Montag, 23. April 2012

Reks - Along Came The Chosen



Release Date:
23. Oktober 2001

Label:
Brick Records / Landspeed Records
Tracklist:
01. Meet Corey Christie
02. You Ain't Never Heard Of Me
03. To Whom It May Concern
04. Fearless
05. My City
06. Beantown To Cali (Feat. Rasco & L Da Headtoucha)
07. Soul Of Black Folk
08. Final Four (Feat. Esoteric, J-Live, Shabaam Sahdeeq, Pacewon, Young Zee, Danja Mowf & Lonnie B.)
09. Skills 101
10. Enemy Killer
11. Till Death Do Us (Feat. Kiki Breevlife)
12. Skills 201 (Feat. Edo. G & Lucky Dice & B. Knox)
13. Easy
14. Work (Feat. Lucky Dice, B. Knox & Ripshop)
15. Science Of Life II (Feat. Alias)
16. Frozen Moments (Feat. Lucky Dice & B. Knox)
17. What You Need (Feat. Balistik 82)

Review:
Es ist eigentlich (verglichen mit den anderen Künstlern, denen heute Veteranen-Status zugesprochen wird) noch gar nicht so lange her, da war Reks ein unbekannter Newcomer. In den Neunzigern ist der Lawrencer zunächst Breaker in der Funk Town Connection und wird von Namen wie KRS-One und Slick Rick zum Rappen inspiriert. Zur Schule geht er in Boston, wo er außerdem regelmäßig bei einem Radiosender abhängt und dort hin und wieder live Freestyles kicken darf. Schnell erfolgt der Sprung in die Rap-Ciphers Bostons. In der Zwischenzeit schreibt er sich bei der University Of Massachusetts ein, bricht dann aber ab, um sich weiter auf seine Rap-Karriere zu konzentrieren. Über die Skitzofreniks kommt es dann zum Kontakt mit Brick Records, nicht lange danach erblickt "Along Came The Chosen" das Licht der Welt.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 An Selbstbewusstsein scheint es ihm bei diesem Albumtitel nicht zu mangeln, doch zumindest in der Bostoner Szene ist Reks ein sehr vielversprechender Jungspund, der etwas auf dem Kasten hat und für frischen Wind sorgen will. Zur Seite stehen ihm dabei einige etablierte Gäste, seine Instrumentals werden allerdings hauptsächlich von den bis dato unbekannten Soul Searchers geschraubt, zwei Schulfreunden von Reks. Außerdem vertreten ist neben Fakts One ein gewisser und damals 18 Jahre junger Statik Selektah, der als DJ für Reks tätig ist. Was man trotz dieser unbekannten Namen zu erwarten hat, sollte die Voraussehkraft des normalen Hörers nicht überfordern, denn es setzt BoomBap der 2000er Schule auf die Ohren, ganz wie man das von Bostoner Kollegen auch kennt. Das Augenmerk liegt sowieso erst einmal anderswo, nämlich auf Reks selbst, der es schnell schafft, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen: Voller jugendlichem Elan steigt er ein und gibt, falls man die erste Bekanntmachung verpasst hat, gleich zwei Intros zum Besten: "Meet Corey Christie" ist mit seinem Ensemble aus weiblichen Vocals und Akustikgitarre noch eher harmlos, "You Ain't Never Heard Of Me" sportet tänzelnde Streicherstafetten und bietet somit die perfekte Spielwiese für Reks, sich beim Hörer mit seiner sympathischen, sehr natürlichen Art beliebt zu machen. Das Flowen scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein und selbst wenn Sprüche wie "but after this I guarantee, you gon' be committed to the Reks for life" vielleicht etwas hochgegriffen sind, geht Reks' Anfangsstrategie doch voll auf. Die folgende Stunde bietet kein außergewöhnliches Programm, doch Reks zeigt, dass er in den wichtigen Disziplinen bestehen kann: In "Final Hour" düst er neben einer Ostküstenkutsche, die mit Vertretern aus Boston, Virginia, Jersey und NY beladen ist, im fröhlichen Schlagabtausch über einen unauffälligen Beat und muss sich sicherlich nicht verstecken (zieht sogar an den meisten vorbei), "My City" ist natürlich Lawtown verschrieben und denkt an Familie, Freunde und die ersten Rap-Ciphers zurück. Inzwischen sieht er sich als "Enemy Killer", der die "Skills 101" aus dem ff beherrscht. Doch die Scheibe bietet noch mehr als Braggadocio-Rhymes: "Till Death Do Us" erinnert mit Partnerin Kiki an Bonnie & Clyde, "Soul Of Black Folk" geht über bedrückendes Piano-Spiel vonstatten, gibt einen Abriss über die tragische afro-amerikanische Stellung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ("I look at my people with mixed emotions, the devotion is pure / Not cause I think we're better, but because of what we endured") und bindet auch Corey's eigenes, typisches Schicksal ein. Wenngleich die Opferrolle etwas zu sehr festgelegt ist, richtet Reks das oft behandelte Thema ordentlich her. "Science Of Life II" ist der ernste, das eigene Leben überdenkende Track, der von Alias eine ordentliche Hook abbekommt, und in "Frozen Moments" rieselt der dunkle Piano-Loop eine verbitterte Geschichte, erzählt von Reks und den beiden MSC-Homies, entlang. Den Volltreffer der Scheibe landet Reks allerdings mit "Fearless", dem die Soul Searchers furiose Streicher zugrundelegen, um Reks zu Höchstleistungen anzustacheln. Am anderen Ende der Fahnenstange stehen "To Whom It May Concern" oder "What You Need", belanglose Tracks, die in der Fülle des Materials auf der LP komplett untergehen und dafür sorgen, dass man "Along Came The Chosen" als ein wenig zu lang empfindet.

Den einzigen Fehler, den Reks auf seinem Debüt also begeht, ist die fehlende Zügelung seines Enthusiasmus, die wohl Schuld daran trägt, dass mehr Tracks als nötig ihren Weg auf die Platte gefunden haben. Denn ansonsten überzeugt Reks, vor allem unter Beachtung der Tatsache, dass der Sound der Soul Searchers nun wahrlich kein Unikat ist. Doch die Kombination geht einfach auf, die gebotene Musik ist einfach gut - was will man sich also groß über fehlende Innovation beschweren? Reks selbst nimmt sich Zeit für seriöse Songs, die gut gemeistert werden, ist aber mit der Hand im Schritt und einem flotten Spruch auf den Lippen zuhause. "Along Came The Chosen" wird damit seinem Titel nicht ganz gerecht, ist aber ein rundum gutes (wenn auch sicherlich kein außergewöhnliches), etwas zu langes Album, das trotzdem für jedermann zu empfehlen ist.

7.0 / 10

Mood - Doom


Release Date:
23. September 1997

Label:
Cup Of Tea Records / TVT Records / Blunt Recordings

Tracklist:
01. Esoteric Manuscript
02. Info For The Streets
03. He Is DJ Hi-Tek
04. Karma
05. The Vision
06. Tunnel Bound
07. Nuclear Hip Hop (Feat. Talib Kweli)
08. Another Day
09. Sacred - Pt. I (Feat. Talib Kweli)
10. Peddlers Of Doom (Feat. Talib Kweli)
11. Millennium
12. Babylon The Great
13. Peace Infinity (Feat. Talib Kweli)
14. Secrets Of The Sand
15. Illuminated Sunlight (Feat. Sunz Of Man)
16. Industry Lies (Feat. Talib Kweli)
17. No Ordinary Brother
18. Cincinnati (Feat. Holmskillit)

Review:
Wer sich in den Neunzigern in Ohio (genauer genommen in Cincinnati) als Rapper einen Namen machen möchte, der hat es nicht leicht. Die großen HipHop-Metropolen liegen ein gutes Stück entfernt, weswegen Mood, eine dreiköpfige Formation der lokalen Szene, hin und wieder nach New York pilgern, um sich dort Gehör zu verschaffen. Am Anfang ist man noch unter dem Namen Three Below Zero unterwegs, Mitte der Neunziger formt man dann Wanna Battle Records, dem ein ganzes Kollektiv lokaler Künstler angehört - unter anderem auch ein gewisser Hi-Tek, den Main Flow (eines der drei Mitglieder; die anderen sind Donte und Jahson) zu diesem Zeitpunkt schon seit ein paar Jahren kennt. Die Single "Hustle On The Side" ist es schließlich, die Mood Aufmerksamkeit von TVT einbringt, was 1997 das Debüt "Doom" zur Folge hat.

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 Wer dieses Album nicht kennt, der wird seine Mühen haben, es ohne Hören der Musik einzuschätzen: Da thront das Mood-Logo, einen Davidsstern enthaltend, vor der Aufnahme einer Galaxie, Unterstützung erhalten Mood von Hi-Tek, der sich die Produktionsarbeit mit Jahson brüderlich aufteilt, am Mikro findet sich neben den Sunz Of Man mehrere Male Talib Kweli - eine direkte Folge der Besuche in New York. Im Prinzip liegen Mood dann auch irgendwo zwischen diesen Komponenten: Der komplette Stil trägt klar die Handschrift New York'scher Einflüsse, während Mood natürlich abseits der Normen spielen und sich einem Themenkatalog widmen, der seinem Cover voll und ganz Rechnung trägt: "On the 8th day, they all heard God say / Let there be HipHop" spricht "Info For The Streets", ein beinahe noch "gewöhnlicher" Song und Hi-Tek's erster Auftritt, in dem sich Vinyl-Kratzen und dem atmosphärisch-fernen Gestrick vermischt, das man in den Neunzigern auch anderswo zu hören bekam und das hier in Form eines kurzen Klavier-Loops ausgeschmückt wird. Der Charakter der ganzen LP baut auf diesem verstaubten 90s-Sound auf, Lo-Fi-Drumlines tanzen mit pulsierenden Bässen irgendwo in den Tiefen des Kosmos, den Main Flow und Donte mit ihren Raps aufspannen. Die beiden Emcees sind dabei wie geschaffen für die Backdrops ihrer beiden Produzenten: Main Flow bohrt sich mit seinem monotonen Flow ins Ohr des Hörers, der immer etwas heiser klingende Donte folgt direkt dahinter. Gerappt wird über die rückgratlose Rap-Szene, über den eigenen Staat Cincinnati und vor allem natürlich über die eigenen, übermenschlichen Fähigkeiten und die Weisheiten, die man mit der Menschheit teilen möchte und die oftmals in bunte Vergleiche gebettet werden. Die große Stärke sind dabei nicht unbedingt einzeln herausragende Songs, sondern die Gesamtheit der Tracks, die in einheitlichem Fahrtwasser steuern und den Hörer behände mitnehmen - und zwar vom eröffnenden "Esoteric Manuscript" bis zum abschließenden "Cincinnati", für das noch Wanna-Battle-Kollege Holmskillit vorbeischaut. Highlights auszumachen fällt gar nicht so leicht, "Secrets Of The Sand" erhebt mit einer großartigen Hook von Dirty Irby und den ausschweifenden Lyrics jedoch starken Anspruch auf einen solchen Titel, in "Tunnel Bound" glänzt vor allem der vom Teufel versuchte Donte. "Millenium" lädt zu intensiver Meditation und das Zusammentreffen mit Prodigal Sunn und 60 Second Assassin ist als abstrakte Wortstapelei über deren Heilsbringereigenschaften sowie ein Sureshot. Auch Talib Kweli's Einsätze sind hochwertig, sei es nun in "Nuclear Hip Hop", dem entspannt produzierten "Industry Lies" oder in "Peddlers Of Doom", das am Schluss eine großartig ins Konzept passende Spoken-Word-Einlage des Emcees aus Brooklyn einplant ("Mood music, a lush arrangement of popular sounds to induce a mood of relaxation. See to me, hearin emcees rock over beats, that shit is soothin'. The current mood of HipHop is stagnant and not movin'"). So sei auch Talib der letzte und so treffende Satz gewährt, der die Essenz der Scheibe schön zusammenfasst: "We livin' this shit, changing the mood of the entire industry.".

Die bedeutendste Einwirkung dieses Albums auf die HipHop-Szene war wohl die Zusammenführung von Talib Kweli und Hi-Tek. Doch deshalb die eigentlichen Haupdarsteller unter den Tisch zu kehren wäre ein fataler Fehler. Mood's Erstling ist ein fester Bestandteil jener in den Neunzigern veröffentlichten Alben, die in textlicher Hinsicht alternative Wege gingen, die im Streben nach geistiger und spiritueller Erleuchtung dem Esoterischen Einzug erlaubten - jedoch keinesfalls so ausgeprägt wie bei gewissen anderen Künstlern. Trotzdem muss jeder für sich entscheiden, ob er sich diese Themen anhören will, falls ja, bieten Mood außerdem erstklassige Raps und ausgezeichnete Beats, die zwar unter NY-Einfluss stehen, aber durchaus eine eigene Note bestitzen und "Doom" zu einem kleinen Juwel der Rap-Historie machen.

8.1 / 10

Murs - Love & Rockets Vol. 1: The Transformation


Release Date:
11. Oktober 2011

Label:
DD172 / BLUROC

Tracklist:
01. Epic Salutations
02. Remember 2 Forget
03. 67 Cutlass
04. Eazy-E
05. Hip Hop and Love (Feat. Tabi Bonney)
06. International
07. S-k-i-b-e-a-t-z (Feat. Locksmith)
08. Westside Love
09. Life and Time (Feat. AB-Soul & O.C.)
10. Reach Hire
11. Dream on (Feat. Dee-1)
12. 316 Ways
13. Animal Style

Review:
Nach einem kurzen Intermezzo in den Gewässern des Majors Warner ist Murs wieder independent und arbeitsfreudig wie eh und je: Manch einer hat vielleicht noch das Album mit 9th Wonder in Erinnerung, jüngst gab es ein (zugegebenermaßen sehr vergessenswertes) Projekt mit Terrace Martin. Die nächste Episode im Murs-Katalog beginnt, als der stets fröhliche Rapper aus LA über Tabi Bonney die Bekanntschaft von Dame Dash macht, welcher ihn auf die Frage, wieso er über sein DD172-Label noch keinen Westcoast-Künstler veröffentlicht habe, direkt ins Boot holt und die Idee eines Albums mit Ski Beatz in den Raum wirft. Also treffen sich die beiden in New York, schließen Freundschaft und nehmen auch noch ein Album auf: "Love & Rockets Vol. 1: The Transformation".


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 Zwar hat sich in Murs' Leben einiges geändert (verheiratet ist er schon seit einiger Zeit, kürzlich trennte er sich von seinen Dreads), er selbst ist jedoch immer noch derselbe: jemand, der sowohl die Backpacker- als auch die Gangster-Szene kennt und verkörpern kann und von seinem erstklassigen Storytelling lebt. Als verheirateter Mann lässt er es nicht mehr so bunt angehen (auch seine vogelwilden Weibergeschichten weichen logischerweise dem Eheleben), langweilig ist er deswegen noch lange nicht. Viel unsicherer ist die Frage, ob Ski Beatz und Murs zusammenpassen. Ersterer war mit dem Westcoast-Emcee vor dem durch Dame Dash initiierten Aufeinandertreffen komplett unvertraut und geht deshalb vollkommen unbefangen in das Album. Entscheidend war das als Faktor des Sounds wohl nicht, denn Ski Beatz' Beiträge klingen so oder so zu oft nach Fließbandarbeit, was bei den vielen Hochzeiten, auf denen der Produzent derzeit tanzt, nicht groß verwundert. "S-K-I-B-E-A-T-Z" ist eine von Bläsern angetriebene, thematisch breit gefächerte Stellungnahme, die nicht verkehrt ist, aber auch niemanden vom Hocker reißen wird. So ergeht es dem Großteil, wenn nicht der ganzen Scheibe: Wirklich schlecht ist nichts, was das Duo fabriziert, herausragend fast ebensowenig. Die Schuld daran trägt eindeutig Ski, denn Murs gibt sein Bestes, mit einem breiten Thementeppich aufzuwarten und zu unterhalten: "Remember 2 Forget" thematisiert und verarbeitet die eine Beziehung, die einen zu viele Nerven kostet ("Every little thing turned into an argument / We yell until we don't even remember what started it"), "International" gibt ein paar teils amüsante Gedanken zum Thema Tour-Leben und ausgiebigem Reisen preis ("My favorite flight is the one that goes home / Keep your family first, you can't do this alone / 14th flight, 3 weeks, jet lag, but I'm livin' my dream so I'm packin' my bag"). Ski ist zumeist mit weichen Drumlines zugegen und klingt in seiner grundsätzlichen Herangehensweise erstaunlich oft wie 9th Wonder, was dazu führt, dass auch seinen Instrumentals hin und wieder der Saft ausgeht und sie wie in "Reach Hire" nicht die ganzen drei Minuten interessant bleiben. Zumeist funktioniert das Duo aber ganz gut, es ist lediglich das Fehlen echter Highlights, das sich als größtes Problem herausstellt: Da wird in "316 Ways" die Industry attackiert, in "67 Cutless" eine lustige (Drogen-)Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt und in "Eazy E" die von Murs in New York entdeckte Ansicht, der Westen wäre lyrisch wenig wert, gerade gerückt; Ski verpasst jedoch die Gelegenheiten, aus Murs' Vorlagen die ganz großen Kopfnicker zu schneidern. Auch die thematisch ernsteren Nummern versäumen das: "Dream On", das sich Gedanken über Zukunft und Ziele macht, wird noch sehr treffsicher und nachdenklich illustriert, "Animal Style", das sich mit einer kleinen Geschichte dem Thema Homosexualität widmet, hätte sein hintergründiges Piano allerdings wesentlich besser in Szene setzen können.

Zusammenfassen lässt sich das alles ganz einfach: Murs ist nach wie vor ein hervorragender Storyteller und spielt das auch auf seiner neusten Platte sehr erfolgreich aus, mit seinem Produzenten hat er allerdings ähnlich viel Glück wie mit der inzwischen erschöpften Kollabo mit 9th Wonder: Ordentlich ist fast jeder Song, so richtig überragend ist keiner. Ski Beatz' Ausstattung für die LP ist wasserfest und solide, aber irgendwie klingt sie auch sehr allerweltsmäßig, einen eigenen Charakter entwickelt sie nicht. So ist "Love & Rockets Vol. 1" ein Album, das man wegen Murs' Lyrics durchaus anhören kann, das aber niemanden umwerfen wird und vom Must-Have weit entfernt ist.

5.7 / 10

Nappy Roots - Nappy Dot Org


Release Date:
11. Oktober 2011

Label:
Nappy Roots Entertainment / AVJ Records / Fontana Distribution

Tracklist:
01. Legends Live On
02. Return Of The Country Boyz
03. Ea$y Money
04. Hey Love (Feat. Samuel Christian)
05. Pete Rose (Feat. Khujo Goodie)
06. Good & Evil
07. Karma
08. Y'all Party
09. Give Me A Sign
10. Nappy U Here
11. Congratulations

Review:
Ganz ohne großen Trubel gehen die Nappy Roots inzwischen schon mit ihrem dritten Independent-Album an den Start und scheinen den Sprung vom Major-Strohfeuer zur konstanten Indie-Größe geschafft zu haben und mit intensivem Touren sowie dem Vertriebsdeal mit Fontana genug Geld zu verdienen, alle fünf Country-Boy-Köpfe durchzufüttern. Die Kosten dafür sind 200 Gigs pro Jahr und verhaltene Reaktionen auf das letzte Album, "The Pursuit Of Nappyness", das zudem nicht gemeinsam aufgenommen, sondern via Internet zusammengesteckt wurde. Bei "Nappy Dot Org" vermied man diesen Schönheitsfehler, setzte sich zusammen und ließ sich mehrere Monate Zeit, um den Ansprüchen der treuen Fanbase gerecht zu werden.


WRITTEN FOR Rap4Fame

 Der Grund, warum dieses Album außerdem ein wenig wie eine Neuvorstellung anmutet ist neben größerer Promo außerdem die schon im Titel angedeutete Tatsache, dass man sich mit den Veteranen-Producer-Team Organized Noize zusammenschloss, um sich die LP (fast) komplett mit feinsten Beats von diesem Trio auskleiden zu lassen. Die Zielsetzung ist simpel: Man will sich selbst treu bleiben, den County-Sound weiterführen und in einer Zeit, in der es keinen Südstaaten-Hype mehr gibt, zeigen, dass man mit seiner Musik als "Conscious-South" (so nennt es Rico Wade) bestehen kann. Wer sich an die letzten beiden Alben erinnert, der weiß, dass dort mehr oder weniger dieselben Ziele angestrebt und auch umgesetzt wurden, dass es jedoch immer wieder unnötige Schönheitsfehler gab, die eine wirklich gute Wertung kosteten. Und - Organized Noize hin oder her - nichts anderes ist hier der Fall, denn was die Nappy Roots aufkochen ist ein Mix aus Party, klassischem South à la Organized Noize, ihrem eigenen Country-HipHop und ein paar radiofreundlichen Abschürfungen hier und da. Welch besserer Weg, als in "Legend Lives On" ganz klassich mit Big Rube zu starten, der die ersten 40 Sekunden der LP mit seinem Spoken Word füllt, während sich der Beat langsam aufbaut und Big V schließlich übernimmt. Erzählt wird nicht viel, die Grundbotschaft: Nappy Roots sind immer noch Country. Wenig verwunderlich, dass sich die folgenden Tracks nicht etwa mit abgehobenen Geldbädern und Champagnerduschen, Drogenschmuggel und Massenmord, sondern mit den Themen auseinandersetzen, die einem normalen Menschen begegnen: Liebe, Glaube, die täglichen Geldsorgen. Leider fehlt einem Track wie "Karma" die richtige Instrumental-Beigabe, während "Ea$y Money" zwar den Gemütszustand der Nappy Roots ganz gut umschreibt, mit seiner wirklich (wirklich, wirklich) miserablen Hook allerdings aufpassen muss, ungewappneten Hörern nicht einen instantanen Ohrentod zu bescheren. Den Party-Gedanken, den der Song eigentlich vermitteln soll, kann man jedenfalls vergessen. Da eignet sich schon eher "Y'all Party" mit einem einfachen Unterbau, der genug Platz für ansprechende Raps lässt. "Pete Rose" schwenkt in eine ganz andere Richtung und gibt dem Album einen Street-lastigen Song (entsprechend begibt man sich inhaltlich auf eine Tour durch die Straßen: "My homie's just got out, my cousin goin' back in / Three quarters of my neighborhood still packed in the pen"), der sogar ein wenig an die Neunziger erinnert. Weiter bietet das Album einige etwas unrosige Ausführungen zum Thema Liebe im farblosen "Hey Love" und das inhaltlich nicht verkehrte "Good And Evil", das leider mit einer kitschigen Hook und Aufmachung daherkommt und dabei an "The People" vom letzten Album erinnert. Glücklicherweise sammeln die Roots im Schlussteil nochmal Pluspunkte und trumpfen vor allem mit "Nappy U Here", einem ganz großen Song, so sehr auf, dass man doch glatt einige der davor gemachten Schnitzer vergisst.

Insgesamt muss man hauptsächlich enttäuscht darüber sein, dass das fünfte Album der Nappy Roots wesentlich besser hätte sein können. Skinny DeVille und Co. sind fähige Rapper, die eine angenehme Gruppendynamik an den Tag legen und ein unterhaltsames Programm zusammenstellen, dem hin und wieder eine versaute Hook unterkommt und das generell unter einer verbesserungswürdigen Produktion leidet. Dass Organized Noize es besser können, müssen sie niemandem mehr beweisen, selbst mit den Nappy Roots stellen sie einige denkwürdige Momente auf die Beine (allen voran "Nappy U Here"), insgesamt wollte man aber scheinbar zu viele verschiedene Stimmungen einfangen, was nur dazu führt, dass "Nappy Dot Org" ein wenig ungeschlossen wirkt und hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

5.7 / 10

Tragic Allies - The Tree Of Knowledge Of Good & Evil


Release Date:
27. September 2011

Label:
Godsendant Music

Tracklist:
01. Intro
02. A.L.L.I.E.S.
03. God Gifted (Feat. Planet Asia)
04. War Melody
05. Fallin' Starz
06. Words From The Most High
07. Street Narrative
08. Revival Of The Fittest
09. In The Air
10. The Thought Of Dying
11. Interlude (Feat. 60 Second Assassin)
12. Drown (Ft. Mami Uno)
13. Picture Perfect (Feat. Killah Priest)
14. Riots In The Streets
15. Rap Quotables
16. Time We Never Had
17. Story Of Sadness (Feat. Bronze Nazareth)
18. Outro (Feat. Killah Priest)

Review:
In der ostküstlichen Szene tauchte der Name Tragic Allies in den letzten Jahren immer mal wieder hier und da auf, doch wer sich deswegen nicht explizit mit der Gruppe beschäftigt hat, der wird kaum wissen, mit wem er es zu tun hat. Es handelt sich um ein Trio aus dem Städtchen Lynn in Massachusetts. Dort wachsen Purpose und Estee Nack abseits der schöneren Nachbarschaften auf, werden früh von HipHop beeinflusst und beginnen ähnlich früh, selbst zu schreiben. In der High School laufen sie sich dann über den Weg und entdecken die geistige Verwandtschaft. Die wird auch beim jüngeren Codenine entdeckt, den Estee zunächst protegiert und später in die Gruppe intergriert. Nach der High School ist es die Perspektivlosigkeit, die die Musikkarriere vorantreibt: 2003 ein erster Auftritt, 2005 das erste Mixtape, zwei Jahre später ein weiteres, bei dem niemand Geringerer als 4th Disciple Pate steht, Purpose lässt sich u.a. noch ein Mixtape von Killah Priest hosten. Inzwischen kann man sich ein eigenes Studio (Grey Skies getauft) leisten und arbeitet am Debütalbum.


 WRITTEN FOR Rap4Fame

 "The Tree Of Knowledge Of Good & Evil", so der verheißungsvolle Titel; wenn man dann allerdings hört, was die Allies selbst zu sagen haben, kommen Bedenken: Zurück zum "echten" HipHop mit gescheiten Neunziger-Beats und gehaltvollen Rhymes möchte man. Eine ganz neue Zielsetzung und Einstellung also. Der Umgang das Allies könnte trotzdem wesentlich schlechter sein und macht zumindest hellhörig: Zwar steuert 4th Disciple leider keine Beats zum Album bei, doch es gastieren 62nd, KP und Bronze. Produziert haben Purpose selbst (acht Tracks), der Kanadier Crucial The Guillotine (vier Tracks) sowie einige weitere, nicht aber Krohme, auf dessen Godsendant Music das Album erscheint. Erwartungsgemäß gibt es einen konventionellen Beat-Anstrich, der an Kollegen wie Gage und seine Click Animosity erinnert und demnach keineswegs schlecht ist. Von Anfang an stellt sich allerdings die Frage, ob die 18 Tracks nicht zu viel sind - sind sie, wie man recht schnell feststellen kann. Wegen des Albumtitels sollte man sich übrigens nicht zu große Hoffnungen machen, ausgiebige Grundlagendiskussionen gibt es keine, lediglich die Scheuklappensicht der Allies, die sich im Staatssystem nicht wohlfühlen. Denn der Gesprächsstoff der Scheibe ist komplett austauschbar mit dem aller anderen politisch rudimentär gewahren Emcees. Rappen selbst können jedenfalls alle drei, wenngleich keiner mit außergewöhnlicher Leistung sonderlich heraussticht. Der logische Schluss: Man macht das Beste aus dem Album und genießt die stark produzierten Songs, von denen sich doch ein ganzer Schwung findet, da schon das "Intro" nach seinem Bibel-Zitat ordentlich Stimmung aufbaut (obwohl es sich praktisch nur um untermaltes Gerede der Allies handelt). Den nächsten erwähnenswerten Anspielpunkt markiert dann allerdings erst "War Melody", in dem DJ Woool mit einem gut einheizenden Instrumental mal wieder von sich hören lässt. "Street Narrative" mag der eine oder andere schon von Krypto's Album als solide in Erinnerung haben, eine kleine Enttäuschung ist der Auftritt von 60 Second Assassin, der zwar für ein großartiges "Interlude" sorgt, dort aber nicht mehr als ein paar Worte verliert. In ähnlicher (ebenfalls starker) Manier schließt Priest das Album ab, ist aber auch noch auf "Picture Perfect" zu hören, das mit klagendem Voice-Sample und Streichern voll in Ordnung geht, aber wie so viele andere Tracks einfach nichts Besonderes ist. Aussetzer erlaubt man sich zwar keine, die großen Momente sind leider auch schnell aufgezählt: "Rap Quotables" erfreut mit roher Drumline und Bläsern, in "Words From The Most High" profiliert sich Beat-Bastler Street Science. "Revival Of The Fittest" feiert hauptsächlich sich selbst (in diesem Fall zu Recht), in "In The Air" legt Crucial seinen besten Beat vor. So könnte man nun jeden Track abklappern und nach der Güte seines Beats fragen - man beschäftigt sich zwar auf zwei Tracks mit dem Tod und verarbeitet auf einem anderen irgendwie auch eine Beziehung, insgesamt gehen solche Anstrengungen in der Masse der 08/15-Texte jedoch unter.

Die Tragic Allies haben zwar mit Purpose einen fähigen Produzenten in den eigenen Reihen und ebenso fähige Kontakte, ganz auf ihre Beats verlassen sollten sie sich aber nicht. Leider passiert genau das auf ihrem Debüt, und da keiner der drei das Potential zeigt, sich allein via Performance bei einem Track die Aufmerksamkeit auf sich zu binden, sollten es vielleicht interessante und strukturierte Song-Konzepte und Inhalte sein, mit denen man ein weiteres Album aufpeppt - ein wenig hartes Straßenleben hier und pseudo-intelligente Gedanken dort reichen eben ganz und gar nicht. "The Tree Of Knowledge Of Good & Evil" wird seinem Titel (ausgenommen ein paar Bibel-Zitate) nicht gerecht und kann sich glücklich schätzen, mit fast durchgehend soliden bis sehr guten Beats bestückt zu sein, die der Standardleistung am Mic entgegenwirken.

5.8 / 10

Pitch Black - Pitch Black Law


Release Date:
10. Februar 2004

Label:
Universal Motown Records / Travio Records

Tracklist:
01. Pop Off
02. Shake That
03. It's All Real
04. Recognize
05. Geechy
06. To Be The Best
07. My Life
08. R You Ready 4 This (Feat. Busta Rhymes)
09. Go Hard Play Hard
10. Got It Locked (Feat. Foxy Brown)
11. Good Times (Feat. St. Juste)
12. Stop My Team
13. N.Y.C. (Bonus)

Review:
Die Geschichte von Pitch Black klingt fast so, als wäre sie erfunden: Bereits 1994 begründen Zakee, Devious, G.O.D., Fast und D.G. aus Bushwick bzw. Gowanus (Brooklyn) nach einer Cypher die Gruppe und nehmen mit einem gewissen Rick Black erste Tracks auf. Der ist mit den Beatminerz unten, was man unleugbar in einem Track wie dem 1995er "Hold Me Down" hört. Zwei Jahre später kann man mit einer Geldspritze das eigene Label Travio gründen und weiter am Ball bleiben - neben einigen Singles eröffnen PB vor allem Shows für die ganz Großen der Szene und knüpfen dementsprechend reihenweise Kontakte. So landet man 2002 bei Universal, wo von Unterstützung allerdings erst einmal nicht die Rede sein kann. PB nehmen ihr Album selbst auf und drehen sogar ein Video in Eigenregie. Erst als dieses mit viel Glück in der BET-Rotation landet und ordentlich Wellen schlägt, interessieren sich die Chefs bei Universal für das Quintett. Doch zu früh gefreut: Label-interne Streitigkeiten zwischen den Universal-Köpfen und Motown-CEO Kedar Massenburg, der quasi für PB bürgt, sorgen dafür, dass die fünf pünktlich zum Release von "Pitch Black Law" und der zweiten Single den Rückhalt und die Promo verlieren.


 WRITTEN FOR Rap4Fame

 Das mag nicht zuletzt ein Grund sein, wieso das Album heute kaum noch Erwähnung in den HipHop-Annalen findet, denn an den restlichen Komponenten auf dem Papier kann's kaum gelegen haben. Genau genommen ist das, was die fünf dank ihrer jahrelang gesammelten Connections hier zusammentrommeln, ein Lineup, bei dem 2004 eigentlich dem Großteil der Rap-Gemeinde (gemessen am Bekanntheitsgrad der Truppe) Augen und Ohren aufgehen sollten: Unter den wenigen Gästen finden sich Busta Rhymes und Foxy Brown, hinter den Pulten dürfen Größen wie DJ Premier, Nottz oder Swizz Beatz mischen. Die oben erwähnte Vorab-Single, die mit ihrem schönen Video den Hype erst ermöglichte, ist übrigens das vom Premo produzierte "It's All Real", im Jahr 2003 nochmal ein aufbäumendes Meisterwerk und fraglos in jüngerer Zeit eine der besten Arbeiten des legendären Produzenten (natürlich mit dem klassischen zusammengecutteten Chorus), die vier der fünf Emcees mit so lebendigen Rhymes versehen, dass man zu Recht hoffen konnte, hier ein belebendes Element in Sachen New-York-Streetrap vor sich zu haben:

"They gon' have to mention me among the best eventually
Pitch Black's the group of the century
I ain't tryin to see death, disease or the penitentiary
When the smoke screens fade, the charade's played
Nothing remains but the foundation we layed, it's real
Destroy and build, my feelings: kill or be killed
Play around, we spraying rounds, I lay you down
No doubt you don't know what it's about
You think you're spitting game but the game spit you out
So you ain't innovating you're regurgitating
Poisonous thoughts, doing dirty work for Satan
I leave you so scarred, your corpse rock hard
Your arms are too short to box with God
And it's all real
"


 Große Töne werden da also gespuckt, die der Rest des Albums leider kaum rechtfertigen kann. Anscheinend hat man das Album ja ohne Zutun der bösen Geier in den oberen Etagen aufgenommen, doch wahrscheinlich meldete sich Kedar Massenburg das eine oder andere Mal mit einem guten "Ratschlag", denn das kompromisslose und verhoffte Street-Album ist das sicherlich nicht: Was beispielsweise die arg müde bouncende Party-Nummer "Geechy" zu erreichen gedenkt, bleibt ein Rätsel. Dann sollte man doch eher schon zu "Shake That" greifen, das man in bester Swizz-Manier (inklusive konstanten Zwischengelabers und Hook) entweder verabscheut oder akzeptiert. Die fünf Emcees selbst machen in jeder Lage keine schlechte Figur, wenngleich keiner je zum Solostar werden könnte, denn das Auseinanderhalten fällt selbst nach intensiver Auseinandersetzung schwer (lediglich D.G. setzt sich stimmlich klar ab). Auf dem lyrischen Plan steht die übliche Kost, von Punchlines zum zu erwartenden Alltag in den Straßen Brooklyns. Dazu gehört auch eine Nummer wie das softe "Good Times", das wie schon Cube's "It Was A Good Day" wunderbar ans Ende eines Tages passt und zudem von St. Juste noch gefühlvoll abgerundet wird. Das lässt sich leider nicht jedem Song attestieren: Im eröffnenden "Pop Off" passiert herzlich wenig, die Ausführungen über "My Life" sind Beat-technisch keine von Teddy Riley's Glanztaten, genau am selben Fleck ordnet sich das ähnlich platte "Go Hard Play Hard" ein und das grauenhafte "Recognize" (das mal wieder demonstriert, wie schlecht Hooks im HipHop-Genre sein können) gewinnt todsicher nirgends einen Blumentopf. Auf der anderen Seite wirft sich ein gut aufgelegter und hypender Busta Rhymes in die Waagschale und "To Be The Best" demonstriert, wie ungeschmückter und doch griffiger Street-Sound sich angemessen mit den selbstbewussten Rhymes des Quintetts hätte paaren können. Schließlich ist da ja außerdem noch Premier mit seinem zweiten Beitrag, der zeigt, dass der Meister es wirklich gut mit den Jungs gemeint haben muss, denn "Got It Locked" ist wieder ein Volltreffer, der mit seinen Streichern direkt an die ausgehenden 90er erinnert, genauso gut klingt und mit einer rauchig spittenden Foxy bestens besetzt ist.

Der zweite Grund, warum dieses Album langfristig so unbekannt blieb, ist schlichtweg in der fehlenden Klasse der Scheibe begründet. Man muss es mit viel Enttäuschung feststellen, da man den Jungs nach ihren Entbehrungen auf Universal von ganzem Herzen einen durchschlagenden Erfolg gewünscht hätte, doch Pitch Black kränkeln mit ihrem Debüt mit denselben Symptomen wie viele NY-Releases jener Zeit. Beizeiten mag man sogar denken, hier sei nur ein Album um die Erfolgs-Single "It's All Real" aufgebaut worden, doch für einige weitere Leckerbissen hat es dann doch noch gereicht. Erwähnenswert ist noch, dass die Qualitätsvarianz recht hoch ist, es also vor allem Nieten und Treffer gibt. Letztere bieten dann auch wirklich den schönen Klang der Straßen Brooklyns, den man auf "Pitch Black Law" gerne durchgehend gehört hätte.

5.0 / 10

Action Bronson - Dr. Lecter


Release Date:
15. März 2011

Label:
Fine Fabric Delegates

Tracklist:
01. Moonstruck
02. Barry Horowitz
03. The Madness
04. Larry Csonka
05. Ronnie Coleman
06. Bag of Money (Feat. Meyhem Lauren)
07. Brunch
08. Shiraz
09. Buddy Guy
10. Jerk Chicken (Feat. Maffew Ragazino)
11. Chuck Person (Feat. Meyhem Lauren, Shaz Illyork & AG Da Coroner)
12. Forbidden Fruit
13. Suede (Feat. Meyhem Lauren, Shaz Illyork, Fonda & Machine)
14. Get Off My P.P.
15. Beautiful Music

Review:
Laut eigener Aussage fing Action Bronson nur mit dem Rappen an, weil es sein komplettes Umfeld ebenfalls tat. Wer nun denkt, das sei als Grund nicht gut genug, der kennt den rothaarigen, vollbärtigen Pfundskerl aus Flushing, Queens nicht. Noch dazu rappt er noch nicht lange und stieg über Kumpel J-Love und dessen Outdoorsmen-Projekt ins Rap-Game ein. Seitdem erhält er Zuspruch von so ziemlich jedem Head, der sich mit ihm auseinandersetzt, weswegen er binnen der letzten zwei Jahre einen ernstzunehmenden Hype aufbauen konnte. Anfang 2011 veröffentlicht er das Mixtape "Bon Appetit... Bitch" und kurze Zeit später sein Debütalbum, "Dr. Lecter".

WRITTEN FOR Rap4Fame
 Damit ist allerdings weniger als die Hälfte über Bronsolini erzählt, denn seine erste und eigentliche Leidenschaft liegt in kulinarischen Gefilden, weswegen es nicht verwundert, dass er als Koch im Restaurant seiner Familie arbeitet. Es kann gar nicht überschätzt werden, wie sehr ihn die Kunst des Kochens beschäftigt, denn es ist schwer, in einem seiner Songs keinen Querverweis in die Welt der Nahrungsmittel zu finden. Unter den bisherigen Fans findet man nicht wenige, die ihn als Hauch frischer Luft und zugleich als Bewahrer des originalen New Yorker Sounds ansehen. Ein Heiland ist Action deshalb keineswegs, ihm selbst sind solche Titel herzlich egal, der Spaß am Rappen steht im Vordergrund und als jemand, der mit dem New Yorker HipHop der Neunziger aufgewachsen ist, importiert er nur seine Einflüsse ins 21. Jahrhundert. Als Produzenten engagiert er dafür übrigens den Manhattaner Tommy Mas, der bisher gänzlich unbekannt war, als Teil von Team Facelift zur Zeit allerdings bei Duck Down unter Vertrag steht und seinen Bekanntheitsgrad vielleicht in absehbarer Zeit etwas steigern wird. "Dr. Lecter" ist jedenfalls schon ein bärenstarkes Aushängeschild, denn was Tommy Mas auf 15 Tracks aus den Apparaturen zaubert, atmet den Geist des Big Apple, erinnert an die rohe Unbefangenheit vergangener Tage und klingt trotzdem frischer als fast jedes andere Release dieses Jahr. Der perfekte Untersatz für Bronsoliño, der mit diesem Album die halbe Szene vorführt: Dass er überall mit Ghostface verglichen wird, kommt nicht von ungefähr, stimmlich schippert er in verwandten Gewässern, sein Flow rast (streckenweise an Big Pun erinnernd) mit seiner unbeschwerten Leichtigkeit auf der Überholspur Richtung erste Liga. Doch die maßgebliche Ingredienz ist das, was das Wort Swagger vor seiner Pervertierung meinte: Man kann diesem Mann kaum zuhören, ohne bei den spielerischen Zeilen zu lächeln, seine Art der Wortwahl beweist jene Art Einzigartigkeit, die kaum mehr zu finden ist. Es ist ein Mix aus Essen, teils vergessenen Charaktern (v.a. aus der Sportwelt, wie einige Songtitel verraten) und übermütigem NY-Slang, zementiert in das Reppen der eigenen Hood. "Shiraz" fasst das in wenigen Zeilen zusammen:

"We've been the best since I stepped in
Bring a hooker to the muthafuckin' Jets Inn
In the sack, break her back like a Redskin
Need the dough like I'm trying to get the bread thin
Tree to make the head spin
Every season play the corner like I'm Revis
Light Ceaser, heavy bearded like I'm Jesus
[...]
In my lungs go the drugs like the red chief
Red leaf lettuce, blood money on the bench seat
12 courses laid up on the long table
Aged wine got me spinning like a dreidel
For fly women use a condom cause it's fatal
Hazel eyed bitches always blazing up the basil
"


 Vom Basilikum zum Extra Virgin Oil ist der Lebensstil klar definiert: Es wird gekocht, gerappt, geraucht und die Gesellschaft schöner Damen genossen. "Fuck that sittin' down rap type shit. I stand up cause I'm a motherfuckin' man, and I'm motherfuckin' hot" - besser hätte man es kaum formulieren können, denn Tracks wie "The Madness", in dem der Rotschopf mit dem Ceaser-Schnitt und dem Jesus-Bart dreieinhalb Minuten am Stück dem Hörer die Ohren befeuert, sind der Grown Man Rap, der an so vielen Stellen vermisst wird: "This shit is wronger than a tuna on a plate for 80 dollars / Or the sex that I be havin' though I hate my baby momma". Diese Lines könnte man nun seitenlang zitieren, das Verwunderliche ist dabei jedoch, dass man Bronsoneli's Raps nie müde wird. Gäste werden nur aus dem eigenen Camp geladen, das Wasser reichen kann dem Gastgeber aber niemand, auch wenn die tieferen Stimmen bei NBA-Star "Chuck Person" eine schöne Abwechslung bilden. Für "Jerk Chicken" taucht Tommy Mas mit Horace Andy in Reggae-Gefilde (und flippt das Sample in ebenso ansprechender Weise wie einst Omega One), "Ronnie Coleman" gibt instrumental weniger her, wird von Bronsoliño als urkomischer Abspeck-Trip jedoch trotzdem unterhaltsam gestaltet. "Forbidden Fruit" passt als romantische, Sax-begleitete Romanze (auch qualitativ) nicht ganz ins Bild und die "Verarbeitung" einer schiefgegangenen Beziehung in "Brunch" reißt ebenfalls aus der Grundstimmung aus. In "Buddy Guy" und dem kinnladensenkenden "Barry Horrowitz" ist Bronsoneli dagegen voll in seinem Element, das er auch gegen Ende der LP (einem großartigen Ende, das Tommy Mas mit einem wunderschönen Jon-Lucien-Sample feiert) nicht mehr verlässt.
 Ganz nebenbei und vollkommen ohne Absicht führt Action Bronson vor, was mit der Szene nicht stimmt: Jeder will etwas Besonderes sein, zu viele Rapper rennen verkrampft irgendwelchen Verträgen oder Zielsetzungen hinterher. Nicht so Bronsonova, der einfach rappt, weil es ihm Spaß macht, und das mit einer Originalität, die zwar zu Teilen von seinem Dasein als Koch herrührt, aber durch die Sorgenlosigkeit, mit der er durch sein Album marscheirt, unterfüttert wird. Es bleibt abzuwarten, wie Bronson sicht entwickelt, ob das nächste Projekt mit Statik Selektah beattechnisch mit dem überraschenden Nobody Tommy Mas (an dieser Stelle gebührt auch ihm Respekt für einen nicht perfekten, aber doch erfrischend guten Instrumentalteppich, der ganz klassisch im Soul und in Retro-Drumpatterns verankert, aber trotzdem jung und funkig ist) mithalten kann. Doch solange Action nur aus Spaß an der Sache und mit dem Ziel, irgendwann in der Toskana kulinarische Lehrstunden nehmen zu können, rappt, sieht seine Zukunft rosig aus.
7.6 / 10

Styles P - Master Of Ceremonies



Release Date:
04. Oktober 2011

Label:
eOne Music

Tracklist:
01. How We Fly (Feat. Avery Storm)
02. We Don’t Play (Feat. Lloyd Banks)
03. I'm A Gee (Feat. Rell)
04. Ryde On Da Regular
05. Keep The Faith (Feat. Aja)
06. Children (Feat. Pharoahe Monch)
07. Street Shit (Feat. Sheek Louch)
08. Feelings Gone
09. Harsh (Feat. Rick Ross & Busta Rhymes)
10. It's Ok (Feat. Jadakiss)
11. Don't Turn Away (Feat. Pharrell)
12. Uh-Ohh (Feat. Sheek Louch)

Review:
Da sämtliche Anläufe, als LOX mal wieder ein Lebenszeichen von sich zu geben, im Sand verlaufen sind, dackeln die drei Mitglieder weiterhin um Relevanz kämpfend durch die Szene und sind dabei so sehr zu Hintergrundfiguren verkommen wie wenige andere. Immerhin kann man regelmäßig mit guten Features (auf den Alben derzeit angesagter Leute) rechnen, von denen auch Styles ein paar verbuchen konnte. Abgesehen davon gab es Street-Alben wie die gar nicht so schlechte Kollabo mit Green Lantern, sogar als Schreiberling veröffentlichte der Ghost 2010 seinen ersten Roman, ein zweiter soll folgen. Außerdem ist er immer noch auf eOne gesignt und macht sich 2011 daran, sein viertes Album, "Master Of Ceremonies", zu veröffentlichen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 Ein nichtssagenderer Titel hätte höchstens "The Album" sein können, auch die weiteren Komponenten und Beteiligten sagen nicht viel darüber aus, was Styles im Gepäck hat. Lediglich eins sollte wohl klar sein: Bei einem solchen Albumtitel wird es wahrscheinlich keine Blödeleien, Schmuselieder oder Chart-Ambitionen geben, denn wenn schon auf den MC-Aspekt geachtet wird, bleibt Styles mit einiger Sicherheit "real". Das zumindest ist anzunehmen, doch was "How I Fly" in den ersten drei Minuten des Albums veranstaltet, ist höchstens peinlich. Warren G (ja, Warren G) quietscht sich mit einem zahnlosen Beat durchs Bühnenbild, Avery Storm sitzt dem Ganzen mit einer Hook auf, die man schon vergessen hat, während sie noch spielt. Da hätte Styles eigentlich auch zuhause bleiben können, zu retten ist da nichts mehr, auch nicht mit einer Anlehnung an "Good Times", in der Styles als Hustler und Stoner auftritt. Als Steuermänner an den Reglern gewinnt er im Verlaufe des Albums (neben vorwiegend Hintergrundfiguren und Unbekannten) araabMUZIK, Statik Selektah und sogar Pete Rock. Das Ergebnis lässt sich ganz einfach zusammenfassen: Dieses Album hat ein Problem mit seiner Produktion. Styles an sich steht als solider Emcee vor allem für Routine und konstante Leistung, auch seine Gäste (nicht wenige an der Zahl) sind zumeist eine Bereicherung. "Zumeist" wohlgemerkt, mit Lloyd Banks im himmelschreienden "We Don't Play" ist die Ausnahmne gefunden, die inzwischen unangenehm heisere Stimme das Gorillas hätte kaum auf einem schlechteren Track platziert werden können. Damit ist der verpatzte Start ins Album perfekt, die austauschbaren Hood-Raps helfen nämlich ebensowenig weiter. Glücklicherweise kommt der Ghost im Anschluss in die Gänge und schwenkt zudem sogar zu etwas Sozialkritik (oder zumindest einer ernsten Betrachtungsweise der Lebensverhältnisse im Ghetto) über. Der Vorzeige-Track ist dabei "Children", das wie einst "The Life" P-Monch für die Hook engagiert, mit Pete Rock's schnörkelloser Untermalung einen Volltreffer landet und dabei besorgt auf die heutige Jugend blickt. Die Spitze des Bergs ist damit erreicht, Überraschungen warten kaum noch. "Don't Turn Away" geht als solche durch, Reefa's ausfüllendes, elegantes Instrumental und Pharrell's Hook zeigen den Gangster-Gentleman-Hybriden von seiner nonchalanten Seite. Und da sind noch weitere Pluspunkte: "Harsh" ist (mit einem hungrigen Busta in der Hook) ein Eastcoast-Kopfnicker aus dem Lehrbuch, "I'm A Gee" ein gefühlvoller Blick auf das harte Straßenleben, den davon Betroffenen wird in "Keep The Faith" Mut gemacht. Der Rest der Scheibe ist leider nicht mehr groß der Rede wert: Es findet sich zu viel Mittelmaß (ein gutes Beispiel ist araabMUZIK mit seinem standardmäßig ausgekleideten Piano-Loop in "Ryde On Da Regular") und in "It's OK" sogar noch hartnäckiger Sondermüll.

"Master Of Ceremonies" ist vor allem der Beweis, dass der Welt im Moment mit der ausbleibenden LOX-Reunion in Albumformat nicht wirklich etwas entgeht. Was Styles P zu einem Album zusammenbindet hat in sehr ausgeglichenem Maß Höhen, Tiefen und Mittelmaß und vermisst insgesamt jegliche Charakteristika, die es vom alltäglichen NY-Release dieser Tage abheben könnten. Eine ernüchternde Erkenntnis, die immerhin Hand in Hand mit dem Wissen geht, dass Styles selbst auf seinem Album den souveränen Eindruck eines Routiniers hinterlässt. Als Solokünstler wird er wahrscheinlich nie Großtaten vollbringen, was auch "Master Of Ceremonies" wieder belegt; auf ein neues LOX-Album (natürlich mit drei beherzten MCs) am Sankt-Nimmerleins-Tag darf man trotzdem weiter hoffen.  
4.9 / 10