Mittwoch, 27. April 2011

Pharoahe Monch - W.A.R. (We Are Renegades)


Release Date:
22. März 2011

Label:
Duck Down Records

Tracklist:
01. The Warning (Feat. Idris Elba)
02. Calculated Amalgamation
03. Evolve
04. W.A.R. (Feat. Immortal Technique & Vernon Reid)
05. Clap (One Day) (Feat. Showtyme & DJ Boogie Blind)
06. Black Hand Side (Feat. Styles P & Phonte)
07. Let My People Go
08. Shine (Feat. Mela Machinko)
09. Haile Selassie Karate (Feat. Mr. Porter)
10. The Hitman
11. Assassins (Feat. Jean Grae & Royce Da 5'9")
12. The Grand Illusion (Circa 1973) (Feat. Citizen Cope)
13. Still Standing (Feat. Jill Scott)

Review:
Er ist die Definition eines Rap-Unikats und hat nicht nur deswegen hamsterbackenweise Respekt gebunkert. Dies ist umso verwunderlicher, als der Mann aus Queens die Welt in den letzten Jahren nicht mit Alben oder etwa Feature-Auftritten überflutet hat. Ganz im Gegenteil, gemessen an der Länge seiner Karriere gibt es nicht viele Kollegen mit ähnlich geringem Output. Deshalb ist es natürlich etwas Besonderes, wenn Pharoahe Monch sein neues Album ankündigt, deshalb stört es auch nicht groß, ein Jahr darauf zu warten. An dieser Stelle darf man dann kurz ein Dankeschön an Duck Down richten, das einem Künstler wie Monch die Möglichkeit gibt, ein Album wie "W.A.R." nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Selbst das Apronym kann man Monch irgendwie nicht krummnehmen, zumal man es mit dem, was es auf der Scheibe zu hören gibt, immerhin rechtfertigen kann. "We Are Renegades" soll von Anfang bis Ende ein Appell sein. Dieser beschäftigt sich natürlich mit altbekannten Themen, aber in guter Aufbereitung hat das noch niemanden gestört. Und wo schon von guter Aufbereitung die Rede ist, kann man eigentlich gleich beim Intro einsteigen, für das Schauspieler Idris Elba verpflichtet wird. Der Hörer wird in ein düsteres Setting geworfen und lauscht einer mittels noch unbekannter Technologie aus der Zukunft von einem US-Soldaten geschickten Audiobotschaft, die als "Warning" die höchst geheimen Informationen, die das sich anschließende Album sein soll, zum Inhalt hat. So wirklich geheim sind die Infos natürlich nicht, denn Monch's Stil, seine Themen aufzubereiten und dabei die persönliche Note (mit regelmäßigem Wechsel in die erste Person) stark zu gewichten, kennt man nicht erst seit gestern, zumindest bekommt man jedoch mal wieder ein sinnvolles und gutes Intro geboten. Neu, aber keineswegs überraschend sind einige der Produzenten, die hinzugezogen werden, als da wären: M-Phazes mit vier Beiträgen, Exile, Marco Polo und noch einige andere. Doch Namen sind bei P-Monch nicht von Bedeutung, denn der Protagonist wählt sich den Sound, den er für seine Platte haben möchte, bewusst aus, was dazu führt, dass "W.A.R." ein gutes Stück vom Standard entfernt spielt. Wie schon auf "Desire" ist der teils besinnliche, sehr Soul-geschwängerte Anteil wieder gut vertreten, was durch das Hinzuziehen zahlreicher ihre Sache gut machender Sänger noch offensichtlicher wird. Paradebeispiel hierfür ist das grandiose "Let My People Go", das sich mit Chor-Backup und überragender Darbietung von Monch als eines der Juwelen dieser LP manifestiert. Zu den restlichen Tracks gehört auch das aufs Intro folgende, etwas chaotische "Calculated Amalgamation", das beattechnisch vielleicht nicht überragend ist, als verlängerte Einleitung aber bestens funktioniert und vor allem den Weg für "Evolve" ebnet, das als erstes Highlight mit einem ruhigen Beat von Exile mehr als genug Platz für Pharoahe Monch's Ergüsse bietet. Später kommen dann noch besagte Sänger dazu, etwa Mela Machinko mit einer starken Performance in "Shine" oder Phonte für "Black Hand Side". Thema ist zumeist das, was seinerzeit schon die Spirituals füllte: die Situation der afro-amerikanischen Bevölkerung. Ins Kreuzfeuer kommen dabei natürlich auch die weithin geliebten Gesetzeshüter, wie im klassischen M-Phazes-Tune "Clap" (der das aufrüttelnde Albumthema perfekt einfängt). Doch auch ein Pharoahe Monch macht nicht alles richtig: Mr. Porter hätte auf "Haile Selassie Karate" nicht unbedingt sein müssen, "The Hitman" plätschert etwas zu unaufgeregt vor sich hin. Ganz im Gegensatz zu "Assassins", das den Auftritt des Killer-Trios durch ein ausschweifendes Intro amüsant aufbläst, wobei es natürlich unnötig zu erwähnen ist, dass bei einem Aufeinandertreffen von Monch, Grae und Royce in jedem Fall die Fetzen fliegen. Das gilt selbstredend auch, wenn Immortal Technique (offenbar kommt ein politisch motiviertes Album nicht mehr ohne den Hardcore-Sozialisten aus) engagiert wird, wenngleich der Peruaner viel zu grobschlächtig durch die Hook heizt, ohne einen Part dazulassen. Das genaue Gegenteil gibt es in "The Grand Illusion" mit einem wehmütigen Citizen Cope (und einem P-Monch, der sich ein paar schwammige Gedanken über die heutige Gesellschaft macht), während "Still Standing" nochmals die volle Packung Soul rekrutiert und einen erwartungsgemäß pathosgeladenen Ausstieg garantiert.

"W.A.R." hat vielleicht nicht den inhaltlichen Nährwert, den das dramatische Intro verspricht, ist dafür aber von der ersten bis zur letzten Sekunde 100% Pharoahe Monch. Wenige Künstler können sich selbst so treu bleiben, ohne dabei an keiner einzigen Stelle Vorwürfe von Stillstand zu kassieren. Pharoahe scheint das ganz nebenbei zu machen, nur um ein weiteres Mal zu demonstrieren, dass er immer noch zu den besten Emcees gehört, die aktiv im Game unterwegs sind. Dies ist kein Release eines gestrandeten Künstlers, dem Duck Down den letzten Strohhalm gereicht hat, "W.A.R." strotzt alles in allem vor Vitalität. Dass die Höchstnoten trotzdem nicht fallen, ist eher kleinen Macken geschuldet, die sich letzten Endes aufsummieren, außerdem fehlen die ganz großen Momente, zu denen vielleicht ein nicht vertretener, deftiger Kracher hätte zählen können. Beschweren will man sich aber eigentlich nicht, denn Monch's drittes Soloalbum ist auch so empfehlenswert.

6.9 / 10

CunninLynguists - Oneirology


Release Date:
22. März 2011

Label:
A Piece Of Strange Music / QN5 Music / RBC Records

Tracklist:
01. Predormitum (Prologue)
02. Darkness (Dream On) (Feat. Anna Wise)
03. Phantasmata
04. Hard As They Come (Act I) (Feat. Freddie Gibbs)
05. Murder (Act II) (Feat. Big K.R.I.T.)
06. My Habit (I Haven't Changed)
07. Get Ignorant
08. Shattered Dreams
09. Stars Shine Brightest (In The Darkest Of Night) (Feat. Rick Warren)
10. So As Not To Wake You (Interlude)
11. Enemies With Benefits (Feat. Tonedeff)
12. Looking Back (Feat. Anna Wise)
13. Dreams (Feat. Tunji & BJ The Chicago Kid)
14. Hypnopomp (Epilogue) (Feat. Bianca Spriggs)
15. Embers

Review:
Auch wenn es sich nicht so anfühlt, seit "Dirty Acres" sind ganze dreieinhalb Jahre vergangen. Jahre, die natürlich nicht untätig verbracht wurden. Man erinnert sich an die beiden Teile der "Strange Journey", die im Prinzip sowieso als vollwertige Alben anzusehen sind und Natti, Deacon und Kno an der Seite einer Vielzahl an Gästen sahen (unnötig zu erwähnen, dass die CunninLynguists immer eine gute Figur machten). Vor kurzem wagte Kno dann den von Kritikern umjubelten Schritt in die Solo-Welt. Ein unfreiwilliges weiteres Mal geriet die treibende Produzentenkraft hinter CL wegen eines grundlegenden HipHop-Problems, dem Sampling, ins Kreuzfeuer (ironischerweise stellten ihm wohl übereifrige Fans ein Bein), weswegen kürzlich ein pampiger Brief gen Öffentlichkeit geschickt wurde. All diese Stationen führen schließlich zu "Oneirology", dem fünften vollwertigen Album der Gruppe.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die "Strange Journey" diente ein wenig als Spielweise, auf der man die verschiedenen Facetten der CL nochmals durchprobierte, auf "Death Is Silent" gab Kno schon zu erkennen, wofür sein Herz derzeit verstärkt schlägt (neu ist dieser Stil bei den CL schließlich nicht), weswegen es nicht groß verwundert, dass man an dieser Stelle einen Titel wie "Oneirology" zu lesen bekommt - wer sich in ein Gebiet begibt, das bisher noch nicht einmal auf empirischem Weg gesichert wurde, der will viel Raum für Interpretationen lassen. Genau das passiert mit dem Eintritt in die Welt der Träume und deren Deutung. Wie stilvoll man die Geschichte angeht, lässt schon das stattlich gezeichnete Cover erahnen. Kno bestreitet das Album mit zumeist ruhigen, sehr weichen Instrumentals, in denen er seine Stärken - vor allem das lötstellenfreie Einbinden atmosphärischer Voice-Samples (jedweder Clearance-Eskapaden zum Trotz) - voll ausspielen kann. Das geht schon im Stadium des Halbschlafs, symbolisiert durch das "Predormitum"-Intro, auf sehr starke Art und Weise los, nur um fließend in die dreiviertelstündige Schlafphase überzugehen. "Darkness" ist das den Hörer umgebende Motto, in dem eine schöne Hook die Rhymes von Deacon und Natti umspielt, die wiederum in bedeutungsschwer murmelndem Tonfall einen Blick in ihr emotional brach liegendes Inneres gewähren ("I'm feeling faceless heading' for a bitter state / I'm trying to place but my heart ain't even in the race ") - was genau den Jungs über die Leber gelaufen ist, spielt dabei offenbar keine Rolle. Irgendwo zwischen Weltschmerz und der bewusst eingesetzten Kunst der Emo-Raps finden sich nicht wenige der Zeilen auf der Platte, was in gewissem Maße nicht verkehrt, in Kombination mit dem anspruchsvollen Schlummerland-Setting aber ermüdend ist. Genügend Songs fahren jedoch ein anderes Konzept, vor allem die beiden "Act"s, für die man gleich noch zeigt, dass man bei der Wahl der Gäste (nicht die großen Namen, sondern jene, die im Moment einen gewissen Hype erfahren) alles richtig macht. Für "Hard As They Come" wird aus der Sicht dreier echter Killer (Crack, Alkohol, AIDS) erzählt, "Murder" dagegen hebt das Ganze auf globale Ebene, wobei vor allem Natti als "Instrument Religion" den wohl besten Verse des Albums absondert:

"I could use worship as a warship, bible as sword
Turn men and women to minions over heaven's rewards
Promise Islamic bombers heaven's harem of whores
For taking out a couple of floors
[...]
Whoever you praise, I just made it a game
Called winners and sinners, but they one and the same
You can play along with us at home
We livin' in Rome, destined to fall
"

Später im Traum stolpert man dann über das pessimistische "Shattered Dreams", nur um von "Stars Shine Brightest" wieder mit einer (zu einem gewissen Grad widersprüchlichen) positiven Botschaft Mut gemacht zu bekommen, was dem löblichen Anspruch keinen Abbruch tut. An dieser Stelle sind es schon die Beats von Kno, die zeitweise Grund zur Kritik geben: Als instrumentale Untermalung des Traums mögen sie sehr gut geeignet sein, doch vor allem gegen Ende hin passiert etwas zu wenig - "Dreams" etwa ist insgesamt der schwächste (konzeptuell nicht notwendige) Track, woran Kno nicht ganz unbeteiligt ist. Zu smooth, zu unaufgeregt gleiten einige Tracks am Hörer vorbei und werden erst durch die lyrische Dichte aufpoliert. In diese Kategorie fallen "Looking Back" als auch "Get Ignorant", das sich mit Vater Staat und vor allem dessen unmündigen Bürgern beschäftigt. An einigen Stellen wird natürlich trotzdem ganz groß aufgespielt: "My Habit" gibt perfekte Sample-Kunst (illustriert von den Musik-Abhängigen Deacon und Natti) wieder, "Enemies With Benefits" legt mit umwerfend gutem Piano los und ergeht sich anschließend in flottem Tempo in Erzählungen über die Art Ex, die man nie ganz los wird - eine gelungene Umsetzung des Themas Hassliebe. Schließlich wären da noch instrumentale Interludes, wobei vor allem "So As Not To Wake You" der Atmosphäre der LP einen gewaltigen Push gibt. In "Hypnopomp" schließlich fasst Bianca Floyd den Zwiespalt, den das Album zu transportieren versucht, in einer Parabel griechischer Mythologie zusammen, bis mit "Embers" (mit Pitch-Sample) ein etwas zu langsamer Ausstieg aus dem Halbschlaf gewählt wird.

Es gibt viele Dinge, die man dem Album zugute halten kann, angefangen beim Konzept, dessen Komplexität trotz kleiner Schönheitsfehler dem Großteil aller Rapper wohl selbst im Traum nicht einfiele, bis hin zu Kno's Arbeit, die in erster Linie als sehr charakteristisch und gut gewählt zu bezeichnen ist - von den Samples, die klingen, als wären sie nur für dieses Album gemacht, ganz zu schweigen. Das bisher geschlossenste CL-Album wird also nicht umsonst in den Himmel gelobt. Auf der anderen Seite sieht man sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass "Oneirology" einerseits vom Hörer fordert, am Stück gehört zu werden, dass aber genau dann einige Passagen ins Langweilige abdriften, was bei derartig glatt geschliffener Traummusik abzusehen ist. Insgesamt sind das hier also nicht Kno's beste Werke, während die Auftritte am Mic (nicht die Texte) manchmal etwas gedämpft wirken. Alles in allem liegt "Oneirology" nichtsdestoweniger auf einem hohem Niveau, das zwar die vier Kronen verpasst, deshalb wohl trotzdem bei den Top-Alben des Jahres mitmischen können wird.

7.2 / 10

Donnerstag, 14. April 2011

Looptroop Rockers - Professional Dreamers


Release Date:
11. März 2011

Label:
Bad Taste Records

Tracklist:
01. Don't Wanna Wake Up
02. Professional Dreamers
03. Any Day
04. This Music Sounds Better At Night
05. Do (Feat. Gnucci Banana)
06. On Repeat
07. Sweep Me Away
08. Blow Me Away
09. Darkness
10. El Classico
11. Magic (Feat. Chords)
12. Late Nights, Early Mornings
13. Joseph (Feat. Lisa Ekdahl)

Review:
Als Anhänger amerikanischen HipHops hat man nicht viele europäische Acts zu kennen, doch Looptroop sind ein solcher Kandidat, schließlich ist die schwedische Formation seit jeher ein Kritikerliebling. Dass Embee, Promoe, Supreme und CosM.I.C. ihr Ding schon seit vielen Jahren erfolgreich durchziehen, verlangt dabei sowieso einen gewissen Respekt. Für das inzwischen fünfte Album hat man eine Reunion zu feiern, da sich CosM.I.C. zwischenzeitlich in den Hintergrund zurückgezogen hatte. Das Konzept zur Scheibe wird unabhängig von Promoe (der den Titel beiträgt) und Supreme (nachdem ein Bekannter ihm von einem Schlafforscher erzählt) angeregt, dann zusammengetragen und endet schließlich in "Professional Dreamers", das wieder über Bad Taste das Licht der Welt erblickt.
 
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Man wundert sich glatt, wieso die Looptroop Rockers mit diesem Titel nicht schon früher angetanzt sind. Seinen Traum zu leben und damit (genug) Geld zu verdienen ist ein Privileg, das neben den vier Schweden nicht vielen (vor allem wohl den meisten Hörern nicht) vergönnt ist, weshalb das leicht erratbare Anliegen dieses Albums ist, den Hörer in die entsprechende Stimmung zu versetzen. Sollte eigentlich kein großes Problem sein, denkt man sich, und hat natürlich vollkommen Recht, denn Embee weiß an den Boards einmal mehr durchzugreifen. Es dauert nur ungefähr bis zum Anbruch der zweiten Minute im Album, bis man Gewissheit hat, dass Embee weiß, was er zu tun hat - wie sollte es auch anders sein, hat der Mann seinen Trademark-Stil doch über die Jahre hinweg nahezu perfektioniert. Wohin genau die Traumreise geht wird dabei noch nicht vollends enthüllt, die empfangenden, sehr weichen Sounds deuten sowohl auf Electro-Einflüsse als auch auf den klassischen Feel-Good-Sound der Gruppe hin. Nachdem "Don't Wanna Wake Up" also (mit angezogener Handbremse) den Ton vorgegeben hat, legt man im Titeltrack erstmals los. Bei der Frage, welcher Song wohl den bestmöglichen Opener abgeben würde, hat man sich offensichtlich auf eine positiv eingestellte Nummer geeinigt, denn "Professional Dreamers" bedient gekonnt und geschickt das Albumthema, feiert dabei noch die Reunion mit CosM.I.C., motiviert, macht Laune und ist dabei vor allem ungemein smooth und relaxed. Dabei fällt man zwar nicht aus dem Stuhl, entspannt dafür aber die Sitzmuskulatur. Für die restliche LP wartet dann noch ein bisschen mehr: Bei "Any Day" beispielsweise dachte man sich wohl, dass es nicht schaden kann, dem Hörer ein wenig auf den Zeiger zu gehen - ungute Idee. Und wer gedacht hat, Embee marschiert fehlerfrei durch diese 13 Tracks, der hat sich gehörig geschnitten. "On Repeat" soll politischen Protest gegen die rechtsextremen Schwedendemokraten (motiviert durch deren Einzug ins Parlament) ausdrücken, mit dem Geräusch ins Schloss fallender Türen ist es allerdings noch nicht getan. Wo jenem Track also das wütende Element zur Untermalung der Raps fehlt, scheint in "Do" die Energie überzuquillen, was sich in einem anstrengend temporeich bouncenden Beat äußert, was wiederum mit Aufforderungen, weniger zu reden und mehr zu agieren, ebenfalls besser hätte umgesetzt werden können. Glücklicherweise lässt man es bei den weiteren Songs ruhiger angehen, "Darkness" beispielsweise mutet als der beinahe obligatorische melancholische Semi-Emo-Track zwar etwas aufgesetzt an, wurde als Heimspiel für Looptroop allerdings ohne Probleme umgesetzt. "Magic" ergeht sich in angenehm gebetteter Dankbarkeit über das, was Promoe & Co. vergönnt ist (der Song wird mit schlafwandlerischer Sicherheit in trockene Tücher gebracht), "Sweep Me Away" dagegen fehlt inklusive Anhängseltrack ein wenig der Saft für ein Highlight. Als solche entpuppen sich, nachdem man sich im "Clasico" auf die eigene Schulter geklopft hat, die letzten beiden Stücke, wobei "Late Nights, Early Mornings" mit Embee-typischem Akkordeon die in sozialer Hinsicht weniger berauschenden Aspekte des Musiker- und Tour-Lebens elaboriert und "Joseph" schließlich als großartiger Abschluss sowohl instrumental als auch textlich zu großer Klasse aufläuft und (neben anderen, weniger einprägsamen Verses, u.a. mit einem Suizidalen) vom todkranken Joseph berichtet, für den die Musik von Looptroop eine wichtige Rolle spielte.

Looptroop schlängeln sich nicht ohne Blessuren und Seitenhiebe durch den ewigkritischen Rap4Fame-Album-Parkour, stehen letzten Endes aber doch etwas besser da, als man meinen möchte. Das liegt an der stattlichen Atmosphäre, die während dieses professionellen Traums aufgebaut wird und einige der Ungereimtheiten vergessen macht. Nichtsdestotrotz hat das fünfte Album der Schweden seine Macken und Fehltritte, die bei den hohen Ansprüchen, die allgemein an die Gruppe gestellt werden, schmerzen können. Wer "Professional Dreamers" also zu hören gedenkt, der sollte dies am Stück tun, denn nur dann baut sich die LP zu einem fast durchwegs gelungenen Hörerlebnis mit starkem Finale auf.

6.5 / 10

Reks - R.E.K.S. (Rhythmatic Eternal King Supreme)


Release Date:
08. März 2011

Label:
Brick Records / Showoff Records

Tracklist:
01. 25th Hour
02. Thin Line
03. Limelight
04. Kill 'Em
05. This Or That
06. Why Cry (Feat. Styles P)
07. Face Off (Feat. Termanology)
08. The Wonder Years
09. This Is Me (Feat. DJ Corbet)
10. Mr. Nobody
11. The Underdog
12. U Know (Feat. Freeway)
13. Cigarettes (Feat. Lil Fame & Atticabarz)
14. Mascara (The Ugly Truth)
15. Like A Star
16. Self Titled (Bonus)

Review:
Das Phänomen Reks geht in die nächste Runde. Es ist rückblickend immer noch erstaunlich, wie der vielversprechende Jungspund seinen Eintritt in die Szene mit einem starken Album feierte, nur um dann jahrelang in eine Halbexistenz abzudriften und 2008 auf den Showoff-/ Brick-Zug aufzuspringen und ein fulminantes Comeback zu feiern. Wenige haben den kollektiven Retro-BoomBap-Nerv so gut getroffen wie "Grey Hairs". Inzwischen sind wieder zweieinhalb Jahre ins Land gezogen, Reks hat seinen schon verloren geglaubten Platz als bekanntes Gesicht am Eastcoast-Stammtisch mit einigen Feature-Auftritten weiter gefestigt und schickt sich nun an, mit "R.E.K.S." wieder Sympathien von BoomBap-affinen Hörern und Kritikern einzuheimsen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Überraschungen gibt es auf "Rhythmatic Eternal King Supreme" (wieso muss alles zu einem grauenhaften Backronym verschandelt werden?) keine: Vielleicht hätte man ein paar mehr Gäste erwartet, vielleicht mehr als fünf Beats von Statik Selektah, doch das war's auch schon. DJ Premier, Hi-Tek, Nottz, Pete Rock, The Alchemist und weitere machen ihre Aufwartung und versprechen (zumindest theoretisch) einen interessanten Sound-Teppich. Alles was Reks nun noch zu tun hat, ist dafür Sorge zu tragen, dass sein Album nicht zu einem konzeptlosen, langweiligen BoomBap-Faultier, wie man es schon tausendfach gesehen und gehört hat, verkommt. Anscheinend eine recht schwere Aufgabe für jemanden wie Reks, denn "R.E.K.S." ist praktisch ein "More Grey Hairs 2" geworden und steuert damit direkt in oben beschriebenes Fiasko. Doch schön der Reihe nach, schließlich läutet Reks die Eröffnungsglocken zusammen mit Premo und "25th Hour" - keine wirkliche Offenbarung, doch Premier hat schon Schlechteres abgeliefert. Bei Aufrufen wie "It's now or never - we gotta get it for it's gone forever" seitens Reks fühlt man sich zwar nicht wirklich wachgerüttelt, sein Flow und die verfeuerte Energie gleichen das aber mühelos aus. Es folgen 15 weitere Tracks, die mal ganz gelungen und viel zu oft berechenbar geraten. Ein gutes Beispiel wäre da beispielsweise "This Or That", dessen Sample vor gar nicht allzu langer Zeit von Frank Dukes weitaus attraktiver geflippt wurde - da kann Reks eigentlich tun, was er will, die Existenzberechtigung dieses Stücks entbehrt ob der Performance von Ghostface und Gästen auf "Apollo Kids" jeder Grundlage. Mit diesem Problem muss sich das Album aber sonst nicht herumschlagen, die weitaus schlimmeren Untaten sind Tracks wie "The Wonder Years", deren lahmen Ödnis-Beats auch ein Reks nichts mehr abgewinnen kann. Der Protagonist beweist mit seinen Inhalten im Übrigen keinen enormen Ideenreichtum, die standardgemäßge True-School-Attitüde bekommt von einigen autobiographischen Elementen, die wiederum Kritik an den Übeln des Ghetto-Daseins motivieren, Gesellschaft. Letztendlich sind es dabei die Beats, die entscheiden, ob ein Song besteht - was eine recht eindeutige Schwarz-Weiß-Einteilung zulässt: "This Is Me" gewinnt seine Lorbeeren schön unaufgeregt und mit einer Abwechslung ins Album bringenden Hook, exakt dasselbe gilt für "Mr. Nobody" und "Like A Star" (zumal beide ebenfalls persönliche Themen ansprechen), während Reks für "The Underdog" neben der Darlegung der eigenen Ziele zeitweise noch in seine Braggadocio-Pantoffeln schlüpft. Der Rest der Tracks zeichnet sich (ausgenommen Pete Rock's "Thin Line") vorwiegend durch geringen Nährwert aus, Gäste wie Freeway und (vor allem) Termanology treten in für sie ungünstigen Tracks auf und sind keine wirkliche Bereicherung. Themen wie das Namedropping-/Propsgiving-Ungetüm "Kill 'Em" oder das mit dem überschaubaren eigenen Ruhm spielende "Limelight" sind ganz nett, täuschen aber ebenfalls nicht über die maue Produktion hinweg. So ziemlich das einzige Highlight der Platte ist das finale "Self Titled", ein Piano-Arrangement, das ungeahnt Laune macht und nebenzu als ambitionierter Rückblick auf Corey's Werdegang als Emcee nett anzuhören ist.

Wahrscheinlich wird Reks mit dieser Scheibe weiterhin ein Liebling jener Leute bleiben, die schon "Grey Hairs" in den Himmel lobten. Doch ungeachtet dessen, wie sehr man den Vorgänger nun mochte, ist Reks' drittes offizielles Album in ermüdender Weise nichts Neues. In diesem Fall läuft es aber nicht nur darauf hinaus, wie sehr man nun Standard toleriert, es kommen das Fehlen einer notwendigen Zahl an Highlights sowie ein Haufen skipwürdiger Tracks hinzu, die "R.E.K.S." zu Mittelmaß machen und darüber hinaus sogar den Zugang in die Riege der austauschbaren Alben, die man bei Bedarf einer bideren Portion BoomBap injizieren sollte, ins Wanken bringen. Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauern wird, bis Reks selbst zu dieser Erkenntnis kommt.

5.3 / 10

Lupe Fiasco - Lasers


Release Date:
08. März 2011

Label:
Atlantic Records

Tracklist:
01. Letting Go (Feat. Sarah Green)
02. Words I Never Said (Feat. Skylar Grey)
03. Till I Get There
04. I Don't Wanna Care Right Now (Feat. MDMA)
05. Out Of My Head (Feat. Trey Songz)
06. The Show Goes On
07. Beautiful Lasers (Two Ways) (Feat. MDMA)
08. Coming up (Feat. MDMA)
09. State Run Radio (Feat. Matt Mahaffey)
10. Break The Chain (Feat. Eric Turner & Sway)
11. All Black Everything
12. Never Forget You (Feat. John Legend)

Review:
Selbst einem Publikumsliebling wie Lupe Fiasco bleiben die unerfreulichen Aspekte das Major-Label-Daseins wohl nicht erspart. Über drei Jahre hat es seit "The Cool" gedauert, und in dieser Zeit durfte Lupe's nicht kleine Fan-Base miterleben, wie sich das eigentliche nächste Album "LupE.N.D." teilte, wie Titel gewechselt wurden und wie man schließlich bei "Lasers" - einem Wort, das dem Herrn Fiasco laut Eigenaussage schon immer gefiel - landete. Die Zahl der Tracks, die in der Zwischenzeit veröffentlicht und wieder vergessen wurden, ist ebenfalls beachtlich, letzten Endes scheint Atlantic sogar mit dem Gedanken gespielt zu haben, "Lasers" gar nicht zu veröffentlichen, was prompt eine Fan-Kampagne nach sich zog, mit deren Hilfe das Album nun erscheint.

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Lupe selbst vertritt zu dem Album eine komische Meinung: Die Musik sei dope, doch wenn er an die Tracks und die qualvollen Eskapaden, die deren Entstehung mit sich zog, denke, bleibe nur ein neutrales Gesamtbild. Eskapaden, die anscheinend so schlimm waren, dass der arme Lupe zwischenzeitlich suizidale Gedanken hegte - es soll sogar Leute auf der Welt geben, die noch schlimmere Probleme haben. Die bedenklichen Botschaften reißen an dieser Stelle allerdings nicht ab: Entgegen "The Cool" gibt es diesmal kein Konzept, "Lasers" sei eine lose Ansammlung adäquat gesinnter Tracks. Da Lupe ebenfalls verlauten ließ, dass man viel radiotaugliches Material und insgesamt positive Vibes finden werden könne, konnte man sich diese Gesinnung schon vorab zusammenreimen. Es scheint also, als sei der zweite Interpret der Scheibe Atlantic Records. Da verwundert es kaum, dass die ersten Reaktionen der Medienwelt sehr schwankend ausfielen. Der Grund: "Lasers" sei zu poppig, zu verwässert, zu R'n'B-lastig, inhaltlich morsch und überhaupt nicht so, wie Lupe zu sein habe. Ja, es wird nach Kräften gemeckert und geweint, ganz offensichtlich mehr, als auf die Musik gehört wird. An jener Front nämlich knüpft Lupe mit dem Opener "Letting Go" mehr oder weniger bei "The Cool" an und kickt trübselige Lines über einen atmosphärisch ähnlich ausgerichteten Musikuntersatz. Auch mit dem zweiten Track bleiben die Korken auf den Flaschen, "Words I Never Said" rumpelt Drum-schwer mit Synthies ein und gibt einen akzeptablen Untersatz für grob als Systemkritik zusammenzufassendes, ausschweifendes Gebrabbel, das hier mal die US-Außenpolitik ankratzt, an anderer Stelle gegen Obama feuert (denn pro Obama ist dieser Tage schließlich nicht mehr angesagt) und den Nahostkonflikt mit einem oberflächlichen Auftritt einplant - insgesamt also genau der substanzlose Mix, den man bei Conscious-Rappern gerne lobt. Trotzdem bedankt man sich für die Denkanstöße und begibt sich in den wesentlich fröhlicheren Hauptteil. Steter Begleiter sind Lupe's Gäste, denen hauptsächlich das Ausgestalten der Hooks zufällt. Sie sind es zumeist auch, die diesem Hauptteil den anscheinend nicht ganz willkommenen, radiotauglichen Charakter verpassen. Ein Track wie "Out Of My Head" ist zwar selbst ohne den leicht feminin säuselnden Trey Songz Streichelzoo-Material, doch auch so wurde das alles schon wesentlich schlechter abgewickelt. Für unbeschwerten, leicht verdaulichen Rap mit positiver Message wende man sich an "The Show Goes On", eine perfekte Gratwanderung zwischen lockerer Eleganz und derzeit angesagtem Mainstream-Sound, oder wahlweise "Till I Get There", bei dem ein einfacher Piano-Loop sowie Kick und Snare für gute Laune und einen Lupe, wie man ihn auch auf "The Cool" hätte finden können, sorgen. Fehlerfrei ist die LP natürlich nicht: Was mit "State Run Radio" bezweckt werden wollte, bleibt unklar, "Beautiful Lasers" versagt trotz solider Emo-Lyrics, die Lupe's depressive Phase während der Aufnahmen zum Album behandeln, auf Sound-Ebene als auch in der Hook, für die der ehemalige Pooh Bear und nun MDMA nervtötend croont. Seine beiden weiteren Auftritte sehen da schon besser aus, wenngleich er lediglich das Mainstream-Appeal garantierende Werkzeug ist, dessen Auftritte an keiner Stelle essenziell sind. Gerade ein Song wie "I Don't Wanna Care Right Now" besticht vorrangig mit feschem Electro-Sumpf und einem bombenstark aufgelegten Lupe. "Coming Up" ist eine weitere Feel-Good-Nummer, in die MDMA (erneut mit Auto-Tune) sogar recht gut passt. Mit "Break The Chain" schließt sich ein pseudo-tiefgründiger Song an, den man (Sway hin oder her) schnell vergessen hat, das nette "All Black Everything" (Lupe's Lieblingssong auf der Platte) malt ein Luftschloss, das kurz gesagt keinen Rassismus kennt und eine utopische Welt beschreibt, zu deren Verwirklichung Lupe gegen Ende aufruft. Als krönender Abschluss bleibt noch "Never Forget You", das ein großartig träumerisches Instrumental auffährt, während John Legend demonstriert, wie eine Hook zu klingen hat, und Lupe sich an diverse Ereignisse seines Lebenswegs zurückerinnert.

An dieser Stelle muss gefragt werden, woher die überwiegende Kritik an dieser Platte kommt. Mal abgesehen vom total bescheuerten Backronym, in das der Titel gezwängt wurde, verrichtet Lupe unter den anzunehmenden Atlantic-Vorgaben einen guten Job. Ohne Frage hätte das alles nicht ganz so Mainstream-fixiert sein müssen, zweifelsohne hört man an einigen Stellen, dass sich Elemente in Songs finden, die ein Independent-Release wahrscheinlich nicht mit sich gebracht hätte, bezüglich der Texte wird keine Revolution angezettelt und darüber hinaus ist "Lasers" auch kein überragendes Album. Doch wer beschwert sich, dass dieser Lupe nicht mehr der alte sei? Schon zwischen "Food & Liquor" und "The Cool" klafft eine beachtliche Lücke, und jene zwischen "The Cool" und "Lasers" ist keinesfalls größer. Man sollte das "Konzept", unter dem die hier zu hörenden Tracks ausgewählt wurden, akzeptieren und genießen, was Lupe daraus gemacht hat, denn Pop-Rap wird an wenigen anderen Orten so gut umgesetzt wie bei Lupe Fiasco.

6.0 / 10

Raekwon - Shaolin Vs. Wu-Tang


Release Date:
08. März 2011

Label:
Ice H20 Records / EMI Records

Tracklist:
01. Shaolin Vs. Wu-Tang
02. Every Soldier In The Hood (Feat. Method Man)
03. Silver Rings (Feat. Ghostface Killah)
04. Chop Chop Ninja (Feat. Inspectah Deck & Estelle)
05. Butter Knives
06. Snake Pond
07. Crane Style (Feat. Busta Rhymes)
08. Rock N Roll (Feat. Ghostface Killah, Jim Jones & Kobe)
09. Rich & Black (Feat. Nas)
10. From The Hills (Feat. Method Man & Raheem DeVaughn)
11. Last Trip To Scotland (Feat. Lloyd Banks)
12. Ferry Boat Killaz
13. Dart School
14. Molasses (Feat. Rick Ross & Ghostface Killah)
15. The Scroll
16. Masters Of Our Fate (Feat. Black Thought)
17. Wu-Chant (Outro)

Review:
Woher die Euphoriewelle kommt bzw. kam, die Raekwon's Comeback unter die schwer relevanten Künstler in den Himmel schoss und nach wie vor antreibt, ist immer noch nicht ganz nachzuvollziehen. "OB4CL2" ist ein gutes Album, doch nach wie vor nicht der Heilsbringer, zu dem es an einigen Orten hochstilisiert wird. Doch Raekwon teilte der HipHop-Gemeinde zumindest mit, dass man auf Albumlänge noch mit ihm rechnen kann - was die Mogelpackung mit Meth und Ghost im letzten Jahr dann zugleich wieder in Frage stellte. Die Vorgeschichte zu hiesigem Album reicht allerdings noch ein Stückchen weiter zurück, nämlich bekanntermaßen bis zu "8 Diagrams". Aus der Unzufriedenheit über diese LP heraus gebar Raekwon die Idee eines Wu-Albums ohne den Abbot. Zum Glück blieb es bei der Idee, den ebenfalls schon entworfenen Albumtitel krallte sich Rae dann kurzerhand für sein eigenes Solo: "Shaolin Vs. Wu-Tang".

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Der Titel passt so gut zu einem Album aus dem Wu-Kreis, dass man ihn fast schon einfallslos nennen möchte. Aus wenigen anderen Kung-Fu-Flicks wurde öfter gesampelt, schließlich bietet das Thema der zwei durch Intrigen entzweiten Freunde, die den zwei verschiedenen Schulen angehören, nur um letztendlich den Shaolin- und den Wu-Tang-Stil als Einheit zu erkennen, zahlreiche würdige Dialoge. Raekwon setzt das Konzept auf einen inneren Kampf zwischen seiner Wu-Tang- und seiner Staten-Island-Seite, die schon vor der Gründung des Clans ausgeprägt war, um. Konsequent hinsichtlich des ursprünglichen, RZA-losen Konzepts, dafür umso fragwürdiger bezüglich einer Umsetzung der Wu-Tang-Seite ist das Fehlen des Prinzen Rakeem, an dessen Stelle einerseits Namen wie Bronze Nazareth, Cilvaringz und Mathematics, aber auch Sean C & LV, DJ Khalil, Scram Jones, Alchemist und Oh No die Producer-Tribüne füllen. Weiterhin untypisch ist eine große Zahl auswärtiger Gäste, während die Wu-Bande in überschaubarer Zahl konsultiert wird. Als Wu-Fan (wie auch als normaler Beobachter) kann man dieser ganzen Geschichte also nur sehr skeptisch gegenüberstehen, zumal Raekwon auch noch dem Erfolg seines vorigen Albums hinterherlaufen muss. Scram Jones kommt die Aufgabe zu, den Startschuss ansprechend zu untermalen, und er trifft mit einer der Schlüsselszenen aus dem Titelfilm (dem intrigierten Auslöser der Fehde) keine schlechte Wahl, während die kurz darauf einsetzenden, sehr hektischen Streicher dagegen durchaus besser inszeniert hätten werden können. Doch Raekwon kriegt mit der Wahl seiner Beats recht schnell die Kurve und somit sein Album in Fahrt. Auffallend ist dabei der recht exzessive Gebrauch von Kung-Fu-Samples, der in der Theorie nach aufgezwungener Atmosphäre klingt, zumeist aber doch recht gut funktioniert. Als natürlicher Katalysator hilft es natürlich beim Zusammenspiel der verschiedenen Produzenten, doch auch so muss man zugeben, dass fast jeder Beatbastler seine feinste RZA-Interpretation aus dem Ärmel schüttelt, weswegen ein paradoxes Szenario wie "Chop Chop Ninja", in dem Deck und Rae über ein minimalistisches Instrumental, das hauptsächlich vom Sample fliegender Fäuste lebt, flowen, während Estelle eine butterweiche Hook zwischensäuselt, nicht verkehrt klingt. Raheem DeVaughn versucht Ähnliches in "From The Hills", hier reicht es allerdings nur zu seichter Mittelmäßigkeit. Darüber hinaus gibt es noch weitere Stationen, bei denen nicht alles rund läuft: ALC's Standardwerk "Ferry Boat Killaz" lässt noch kaum Raum für Kritik, die von vielen wohl heiß erwartete Kollabo mit Nas dagegen ist eine Langeweilenummer, die nur knapp der Skip-Taste entgeht. Eine bitterböse Verwünschung geht Richtung des unliebsamen Exoten "Rock N Roll" in dem ein Auto-getunter Kobe (möge seine ob dieser Vorstellung als reudig zu wertende musikalische Existenz ein jähes Ende finden) den Hörer über ein unförmiges Gebilde von Khalil über "some of that Bon Jovi" leiert - krasser wurde der rote Faden eines Albums selten unterbrochen (da kann sogar ein Jim Jones nichts mehr verschlimmern). Glücklicherweise verweilen viele andere Tracks auf dem sonnigsten Plateau der Wu-Tang-Seite, so etwa das viel zu kurze "Silver Rings", das mit dem Titel dem Schöpfer des unbeschreibbar fetten Beats Respekt zollt (dafür röhrt sogar ODB aus dem Grab). Bronze lässt sich ebensowenig lumpen und knallt harte Drums und düstere Streicher in den saftigen Throwback "Butter Knives", während sich Wackelkandidatengast Busta für das edel produzierte "Crane Style" auf seine Stärken besinnt und mit Raekwon fürstlich über die Drumline manövriert. Die großen lyrischen Ergüsse lässt der Gastgeber selten vom Stapel, muss er allerdings auch nicht, um die absolute Souveränität zu behalten. Trotzdem finden sich dann noch Tracks wie der Überkracher "Snake Pond", für das der unbekannte Selasi den Producer-Pokal einsackt, indem er fernöstliche Flute-Sounds über eine satte Kick packt, während Rae eine erstklassige Story über Verrat und Rache aus dem Nähkästchen zieht. Gegen Ende wird man wider Erwarten positiv überrascht, wenn Fettsack Ross im sehr gelungenen "Molasses" einwälzt und sogar positiv zum Gesamtbild beiträgt. Weiteres Storytelling serviert dann einmal das Duo Banks-Rae, zum anderen aber auch der Chef solo im waschechten Schmankerl "The Scroll", dessen Beat Evidence zu verantworten hat und dafür meisterhaft trüb-düstere Soundgefilde um den Hörer spinnt. Den passenden Abschluss liefert "Masters Of Our Fate" (wann hört man schon mal ein Churchill-Sample in einem Rap-Song?), für das Black Thought vielleicht nicht der optimale Gast ist, das mit Ennio Morricone aber bei der richtigen Adresse für ein stimmungsschweres Finale sampelt, was sich anscheinend auch Raekwon dachte, da er den Meister der Film-Soundtracks in "Wu Chant" gleich nochmal bemüht und mit der Kombo aus "Wu-Tang"-Rufen über "The Ecstasy Of Gold" ein kurzes und perfektes Outro fabriziert.

Im Kontext seines Albumkonzepts ist es fraglich, ob "Shaolin Vs. Wu-Tang" wirklich gelungen ist, denn wenn man sich vergegenwärtigt, dass "Rock N Roll" der Moment ist, der am weitesten von Wu-Tang entfernt und damit nahe bei Rae's Shaolin-Seite liegt, erübrigt sich das Ausfechten des inneren Zwiespalts. Auch stellt einen Großteil der Highlights die Fraktion, die man vorab eventuell als erzwungene RZA-Kopie mit zu viel Kung-Fu-Geschnitzle abgestempelt hätte. Natürlich darf an dieser Stelle der Vergleich mit "OB4CL2" nicht fehlen, zumal er recht positiv ausfällt: Kürzer, aber nicht zu kurz, mit weniger Füllmaterial und Fremdkörpern (zugegebenermaßen: einem grauenhaften) behaftet und dafür streckenweise mit so erhabenem Wu-Tang-Sound, wie man ihn lange nicht von einem der Generäle gehört hat, ist "Shaolin Vs. Wu-Tang" auf Augenhöhe mit seinem Vorgänger und in jedem Fall zu empfehlen.

6.9 / 10