Dienstag, 15. Oktober 2013

E Moneybags - In E Moneybags We Trust

Release Date:
12. Juni 1999

Label:
Grand Imperial Records / The Dream Team Ent. Inc.

Tracklist:
01. Intro (Feat. Capone)
02. Regulate
03. Ain't Got A Clue
04. All They Do Is This (Feat. Show Boyz)
05. What You Need (Feat. Live Squad)
06. Want It (Feat. Nas & Horse)
07. How Cool? (Feat. Nature)
08. Thugged Out (Feat. Noreaga & Muzaliny-N-Maze)
09. Friend Of Ours (Feat. Nature & Kool G Rap)
10. Esco Intro (Feat. Nas)
11. Thugs Calm Down (Feat. Nas & Noreaga)
Review:
"E Moneybags got Moet Chaundon" rappt Foxy Brown auf "Affirmative Action" und bezieht sich dabei auf eine Hintergrundfigur, die ihrerzeit doch alles andere als das war. Eric E Moneybags Smith, wäre sicherlich nie der große Rap-Star geworden; was er aber sehr wohl war ist eines der berüchtigten Bindeglieder zwischen der New Yorker Rap- und Verbrecher-Szene. Geboren in Brooklyn, wächst er in Hollis, Queens auf, wohnt zeitweise in Lefrak (wo er Freundschaft mit Prodigy schließt) und kann eine ganze Palette an Freunden und Bekannten (ebenso Feinden) aufweisen - auch Tupac lernt er bei dessen Aufenthalt in NY kennen. Als Rapper ist er zusammen mit Majesty von der Live Squad (noch bestehend aus dessen Bruder Stretch, so erklärt sich die Verbindung zu Pac) für Grand Imperial Records verantwortlich, das 1999 sein einziges Album "In E Moneybags We Trust" veröffentlicht.
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
 Ein herausragender Rapper war E nicht, jedoch ein solider, was zusammen mit guter Produktion (Credits spärlich) im Stile des Queens-/ bzw. QB-Sounds der Endneunziger sowie einer Latte an bekannten Gästen vollkommen für ein interessantes Release ausreicht. Da wäre beispielsweise die Geschichte um Jay-Z, der in seiner Roc-A-Fella-Bande zu jener Zeit einen Rapper namens H. Money Bags führte. Nachdem der damit ganz und gar nicht zufriedene E Moneybags den gerade bei Hot 97 geladenen Jay anruft und ihm dezent seinen Unmut kundtut, soll der Jigga angeblich gehörig Angst bekommen haben. (Aus H. Money Bags jedenfalls wurde nichts, selbst der Namenswechsel zu Geda K brachte ihm bis zum heutigen Tag nicht mehr als eine Handvoll Gastauftritte.) Moneybags hatte sicher nicht die Notwendigkeit, seine "Realness" (die ihn das Leben kostete) unter Beweis zu stellen, textlich gibt es von ihm aber trotzdem genau das - und zwar zuhauf. Nach einem Intro (einem Loop des Telefongesprächs zwischen Pone und E, das schon im Outro der "War Report"-LP zu hören ist, wird das in "Regulate" erklärt: Die originale Version (eine spätere, langsamere mit Majesty und Prodigy machte posthum die Runde) kommt neben ihrer Rhythmus-Sektion mit einem Piano-Loop aus und gibt einen ersten, zweiminütigen Eindruck des Gastgebers: "You can't hold your weight - we take your plate". Irgendwie wird recht schnell klar, dass dieses Album nicht als Einheit glänzt, dass die einzelnen Tracks aber sehr wohl ihre Qualität haben. Vor allem angesichts der namhaften Gäste kann man "In E Moneybags We Trust" auch als Ansammlung seltener und anderweitig unveröffentlichter Eastcoast-Banger betrachten. Was Moneybags zusammen mit Nas und dem damaligen Braveheart Horse bietet, schafft es in meisterhafter Weise, soft und entspannt zu sein, ohne seinen Straßencharakter zu verlieren. Natürlich überschattet Nas seine Mitstreiter, doch Moneybags schafft es erstaunlich gut, schon nach den ersten Tracks seine Stimme und seine gelungene (aber nicht herausragende) Performance im Ohr des Hörers zu verankern. Eine weitere seiner Fähigkeiten ist seine Anpassungsfähigkeit: Sei es nun mit Majesty und Stretch (einem weiteren tragischen Beispiel für die Gewalt jener Zeit) im ruhigen Kopfnicker ""What You Need" oder mit Nature und G Rap (der erwartungsgemäß mit einem monströsen Vers, welchen manch einer auf schlechterem Untersatz von Sway & King Techs "3 To The Dome" kennen mag, die Show stiehlt) in "Friend Of Ours", das unter dem Namen "Dr. Butcher" bereits auf White Label erschienen war (und daher wohl von Dr. Butcher produziert worden sein wird) und mit einem weiteren großartigen Beat (diesmal mit dezent eingestreutem, grandios gepitchtem Sample) begeistert - E Moneybags klingt immer passend zwischen seinen wesentlich bekannteren Kollegen. Da lassen sich selbst durchschnittliche Songs wie "How Cool" oder das Zusammentreffen mit Noreaga und dessen QB-Weedcarriern Muzaliny und Maze locker verkraften. Die eingangs erwähnte Foxy Brown wird für "Ain't Got A Clue" (in dem E auch bestens alleine funktioniert) gesampelt, mit den Show Boyz lässt man nochmal kräftig die Kugeln fliegen und "Thugs Calm Down" (das bereits in einer Version mit Tragedy statt E als B-Seite und CNN-Song auf Penalty veröffentlicht wurde) beschließt mit einem eingängigen Piano-Loop von L.E.S. schlussendlich das Album - trotz seiner unglücklichen Hook ein QB-Klassiker.

Laut Prodigy ist der Anfang vom Ende ein Auto, das E indirekt von Supreme (gemeint ist hier niemand Geringeres als Kenneth "Supreme" McGriff, der mit seinem Supreme Team großen Einfluss auf den Drogenhandel in South Jamaica Queens in den 80ern und 90ern ausübt) erwirbt, dann aber wieder zurückgeben will - was Preme ihm abschlägt. Ob das nun stimmt oder als Grund ausreicht, mag sich jeder selbst beantworten; E Money jedenfalls bekommt '99 die Gelegenheit, sich bei Supreme zu bedanken. Diese ergreift er auch, bringt es dabei jedoch fertig, Preme zu verfehlen und stattdessen dessen rechte Hand, Colbert "Black Just" Johnson, ins Jenseits zu befördern. Supreme sinnt auf Rache, die E Money im Juli 2001 in Queens Village in einer regelrechten Exekution (ironischerweise in dem Navigator, den E sich statt des Autos von Preme zulegte) ereilt. Damit bleibt "In E Moneybags We Trust" das einzige und für Eastcoast-Fans auf jeden Fall hörenswerte Album eines Mannes, der das so oft glorifizierte Gangster-Rapper-Image wie wenige andere lebte und dessen Ende in brutaler Weise vorführt.
 
6.8 / 10

GZA - Liquid Swords

Release Date:
07. November 1995

Label:
Geffen Records

Tracklist:
01. Liquid Swords (Feat. RZA)
02. Duel Of The Iron Mic (Feat. Inspectah Deck, Masta Killa & Ol' Dirty Bastard)
03. Living In The World Today (Feat. Method Man)
04. Gold
05. Cold World (Feat. Inspectah Deck & Life)
06. Labels (Feat. RZA)
07. 4th Chamber (Feat. Ghostface Killah, Killah Priest & RZA)
08. Shadowboxin' (Feat. Method Man)
09. Hell's Wind Staff / Killah Hills 10304 (Feat. RZA & Masta Killa)
10. Investigative Reports (Feat. Raekwon, Ghostface Killah & U-God)
11. Swordsman
12. I Gotcha Back (feat. RZA)
13. Basic Instructions Before Leaving Earth (Feat. Killah Priest)
Review:
Des RZAs großer Masterplan zum Aufbau des Wu-Imperiums ist 1995 mit den Alben von ODB und Raekwon schon voll im Gange. Doch es soll noch ein drittes hinzukommen, nämlich von GZA, der mit seinem Beinamen The Genius oft als geistiger Führer des Clans gehandelt wird. Ein wichtiger Faktor mag sein, dass er die meiste Erfahrung mitbringt und dank seiner kurzen Liaison mit Cold Chillin' schon Erfahrung und ein (zugegebenermaßen sehr unbeachtetes) Album auf dem Konto stehen hat. Also gräbt er sich Mitte des Jahres '95 im Apartment seines Cousins ein und gibt sich dem Schreiben der Rhymes des nächsten Wu-Meilensteins, "Liquid Swords", hin.
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
 Die drei bis dato erschienenen Wu-Solos hatten alle ihren eigenen Touch, "Liquid Swords" konzentriert sich wie kein anderes auf die Essenz: Kung-Fu-Samples, martialische Beats sowie flüssig und kunstvoll aber zugleich messerscharf vorgetragene Rhymes (was den Albumtitel als importierte Metapher vollends rechtfertigt). In bester Wu-Manier umfasst das Album viele Gäste, alle aus inneren Clan-Kreisen - bei genauem Hinsehen fällt sogar auf, dass jedes Clan-Mitglied vertreten ist. Doch zuerst gilt es, die Beats und somit RZAs Arbeit zu betrachten, denn wenngleich mit 4th Disciple ein damals noch kaum bekanntes Mitglied der Wu-Elements beteiligt ist, so ist es doch wieder Robert Diggs, der Ausrichtung und Sound maßgeblich beeinflusst und als Exec fungiert. Wer dachte, das bisherige Wu-Tang-Jahr 1995 war hart, der kann seine Meinung nach "LS" in Stein meißeln: Selbst "Enter The Wu-Tang" hat Mühe, mit der Eiseskälte, die RZA einem um die Ohren bläst, mitzuhalten - unnötig zu erwähnen, dass das Gebotene nicht nur zeitlos ist, sondern auch zu dem besten gehört, was der RZA je aufgekocht hat. In dieses Setting schneidet nun der Genius ein, der nicht umsonst als Meister-Lyriker gilt: Kühl und distanziert ergeht er sich wahlweise in Battle-Rhymes oder bildhaften Umschreibungen ausgewählter Szenerien, wie etwa in "Cold World", für das Garys Cousin Life einige Stevie-Wonder-Zeilen modifiziert, während GZA einen Abriss einer eisigen Slyvesternacht in Brownsville und Red Hook offenbart: "But with iron on the sides, thugs took no excuses / Therefore, your fifty-two handblocks was useless / Links was snatched off necks, scars on throats / Jackets took, after bullet rips through coats. Seinen Anfang nimmt das Album allerdings mit einem Sample aus "Shogun Assassin", scheinbar ein Lieblingsfilm von RZA, da seine Dialoge sich als Thema durch die ganze LP ziehen. Doch so selbstverständlich klingend wie der Intro-Dialog in "Liquid Swords" gebettet wurde, klingt er so, als wäre er speziell für diesen Anlass aufgenommen worden. Der nächste Hammer wartet in "Duel Of The Iron Mic", das sowohl in seiner einzigartigen, RZA-typischen Verwendung des Piano-Loops im düsteren Rhythmus-Bett als auch in seinem Zusammentreffen der Wu-Brüder keine Verbesserungsmöglichkeiten mehr aufweist. Ein Merkmal dieser Scheibe ist die geringe Zahl (oder gar Abwesenheit) der großen Wu-Hymnen, die selbst der Dorfdepp von nebenan kennt. Dies kommt der Kohärenz und Kompaktheit der Scheibe zugute, viele der Tracks hätten auf anderen Wu-Platten mit Sicherheit keinen Platz gefunden, machen hier aber zweifelsohne Sinn und sorgen dafür, dass man sogar nach vielmaligem Hören noch Songs für sich entdeckt. Zu den offensichtlichen Highlights gehört "Shadowboxin'" mit seinem markanten Pitch-Voice-Sample und Meths starker Präsenz, vor allem aber "4th Chamber", das den vielleicht kaltblütigsten, brutalsten RZA-Beat aller Zeiten auffährt, dem noch dazu mit Ghost und KP zwei unwahrscheinlich gute Gäste beiwohnen. Weniger ins Auge stechen auf die ersten Male "Investigative Reports" mit seinen Streichern, dem guten Einsatz von News-Fetzen und U-God in der Hook, aber auch das hinter den rohen Drums versteckte Dröhnen in der Warnung vor sämtlichen "Labels", bei dem GZA (ähnlich der Tracklist auf dem Back-Cover) in einem einzigen Vers ungefähr 35 Label-Namen verbaut (Geffen eingeschlossen, was unterstreicht, dass es sich hierbei um keinen direkten Rundumschlag handelt). "Killa Hills 10304" stellt sich als Mafia-Episode mit vollem Programm - Verbrechen, Erpressung, Bestechung, Schmuggel und der explodierenden Champagner-Flasche - heraus, suchte man nach dem schwächsten Track der Scheibe, so müsste man "Swordsman" benennen. Nachdem in "I Gotcha Back", das an einen jüngeren Cousin adressiert ist, die Übel des Drogengeschäfts (geschildert am Beispiel angehender Teenager) abgehandelt werden, folgt mit "B.I.B.L.E." der krönende Abschluss - ein Gast-Track, in dem sich 4th Disciple mit dem hinreißenden Instrumental inklusive eingesampelten Kinderlachens einen Namen macht, während Priest selbiges am Mic tut und mit GZAs Zuspruch seine Sicht auf die Religion und den korrekten spirituellen Weg (den der Gods And Earths) darlegt.

Man kann nun nach dem Sinn fragen, den letzten Track einem Schützling/ Kumpel zu überlassen, doch letzten Endes trägt "B.I.B.L.E." nur zum unverrückbaren Charakter dieses Albums bei, dessen Abbild Maximilian zusammen mit Bobby Steels direkt in HipHops Mt. Rushmore meißelt. "Liquid Sowrds" ist zugegebenermaßen kein einfaches Album und eignet sich nicht unbedingt zum Einstieg in die Wu-Kreise, dafür gehört es zu jenen Alben, die man nur sehr schwer tothören kann und die einen unglaublichen Reichtum an guter HipHop-Musik zu bieten haben, die aber nicht für jeden gemacht sind. Da es mit Raekwons Erstling die qualitative Spitze der Wu-Solos ausmacht, ist "Liquid Swords" sowieso Pflichtlektüre, wie sehr man sich von der Magie der Mischung aus GZAs komplexen Reimen und RZAs unantastbaren Beats einfangen lassen will, bleibt jedem selbst überlassen.
 
9.8 / 10

Aesop Rock - Appleseed

Release Date:
1999

Label:
Eigenvertrieb

Tracklist:
01. Appleseed Intro
02. Dryspell
03. Same Space (The Tugboat Complex Pt. 2)
04. Sick Friend
05. Hold The Cup
06. 1000 Deaths
07. Blue In The Face
08. Odessa (Feat. Dose One)
Review:
Anfangs rechnet Aesop Rock nicht damit, auch nur einen einzigen Fan zu haben, geschweige denn, seine Musik verkaufen zu können. Doch "Music For Earthworms" ist der erste Beweis, dass die Welt an der Musik des New Yorkers interessiert ist. Des Weiteren kann sich Aesop von dem überschaubaren Geld, das von seinem ersten Output abgefallen ist, Ausrüstung kaufen und die eigenen Producer-Fähigkeiten weiterentwickeln, da er mit Dub-L, der noch den Großteil von "Earthworms" produzierte, musikalisch sowieso nie komplett auf derselben Wellenlänge war. Da es ihn außerdem stört, die Cover für seine erste CD-R immer wieder selbst auszuschneiden, macht er sich an ein neues Projekt, eine erneut selbst finanzierte EP namens "Appleseed".
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
 Der kluge, aber leicht chaotische Nebenjob-Kellner kann sich nun also auf seinen eigenen Arrangements austoben, was er auch direkt eine halbe Stunde lang auf siebeneinhalb Tracks tut, wobei einer von Omega One und einer von Blockhead produziert ist; den Rest besorgt er mit seiner ASR-10 selbst. Der Sound ist auf jedem Anspielpunkt derselbe: eigentümlich und unkonvetionell. Die ganze EP fährt ein langsames Tempo, auf dem viele MCs völlig verloren wären, und während einige Songs instrumentale Juwelen sind, begeistern die rohen Instrumentals anderer Stationen wenig bis gar nicht, denn erst Aesop Rock erweckt sie zum Leben. Das gelingt ihm mit seinem spätestens jetzt voll ausgeprägten Rap-Stil, mit dem Aesop in Sachen Tempo ebenfalls keine Eile hat, aber so unbeschwert über Stock und Stein flowt, dass manche Verse ebenso eine einzige, lange Zeile sein könnten. Hooks und konventionelle Songstrukturen sind nicht das, woran man sich orientieren sollte, sofern man nicht heillos verlorengehen will. Ein Musterbeispiel für viele der Besonderheiten, die Aesop ausmachen, ist "Dryspell": Eine unauffällige Snare trottet durch den Hintergrund, der Bass brummt nach Leibeskräften und ein einsames Sax setzt sporadisch ein. Das mag nicht besonders aufregend klingen, Aesop Rock allerdings bindet die Aufmerksamkeit der Hörer und präsentiert seine oft bunt zusammengewürfelten Gedanken, die immer einen gewissen Zynismus spüren lassen, der sich hier speziell auf einen wichtigen Aspekt in Aesops Zeilen richtet: New York. Mit Zeilen wie "Good morning my sweet vision of morbid disorder / And good evening wonderful riddance and such" oder "My days graze normalcy then morbidly crash / My years breathe honesty then sardonically laugh" zeichnet er sich selbst mitten im Großstadtdschungel. Die unmündige Lethargie der Einwohner bekommt in Blockheads großartigem "1000 Deaths" ein paar Worte spendiert, Omega One sorgt für "Sick Friend", ein kleines Meisterwerk, das sich bereits nach den ersten paar Bars von seinem Titel entfernt hat und mit ausgeprägtem Wortschatz durch Aesops Gedanken wandert. Unter seinen eigenen Produktionen finden sich zwar auch die zwei Schwachpunkte der LP (das Intro sowie das zu langweilige "Same Space"), dafür aber auch das langsam aufbauende "Blue In The Face" mit Lines wie "Your dream's a needle in a needle stack claiming safety pin physics" oder "My own father's son is the holy ghost, suck that theology" und der überragende Abschluss in Form von "Odessa", das sowohl von seinem mit Gitarren- und Flöten-Sample versehenen Beat als auch dem Zusammenspiel mit Dose One (der in "Hold The Cup" noch gesampelt wurde) lebt.

Zwar hat auch "Appleseed" noch nicht die Reife eines vollwertigen Projekts (was wie bei "Music For Earthworms" auch gar nicht die Intention war), Aesop klingt aber schon wesentlich fokussierter, die ganze EP hat Hand und Fuß, die Beats geben schon ein gutes Bild davon ab, was auf den folgenden Alben zu hören sein würde. Der Grund, warum schon diese EP weit über den großen Durchschnitt katapultiert wird, ist aber natürlich Aesop Rock, dessen Raps dank der kryptischen Zeilen so schnell nicht langweilig werden, der dank seines einzigartigen, hochwertigen Flows aber schon mit dem ersten Hörgang jedes Instrumental aufwertet. Das macht noch nicht alle Songs von "Appleseed" zu Volltreffern, eine empfehlenswerte (in CD-Form jedoch wahrscheinlich sehr teure) Anschaffung ist die EP aber auf jeden Fall.

7.0 / 10

Roc Marciano - Reloaded

Release Date:
13. November 2012

Label:
Decon Records

Tracklist:
01. Tek To A Mack
02. Flash Gordon
03. Not Told (Feat. Knowledge Pirate & Ka)
04. Pistolier
05. Thugs Prayer Pt.2
06. 76
07. We Ill
08. Deeper
09. Death Parade
10. 20 Guns
11. Peru
12. Thread Count
13. Nine Spray (Feat. Ka)
14. Emeralds
15. The Man

Review:
Der Meister ist zurück, und das genau zur richtigen Zeit. Wer die letzten zwei Jahre auch nur ansatzweise ein Auge auf Herrn Marciano geworfen hat, der kann nur ahnen, wie froh der inzwischen darüber sein muss, nicht wie seine UN-Kollegen quasi völlig aus dem Rap-Game geschieden zu sein. Von den rohen Eigenproduktionen anno 1997 mit Ox und später 2004 hin zu dem Werk, das ihn 2010 in die Munde aller Eastcoast-Heads katapultierte und ihm anschließend ordentlich die Taschen füllte, als ihn plötzlich jeder auf seinem Projekt als Gast sehen wollte - Roc Marcys Karriere durchlebt gerade ihren zweiten Frühling. Zurücklehnen will sich der Mann aus Hempstead deshalb nicht, als gegeben wird nichts angesehen. Also stehen eine ganze Reihe neuer Projekte an (ein Producer-Album, eines mit Ka, eines mit den Arch Druids und weitere) sowie das offizielle Sophomore, "Marcberg Reloaded", hinter dem nun Decon Records steht.


WRITTEN FOR Rap4Fame

Im Titel wird schon angedeutet, dass Marcy keine musikalische Neufindung nötig hat, um ein weiteres Album mit Material vollzupacken. Im Gegensatz zu "Marcberg" finden hierauf allerdings auch andere Produzenten ihren Weg auf das Album, namentlich der Alchemist, die Arch Druids, Ray West und Q-Tip. Letzterer diente zudem als eine Art Mentor in Producer-technischer Hinsicht, der dem lernbegierigen Marciano beim weiteren Ausfeilen seiner Beats zur Seite stand. Dass deshalb der Minimalismus, der ihm (da genau zur richtigen Zeit in die Szene einschneidend) seinen Hype bescherte, über Bord geworfen wird, muss jedoch nicht befürchtet werden. Noch immer ist die Grundrezeptur genau dieselbe: Exquisite Sample-Arbeit bildet die Grundlage des Albums und garantiert den fast ausgestorbenen Charakter des kompromisslosen, harten New-York-Stils, in den sich der monotone, mancherorts hin und wieder langweilig geschimpfte Rap des Gastgebers mit in großer Dichte dargebrachter, lokaler Straßenterminologie bohrt. Dem beugen sich dann auch sämtliche Gastproduzenten, was "Reloaded" ähnlich kohärent wie "Marcberg" klingen lässt. Tiefgründige Texte sollte man zwar nicht erwarten, doch die sind absolut nicht vonnöten, da Rocky Marciano einer der unangefochtenen Könige darin ist, sich im Aneinanderreihen alltäglicher Ebonics so stilvoll zu gebärden ("Can I kill it? Funkadelic George Clinton / Keep the pimpin' more convincin', without the tension"), dass man besser unterhalten ist als bei den fehlgeleiteten Inhaltsfüllegesuchen so vieler Kollegen. Wenn diese Raps dann über gekonntes, ungerührt cooles Gestell wie etwa dem auf kaum mehr als einem bestechenden Voice-Sample rotierenden "Deeper" daherkommen, bekommt der Fan dieselben feuchten Augen wie seinerzeit bei "Snow". Dabei geht Marcy, der sich selbst gerne mal als Juwelier sieht, den Start ins Album vorerst ohne seine größten Highlights an, zumindest abgesehen vom dreckig losbrechenden "Tek To A Mack". Dafür ist "Not Told" für seine Gastbeiträge, die wiederum in ihrer insgesamt geringen Zahl durchaus ins Album passen, gut geeignet. Spätestens mit der Fortsetzung des "Thug's Prayer" ("You left a big pair of Clarks to fill") wird die Dichte der Kronjuwelen dann maximal: Roc kann mit allem: in Streicher-Bett mit Pinao ("Death Parade"), nur mit Klavier ("76") oder natürlich mit äußerst wenig, was sich im puristischen "Nine Spray" äußert, für das Ka mit seinem statischen Flow geradezu prädestiniert ist. Wer sich hier übrigens über Eintönigkeit beschwert, der ist von einspurigen Genre-Wertevorstellungen über Hatzjagden nach eigentümlichen, auftürmenden Flow-Variationen beseelt, hat das Anliegen der Scheibe nicht verstanden und wird tugendhafte Heldentaten wie "20 Guns" mit seiner grandiosen Sound-Kulisse verschmähen. Als Kitt zwischen den Songs dienen auch diesmal wieder einige Film-Samples - so auch vor "Thread Count" (man bedient sich bei "New York Stories"), in dem Kamaal The Abstract den Gastgeber in Sachen Minimalismus noch überbietet und dennoch mit dem wohl atmosphärisch dichtesten Stück der Platte von dannen zieht, was Marcy am Mic entsprechend würdigt. Geld, Drogen, Henny, Blunts und Zuhälterweisheiten, verpackt mit der Eleganz eines (Rap-)Gentleman. Da bleibt eigentlich nur noch "Emeralds" zu erwähnen, die Arch-Druids-Single, die dieses Album auf dumpfen Snares und mit gefährlichen Streichern zusammenfasst.

Folgender Vergleich soll in keiner Weise ein direkt musikalischer (ebensowenig ein qualitativer) sein, doch in vielerlei Hinsicht ist "Reloaded" Roc Marcianos "Hell On Earth". Denn: Wer den Vorgänger in Ehren hielt und hält, der wird auch im neuen Album einen treuen Begleiter finden, wer damals Prodigy für die Rückkehr seiner eiskalten Art begrüßte, der wird auch dem 2012er Roc Marciano herzlichst Tür und Tor öffnen. Trotz der unzähligen jüngeren Feature-Auftritte behält der Mann seinen Hunger, lässt keine Verwässerungen des öden Eastcoast-Szenen-Querschnitts in sein Album eindringen und bleibt der Fackelträger jener noch faktisch lebendiger, an einer Hand abzählbarer Gralsritter östküstlicher Hardcore-Street-Kunst. Wer also seinen Musikgeschmack in diesen Gefilden beheimatet sieht, der ist mit "Reloaded" für dieses Jahr bestens bedient.
8.3 / 10

50 Cent - Guess Who's Back

Release Date:
26. April 2002

Label:
Full Clip Records

Tracklist:
01. Killa Tape (Intro)
02. Rotten Apple
03. Drop Skit
04. That's What's Up (Feat. Lloyd Banks & Tony Yayo)
05. U Not Like Me
06. 50 Bars
07. Life's On The Line
08. Get Out The Club
09. Be A Gentleman
10. Fuck You
11. Too Hot (Feat. Nas & Nature)
12. Who U Rep With (Feat. Nas & Bravehearts)
13. Corner Bodega (Coke Spot)
14. Ghetto Qua'ran
15. As The World Turns (Feat. Bun B)
16. Whoo Kid Freestyle
17. Stretch Armstrong Freestyle
18. Doo Wop Freestyle

Review:
Wenn man darüber diskutiert, was als Debütalbum von 50 Cent zu gelten hat, muss man weiter zurückblick als ins Jahr 2003. Man könnte den von Jam Master Jay produzierten Longplayer nennen, der wohl in irgend einem Keller Staub fängt. Oder natürlich, als Curtis sich in Folge des Nichterscheinens eines Debüts von JMJ Records loskaufte, da er über die Trackmasters einen Deal bei Columbia ergattert hatte, "Power Of The Dollar", das kurz vor Release gestrichen wird, als Columbia spitzkriegt, dass 50 sich neun Kugeln gefangen hat. Zu diesem Zeitpunkt hat er allerdings bereits einen Vorschuss in Höhe von 125.000 Dollar in der Tasche, weswegen er nicht zurück zum Hustler-Leben muss, sondern die Mixtape-Szene in Angriff nehmen kann, was uns zum musikalisch vielleicht interessantesten Release des Mannes bringt: In Kanada (da er in NY auf der schwarzen Liste aller angesteuerten Studios steht, woran angeblich Supreme seinen Anteil hatte) legt er das Fundament für seine jahrelange Dominanz der Mixtape-Szene, stellt aber auch das mehr wie ein Album anmutende "Guess Who's Back?" zusammen.
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Auf dem ansonsten völlig unbedeutenden Indie Full Clip wird die Platte veröffentlicht, sie enthält einige Tracks von dem nie öffentlich erschienenen, vielmals gebootlegten und ohnehin nicht überragenden "Power Of The Dollar", einige von Mixtapes (als Beispiel sei hier "50 Cent Is The Future" genannt) und gibt insgesamt einen guten, für die meisten außerdem hauptsächlich mit exklusiven Tracks bestückten Überblick über den jungen 50 Cent, der zudem keine reine Compilation ist, sondern u.a. mit Skits durchaus Albumcharakter aufweist. Damit ist klar: Vergleiche mit "Get Rich Or Die Tryin'" verbitten sich, hier regiert der weniger massentaugliche 50, der ohne große Rücksicht auf Verluste darauf bedacht ist, sich einen Namen im Geschäft zu machen. Das bezeugen auch die Produzenten: Quasi alle früheren Partner (ausgenommen JMJ) sind mit von der Partie (wenngleich "Guess Who's Back?" an sich komplett ohne Credits daherkommt), von den Trackmasters über den ebenfalls unter JMJ aufgestiegenen Sha Money XL, Red Spyda, Terence Dudley, Clark Kent und QB-Veteran L.E.S. Eine Gemeinsamkeit mit dem späteren 50 Cent ist das Vermächtnis von Jam Master Jay, der dem ungeschliffenen Curtis in den ausgehenden Neunzigern zeigt, wie man aus nackten Bars einen ordentlichen Song formt und, wie 50 selbst betont, wie ein gescheiter Chorus aussieht. Dieser Punkt mag der vielleicht wichtigste bei der Betrachtung von "Guess Who's Back?" sein, denn wo sich 50 mit den typisch grau-rauen NY-Instrumentals jener Zeit und dem Gangster-Talk noch nicht überragend von der Konkurrenz abhebt, sind es oft eingängige und schlichtweg gute, passende Hooks, die seine Songs zieren und den Wiedererkennungswert in die Höhe treiben. Genau aus diesem Grund erinnert man sich an "Corner Bodega" weniger als an andere Tracks, wenngleich das L.E.S.-Instrumental ein Highlight seiner früheren Werke ist und die expliziten Ausführungen über seine Drogen-Geschäfte keinesfalls schlecht sind - die Hook ist nur mittelmäßig. Selbiges gilt für "Who U Rep With", das trotz seiner typisch trockenen Snares QB'scher Machart und dem Auflaufen der kompletten Bravehearts (inklusive Horse und Millenium Thug, wobei Ersterer schon bald aussteigen und Zweiterer später für Wiz einspringen würde) nicht so recht auf Touren kommt. Andernorts dagegen zeigt sich, dass 50 einst sehr vielversprechend war: "Rotten Apple" ("Rap is full of good guys, 50 Cent is the villain") dünstet den Smog des Big Apple mit jeder Sekunde aus, "Get Out The Club" erweist sich als soundlich minimalistische Tirade gegen arrogante Club-Primadonnas. Aus der Zeit auf Columbia und von "POTD" finden sich noch "As The World Turns" sowie "Life's On The Line", das mit dem Murder Inc. auf die Schippe nehmenden Mitgrölrefrain und einigen weiteren direkten Zeilen an den damals wesentlich populäreren Ja Rule noch heute Spaß macht. Vor allem aber der vielleicht bedeutendste Song aus dem alten Millenium ist mit von der Partie: "Ghetto Qu'ran", bei dem nicht nur explizite Crime-Stories aufgetischt werden, sondern das von 50 genutzt wird, um seine Erfahrungen aus den Hustler-Zeiten unzensiert in einen Song zu packen. Der Song startet vor der eigenen Haustür, beim Supreme Team, das den Drogenfluss in South Jamaica Queens ab den 80ern kontrollierte, nennt nicht nur die Köpfe (Preme und sein Neffe Prince), sondern auch die halbe Belegschaft sowie einige ihrer (Un-)Taten, u.a. den kaltblütigen Mord an kolumbianischen Zulieferern. Das Namedropping bleibt konsequent und klappert dabei auch andere Boroughs (z.B. Harlem mit Rich Porter) ab. Ob der Song nun der Auslöser für das Attentat war, ändert nichts daran, dass es sich hier um einen von Fiftys besten Songs handelt. Was direkt zum nächsten Highlight führt, dem ersten Song nach 50s Krankenhausaufenthalt: "Fuck You", Clark Kents Großtat, die eigentlich als Track auf dessen Album mit Sauce und Ace Of Spades als weiteren Features geplant war. Doch 50 lässt sich in drei Versen u.a. über Tone & Poke (Trackmasters), die ihn laut Eigenaussage als Ghostwriter für Nonames ausnutzen wollten, sowie Columbias Tommy Mattola aus und adressiert kurz das Attentat ("They keep asking me questions / Like "50, who shot ya? You think it was Preme, Freeze or Tah, Tah?" / Nigga, street shit should stay in the street, so, keep it on the low / But everybody who's somebody already know"). Abgerundet wird der Song durch eine aus Styles, Nas, Pun und Pain In Da Ass grandios zusammengecuttete Hook. Neben weiteren hörenswerten Songs ("Too Hot" oder dem Storytelling-Track "50 Bars", in dem wieder Namen aus der Verbrecher-Szene fallen) findet sich noch ein sehr unnötiger Freestyle auf Wu-Tangs "Y'all Been Warned" mit der Gorillaeinheit sowie weitere Freestyles als Abschluss der LP.

Bekanntermaßen war es dieses Tape, das über Paul Rosenberg seinen Weg zu Eminems Ohren fand, der daraufhin Fifty das Tor zu den Millionen öffnete - aber auch weg von dem hungrigen, qualitativ wesentlich ansprechenderen Stil, der ihm den Weg für all seine späteren Ausflüge in den Candy Shop ebnete. Als Scheibe ist "Guess Who's Back?" interessanter als "Power Of The Dollar", da es einerseits sowohl Tracks enthält bevor als auch nachdem 50 im Mai 2000 angeschossen wurde, andererseits aber auch, weil es als Indie-Scheibe auf radiotaugliches Material wie "Thug Love" verzichten kann (und dies auch tut). Für einen kompletten Überblick über die Zeit vor "Get Rich Or Die Tryin'" fehlen zwar einige Stücke ("How To Rob" hätte man ebenso wie "Da Heatwave" oder "Gun Runner" statt der überflüssigen Freestyles mit ins Aufgebot packen können), alles in allem hat man es hier trotzdem mit der besten Scheibe zu tun, die es je von 50 zu hören gab.
6.8 / 10

Dienstag, 26. Februar 2013

Spirit Agent - Depth Perception


Release Date:
1999

Label:
Navigators Inc.

Tracklist:
01. Exit Into
02. Ultraviolet Light
03. Womanism (Feat. Seven Star)
04. Servant Of The Center
05. Bioluminescence
06. Revolt
07. Cyclist
08. Discovery of Sole
09. Mind Virus
10. Vibrance
11. Further
12. Agents
13. Enchantment
14. The Voices In My Head
15. Inciting

Review:
Richmond Heights zu Beginn der Neunziger: Während in Sachen HipHop in ganz Florida der Miami Bass regiert, erhält ein gewisser Tory Jackson von seinem Cousin Tapes aus New York, was direkten Einfluss auf den Stil des sich im Verlaufe der Dekade als Stres mit seiner Crew The All in der lokalen Untergrundszene Miamis einen Namen machenden Rapper hat. The All bestehen im Kern noch aus Plex sowie Habib The Mysti alias Uday und Equate alias Bernbiz (das hintere Duo wird später als Evolver tätig sein). Mit einer selbst finanzierten EP generiert man einen kleinen Buzz und legt damit den Grundstein der in Form von Releases dokumentierten Alternativ-Szene Miamis. Es folgt die Gründung von Navigators Inc., das als Label und Fusion aus Gleichgesinnten (im Bunde sind noch Plex' ebenfalls schon bestehende Gruppe Algorithm sowie Seven Star) als Plattform dienen soll. Erstes Release bildet "Depth Perception", das Debüt der als Spirit Agent auflaufenden Stres und Plex.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Eine Sache sei gleich zu Beginn festgehalten: Spirit Agent ist anders, als man es erwarten würde, wenn Heads aus Florida vom New York der Frühneunziger beeinflusst sind. Die Kombo an sich - Plex Luthor als Produzent und Stres als Rapper - ist ganz und gar gewöhnlich, doch das war's dann auch schon. Ein erster Hinweis ist der Name: Mit Spiritualität hat die Scheibe nichts zu tun, "Spirit" meint das Unperzipierte, Unformulierte, Unbekannte, das den Menschen umgibt, Stres ist der "Agent", der Übersetzer, dessen Output seine Raps sind. Dieser hochtrabenden Maxime lassen Plex und Stres aber auch direkt Taten folgen, nicht etwa in einer wissenschaftlichen Abhandlung, sondern in musikalisch-dichterischer Essenz. Hier treffen sich die kongenialen Geister eines Sound-Architekten, der sich Zeit beim Basteln seiner Beats nimmt und selbige nur auf seinen momentanen Emotionen aufbaut, um mit exklusiver, ausgefallener, unverbrauchter Arbeit aufzuwarten, und eines Poeten, der mit einem einzigartigen Stil das Protokoll tiefster Kontemplation vor dem Hörer ausrollt. "The mind wanders where logic can't solicit". Eine Kumulation unwahrscheinlich tiefgründiger Beats trifft auf lyrische Ergüsse, die sich dank bedachter Eloquenz ungemein umfassend erstrecken. Feste Themen und Songkonzepte ergeben sich dabei kaum, die Ausnahme ist "Womanism", das dem schönen Geschlecht auf noble Art schmeichelt und zum starken Beginn des Albums zählt. Doch es wird noch besser. Denn für Fehler haben Spirit Agent weder Zeit noch Platz. In ihrem bilateralen Zusammenarbeiten hatten sie kaum je etwas an dem Beitrag des anderen auszusetzen, und das aus gutem Grund. Schon mit den ersten Sekunden knospt dieses Album, nur um wenig später aufzublühen in einer sonderbar beruhigenden, meditativen Art, dem Spiegel von Plex' Gemütszustand, in dem sich Flöten, Klavier und sachte Streicher die Hand reichen, nur um Stres' Worten zu lauschen, die in nicht minder ruhiger Art gesprochen werden und dabei die Schablone von Bars und Endreimen oft links liegen lassen - das perfekte Arrangement von in Lo-Fi-Laken gebetteten Samples fordert nicht danach. So baut das Klavier aus "Cyclist" zum melancholischen, selbstreflektierenden "Discovery Of Sole" auf, fließt das ganze Album ohne die kleinste Unstetigkeit voran, ohne je unnatürlich oder gezwungen zu klingen. Für die ergreifende Stimmung von "Enchantment" Worte zu finden, fällt schwer. Shades Lachen zu Beginn, Plex' surrendes Instrumental mit den hintergründig aufsteigenden Wasserblasen - so klingt HipHop-Seelenfrieden. Shade (Plex' damalige Freundin) findet mit einem Intro auf Französisch für "Voices In My Head" dann auch den rechten Übergang, auf dass sich das Album bis zu den drückenden Streichern in "Inciting" keine Blöße gibt und an dieser Stelle noch mit einem Zitat aus dem ekstatischen, frohsinnigen "Vibrance", welches das Wesen dieses Albums angemessen repräsentiert, beschrieben sei:

"The analytical tongue, critical as lung respiration
Political among no hypocritical sung intonation
Slung from my imagination, hung to esthetics
My tongue in moderation, it is clung to poetics
The synthetics are pathetic, they falter from the start
I alter the genetics of this art
"


 "Is this art or trash?" fragt Stres und könnte dabei keine eindeutigere Antwort erhalten. Nicht nur ist dieses Album Kunst, es ist zudem Pionierarbeit, das erste Manifest der in den folgenden Jahren recht lebendigen Untergrundszene Miamis. Der Einfluss auf Gruppen wie Cyne ist sehr naheliegend. An "Depth Perception" kam in dieser Form jedoch kein Album mehr (nicht aus Miami und von anderswo erst recht nicht) heran. Trotz des Equipments (das nicht das hochwertigste war) und des sich ergebenden, durch das ganze Album ziehenden Lo-Fi-Sounds - oder gerade deswegen - gibt es hier nichts zu verbessern. Obwohl direkt im Anschluss ein zweites Album geplant war, kam es nur noch zu der ebenfalls sehr hörenswerten "Input/Output EP", dann löste sich das Duo auf, Navigators Inc. schloss ebenfalls recht bald die Pforten. Doch aus diesem Release gingen indirekt Counterflow und zu gewissem Grad auch die Beta Bodega Coalition hervor, was der Welt in der Folgezeit weitere hochwertige Releases aus Miami bescheren sollte.

9.4 / 10