Mittwoch, 27. April 2011

Wise Intelligent - The Unconkable Djezuz Djonez


Release Date:
08. Februar 2011

Label:
Intelligent Muzik

Tracklist:
01. Crown of Thornz
02. Introduce Ya Self
03. My Crucifix
04. Water Walker
05. Illuminati
06. Sow Djezuz (Feat. Tye Austin)
07. Somethin' About Mary (Feat. B. Smith)
08. What Would Djezuz Do? (Underdog)
09. Zion (Feat. Rahzii Highpower)
10. Undergroundspiritualgame
11. Hey Brutha Man (Feat. Tye Austin)
12. Mark of Da Beast
13. Intelligent Dezign (Feat. Courtney Danger)
14. Miracles (Feat. Contro'versy)
15. Muthafuckasizhatinonme
16. I Will Die 4 U (Roman Cross)

Review:
Sieben Teile soll Wise Intelligent's "Back 2 School"-Reihe lang werden. Ein ordentliches Ziel, wenn man bedenkt, dass der erste Teil schon wieder fast vier Jahre auf dem Buckel hat. Darüber hinaus erweckte der talentierte Timothy Taylor in der Zwischenzeit nicht gerade den Anschein großer Geschäftigkeit. Zumindest weiß man nun, dass der Schein trügt, denn neben dem Ausbau seines independent operierenden Intelligent Muzik stehen fürs Jahr 2011 zwei Bücher sowie schon der dritte "Back 2 School"-Teil an. An dieser Stelle soll aber erst einmal der zweite ins Kreuzverhör genommen werden, nach dem Lob, das Wise vor vier Jahren einfahren konnte, darf man schließlich gespannt sein, was er sich bei einem Namen wie "The Unconkable Djezuz Djonez" (diesmal ohne auswärtige Label-Unterstützung) hat einfallen lassen.

Djezuz Djonez ist eine von Wise Intelligent erfundene Person, ein weiteres Alter Ego seiner selbst, das als schwerwiegendes Gleichnis die Probleme der heutigen Gesellschaft behandelt - ein Freund inhaltsloser Texte war Wise schließlich noch nie. Vom "modern day Rome" hört man (auch in Rap-Songs) des Öfteren, Wise Intelligent geht noch einen Schritt weiter und bürdet sich selbst die Figur des Messias auf, der dem unterdrückten Volk Hoffnung spenden soll. Ansonsten hat sich nicht übermäßig viel geändert seit der ersten Unterrichtsstunde, die Zahl der Gäste bleibt weiterhin gering und hinter den Boards sind wieder Masada und Paul "PJ" Little Jr., diesmal mit Verstärkung von Big Scott und D-Rel, zu finden - kurz gesagt Niemande allererster Güteklasse. Wo diese Herren schon 2007 der Grund für den einen oder anderen Schwächeanfall waren, brechen sie Wise Intelligent diesmal das Genick. Gegen das, was einem hier teilweise verkauft wird, ist das Cover ein geschmackvolles Meisterwerk. Saft- und kraftlos plätschert ein Großteil der Beats mit vollkommen impotenten Snares vorbei, meist noch bestückt mit müden Samples. Das ist doppelt schade, denn Wise Intelligent zeigt, dass er am Mic noch keinen Zentimeter abgebaut hat und flowt mit jugendlicher Kraft nach Belieben über alles, was ihm über die gesamte Spielzeit hinweg so vorgesetzt wird. Dass in dem, was er zu sagen hat, nicht alles ganz schlüssig ist und dass sich darin einige Wiederholungen finden, stört nur bedingt. Neben der vorherzusehenden Systemkritik lässt Wise es sich nicht nehmen, sich in intellektueller Hinsicht über den Rest der Rapper-Bande zu stellen (zu großen Stücken wohl nicht ganz zu Unrecht). Das ist auf Tracks wie "Introduce Ya Self" sowieso egal - wer sich solche Beats wählt, der ist selbst schuld. Die Ausnahmen sind sehr rar gesäht: "Miracles" bezieht seinen Soul von den Jackson Sisters und importiert den Charme des Samples für die Hook. Auch "Hey Brotha Man" geht gut ins Ohr, hier sorgt Tye Austin für harmonische Vocals, während Wise gewohnt stark aufspielt ("Black Entertainment Television listen, if you're representing Black musicians, you'd be propagating my position"). An genug Stellen findet sich außerdem halbwegs mittelmäßige Kost, "What Would Djezuz Do?" etwa ist wegen der flotten Raps hörenswert. Die können auf Albumlänge jedoch anstrengen, weswegen man Songs wie das ohnehin schwache "Zion" sofort überspringen kann. Im Anfangsteil der LP wird das Jesus-Konzept noch stärker verfolgt, was sich schon an den Titeln ablesen lässt, jedoch keineswegs zu besseren Tracks führt: Die Zeit, die man für "Water Walker", "Crown Of Thornz" oder "My Crucifix" aufbringen muss, ließe sich auch sinnvoller investieren. Dann wäre da schließlich noch "Illuminati". Abgesehen davon, dass die armen Illuminaten inzwischen anscheinend für alles Verschwörungstheoriebezogene herhalten müssen, kritisiert der musikalisch sehr lauwarm untermalte Song idiotische Theorien über den Einfluss der Erleuchteten in die HipHop-Welt und inszeniert sie stattdessen (nicht minder amüsant) als Sklaventreiber, die natürlich in erster Linie das schwarze Volk auf dem Kieker haben.

Ist es zu viel verlangt, vom heilsbringenden Messias der Massen auch ein paar gute Beats zu erwarten? Anscheinend. Es ist ja nicht so, dass Wise Intelligent nicht die Möglichkeit hätte, andere Quellen anzuzapfen, was es umso unverständlicher macht, dass er sich auf einen qualitativ sehr schwankenden Haufen Unbekannter verlässt - vielleicht musste man ja sparen. In jedem Fall präsentiert der unbezwingbare Djezuz Djonez einige interessante textliche Konzepte und vor allem einen immer noch schwer agilen Flow, der definitiv in der ersten Liga mitspielt. Wise Intelligent's drittes Album hätte also durchaus ein Volltreffer werden können, mit den gewählten Beats bleiben allerdings wenige Tracks, die zu empfehlen sind.

4.0 / 10

Zion I & The Grouch - Heroes In The Healing Of The Nation


Release Date:
22. März 2011

Label:
Z&G Music

Tracklist:
01. Invitation (Feat. Brother Ali)
02. Leader
03. Victorious People (Feat. Freeway & The R.O.D. Project)
04. Drop It On The 1
05. It's Goin' Down (Feat. Jacob Hemphill)
06. I Used To Be A Vegan
07. Rockit Man (Feat. Silk E)
08. Be A Father To Your Child (Feat. Roy Ayers)
09. Healing Of The Nation
10. Frankenstein
11. Plead The Fifth (Feat. Codany Holiday, Fashawn & Casual)
12. Test Of Time (Feat. Marty James)
13. Journey To Forever (Feat. Mystic & Eric Rahmney)
14. Like A G (Feat. Los Rakas)

Review:
Selten genug passiert es, dass ein Kollabo-Projekt wie jenes von Zion I und The Grouch, die anno 2006 "Heroes In The City Of Dope" veröffentlichten, in eine zweite Runde geht. Die drei Westküstler gönnen sich für ihr zweites gemeinsames Album sogar ihr eigenes Label, Z&G Music. Den Schritt kann man ihnen natürlich nicht verübeln, schließlich erhielt der Vorgänger ein recht positives Feedback. Das einzig Verwunderliche dabei ist höchstens das Zeitmanagement von Amp Live, der im letzten Jahr sein eigenes Album sowie "Atomic Clock" zu produzieren hatte. Woher genau er also die Zeit für "Heroes In The Healing Of The Nation" nimmt, ist eine Frage, die sich nur mit einer sehr hohen Arbeitsmoral beantworten lässt.

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Dass die Qualität unter dem hohen Output leiden könnte, war von Anfang an unwahrscheinlich, viel bedeutender sind die teils fragwürdigen Einfälle und Blickrichtungen, die das alternative Duo Zumbi und Amp gerne einschlägt. Das ist auf "Heroes In The Healing Of The Nation" nicht anders, denn The Grouch wirkt keinen merklichen Einfluss auf den Sound aus, wenngleich ihn seine Eingliederung am Mic natürlich trotzdem nicht zum Nebendarsteller degradiert. Zuerst sollte aber kurz auf das Albumkonzept eingegangen werden, das als Fortsetzung des ersten Teils eine positive Botschaft vermitteln soll. Man kann es auf die morbide HipHop-Szene oder die kränkelnde Gesellschaft münzen, Z&G ehren die Helden, die mit kleinen Schritten positive Veränderungen bewirken - "Our heroes are us" heißt es so schön im von Ali gesprochenen Intro. Das erlaubt es Grouch und Zumbi, ein breites Themenspektrum abzugrasen, was auch geschieht. Die heilenden Helden motivieren, hauen selbst auf den Putz und beobachten ihre Umwelt mit scharfem und nie zu ernstem Auge. Vielleicht sogar noch eine ganze Ecke variationsreicher gibt sich Amp Live, dessen Soundteppich wahnwitzige Sprünge aufweist. Da wäre zum Beispiel "Victorious People", ein recht harmloser Kopfnicker mit soften Streichern, der außerdem einen dick aufgetragenen Chorus erhält und an dem es wenig auszusetzen gibt - vor allem die (bei Zion I und den Living Legends fraglos anwesende) Backpacker-Gemeinde wird sich hier freuen, wohingegen direkt im Anschluss mit "Drop It On The 1" eine radikale Kehrtwende eingelegt wird: Synthies fliegen durch die Luft, ein simpler Beat gibt den Takt an, es gibt ein in Dubstep-Sphären abdriftendes Finale und eine vollkommen schräge Hook bohrt sich unmittelbar ins Ohr des Hörers, überzieht dabei die Charme-Grenze jedoch ein wenig. Dieses Problem hat die LP an einigen Stellen: Amp macht zwar durchgehend einen sehr guten Job, bei dem es immer Spaß macht, die vielschichtigen Instrumentals in ihrer Detailverliebtheit und all ihrer Abwechslung nachzuvollziehen, manchmal verrennt er sich jedoch in Sackgassen, aus denen der Song als Ganzes nicht mehr zu retten ist. "Healing Of The Nation" beispielsweise trägt zwar zur Vielfältigkeit bei, stellt sich mit seinen rockigen Gitarren aber als unpassend heraus. "I Used To Be A Vegan" ist recht öde und wird erst durch die Lyrics interessant, die dem Gesundheitswahn und der peniblen Kategorisierung zu Leibe rücken. Erstaunlicherweise ist sogar noch Platz für nicht besondere Tracks: "Rockit Man" ist zusätzlich eintönig und wenig prickelnd, "Plead The Fifth" dagegen geht als Kritik an der voreingenommenen Judikative in Ordnung. Ansonsten geht das Konzept gut auf: "It's Goin' Down" ist allerhöchstes Niveau und verbindet die faszinierend eingängige Stimme von Jacob Hemphill mit Trompeten zu einem poppigen, radiotauglichen und verdammt stimmungsvollen Song, der ironischerweise den harten Alltagskampf zum Thema hat. Bläser und Xylophon veredeln "Be A Father To Your Child", das schon mit dem Titel mehr sagt als ein Großteil anderer Songs, und schließlich wäre da noch der Schlussteil, den man Amp Live nochmal hoch anrechnen muss: "Journey To Forever" bindet seinen Chorus auf ein paar markante Gitarren-Akkorde, während das nachdenkliche Stück in seinen acht Minuten dank hoher Abwechslung nicht langweilig wird, was auch für "Like A G" gilt, das nicht etwa auf Gangster macht, sondern ("like a G.O.D.") nochmals zur Verwirklichung der eigenen Ziele aufruft.

Eines kann man The Grouch und Zion I ganz gewiss nicht vorwerfen, nämlich das Fehlen von progressiven Ideen. Wenn sich andere Künstler auch nur eine Scheibe von der Einzigartigkeit dieses Projekts abschnitten, hätte das Genre ein Problem weniger (selbst auf inhaltlicher Ebene gibt es die eine oder andere Abwechslung). Z&G treiben diesen Variationsreichtum fast schon zu bunt, sodass in ihrem zweiten gemeinsamen Album zu viele verschiedene Dinge stecken, zumal einige davon (nicht nur für den HipHop-Head) weniger erfreuliche Pfade beschreiten. Wenn dabei dieselbe Zahl guter Tracks wie hier herauskommt, wird man das allerdings auch in Zukunft in Kauf nehmen. Für ein Top-Album sollte man sich jedoch etwas fokussieren, denn "Heroes In The Healing Of The Nation" ist dafür doch etwas zu durchwachsen.

6.2 / 10

Da Circle - 360° Deal


Release Date:
22. Februar 2011

Label:
Viper Records

Tracklist:
01. Intro (Wuddup?!?!)
02. Circle Anthem
03. Reality Check
04. Revolution (Feat. Hasan Salaam)
05. Smack
06. Napalm (C.O.W.) (Feat. Immortal Technique)
07. Cuff Da Fists
08. 4 Profits (Feat. Ill Bill & Math Hoffa)
09. Going Crazy
10. Red Devil Lies
11. Time Zone (Feat. Chino XL)
12. Militia (Feat. J Arch, CF & Poison Pen)
13. Swallowtics
14. In Da Groove
15. Spanish Fly
16. Underground
17. Outro

Review:
Welch Glück, dass man sich auch in absehbarer Zeit nicht darüber beschweren können wird, dass die Realness-Prediger im HipHop aussterben. Hier hat man es wieder mit zwei solchen Exemplaren zu tun, genannt Da Circle. Das Duo, das bei der Namenswahl fraglos einen Kreativitätserguss hatte, besteht aus Fatz D' Assassin und Goodtime Slim, welche die Bronx bzw. Brooklyn ihre Heimat nennen. Die beiden besuchten die High School of Graphic Communication Arts und machten ihre ersten Rap-Schritte in einer sechsköpfigen Gruppe, die schnell wieder zerfiel. Als Da Circle setzt man die Bestrebungen fort und gewinnt nach einiger lokaler Aufmerksamkeit in der Battle-Szene den Zuspruch von Ringrichter Poison Pen, was den Bogen zum jetzigen Signing bei Viper Records und dem Debütalbum "360° Deal" spannt.

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Auch wenn die beiden neben zwei Mixtapes schon ein Album in der Pipeline hatten, das aufgrund negativen Feedbacks an fast allen Ecken und Enden wieder eingestampft wurde, darf "360° Deal" als die erste Reifeprüfung der zwei New Yorker angesehen werden. An Bord von Viper Records und damit als Teil von Immortal Technique's Rebel Army spricht eigentlich alles für politisch geladene Revoluzzer-Kost, wie man sie zumindest nicht überall zu hören bekommt. Doch die äußeren Bedingungen trügen, denn kurz gesagt ist Da Circle nicht viel mehr als ein typischer Eastcoast-Act ohne jedes weitere Markenzeichen. Das herauszufinden ist weder sonderlich schwer noch dauert es besonders lang, nämlich so lange, bis im "Intro" Eddie Murphy und das "Life"-Sample verstummen, um Bunny Sigler's bereits (zu) oft verwendetem "Half A Man" Platz zu machen. Spätestens an dieser Stelle sollte man sich jeglicher törichter Hoffnungen, dass sich auf diesem Album noch etwas ändern, etwas Aufregendes passieren könnte, entledigen. Da Circle sind so haargenau Post-2000-Retro-BoomBap, dass es nicht selten schmerzt. Das mag auf den ersten Blick nicht so aussehen, schließlich finden sich im Producer-Lineup auch Namen wie Buckwild oder Sick Jacken, doch kurz gesagt ist alles an "360° Deal" unangenehm bieder. Das fängt dabei an, dass sowohl Fatz als auch Slim genau so spucken, wie sie aussehen: erwachsen, gemächlich, unaufgeregt. Gerade die Tatsache, dass das Duo als Newcomer trotzdem die souveräne Veteranen-Schiene (man erinnere sich an The UN im Jahre 2004) hätte fahren können, dies aber vollkommen verschläft, ist ärgerlich. Man klingt schlichtweg wie der nächste "Früher war alles besser"-Jammerer, ohne dabei eigene Akzente zu setzen. Fast alle angesprochenen Themen sind dem großen Buch der Austauschbarkeit entnommen, lediglich "Red Devil Lies" hat als Fingerzeig auf das böse Geld als Motivation für Übel einige gute Zeilen parat, doch prompt ist der Beat zum Einschlafen. Ironischerweise wird kurz davor selbst zur Monetenhatz geblasen, wenn Buckwild in "4 Profits" den besten instrumentalen Untersatz der Scheibe serviert. Ansonsten legen Da Circle ausführlich ihre Ansichten über die wahren HipHop-Werte (die gar nicht so verkehrt sind) dar (z.B. "Reality Check"), untergraben sich jedoch beständig durch die eigene Mittelmäßigkeit. Da macht selbst ein Immortal Technique im natürlich systemfeindlichen "C.O.W." keinen großen Spaß, wähernd ein seine Gastgeber an die Wand rappender Chino XL ebenfalls auf recht verlorenem Posten kämpft. "Swallowtics" ist ganz solide gemacht, wenngleich der hundertste Track über orale Blockabfertigung keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlockt - ebensowenig wie feuchte Träume über rassige Latinas in "Spanish Fly". Gut gefertigte Tracks wie "Militia", "In Da Groove" oder das "Outro" sind Schadensbegrenzung, Blumentöpfe gibt's dafür jedoch keine.

Es ist das immergleiche Problem, nur noch etwas verschärfter. Dabei ist es natürlich amüsant, dass Da Circle im festen Glauben ins Feld ziehen, ein Statement für die rechte Sache abzugeben, während ihr Debüt in Wirklichkeit nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass man mit der rezeptgetreuen 08/15-Retro-Schiene nur noch sehr selten etwas reißen kann. Fatz und Slim können nichts dafür, die Szene braucht zwei solche Kerle im Moment einfach nicht. Hart gesprochen kann man Immortal Technique darüber hinaus den Vorwurf machen, dass seine Rebel Army mit solchen Mitgliedern nichts ausrichten wird. Um diesem Theater jedoch ein Ende zu machen: "360° Deal" heißt: zwei ambitionierte Rapper, die nichts Neues zu erzählen haben, ihren Job oft nicht verkehrt machen, aber auf so ausgetretenen Pfaden wandeln, dass der Hörer neben einigen akzeptablen Tracks vorwiegend Gleichgültigkeit verspürt.

3.9 / 10

Beneficence - Sidewalk Science


Release Date:
01. März 2011

Label:
Ill Adrenaline Records

Tracklist:
01. Heavyhitters
02. Monetary Policy (Feat. Roc Marciano)
03. Fight On
04. The Essence (Feat. Truth Enola)
05. Bare Knuckle
06. Royal Dynasty
07. What Would You Do? (Feat. Rob-O & Kazi)
08. Watch You
09. What A King Would Do (Feat. Diamond D)
10. Aim, Fire, Spit (Feat. The Legion)
11. Sidewalk Science
12. Treasures Untold (Solo Version)
13. With My Real People (Feat. Prince Po & Lord Tariq)
14. King of Knights (Part 2)
15. Go Away (Feat. Frank Nitt)
16. Royal Dynasty (Remix) (Feat. Wise Intelligent)
17. Treasures Untold (Bonus Version) (Feat. Diamond D)

Review:
Ganz heimlich, still und leise hat Beneficence schon mehr Jahre im HipHop-Geschäft verbracht als so manch anderer. Doch wen wundert das groß, ist der Rapper aus Jersey's Brick City doch einer von vielen, die in den Neunzigern auf nicht mehr als 12-Inch-Veröffentlichungen (die erste wurde schon '91 aufgenommen und dann erst drei Jahre später veröffentlicht) kommen. Dann zieht es ihn an die Cheney University, wofür die Rap-Karriere vorerst einen Gang zurückgeschaltet wird und die Welt Beneficence vergisst. Als er dann zurückkommt bleibt sein 2004er Debüt "Eye Of The Storm" fast gänzlich unbekannt. Nicht anders ergeht es einige Jahre später "Vocal Sport" und 2009 dann "Holders Of The Key" (mit dem Schweizer DJ LKB). Das vierte Album soll die Wende bringen, "Sidewalk Science" bekommt zumindest schon vor Release etwas Aufmerksamkeit, außerdem tragen sich einige Größen der Szene auf der Gästeliste ein.

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Die Alarmglocken schrillen, wenn man den Pressetext liest, der die Rückkehr des Neunziger-BoomBap-Sounds verkündet. Das haben schon viele getan und sind dabei in fast selbiger Anzahl gescheitert. Ein erster Indikator, dass man es hier mit einer Ausnahme zu tun haben könnte, stellt die Gästeliste dar, auf der sich erfreulicherweise nicht die immergleichen, bekannten Gesichter und Feature-Rapper finden - von El Da Sensei, zu dem Benef einen guten Draht hat, gibt es auf zudem dem (schon bekannten) Bonus-Track (auf der Vinyl enthalten) einen Auftritt. Die Produktion machen zum Großteil Diamond D (zu dem ebenfalls ein sehr gutes Verhältnis besteht) und DJ LKB unter sich aus, dazu stoßen noch Presto und 12 Finger Dan. Lange um den heißen Brei herumzureden macht an dieser Stelle auch keinen großen Sinn: "Sidewalk Science" ist genau das, was der Pressetext ankündigt und will überhaupt nichts anderes sein. Das klingt wesentlich langweiliger, als es eigentlich ist. Der Grund dafür ist weder offensichtlich noch leicht zu erklären: Beneficence scheint ein Ohr für die richtigen Beats zu haben, denn viele seiner Tracks haben in der Tat das unbeschwerte 90s-Feeling (natürlich in einer 2011er Version) gepachtet, ohne dass dem goldenen Zeitalter je nachgeweint wird. Benef selbst ist dabei sicherlich alles andere als ein Ausnahmetalent, seine recht gewöhnliche Stimme kleidet sich in einen sehr weichen, angenehmen Flow, der gut ins Bild passt. Gerade der Anfang fährt dicke Pluspunkte ein: "Heavyhitters" hätte kaum eine positivere Überraschung sein können: Diamond's Beat schippert mit einer Brise Ninetees sehr relaxed vorbei, während sich Beneficence all jenen, die ihn noch nicht kennen, mit Lines wie "some say if I curse I'd be one of the top spitters" oder "I can give a what about SoundScan, it's really a sound scam / The plan is to keep it astounding" vorstellt. Die nächsten Tracks feuern gleich kräftig weiter: "Monetary Policy" erklärt, warum sich doch alles ums Geld dreht (da passt Roc Marciano als Gast natürlich gut), "The Essence" lehnt sich entspannt zurück und in "Fight On" wird mit einfachen Mitteln ein lyrisch sehr ansprechendes Stück (inklusive starkem Chorus) erschaffen, dem außerdem wieder der richtige Beat zugrunde liegt. Leider sackt die ganze Geschichte dann etwas ab, da sich im späteren Verlauf einige weniger begeisternde Stücke einschleichen: "Royal Dynasty" will nicht so ganz ins Konzept passen und macht erst als Remix am Ende des Albums mit gut gewählter Unterstützung von Wise Intelligent Sinn, andere Tracks ("What A King Would Do", "Aim, Fire, Spit" - so erfreulich es auch ist, dass The Legion aus der Versenkung ausgegraben wurden) kommen nicht aus dem Mittelmaß hinaus, wohingegen LKB's "King Of Knights 2" etwas zu wuchtig für Beneficence's Flow aufspielt. Wesentlich besser funktionieren da die ruhigen Nummern, die zum Glück in gesunder Zahl vertreten sind (als Beispiele seien noch LKB's bester Beitrag, "Watch You", oder "What Would You Do?", eine Ode an den "real" HipHop, genannt).

Egal, wie viele Jahre Beneficence schon im Game zugebracht hat, ohne dabei durchaus verdiente Beachtung zu bekommen, spätestens jetzt sollte sich ein größeres Publikum der Tatsache bewusst werden, dass die Riege der "real emcees" um einen Namen reicher ist, denn Benef strahlt das aus, was die Ewiggestrigen dazu veranlasst, neuen Acts ihr Ohr zu schenken. Mit dieser Fähigkeit bringt er es dann auch zu einer ganzen Reihe exzellenter Songs, die für jeden zu empfehlen sind. Dass er wahrscheinlich nicht der wandlungsfähigste oder technisch versierteste Rapper ist, stört dabei kein Bisschen, ganz im Gegenteil wäre "Sidewalk Science" noch wesentlich besser gewesen, wenn mehr "Heavyhitters"-Kaliber mit von der Partie gewesen wären. Unter den gegebenen Umständen hat das Album einen sehr starken Anfang und bleibt trotz einer Handvoll weniger berauschender Tracks über die gesamte Spielzeit hinweg angenehm im Ohr.

6.7 / 10

Doap Nixon - Gray Poupon


Release Date:
01. März 2011

Label:
Q-Demented

Tracklist:
01. Intro
02. Silent Murders
03. Grand Opening (Feat. Celph Titled & Planetary)
04. Afraid Of Me
05. Jive Turkey's
06. Darkness
07. About Me
08. Words From Kwest (Feat. DJ Kwestion)
09. War Music (Feat. Crypt The Warchild)
10. Power To The People
11. You Need To Know
12. Caucasion SlimeWave (Feat. Killa Rellik, Sick Six, Capo & Burke The Jurke)
13. Burnt Offering
14. Running (Feat. Chief Kamachi) (Bonus Track)
15. Pistol Gang (Bonus Track)

Review:
Doap Nixon ist einer der Jungs, die schlichtweg deshalb Teil der AOTP sind, damit man den Begriff "Army" im Namen zu Recht trägt - einer, der in Videos meist im Hintergrund steht und böse schaut. Kurz gesagt: Ein Weedcarrier, Handtuchhalter oder auch Mitläufer. Im Zuge des Hypes, der der AOTP vor einigen Jahren Auftrieb bescherte, gab ihm Babygrande sogar die Gelegenheit, sein Debüt, eines der "JMT Presents"-Alben, zu veröffentlichen. Dieser Tage pfeift das einst so mächtige Label selbst aus dem letzten Loch, die Jedi Mind Tricks ziehen ihr eigenes Label hoch und haben dabei offensichtlich noch keinen Platz für die ganze Bande. Da kann man sich ausmalen, dass die Zeiten für einen Doap Nixon nicht unbedingt rosig sind. Deshalb nennt er "Gray Poupon" nicht nur sein Sophomore, sondern auch ein Statement, wie stark die AOTP-Familie sei und welche Beharrlichkeit Doap selbst besitze.

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Klingt nach einer Kampfansage, die aber noch nicht preisgibt, in welche Richtung Doap mit seinem zweiten Werk zu steuern gedenkt - denn wer das Debüt noch in Erinnerung hat, der wird sich ebenfalls noch daran erinnern, dass Doap damals von allen Seiten ein akzeptables, aber durchgehend austauschbares Zweite-Reihe-Album beschieden wurde. Das kann natürlich für keinen Künstler ein Status sein, auf dem man es beruhen lassen will. Deshalb wäre zumindest die potentielle Zielsetzung eine, die aus den Standardmustern seiner AOTP-Kollegen ein wenig ausbricht, zumal Doap ja auch am Mikro alles andere als eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Doch dann sollte man sich wieder daran erinnern, dass Doap eben doch nur ein Weedcarrier ist, und seine Erwartungshaltung dementsprechend ins rechte Licht rücken - man täte gut daran, wenn man diesem Album entgegentreten will. In der Realität nämlich ist "Gray Poupon" das viertausendachtzigste AOTP-Album mit bekanntem Sound, den üblichen Gästen und vollkommen ohne Überraschungen. Es ist dagegen geradezu (in erschreckender Weise) überraschend, wie sehr dieses Album so ziemlich alles, was man als Standard erwarten würde, abgrast. Um diese Behauptung zu beweisen, muss man lediglich chronologisch vorgehen: Wir starten mit dem "Intro" und ein paar Lines, die klingen, als würde sich Doap selbst Mut zusprechen ("This time around gotta come more lethal / [...] / My flow's legit, I promise you this album"), bis der erste Track ("Silent Murders") mit einem noch recht verhaltenen Instrumental ein wenig die marode Szene umreißt und an die guten alten Zeiten erinnert ("Everything gotta change my nigga, but it changed to a mess"). Das fadenscheinige "Grand Opening" kombiniert so routiniert ein dramatisches Voice-Sample mit den immergleichen Cuts für die Hook, als gäbe es ein Kochbuch, in dem sich solche Tracks nach Belieben rekreieren ließen - da tut es übrigens nichts mehr zur Sache, ob ein Doap Nixon oder ein Celph Titled am Mic steht - das ist solides Mittelmaß, aber sicherlich nicht mehr. Das Standardprogramm geht weiter: "Afraid Of Me" ist der Block-McCloud-Track, für das der überfischte Refrain-Spender mit dem, was er immer tut, wieder maßgetreue Mittelmäßigkeit serviert. Was natürlich ebenfalls nicht fehlen darf sind gepitchte Voice-Samples, die mit "Jive Turkey's" und "Darkness" prompt nachgereicht werden, wobei letzterer Track dabei noch in unglaubwürdiger Weise die Rolle der melancholischen Nummer einnimmt, für die Doap sich in ein paar existenziellen Fragen windet. Ein Interlude von DJ Kwestion (das gelungene "Words From Kwest") wird vor dem mit grauenhafter Hook versehenen "War Music" eingeworfen, bis mit "Power To The People" die Notwendigkeit, Abwechslung ins Spiel zu bringen, verspürt und ein wenig Karibik-Flair versprüht wird. Etwa zu diesem Zeitpunkt ist die Geschichte dann schon gegessen, da reißt ein Kamachi auch nichts mehr raus, ebensowenig wie da mit dem vielleicht besten Song (dem ordentlich produzierten und schön abgeklärten "You Need To Know") noch was zu drehen wäre. Um dies zu unterstreichen reicht man freundlicherweise mit "Caucasion SlimeWave" noch ein Festmahl für wahlweise Abfalleimer oder Toilette nach.

Noch vor einigen Jahren waren selbst Alben wie dieses ganz gut genießbar, fanden sich selbst auf einem solchen Album zwei oder drei Bretter. Orientiert man sich hieran, so ist diese Zeit vorbei. Gleichsam lässt sich somit dem inzwischen so ausgetretenen AOTP-Sound ein ähnliches Schicksal wie einst der Justus League prophezeien: Es wird noch für eine ganze Zeit einige Hartgesottene geben, die ein Album wie "Gray Poupon" feiern, doch der typische Weedcarrier (Paradebeispiel Doap Nixon) wird, wenn er weiter stur mit dem Kopf gegen die Wand rennt und sich nichts Neues einfallen lässt, bald verschwinden. "Gray Poupon" muss schon ohne Highlights auskommen und fällt zu oft in die falsche Richtung aus dem Bereich des Mittelmaßes heraus.

4.1 / 10

John Robinson & Robot Koch - Robot Robinson


Release Date:
29. März 2011 (D) / 12. April 2011 (US)

Label:
Project Mooncircle

Tracklist:
01. Introduction To RR
02. The Future
03. The Planet Is My Canvas
04. The Program
05. Keep On Dancing
06. Smorgasbord
07. Sun RA (Feat. I.D. 4 Windz)
08. Channeling

Review:
Von der HipHop-Perspektive aus betrachtet bestand (bis jetzt) keine unbedingte Notwendigkeit, Robot Koch zu kennen. Das könnte der Berliner jetzt ändern. Ort des Geschehens ist Project Mooncircle, Deutschlands Aushänge-Label für niveauvollen HipHop. Aber eben auch für Electronic, rein zufällig steht Robot Koch nämlich seit 2009 genau dort unter Vertrag. Ansonsten darf man ihn die treibende Kraft hinter dem Trio Jahcoozi nennen, während er seine Finger auch bei vielen anderen Gelegenheiten im Spiel hatte und nebenbei noch ein fähiger DJ ist. Für den weltoffenen HipHop-Konsumenten ist das alles insofern interessant, als ein gewisser John Robinson den nicht dummen Einfall hatte, zu seinem Geburtstag eine konsequenterweise als "Robot Robinson" betitelte Kollabo zu veröffentlichen.

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Wie es bei Project Mooncircle der ganz normale Standard ist, erhält auch dieses Album ein Kunstwerk als Cover, sodass auf den ersten Blick die einzige Enttäuschung die Kürze ist, bei der man es belassen hat: "Robot Robinson" ist lediglich acht Tracks stark. Davon abgesehn sind es Projekte wie dieses, die die direkte Antwort auf das inzüchtige Sichselbstkopieren der festgefahrenen Fraktion des HipHop-Kosmos darstellen. Zu der hat John Robinson seit den Fondle-'Em-Tagen sowieso noch nie gehört, was sich auch durch spätere Alben mit Scienz Of Life, MF Doom, Lewis Parker oder Carlos Nino nicht geändert hat. Etwaige Zweifel, ob das Duo Robot Robinson überhaupt harmonieren kann, werden schon mit der "Introduction To RR" vom Tisch geräumt: Der Bass brummt und Robinson's einzigartig hell-rauchige Stimme gleitet elegant über die sehr ruhigen Spielereien seines Kameraden. Dass er dabei nicht sonderlich viel Zusammenhängendes erzählt, stört nicht groß, ein übergeordnetes Thema oder konkretes inhaltliches Konzept scheint es nicht zu geben, was erstaunlicherweise in keinster Weise sauer aufstößt - wenn Lil Sci "from Flintstone to Jetsons time to Optimus Prime" durch "The Future" als "unidentified rhyming object with ahead-of-his-time sonics" mit "lasers hotter than the tropics" fliegt und dabei sogar noch Zeit für einen eingängigen Chorus findet, dann glaubt man dem klein gewachsenen New Yorker, was er da an Phrasen zusammenstöpselt. Gerade aufgrund der Kürze der LP ist es sehr wichtig, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine charakteristische Atmosphäre aufgebaut wird, die sich insgesamt durch einen smoothen und relaxten Vibe auszeichnet. Leider geht genau dieser Pluspunkt zur Hälfte verloren, denn "Keep On Dancing" ist kantig und verspielt sein Potential durch eine schnell lästige Hook. Noch mehr akustisches Chaos wird für "Sun RA" aufgefahren, und wenngleich nicht schlecht kommt man so dem starken Anfang ebensowenig wie mit dem minimalistischen "Smorgasbord" (mit kleinem Zeh im Dubstep) mehr nahe. In "The Planet Is My Canvas" bastelt Robot Koch selbst eine wunderbare Hook, "The Program" punktet durch unglaubliche Gelassenheit, während im abschließenden "Channeling" nochmals Robinson's Chorus das größte Manko ausmacht.

Der Anfang ist großartig, ab der Mitte dann unterlaufen der eine oder andere Schönheitsfehler. Das ist schade, denn diese Kollaboration hat ein großes Potential, das man gerne auch auf voller Albumlänge gehört hätte. Hier scheint es, als wolle man zu viel in die 25 Minuten hineinquetschen, weswegen die zweite, hektischere Hälfte nicht vollends funktioniert. Insgesamt ist "Robot Robinson" damit auch weit davon entfernt, ein Must-Have zu sein. Die angekratzten Ansätze sollten nichtsdestoweniger weiterverfolgt werden, was dank der auf Project Mooncircle herrschenden Einstellung anzunehmenderweise auch passieren wird; gerade John Robinson passt ausgezeichnet in Sound-Settings wie das von Robot Koch bereitgestellte.

5.8 / 10