht bei Aftermath. Wenngleich der Deal im Endeffekt für den Allerwertesten war und Royce kurze Zeit darauf zum New Yorker Game Recordings weiterzieht, baut sein Hype sich dank guter Singles trotzdem weiter und in schwindelerregende Höhen auf. An dieser Stelle wird Royce dann vom Pech erschlagen: Columbia, die zusammen mit Game hinter ihm stehen, verschieben das Album wieder und wieder, schließlich wird es Anfang 2002 ein Bootleg-Opfer, weswegen Royce frustriert seine Sachen packt, das Album nochmals überarbeitet und schließlich über KOCH auf den Markt wirft.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Ende 2002 kommt es schließlich auf den Markt, der beste Zeitpunkt wäre ein bis zwei Jahre früher gewesen. Somit ist Royce der kommerzielle Volltreffer nicht vergönnt, den hohen Erwartungen an die Scheibe hat er sich trotzdem zu stellen. Mit Eminem als Executive Producer und diversen namhaften Producern wie beispielsweise DJ Premier, den Neptunes, den Trackmasters oder Ayatollah sichert er sich entsprechend starkes Backup. Da "Rock City" in Europa in seiner ursprünglichen Form erschien, gibt es das Debüt eigentlich sogar in zwei Versionen, wobei es reicht, hiesige zu kennen. Wer es nicht vorher geahnt hat, der bekommt bestätigt: Das vordergründige Anliegen der Scheibe ist es, Royce als herausragenden Rapper zu etablieren. Darauf sind die Beats, die Songs und auch die Gäste ausgelegt. Royce ist geschult in den Disziplinen Selbstverherrlichung und Battle-Raps, unternimmt aber auch einige Ausflüge in andere Gebiete, wenngleich man auf inhaltlicher Ebene nicht viel erwarten sollte. Doch es zeigt sich, dass Royce genügend Punchlines dabei hat. Nach dem äußerst vielversprechenden "It's Tuesday"-Intro, in dem sich Royce in die Szene boxt und von einprägsamem Violinen-Geschrammel begleitet wird, ist die erste Enttäuschung Eminem, der es lediglich auf einem Track aufs Album geschafft hat (die Nichtexistenz solcher Kollabo-Songs kann nicht der Faktor gewesen sein) und da auch nur den Refrain gibt: "Rock City" verliert zwar glücklicherweise die lächerlichen Gitarren-Elemente, die noch die originale und Video-Version verschandelten, hätte als Hymne auf die Motor City trotzdem einen Vers vom unangefochtenen König der Stadt verdient gehabt. Danach handelt Royce schnell die meisten Aspekte der Scheibe ab: "Let's Go" beispielsweise heuert einen angesagten Gast von außerhalb an, ist voll auf Twista zugeschnitten und macht auch dem Gastgeber mächtig Feuer unterm Hintern - gegen einen Meister der Speedraps sieht Royce trotzdem nicht optimal aus. Dann wäre da "U Can't Touch Me", ein munter und unbedeutend bouncender Song seiner Zeit über den Gastgeber (immerhin findet Tommy Boy in einem Atemzug Erwähnung). Eine Teilmenge des Gastgebers wiederum erhält in "My Friend" volle Aufmerksamkeit und ist als zeitlos guter Premo-Kopfnicker und Ode an das beste Stück einfach köstlich. "Mr. Baller" hingegen lahmt, abgesehen davon, dass der Neptunes-Cut ohnehin wie ein Clipse-Song anmutet, vor allem in seiner (Pharrell-)Hook. Bisher unerwähnt ist Royces Crew aus den Mittneunziger-Zeiten, die in "D-Elite" sogar einen Track gewidmet bekommt, ironischerweise aber ohne die Crew selbst (ein auf der Originalversion noch vertretener "Part 2" mit der D-Elite wurde gestrichen) - kein Wunder also, wieso bis heute kein Schwein die Stiefelputzer von Royce kennt, wenn nicht einmal er selbst an sie glaubte. Lediglich Tré Little darf ran, was sich im abenteuerlustigen "Off Parole" auch direkt als grauenhafte Fehlentscheidung herausstellt, wohingegen "Take His Life" mit drückendem Piano-Loop und durchgängigem Schlagabtausch der beiden MCs zu gefallen weiß und außerdem die wesentlich kompaktere zweite Albumhälfte einläutet. Abgesehen von "Boom", der überragenden zweiten (und besten) Premo-Kollabo, zu der keine weiteren Worte nötig sind, beschäftigt sich Royce viel mit sich selbst, weiß aber (trotz einer schwachen Hook in "Who Am I") stets etwas mit den starken Beats von Rob Reef Tewlow und 6 July anzufangen. Den offiziellen Abschluss macht mit "Life" ein an den eigenen Sohn gerichteter Track, der von Amerie einen arg pathetischen, aber gut umgesetzten Refrain aufgedrückt bekommt und an den sich noch der Bonus "King Of Kings" anschließt, das dank seines Voice-Samples an JMTs späteren Stoupe erinnert und als sehr interessante, erfreuliche Addition im Gedächtnis bleibt.

Im Grunde macht Nickel Nine mit seinem Debüt nicht viel falsch, mit dem Einwirken der Neptunes und den Singles ist radiotaugliches Material vorhanden, trotzdem lässt er sich sein Werk nicht von Label-Execs zerhacken, verbessert es in der "Version 2.0" sogar noch. Wünschenswert wäre noch das eine oder andere Eminem-Feature sowie ein etwas härterer Track vom Schlage "The Desert" gewesen, doch selbst so hat dieses Debüt seine Momente. Das der Erfolg ausblieb, ist wohl schlicht und einfach der Verspätung zuzuschreiben. Unter Berücksichtigung der Kritikpunkte und schwachen Tracks verbleibt ein vollauf gutes Album mit Tendenz nach oben, das die Frage aufwirft, wie Royces Karriere wohl verlaufen wäre, wenn er sich nach "Rock City" nicht von Em abgewendet hätte.

6.9 / 10

Typical Cats - 3


Release Date:
25. September 2012

Label:
Galapagos4 Records

Tracklist:
01. Intro (Cry No More)
02. The Crown
03. My Watch
04. Changing Room
05. Puzzling Thing
06. Better Luck
07. Drop It Like It's Hotline
08. Denizen Walks Away
09. The Bitter Cold
10. It's The Bomb!
11. On My Square
12. Blank Stone
13. Scientists Of Sound
14. Mathematics
15. Gil Say They Don't Knock
16. Bowl Of Tea
17. Reflections From The Porch
18. The Gordeon Knock
19. TC Back For More
20. Full Clip (For The Last Day)

Review:
Wenn man in Betracht zieht, wie es die Typical Cats nach ihrem Zweitling im Jahre 2004 auseinandergezogen hat, war es alles andere wahrscheinlich, dass je ein weiteres Album der viel gepriesenen Truppe aus Chicago erscheinen würde: Qwa zieht nach Cali, wohnt zeitweise halb in Deutschland und wendet sich mit Silence dem Dirty-Digital-, dann mit Batsauce einem weiteren Kollabo-Projekt zu; Qwel releast seine Four Seasons sowie zahlreiche weitere Alben (u.a. mit Jackson Jones), wird das Zugpferd von Galapagos4 und gibt sich dem Studium der Mathematik hin (zahlentheoretische Facebook-Konversationen sind eine Folge); Kane jobbt sich durchs Leben und Natural zieht nach Brooklyn, wo er eine geraume Zeit das Produzieren komplett hinter sich lässt. Doch irgendwann juckt es ihn wieder in den Fingern, was als Funke ausreicht, um die Typical Cats als Gruppe wieder auflodern zu lassen. Das Ergebnis ist "3" und erscheint - wo auch sonst - auf G4.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 In den acht Jahren hat sich nicht nur in der Szene viel getan, sondern auch für die TC und ihre musikalischen Ausrichtungen. Von jungen Heißspornen kann inzwischen auch nicht mehr die Rede sein, mit einer Familie im Rücken agiert man nunmal anders. Der Liebe an der Musik hat das jedoch keinen Abbruch getan, dies zu beweisen bedarf es dieses Albums gar nicht. Wohl aber wird das Album zeigen, ob und wie die drei Emcees noch zusammen funktionieren und wie sich der Sound von DJ Natural entwickelt hat. Mit einem neuen Schwung an Motivation und den Platten, die das stille fünfte Mitglied, Kid Knish, ihm als Sample-Material in die Hände legt, sollte jedenfalls nichts erzwungen klingen. Andererseits war Natural noch nie der beste bzw. kreativste Produzent, vielmehr derjenige, der TC mit den simplen True-Schooler-Instrumentals versorgte, die den drei Emcees genügten, um in die Vollen zu gehen. So verhält es sich großteils auch wieder auf "3", wobei die satten Drumlines und die kraftvoll umgesetzten Samples in der Tat frisch wirken und oft alleine bestehen können - wozu sie auch tunlichst in der Lage sein sollten, denn die hohe Trackzahl ergibt sich durch viele kleine Interludes, die meistens Instrumental-Fetzen sind. Das Album in dieser Form in die Länge zu ziehen ist trotzdem nicht die beste Idee, ist es doch schon in seiner typischen TC-Form nicht die kohärenteste Angelegenheit. Denn auch auf "3" ist die Zahl der Tracks, auf denen Qwa, Qwel und Kane zu dritt antreten, begrenzt und mit einigen Solostücken versetzt. Diesen Vielfältigkeitsbonus auf diese Weise an den Rand eines Flickenteppichs zu drängen ist umso gefährlicher, als zwischen den drei Herren am Mic nicht mehr alles so gut zusammenspielt wie einst, was einer Person geschuldet ist: Denizen Kane. Der stellt sich ohnehin als Scharfrichter der Platte heraus. Wo im eröffnenden "The Crown" noch ein erfrischend gerapptes Hin und Her zwischen den dreien herrscht und vor allem Qwel wieder gehörig losdonnert, folgen schon bald einige Ärgernisse: Irgendwo zwischen den Spoken-Word-Ambitionen, die schon dem orangenen Debüt miserabel zu Gesicht standen, und nervtötend krächzendem Gesang nisten sich Songs wie "Blank Stone" ein und bieten zu allem Überfluss noch die aufdringlich nach außen gekehrte kontemplative Seite von Kane. So ruiniert sein Vers auch das anderweitig genießbare "Gordeon Knock" sowie "Puzzling Thing", in dem Qwa und Qwel anderweitig bestens harmonieren. Die zwei geben sich erwartungsgemäß keine Blöße, Qwel lässt seine anspruchsvollsten Zeilen zumeist daheim und glänzt dafür mit seinen Rap-Fertigkeiten (genannt sei sein großes Solo "The Bitter Cold", das als sarkastischer Gedankenfaden auch auf eines seiner Solos gepasst hätte), Qwa flowt in seiner typischen Symbiose mit dem Beat, lockert das Album mit breitem Themenreichtum auf und bringt seine Solos ("Better Luck", "Reflections From The Porch") sicher nach Hause. Sternstunden der LP sind "My Watch", in dem Natural füllige Hörner eröffnen und den bärtigen Reimquell Qwel dann über nicht viel mehr als knochige Percussions brausen lässt; "On My Square" demonstriert schließlich, wie das Zusammenspiel aller drei Emcees Früchte tragen kann (doch auch hier ist Kane seinen Kollegen völlig unterlegen). "Full Clip" hinterlässt abschließend mit einer gesungenen Hook von Kane nochmals einen letzten bitteren Nachgeschmack.

Es ist ganz einfach: So, wie es hier präsentiert wird, funktioniert das Konzept der Typical Cats nicht mehr. Da sind einerseits Qwazaar und Qwel, die ebenfalls nicht mehr genau so klingen wie vor zehn Jahren, aber nach wie vor als Galleonsfiguren in Sachen Rap der Windy City gelten dürfen, und andererseits Denizen Kane, der dem Rap scheinbar den Rücken kehrt und noch wesentlich mehr als etwa auf seinem 2009er Solo straßenpredigerhafte Züge aufnimmt, die auf "3" schlichtweg fehl am Platz sind. TC-Scheiben waren nie als atmosphärisch dichte Platten angelegt, aber diesmal muss man trotz großteils sehr überzeugender Arbeit von DJ Natural, starkem Qwa, starkem Qwel und einigen echten Hochkarätern so oft vorspulen, dass das Album als Ganzes eine gute Note nicht zulässt.

5.7 / 10

Sound Survivors - feelthisundastood


Release Date:
24. August 2012

Label:
Lost Hill Music / MKZWO Records / Rapublik Records

Tracklist:
01. Proem
02. Feelthisundastood (Feat. C-Rayz Walz & Killah Priest)
03. Road Of The Dead (Feat. Tos el Bashir & Canibus)
04. Cruel World Pt. 1 (Feat. Akiladahun)
05. MCs
06. Guilty (Feat. Shogun Of Dark & Masta Killa)
07. Stylistics Interloop
08. Making History (Feat. Kurupt & BAK)
09. Sparring
10. Poor Man (Feat. Aslaam Mahdi & Nino Graye)
11. Starz (Feat. Jaecyn Bayne & Planet Asia)
12. MPC Interloop
13. Beat It
14. Cruel World Pt. 2 (Feat. Copywrite, Bronze Nazareth, Planet Asia & Chino XL)
15. iHipHop (Feat. M-Eighty & Keith Murray) (Vinyl-only Bonus Track)
16. Yours Sincerly
17. End Titles

Review:
Nach zwei ausschließlich auf Vinyl erschienenen EPs ist es so weit, das neue Album (und nach "Boom Bap Blues" erst das zweite offizielle) der Sound Survivors erfährt seine Veröffentlichung. Untätig war man in der Zwischenzeit und ist man auch jetzt nicht, denn ganz abgesehen von den oben bereits erwähnten EPs ist die multinationale, deutsch-französischsprachige Kombo auf das Knüpfen eines weltweiten Netzes von gleichgesinnten HipHop-Nerds bedacht, was besonders Producer und Engineer Tom Select quer durch die Weltgeschichte führt. Ein gutes Album garantiert das natürlich noch lange nicht, doch zumindest ist die Liste der Involvierten zu "feelthisundastood" ein erster interessanter Hingucker.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Die harten Fakten zu diesem Album umschließen beispielsweise erstklassiges Mastering von Robin Schmidt, Aufnahmen in Sutdios wie jenem von Brooklyn-Veteran PF Cuttin' oder einen Beat von Apollo Brown. Den Hauptteil der Produktion stemmt übrigens - wie es nicht anders zu erwarten war - Tom Select selbst, aber auch SnaveVsCrane ist mal wieder mit von der Partie und mit Boonie Mayfield findet sich ein Noname und Emporkömmling aus dem Mittleren Westen (Colorado Springs) in den Credits. In der Gästeliste tragen sich einige illustre Namen der US-Indie-Szene ein, die großteils auf einen Knotenpunkt zurückzuführen sind, nämlich M-Eighty, mit dem man ja schon seit längerer Zeit zusammenarbeitet und der mit seinen A&R-Tätigkeiten für diverse Alben (ursprünglich für Think Differently) inzwischen auch außerhalb der Wu-Familie bestens vernetzt ist. Daraus nicht Profit zu schlagen, wäre geradezu töricht. Als ob es eine verkehrte Sache wäre, wenn ein C-Rayz Walz mit den ersten Raps des Albums dem Hörer den Welcome-Drink reicht. Es folgen mit Marabou und 2Fast die französischen Stimmen, den Abschluss macht Killah Priest. "feelthisundastood" ist direkt der Titeltrack und meint im Übrigen, laut Tom Select, das Verstehen nicht nur auf geistiger, sondern auch auf Gefühlsebene. Für das Album selbst bedeutet es nicht viel mehr als schon bei vergangenen Projekten: Man hält alles einfarbig "real", dafür davon mit kräftigem Farbstich, es sind immer noch die "Boom Bap Blues", die aus den Boxen wummern. Bei den vier Emcees hat sich nicht viel geändert, in bedächtigem Tempo (dem sich die Beats praktisch durchwegs anpassen) wird nach wie vor die marode Szene angeprangert, die eigene Verbundenheit zum echten HipHop beteuert sowie ab und an ein wenig der tiefe Wortschatz angedeutet, mit dem schon früher sehr geizig umgegangen wurde. Ein sehr positives Paradebeispiel hierfür ist "MCs": Umrahmt von passendem Sample aus "Der große Diktator" ziehen Kick und Snare gemächlich ihre Kreise, eine Akustikgitarre induziert einen trüben Anstrich und die Wortathleten führen ihr Musikgenre durch den metaphorischen Kriegsschauplatz. In ähnlichem Anzug kommt "Poor Man" daher und besticht als Nummer über den erschöpfend harten Alltag im geistigen Erbe der Worksongs. Genau mit solch ernster Stimmung konnten die Sound Survivors schon immer punkten. Und wie schon auf früheren Werken sind es falsche Songkonzepte, fehlorientierte Produktionen sowie ausgereizte Samples, welche die Tiefpunkte ausmachen: "Cruel World" fehlt schon auf instrumentaler Ebene der Biss, da können weder Akila noch eine recht wahllos zusammengewürfelte Posse (derer es ohnehin mehr als genug gibt) nicht viel ausrichten; "iHipHop" sieht als Vinyl-Bonus interessant aus, Tom Selects Beat klingt dann aber doch eher wie eine 1-zu-1-Kopie von Apollo Browns "Desperation", das Konzept (die Ode ans Genre) ist zum Einschlafen, da austauschbar inszeniert. Apropos Apollo Brown, der steuert "Guilty" bei, über dem das Wu-Tang-Logo weht und das sich sehr gut ins Albumbild fügt (dass der abgeklärte, auf dem langsamen Instrumental bestens funktionierende MK hier die Lorbeeren abräumt, muss nicht extra erwähnt werden). Muhammad Ali leitet das langweilige "Sparring" ein, "Starz" steuert in eine zum Album-Fluss nicht parallele Richtung und das eigentlich sonnig und mit Kurupt beginnende "Making History" wird ab dem Moment unaushaltbar, ab dem BAK das Mic ergreifen - lokale Battle-Rap-Legenden hin oder her, die zwei hätte man lieber nicht eingeladen. Denn ansonsten gibt sich das Album nicht viel Blöße, sei es nun bei einem großartig minimalistischen "MPC Interloop" oder einem perfekten Outro ("End Titles").

Die Sound Survivors sind immer noch die HipHop-Fans, die wahrscheinlich mehr Freude daran hatten, persönlich mit Killah Priest zu arbeiten, als daran, ihn als Feature auf ihrem Album führen zu können. Das macht einen der Charakterzüge des Albums aus, der zwar auf dem jetzigen qualitativen Niveau fördernd wirkt, gleichzeitig aber auch einer der Gründe ist, warum "feelthisundastood" unmöglich ein herausragendes Album hat werden können: Mit diesem konventionellen BoomBap, der an keiner Stelle eine Überraschung bietet, wird man über ein gewisses Maß nicht hinaus kommen, zumal die Survivors allesamt eher der ruhige Typ am Mic sind, ohne dabei aber das bestechende Charisma eines GZA oder Masta Killa vorweisen zu können. Genug Songs dieser Platte zeigen, wie man eine ununterbrochene, ernste Grundstimmung hätte legen können, "Revolution" zeigte seinerzeit, wie man in selbige gelungen Abwechslung einzubauen vermag. Mit einem solchen Konzept könnten die Sound Survivors ihre lyrische Stärke voll ausspielen und dem Fluch des zu gewöhnlichen BoomBap-Albums entfliehen - "feelthisundastood" ist für Letzteres uneingeschränkt zu empfehlen, schrammt damit aber auch knapp an einer besseren Wertung vorbei.

5.8 / 10

Juggaknots - Clear Blue Skies


Release Date:
25. Februar 2003

Label:
Third Earth Music / Matic Records

Tracklist:
01. The Hunt Is On
02. Trouble Man
03. Jivetalk
04. Watch Ya Head (Remix)
05. Epiphany
06. The Circle (Part II)
07. The Circle (Part I)
08. Who Makes It Hot (Feat. Adagio)
09. Romper Room
10. Come Along
11. Loosifa
12. A Rainy Saturday
13. Sex Type Thang
14. You Gotta Do One Of These Songs
15. Projections
16. I'm Gonna Kill You
17. Luvamaxin
18. Clear Blue Skies (Remix)
19. Up At The Stretch Armstrong WKCR Radio Show
20. Clear Blue Skies (Bonus)

Review:
Wer Jünger des Neunziger-HipHops der Eastcoast nach ihren Helden fragt, der wird (völlig zu Recht) früher oder später die Juggaknots genannt bekommen. Das Trio bewegt sich in familiären Kreisen, so sind (des Alters nach geordnet) Buddy Slim, Breezly Brewin und Queen Heroine Geschwister, Letztere ist anfangs allerdings noch so jung, dass die Schule Vorrang hat. Schon Ende der Achtziger machen die Jungs zusammen Musik, der entscheidende Schritt sind allerdings - wie bei so vielen anderen - die Auftritte bei Stretch & Bobbito. Da man 1993 einen Deal mit EastWest landen konnte, arbeiten die Juggaknots zu dieser Zeit schon an einem Album. Letztendlich kann man sich allerdings nicht einigen und wird vom Label verlassen. Glücklicherweise entscheidet sich Bobbito um diese Zeit, der Welt das zahlreiche Material, das durch seine Finger wandert, zugänglich zu machen, weswegen das Debütalbum '96 ein schnell vergriffenes Vinyl-Release über Fondle 'Em erfährt. Sieben Jahre später ist es dann das Label Third Earth, das die Juggaknots dazu nötigt, dieses Debüt nochmals zu überarbeiten und als "Clear Blue Skies" nochmals zu veröffentlichen.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Aus den ursprünglich neun Tracks sind auf dem Re-Release ganze 20 geworden, die natürlich alle originalen einschließen, aber auch neuere umfassen, auf denen dann auch Heroine (auch als Herawin unterwegs) zu hören ist. Ansonsten sieht die Rollenverteilung in der Familie wie folgt aus: Buddy Slim trägt den Hauptteil der Beats bei und greift nur selten zum Mic, Breeze hält es genau andersrum und ist demnach die Stimme, die einen durchs Album führt. Für alle, die sie nicht kennen, ist genau diese Stimme auch das erste Merkmal und die erste unbedingte Hörenswürdigkeit. Denn nicht umsonst wird Breeze in Fachkreisen als einer der unterbewertetsten Rapper seiner Zeit gehandelt; es gibt wenige, die es mit seinem so natürlichen, nie gehetzten, aber doch leidenschaftlichen und verspielten Flow aufnehmen können, der zudem auch noch ungemein sympathisch ist. Wenn Breeze eine Geschichte erzählt, dann hört man gerne zu. Die Ergänzung dafür wartet bei der Produktion, die sich frisch in allerfeinstem Ninetees-Flavor gewälzt hat und den Hörer mit molligen, lüsternen Basslines in die Arme schließt. Genau deshalb muss man "Jivetalk" trotz einer mäßigen Hook lieben, denn die Energie, die zwischen den Lo-Fi-Klanghäppchen, die über dumpfe Snares tröpfeln, und Breezlys übermächtigem Flow entsteht, ist eine Rarität, die es angemessen zu schätzen gilt und die auch in "Who Makes It Hot" voll einschlägt. Ein Nebeneffekt ist, dass Breeze die zwei Jungs von Adagio trotz ihrer sehr anständigen Auftritte mit königlich locker geflexten Braggadocio-Raps, die äußerst gut mit der zuletzt das Mic ergreifenden Heroine harmonieren, überstrahlt. Soul-getränkte Lo-Fi-Power durchfließt das auf die erhöhte Gewaltrate hinweisende "Romper Room", mit einem Entstehungsdatum vor 1990 vielleicht der älteste Song des Albums. Ein weiterer Aspekt der Scheibe sind viele kurze Tracks (unter zwei Minuten), was sich dadurch erklären lässt, dass im Zuge der Aufstockung der Trackzahl einige halbfertige Stücke integriert wurden. Schlimm ist das nicht, Songs wie "Come Along", "The Circle (Part II)" oder das Kick-schwere "Projections", in dem Heroine heißläuft, zeugen auch so von außergewöhnlicher Klasse, in voller Spielzeit hätten sie das Album jedoch zu sehr aufgebläht. Lediglich "Luvamaxin" hätte länger sein dürfen, denn der gleichzeitig rohe und smoothe Edelstein eines Songs ist mit den süffigen Rhymes von Breeze absolute Oberklasse. "Sex Type Thang" beleuchtet die Gefahr hinter Sexbeziehungen, "Loosifa" dagegen packt eine komplexe Geschichte über einen gewissen Smokey und dessen tragisches Schicksal aus, "I'm Gonna Kill You" fährt ein sehr simples Instrumental für eine weitere Geschichte auf, die wieder von Breezlys Erzählkunst lebt. Neben einem kleinen aber umso feineren Vers in der "Stretch Armstrong Radio Show" wartet gegen Ende noch "Clear Blue Skies" im Original und Remix als eindringliche Thematisierung von Rassismus in Form einer Konversation zwischen einem Sohn und dessen Vater, der ein großes Problem damit hat, dass der Sohn eine schwarze Freundin hat.

Im Endeffekt bleibt nicht mehr viel zu sagen: "Clear Blue Skies" zerbricht nicht daran, dass bereits 1996 das "halbe Album" veröffentlicht wurde oder eine so große Zeitspanne zwischen manchen Tracks liegt, überraschenderweise klingt alles sehr einheitlich nach Mittneunzigern. Wen das und Namen wie Fondle 'Em noch nicht überzeugen, dem sei versichert, dass die Juggaknots nicht nur der typische Standard-Act jener Zeit, sondern eine mit reichlich Talent gesegnete Gruppe sind, die einen überragenden Emcee in ihren Reihen hat und dazu mit haufenweise dicken Beats aufwarten kann. Da man neben großartigem Storytelling auch ein wenig Kreativität mit einfließen ließ, ist "Clear Blue Skies" nicht nur ein für die Szene sehr wichtiges Release, sondern eine Pflichtlektüre, die trotz einiger (weniger) mittelmäßiger Stücke niemand bereuen wird.

8.3 / 10

Panacea - Ink Is My Drink


Release Date:
03. Oktober 2006

Label:
Glow-In-The-Dark Records / Rawkus Records

Tracklist:
01. Trip Of The Century
02. Invisible Seas
03. Place On Earth
04. Steel Kites
05. Coulda Woulda Shoulda (Feat. Wes Felton)
06. Reel Me In
07. PULSE
08. Work Of Art
09. These Words (Feat. Drew Thomas)
10. Ecosphere (Feat. Drew Thomas)
11. Burning Bush
12. Starlite (Feat. Drew Thomas)

Review:
Wer hätte gedacht, dass diesem ursprüngliche Nebenprojekt so viel Erfolg beschieden sein würde. 2004 erscheint mit "Thinking Back, Looking Forward" das erste Zeugnis des Duos Panacea, das noch vollkommen independent in Eigenregie arbeitet - Kyle Murdock ist zu jener Zeit noch mit CrossRhodes (einem Trio mit Raheem DeVaughn und Wes Felton) beschäftigt, Raw Poetic mit seiner Gruppe Restoring Poetry In Music (RPM), der auch Kyle mehr oder weniger beitritt. Doch wie es der Zufall so will erwecken die Panacea-Aufnahmen das Interesse von Rawkus Records, die nach ihrem Deal mit Sony RED neue Künstler suchen. Da lehnen Panacea natürlich nicht ab und von den zwei für das Kult-Label aufgenommenen Alben ist "Ink Is My Drink" das erste.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Die Rollenverteilung ist eindeutig: K-Murdock produziert, Raw Poetic reimt. Wer die Gruppe in den folgenden Jahren verfolgte, dem wird klar sein, welchen einzigartigen Sound Panacea definieren und schon auf diesem Album ausleben. Wo "Thinking Back, Looking Forward" noch ganz klar nach ersten Schritten und an vielen Stellen nicht ganz ausgereift klingt, ist einerseits die Klangqualität hier auf beanstandungslosem, normalem Niveau, während auch die ab "The Scenic Route" konstant präsente Markenzeichen-Arbeit von K-Murdock hier erstmals so richtig in Fahrt kommt. Die Samples kommen von den verschiedensten Orten und werden liebevoll zu einer Collage zusammengebastelt, während Raw Poetic seinen damit so gut verträglichen Flow darüber ausbreitet. Man mag ihn aufgrund fehlender Emotionalität in der Stimme, immergleicher Tonlage und der teils abstrakten Zeilen über alles und nichts steril nennen, ganz eindeutig funktioniert dieser MC nicht auf beliebigen Instrumentals, doch wer verkennt, wie gut das beuhigende, den Hörer ins von Murdock betriebene Gedankenkino einladende Organ dieses Rappers in die Panacea-Dynamik passt, der muss Tomaten in den Ohren haben. So werben Panacea mit dem "Trip Of The Century", ein erstes Anzeichen für die atmosphärische Dichte der LP, wenngleich besagter Opener nach einem sehr gemächlichen Einstieg plötzlich mit einem Break Beat loslegt und das Tempo nach oben schraubt - Raw P passt sich problemlos an, ein echter Tour-Guide ist der Track allerdings nicht. Das erledigen vielmehr die folgenden Tracks, vor allem "Invisible Seas", das nocht recht konventionell einen Piano-Loop mit gepitchtem Voice-Sample kombiniert und trotzdem schon die Seele balsamiert - die Details machen das gewisse Etwas aus. Diese Bemühtheit um Details ist ständig zu beobachten, aber noch nicht immer perfektioniert: "Reel Me In" ist ein Beispiel für eine missglückte Unternehmung: Der Bodensatz funktioniert gut als langsamer, komplett entspannter Song, in der Hook strauchelt Raw P dann, zu allem Überfluss segelt noch ein vollkommen deplatziertes Sample aus Carl Douglas' "Kung Fu Fightnig" ein. Wie K dagegen Curtis Mayfields gerne benutztes "The Makings Of You" für "Work Of Art" flippt, ist nicht nur interessant, sondern macht auch noch richtig Spaß. Das herrlich galante, mit Sax bestückte "PULSE" ordnet jedem Buchstaben im Titel eine Bedeutung zu, welche die Liebe zum HipHop schließen lässt, "Coulda Woulda Shoulda" versinkt (als resümierendes Liebeslied mit viel Konjunktiv) ganz im Klang-Universum von K Murdock und bekommt von seinem Gast ebenso einen Stempel aufgedrückt wie "These Words", bei dem Murdocks frühere Erfahrungen im R'n'B-Bereich Einzug halten. Generell muss man attestieren, dass der Architekt der Scheibe noch nicht die ausgefallensten Crates durchgräbt, aber jedem Sample seine eigene, Murdock'sche Note aufdrückt. Das führt mit Hilfe von Michel Polnareff zum überragenden, aufmunternden "Steel Kites", aber auch zum etwas eigenwilligen "Burning Bush", das kein wirklicher Erfolg ist. Den Abschluss macht die Single "Starlite", die ganz langsam startet, Stück für Stück mehr Elemente einbaut und mit einem schnell rappenden Poetic den Kreis zum Anfang schließt. Kleine Randnotiz: Wer die japanische P-Vine-Version erwirbt, den erwarten noch zwei Bonus-Tracks, nämlich zwei der Highlights vom ursprünglichen "Thinking Back, Looking Forward"-Album.

Das Besondere an Panacea war, dass sie sich mit ihren ersten vier Alben konstant verbesserten, aber schon auf einem recht hohen Niveau begannen. So lässt sich auch die musikalische Evolution der Gruppe gut beobachten, besonders auf diesem Album, das an einigen Stellen noch wesentlich herkömmlicher als die folgenden Platten ist, an anderen noch nicht ganz so ausgereift. Trotzdem ist schon die Energie zu spüren, die das so gut funktionierende Duo mit seiner Zusammenarbeit generiert und die auch auf "Ink Is My Drink" schon zu einer beachtlichen Zahl sehr schöner Songs führt. Insgesamt gibt es zwar noch einige Ungereimtheiten, für das Prädikat "gut" reicht's trotzdem.

6.7 / 10