Sonntag, 26. September 2010

Black Milk - Popular Demand


Release Date:
13. März 2007

Label:
Fat Beats Records

Tracklist:
01. Popular Demand
02. Sound The Alarm (Feat. Guilty Simpson)
03. Insane
04. Lookatusnow (Feat. Phat Kat)
05. U (Feat. Ty & Kory)
06. Shut It Down (Feat. Ahk)
07. Go Gone
08. Say Something (Feat. Nametag & Slim S.D.H.)
09. Play The Keys
10. Watch Em (Feat. Fat Ray & Que Diesel)
11. Three+Sum
12. Action (Feat. Slum Village & Baatin)
13. Luvin' It
14. One Song
15. I'm Out
16. Take It There (Feat. One Be Lo)

Review:
Ironischerweise war es gerade der Tod von J Dilla, der ihm selbst einen übertriebenen Ruhm und seiner Heimatstadt Detroit einen Schub an Beachtung verschaffte. Es mag des Weiteren gut und gerne sein, dass Black Milk dieser Tage weitaus unbekannter wäre, wenn James Yancey noch am Leben wäre. In den frühen 2000ern treibt sich Milk im Detroiter Umfeld von Slum Village herum und produziert mit seinem Partner Young RJ als B.R. Gunna das "Dirty District"-Mixtape. Sein eigentliches Debütalbum, "Sound Of The City", erhält 2005 nur wenig Beachtung. Ebenso ergeht es der ein Jahr später folgenden EP: Milk's Material wird gelobt, erreicht aber noch kein großes Publikum. Mit Dilla's Tod schließlich tut sich eine Lücke auf, in welche die Medienwelt nur zu gerne ein neues Gesicht setzt. Ehe er es sich versieht, haftet BM der Titel des Nachfolgers an, was die Erwartungen an sein Fat-Beats-Debüt, "Popular Demand", ungemein in die Höhe treibt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Wer mit dem Material der Jahre zuvor vertraut ist, den wird auf "Popular Demand" nichts wirklich überraschen. Wie auch der zu einem gewissen Grad als Mentor zu bezeichnende Jay Dee schraubt Black Milk Beats, die man "Detroit-typisch" nennen würde. Milk's Spezialität sind wuchtige Kicks und Snares, womit er spätestens mit dieser LP seinen Beitrag zur Definition des rohen Sounds der Motor City tätigt. Doch vor allem Black Milk weiß bestens, dass zu diesem Sound auch Soul und R'n'B gehören. Mit seiner simplen, aber oft doch so großartigen Formel fuhr er bisher und fährt er auch hier gut. Ganz im Gegensatz zu einem Dilla misst Milk seiner Zweitbeschäftigung, dem Rappen, volle Beachtung zu. Wie so viele andere Producer kann man auch ihm keine meisterlichen lyrischen Fähigkeiten zuschreiben, als Unterhalter über seine eigenen Instrumentals macht er trotzdem alles andere als eine schlechte Figur. Ausgenommen einige Weibergeschichten kommt er zwar nicht weit über Representer-Material hinaus, doch das stört auf der Scheibe zu keinem Zeitpunkt, da es den Fokus in optimaler Weise auf die Produktionen legt, die jeder noch so intensiven Aufmerksamkeit standhalten. War es nicht schon vorher der Fall, so eignet sich Black Milk hier endgültig seinen eigenen Stil an, der in seinen Grundzügen zwar sehr simpel ist, dem jedoch immer wieder etwas Interessantes abgewonnen werden kann. So schlägt etwa die Single "Sound The Alarm" eine kunstvolle Brücke zwischen düsterem, sirenenverheultem Detroit-Anthem und feierbarer Mitgröl-Hook und bietet außerdem einem noch relativ unbekannten Guilty Simpson die Gelegenheit, an seinem noch einzusetzenden Hype zu arbeiten. Der Großteil der LP funktioniert allerdings ganz und gar nicht auf die harte Schiene, sondern setzt auf soulige Voice-Samples und wird durch hier und da eingestreute Instrumental-Zwischenspiele verfeinert. "Play The Keys" sei hier als stimmungsreiches Beispiel ebenso genannt wie "Luvin' It". Schwingt sich Black Milk dann doch hinters Mic, representet er Detroit in vollen Zügen oder warnt im vergleichsweise schwachen "Watch 'Em" vor ungerechter Polizeibehandlung. "Three+Sum" erzählt eine Story über die Bekanntschaft mit zwei Damen, die klingt, als wäre sie BM's Fantasie entsprungen. Seine besseren Momente hat das Album sowieso zu Beginn: "Insane" lässt es ordentlich krachen, der Titeltrack beweist viel Gefühl und "Lookatusnow" profitiert stark von der Harmonie zwischen Beat und Phat Kat. Das restliche Album lebt weniger von der individuellen Klasse der Songs als von dem schönen Gesamteindruck und der Tatsache, dass der Albumfluss nie unterbrochen wird. Gegen Ende hin spielt Milk dann mit "I'm Out" (instrumental) nochmals voll auf, um dann zusammen mit One Be Lo in "Take It There" einen schwungvollen Ausstieg hinzulegen, der sich vom Rest der LP leicht abhebt.

Sieht man "S.O.T.C." und "Broken Wax" als Vorspiel, so ist "Popular Demand" Black Milk's offizielles Debüt sowie auch eine Vorstellung vor einem wesentlich größeren Publikum. Mit dieser Vorstellung gelingt ihm zwar kein Meisterwerk, ein Erfolg in mehr oder weniger allen Zielen kann trotzdem verbucht werden: Man behält die Stimme im Kopf, selbst die Beats haben genügend Wiedererkennungswert, um BM einen eigenen Stil zuzuschreiben. Und selbst wenn man es hier mit der beständigen Grundlage einer erfolgreichen Karriere zu tun hat, kommt auch die Kreativität nicht zu kurz. Um es einfach zu machen: "Popular Demand" könnte noch ein wenig besser sein, sollte aber alle potenziell interessierten Kunden zufriedenstellen.

7.3 / 10

The Lost Children Of Egipt - Words From The Duat: The Book Of Anubis


Release Date:
2003

Label:
Seventh Cathedral Recordings

Tracklist:
01. Intro
02. Distant Traveler
03. Temple Of Abydos
04. Jesus Found In Egipt
05. Souls From The Etherians
06. Chosen Children
07. Where Every Breath Is A Prayer
08. Egiptian Intuition
09. Valley Of The Kings
10. The Rising Force (Feat. Luminous Flux)
11. The Missing Link
12. Arabian Knights
13. Warriors Of Virtue
14. Immortal Egipt
15. Dual Of The Fates

Review:
Lange hat es gedauert, bis das erste Album zustande kam, das zweite folgt dafür verhältnismäßig flott: Zwei Jahre nach "The Equidivium" setzen die Lost Children Of Babylon ihre Akasha-Chronik fort. Ein wenig hat sich seitdem getan: Wohl auf den Wunsch des geistigen Mentors Dwight York tritt man nun als Lost Children Of Egipt auf, was man direkt auf den ersten Blick mit dem offensichtlichen Thema der LP in Einklang bringen kann. Darüber hinaus wurde die Truppe aus Philadelphia aufgestockt: Statt der vormals fünf prangen nun neun Namen im Inlay, was "Words From The Duat: The Book Of Anubis" zusätzlich interessant macht.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Nimmt man die "Words From The Duat" allerdings etwas genauer unter die Lupe, stellt man fest, dass sich so viel gar nicht verändert hat: Immer noch kümmert sich DJ Man-E (mit Unterstützung von Rasul) um sämtliche Instrumentals, die thematische Verschiebung kommt keinesfalls überraschend (Ägypten spielte auch auf dem Debüt eine zentrale Rolle in der selbstgeschaffenen Mythologie) und selbst das neue Lineup bedarf eines zweitens Blicks: Gelistet sind Rasul Allah, Richard Raw, Breath Of Judah, Ancient Kemet, Cosmic Crusader, Amun Sen Hotep Re, Atun Sen Geb, Stretch The Mad Scientist und Wazulu The Ill Dravidian. Doch wie auch schon auf dem Debüt hat Breath Of Judah herzlich wenig mit dem Album zu tun, während diesmal selbst Ancient Kemet gänzlich abwesend ist. Darüber hinaus haben die neu aufgenommmen Atun, Stretch und Wazulu noch keinen Anteil am Album, lediglich Amun Sen Hotep Re steuert zu zwei Songs bei. Die LCOB sind auf diesem Album im Kern also nur ein Trio, was letztendlich jedoch auch niemanden stört. Auf inhaltlicher Ebene sind die Unterschiede zum ersten Album schnell zu benennen: Rich Raw, Rasul Allah und Cosmic Crusader tauchen ein in die ägyptische Mythologie, machen es sich in der Jenseitswelt gemütlich und lesen aus Anubis' Ritenbuch. Nun wären es nicht die LCOB, wenn man es hier nicht mit etwas "alternativer" Ägyptologie zu tun hätte. Nach einem Intro, in dem die Ausnahmestellung Ägyptens im dritten Jahrtausend v. Chr. hervorgehoben wird, geht Richard Raw in seinem Solo "Distant Traveler mit einem Wortsalat, in dem Prä-Astronautik auf schillernde Selbstinszenierung trifft, gleich in die Vollen:

"Intergalactic communication, implanted by enchanted transcripts, engraved in sanskrit
Interpreted by crystal translators, organic robotoy, protects synthetic apparition
My parallel, alien life forms, I swarm through the storm with a crown of thorns as my uniform
My staff transforms into a unicorn, in search of the promised land, guided by the pineal gland
Brotherhood of darkness, order of the Sufi, under study of Djehuty
"

Inhaltlich so wasserfest wie Schweizer Käse, ist es wieder höchst unterhaltsam, dieser Rezitation aus den Chroniken der persönlichen Fantasie des Richard Raw zu folgen - oder es zumindest zu versuchen. Seine Raps, die wie im Rausch unter melodischem Summen vorgetragen und von einer murmelnden Zweitstimme im Hintergrund begleitet werden, sind optimal gebettet im mystischen Soundgewand DJ Man-E's, der auch auf diesem Album für erhabene Momente sorgt. Im lyrischen Wirrwarr sticht eine Idee klar hervor: Die alten Ägypter sollen beim Bau ihrer Pyramiden auf Anleitung extraterrestrischer Besucher gehandelt haben (das lässt Rasul im mäßig produzierten "Valley Of Kings" deutlich verlauten). Jene Besucher sucht man beispielsweise in der Paralleldimension Etheria, die sich einst Meade Laney erdachte. Abgesehen davon hat Rasul Allah noch eine andere These parat und präsentiert in "Jesus Found In Egipt" hanebüchene Parallelen zwischen Horus und Jesus, die auf Plutarchs (nach Christi Geburt) verfassten Schriften fußen. Doch man hört die LCOB schließlich nicht wegen ihrer historischen Akkuratesse, sondern wegen Tracks wie "Warriors Of Virtue" und "Chosen Children", die im bewährten Muster Film-Samples ("Warriors Of Virtue", "The Scorpion King") vor ferne Sample-Klänge, die zu fesselnden Kopfnickern gemeißelt werden, spannen. Leider trifft man auch hier an einigen Stellen nicht den richtigen Ton: Dem "Temple Of Abydos" fehlt ein wenig der Pepp, "Immortal Egipt" und "Arabian Knights" schlagen mit penetranten Samples über die Stränge. Als Ausgleich finden sich Juwelen wie das makellose "Where Every Breath Is A Prayer" (auf dem übrigens Amun Sen erstmals zu hören ist), das zu ritualhaften Gesängen im Hintergrund eine große Kulisse aufbaut. Als letzte Komponente fließt in dieses Album eine ganz offensichtliche Begeisterung für die Star-Wars-Filme ein (was wohl zu einem gewissen Grad auf das Erscheinen der Episode II zur Zeit der Aufnahmen zu schieben ist): "The Rising Force" wird vom weisen Yoda eingeleitet, um in ein schlichtweg episches Instrumental überzufließen ("The force rises within me, because the kingdom of Amun is within me / And takes me from the planet earth to the 19th galaxy instantaneously"). "Dual Of The Fates" schließlich setzt sich aus dramatischen Samples des Star-Wars-Soundtracks sowie aus Filmdialogen zusammen und sorgt für ein fulminantes Finale.

Mit Teil Zwei der Akasha-Chronik bleiben sich die LCOB voll und ganz treu, wofür man zu großen Teilen DJ Man-E danken muss, der an seiner Arbeitsweise und seinen Formeln nichts ändert. Die Wechsel im Lineup sind kaum spürbar, als charakteristischste Mitglieder stechen weiterhin Raw und Rasul hervor und garantieren den LCOB-Flair. Mit der konkretisierten Thematik rücken zwar die nuwaubianischen Lehren des Dwight Malachi Z. York etwas in den Hintergrund, ihre Einflüsse sind jedoch trotzdem omnipräsent, weswegen zusammenfassend das gleiche Urteil wie beim Debüt gesprochen werden darf: Wer sich mit diesem Stil anfreunden kann, der wird auch auf "Words From The Duat" in eine fantastische Atmosphäre eintauchen können, welche die Schwachpunkte der LP fast gänzlich vergessen macht.

7.6 / 10

Mobb Deep - Murda Muzik


Release Date:
17. August 1999

Label:
Loud Records

Tracklist:
01. Intro
02. Streets Raised Me (Feat. Big Noyd & Chinky)
03. What's Ya Poison (Feat. Cormega)
04. Spread Love
05. Let A Ho Be A Ho
06. I'm Going Out (Feat. Lil' Cease)
07. Allustrious
08. Adrenaline
09. Where Ya From (Feat. 8-Ball)
10. Quiet Storm
11. Where Ya Heart At
12. Noyd Interlude
13. Can't Fuck Wit (Feat. Raekwon)
14. Thug Muzik (Feat. Infamous Mobb & Chinky)
15. Murda Muzik
16. The Realest (Feat. Kool G Rap)
17. U.S.A. (Aiight Then)
18. It's Mine (Feat. Nas)
19. Quiet Storm (Remix) (Feat. Lil' Kim)

Review:
Manche Künstler stehen vor und scheitern zumeist auch an dem Problem, nach einem Klassiker einen ebenbürtigen Nachfolger aufzunehmen. Mobb Deep hatten nach 1996 dafür wohl nur ein müdes Lächeln übrig. Mit zwei Klassikern meißelten sie ihren Namen in die Gedenktafel, die spätere Generationen an die Besten des Genres erinnern wird. Knappe drei Jahre lassen sich Havoc und Prodigy danach Zeit und rutschen somit in eine ganz neue Zeitspanne des HipHop. Zu allem Überfluss fällt das vierte Album schon vorab Bootleggern zum Opfer, weswegen die finale Version von "Murda Muzik" noch einige Änderungen erfährt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Es war schon vorher abzusehen, dass dieses Album einen Wendepunkt in der Karriere der beiden QB-Mobbster markieren würde. Denn 1999 wandelt sich nicht nur der Sound von Havoc und Prodigy, die komplette Szene verändert sich. Die goldenen Jahre der Ostküste, für die der Sound, welchen IMD so makellos praktizierten, stand, haben sich verabschiedet, HipHop tritt ein in seine Wechseljahre. Symptomatisch dafür haben sich auch auf "Murda Muzik" einige Dinge getan: Havoc, der immer noch einen Großteil der Instrumentals selbst arrangiert, betritt neue Sound-Gefilde, Prodigy durchlebt vor allem einen stimmlichen Wandel, der während dieser LP sehr gut zu beobachten ist und erstmals auf den Prodigy, den man heute kennt, deutet. Bei Prodigy korreliert besagter Wandel wahrscheinlich auch mit dem ganz natürlichen Altern, das den nun 24-Jährigen in eine Position setzt, in der ein Teil der Bissigkeit für die Selbstinszenierung als angehender Veteran geopfert wird. Havoc verabschiedet sich weitesgehend von seinen Trademark-Snares, schleift seinen Sound etwas runder und lässt ganz klar durchscheinen, dass es nicht mehr 1996 ist. Ein Albtraum für alle bisherigen Fans, möchte man meinen. Doch so schnell sollte man das Album nicht zugrunde richten. Wer natürlich mit den falschen Erwartungen an das Werk herantritt, der wird in der Tat enttäuscht sein. Bei genauerer Beschallung fällt allerdings auf, dass die von Havoc konstruierte Atmosphäre in ihrer Intensität nahezu ebenso stark ist wie drei Jahre zuvor. Die Einstellung der beiden Jungs hat sich nicht geändert, Reality Rap regiert immer noch die Zeilen, was als logische Konsequenz nur eine bedrückende Gesamtatmosphäre zulässt, die mit dem "Intro" (und einem kurzen Reagan-Sample) auch prompt skizziert wird. Die folgende Reise beinhaltet Rudimente der Mittneunziger als auch Tracks wie das schwer melancholische "Streets Raised Me", das den Hardcore-Faktor gegen den Pathos von Chinky's eindringlichem Gesang tauscht. Doch nicht nur die Inhouse-Sängerin, deren spätere Auftritte ab und an ordentlich danebengingen, trifft hier zum ersten Mal mit Mobb Deep zusammen; auch die fruchtbare Zusammenarbeit mit The Alchemist sieht hier ihre ersten Früchte, vor allem im extrem starken "Thug Muzik". Selbst "Where Ya From", das neben 8-Ball auch noch einen Beat aus dem Süden importiert und somit einem späteren Trend vorgreift, findet seinen Platz und fügt sich dem Albumfluss. Denn wenngleich an einigen Stellen kleine Schönheitsfehler hervortreten, zieht das Album den Hörer in einen Bann, den es in dieser Form bei keinem anderen Mobb-Album (und generell bei wenigen anderen Alben) gibt. Die Rawness ist an vielen Stellen auf und davon - und trotzdem kann man sich in Tracks wie "Can't Fuck Wit" verlieren. Dazu kommen viele eher ruhige Tracks, so etwa das wehmütige "Where Ya Heart At" oder "The Realest", in dem man sich bestens mit Kool G Rap versteht. Auch wenn das Album weniger durch einzelne Highlights als durch konstant hohes Niveau besticht, gibt es einige Tracks, die hervorhebenswert sind: "Quiet Storm" erinnert an die abgebrühte Coolness des Glanzzeit-Prodigy, "What's Ya Poison?" spielt mit ausladendem Pianoeinsatz einem hungrigen Cormega in die Karten. Im Schlussteil ist "Aiight Then" eine interessante Nummer, die noch eine Ecke smoother als alle bisherigen Tracks produziert ist und trotzdem mit dem trockenen Style von Hav und P harmoniert. Ob man das Scarface-Theme und eine Interpretation von Brandy's "The Boy Is Mine" von Nas in "It's Mine" zusammenführen hätte müssen, bleibt Ansichtssache, die zu übende Kritik bleibt allerdings so überschaubar wie der sich anschließende "Quiet Storm"-Remix mit Lil' Kim.

Man muss zugeben, dass der Stern von Havoc und Prodigy hiermit zu sinken anfängt. Nicht, weil sie auf dem neu eingeschlagenen Pfad bereits zu diesem Zeitpunkt schluderten, sondern weil es abzusehen war, dass spätestens beim nächsten Album die erstaunliche Balance, die Mobb Deep auf ihrem vierten Album zwischen zeitgemäßer Weiterentwicklung und Besinnung auf den ungeschliffenen früheren Charakter ihrer Musik erreicht haben, verlorengehen würde. Als Gleichnis sei die Entwicklung von Prodigy aufgeführt: In den Mittneunzigern war er ein Ausnahme-Emcee mit der Mic-Präsenz eines Halbgottes, später verkam er zum zahnlosen, langsamen Veteranen. Auf "Murda Muzik" bekommt man den alten Prodigy noch oft zu hören, ahnt aber schon, wie der zukünftige aussehen wird. Wenn "Murda Muzik", atmosphärisch so kompakt und einnehmend wie wenige andere Alben, schlechtgeredet wird, dann liegt das an unrealistischen Erwartungen nach den Großtaten, die Mobb Deep einige Jahre zuvor vollbracht haben und die sie hier zu einem würdigen Ende bringen.

8.9 / 10

Tek - 24KT Smoke


Release Date:
24. August 2010

Label:
Duck Down Records

Tracklist:
01. Hey Gurl Intro
02. Smoke's Theme
03. Pushin' Game
04. Touchin' That Green
05. Grind Wit Me (Feat. Sheek Louch)
06. That Barrel Go Bang (Feat. Inspectah Deck & Fes Taylor)
07. Shottaz (Feat. Freeway & Jakk Frost)
08. Eyes On The Prize (Feat. MBusi)
09. Trunk Fulla Bang
10. Death Iz Forever 2 (Feat. Steele & Havoc)
11. New Luv (Feat. Drawzilla)
12. Forever (Feat. Iman Jaunte)
13. Courtesy (Feat. D'Shaun)
14. Toast To The Good Life
15. Grind Wit Me (G-Mix) (Feat. Sheek Louch & Drawzilla)

Review:
Vor der Entfaltung als Solokünstler ist niemand sicher, hier trifft es Smif-N-Wessun's Tek. Doch wer will es ihm verübeln, sein Partner in Crime Steele hat inzwischen schon zwei Alben vorzuweisen, Tek lediglich einige reudige und gänzlich unbedeutende Mixtapes. Darüber hinaus scheint im Hause Duck Down dank der vielen Signings und des 15-jährigen Jubiläums eine ansteckende Release-Freude zu herrschen, schließlich ist das neue Smif-N-Wessun-Album, produziert von Pete Rock, schon am Horizont zu sehen. Davor ist gerade genug Zeit, noch ein kleines Soloprojekt einzuschieben, das sich "24KT Smoke" nennt und mit satter Verspätung erscheint.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Für jeden, der schon von Cover und Tracklist schwer verunsichert ist, hat spätestens mit der Ankündigung, dass es sich hierbei um eine Mischung aus Street- und radiotauglichem Material handeln soll, der Spaß ein Loch. Wirkliche Spuren von einem Boot-Camp-Release oder gar die Beatminerz als Produzenten sind ein ferner Wunsch, stattdessen muss man seitens der Beats mit einem Haufen Niemande und Leuten wie Illmind und Statik Selektah als Höchstes der Gefühle vorlieb nehmen. Dass Tek darüber hinaus in den letzten Jahren nicht unbedingt an technischer Versiertheit hinzugewonnen hat und auf Albumlänge mitunter anstrengend werden kann, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt, schlägt aber logischerweise ab und an durch. Wenngleich man also schon im Voraus die Unnötigkeit dieses Projekts wahrheitsgemäß prophezeien kann, unternimmt man die erste Tour durch die 15 Tracks, um seine Vermutungen zu bestätigen. Wie zu erwarten trägt Tek seinen Teil dazu bei, vorurteilbehaftete HipHop-Hörer zu bekräftigen, und macht es sich mehr oder weniger im erwarteten Qualitätsstreifen gemütlich. Eingeleitet von einem sehr mäßigen und höchstens beim ersten Hören witzigen (danach nervigen) Intro gibt es gemächlich und routiniert erzählte Raps, denen ein leider viel zu langweiliger Beat-Teppich zugrunde liegt. Man dümpelt zwischen soften Voice-Samples, seichten Percussions und natürlich auch den "Street-Tracks", denen zumeist jeglicher Biss und etwaiger Charme fehlt. Gerade da wird man von "Touchin' That Green" zum ersten Mal von einer härteren Snare und gekonnt geflochtenen Streichern überrascht, selbst wenn der Track mit seiner Hook nicht der attraktivste ist. Ansonsten gibt ironischerweise gerade die Qualität der Songs (anfangs) den roten Faden vor: "Smoke's Theme" ist nicht minder unaufregend als Illmind's "Pushin' Game", das zwar härter konzipiert ist, aber trotzdem dank Ideenlosigkeit in sich zusammenfällt. Dass Tek auf der LP nichts Erwähnenswertes zu erzählen hat, fällt einem da schon gar nicht mehr auf. Das lässt sich auch auf die Gäste, mit denen er sich mit Fortschreiten des Albums umgibt, münzen, denn selbst der einst für legendäre Gastauftritte berüchtigte Rebel INS sieht nur wenig besser aus als sein Lakai Fes Taylor. Der Tiefpunkt wird dann bei "Trunk Fulla Bang" erreicht, einer armseligen Dirty-South-Kopie, in der Tek schlichtweg verloren klingt. Die folgenden Tracks legen dann eine erstaunliche Genießbarkeit an den Tag, retten das Album als Gesamtheit jedoch auch nicht mehr aus seinem Dilemma: "Death Iz Forever 2" bietet leider keine großen Rap-Shows, dafür aber ein rundes Gesamtpaket, "New Luv" und "Forever" leben von gefühlvollen Beats und vor allem von starken Hooks, in "Toast To The Good Life" meistert Tek den simpel-relaxten Song im Alleingang. Den Rest, vor allem den Remix zu "Grind Wit Me", der genauso skippenswert wie sein Original ist, darf man dann wieder getrost vergessen.

Es sollte eine HipHop-Polizei eingeführt werden, die sinnlose und unnötige Releases unterbindet. Dann käme vielleicht nicht jeder einzelne Rapper auf die meist sehr überflüssige Idee, ein eigenes, halbherziges Projekt zu veröffentlichen. Den kleinen Prozentsatz des Aufwands für diese LP, der als produktiv anzusehen ist, hätte Tek lieber in "Monumental" investiert, damit wenigstens dieses (hoffentlich in absehbarer Zeit erscheinende) Album kein Reinfall wird. Dabei mag man sogar noch verwundert sein, dass "24Kt Smoke" eine ganze (wortwörtliche) Handvoll brauchbarer Tracks abgeworfen hat. Zusammen mit den restlichen mittelmäßigen und verwerfenswerten Songs reicht das aber trotzdem nicht, um den Magen eines halbwegs hungrigen HipHop-Hörers halb zu füllen.

4.1 / 10

Ghost - Postcards From The Edge


Release Date:
02. August 2010

Label:
Musicforheads

Tracklist:
01. Postcards from The Edge
02. No More (Ghost Remix) (Feat. Kashmere & Jehst)
03. Neon City
04. CIA
05. Hearts And Minds
06. Orion
07. Ode To AMDM
08. Time Will Tell (Feat. Aeries)
09. LDN
10. Stardust
11. Way With Words (Feat. Aeries)
12. Rainbow
13. Nightwatch

Review:
Über die Jahre hat Ghost es geschafft, sich den Status eines von jeder Seite respektierten Producers zu erarbeiten - bei den verkopftesten HipHop-Puristen ebenso wie bei Heads, die nur sporadisch mit diesem Genre zu tun haben. Mit seinem Sitz im United Kingdom erreichte er ein Publikum, das so breitgestreut ist wie kaum ein anderes. 2009 erschien sein letztes, gefeiertes Werk ("Freedom Of Thought"), im selben Jahr zog Ghost nach Neuseeland (nachdem auch Südamerika und Thailand ausprobiert wurden). Dort hostet er eine Radioshow und findet außerdem Zeit, sein drittes Album aufzunehmen, "Postcards From The Edge", dem ein kostenloses Remix-Album ("Remixes From The Edge") vorausgeht.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Entgegen der vorherigen Werke vertreibt Ghost sein Album diesmal selbst und beschränkt die CD-Pressungen auf 300 Stück. Entsprechend klammheimlich geht die Veröffentlichung vonstatten. Doch auch sonst hat sich einiges geändert. War das erste Album ein Produzentenalbum mit vielen Emcees und hielten sich beim zweiten Instrumentals und gastbesetzte Stücke ungefähr die Waage, hat man es hier nahezu mit einem Instrumental-Album zu tun. Doch da hört es nicht auf, denn nicht nur wechselte Ghost seinen Wohnort, auch die Musik unterwirft er umfassenden Änderungen: Die Samples verabschieden sich und werden durch einen starken Electronica-Einschlag ersetzt. Der Pressetext nennt das "...the next stage of progression", als Ghost-Fan freut man sich höchstens über Ghost's Stillstandsängste, bis man das Album zum ersten Mal gehört hat. Denn unter Kenntnis der ersten beiden LPs ist es kaum möglich, nicht darüber enttäuscht zu sein, dass der Stil, für den man Ghost so sehr schätzt, hier weitesgehend abwesend ist. Natürlich trägt auch der neue Sound seine Handschrift und natürlich packt der Producer auch in seine Electro-Spielereien die altbekannte Liebe fürs Detail. Letztere führt dazu, dass Ghost allerlei Sounds zum Einsatz bringt und diese mit wechselhaftem Erfolg in seinen Songs verbaut. Der Opener, "Postcards From The Edge", beispielsweise ist mehr als nur gewöhnungsbedürftig, hat aber einen gewissen Charme und klärt den Hörer gleich darüber auf, was sich so geändert hat: Statt Streichern gibt es nun die unterschiedlichsten Synthies, Klavier- und Gitarren-Samples weichen dem schon erwähnten Sounddschungel. Es quietscht, zischt, braust und rattert. Das wirft Tracks ab, die wie in "LDN" streckenweise vollkommen neben der Spur laufen, die aber anderenorts höchst interessante Atmosphären aufbauen, beispielsweise in "Stardust". "Orion" wird beschrieben als Soundtrack für Weltraumausflüge und trifft es damit gar nicht so schlecht, während Tracks wie "Nightwatch" Ghost's Fähigkeit, Spannung gekonnt auf- und wieder abzubauen, zur Geltung bringen. Die etwas kurz kommende Fusion mit Raps findet ihre erste Station im offiziellen Remix zu "No More" (im Original von den Foreign Beggars), dem auch nach mehreren wohlwollenden Anläufen nichts abzugewinnen ist. Die anderen beiden Tracks featuren einen gewissen Aeries, der sowohl mit "Time Will Tell" als auch mit "Way With Words" annehmbare, aber weit von früheren Kollabos (man erinnere sich an die Harmonie zwischen Ghost und Abstract Rude) entfernte Ergebnisse erzielt, die es nicht einmal schaffen, aus dem Instrumental-Meer herauszustechen. Als einzigem Song gelingt das "Hearts And Minds", das ganz langsam eine einladende und warme Atmosphäre aufbaut, die am ehesten an den bekannten Ghost erinnert.

So wirklich überzeugt ist man nicht. Bei all den Bonuspunkten, die für kreative und innovative Bestrebungen vergeben werden können, fehlt der LP doch die Herzhaftigkeit, die mit der großartigen Sample-Arbeit auf den vorigen Scheiben Einzug hielt. Nur ganz selten gelingt es Ghost, mit seinen neuen Arbeitsmethoden eine ähnlich bezaubernde Stimmung aufzubauen. Die Wahl des Pensums an eingebundenen Emcees bleibt natürlich ihm überlassen, machte aber gerade bei "Freedom Of Thought" in ihrer Ausgeglichenheit einen gewissen Reiz aus, der hier fehlt. Ghost's Geist lebt allerdings auch in dieser Platte, seine Detailverliebtheit prägt jeden Song und garantiert ein Grundniveau, von dem andere Produzenten nur träumen können. Doch vielleicht gibt es beim nächsten Projekt ja eine Fusion der beiden Stile, was durchaus vielversprechend wäre. Denn wenn Ghost weiterhin gedenkt, nur mit den Methoden von "Postcards From The Edge" zu arbeiten, bleibt es anzuzweifeln, ob er damit je seinen ersten beiden LPs nahekommen wird.

5.7 / 10

Hellsent - False Profit


Release Date:
17. August 2010

Label:
Galapagos4 Records

Tracklist:
01. Capitalism
02. The Endtroduction
03. Fase Profit
04. Number 9 (Remix) (Feat. Qwazaar)
05. For the City
06. Backstab
07. Interlude Style
08. Sun God
09. Insanity
10. The Water Dragon
11. Silver Dollar
12. Radio Inactivity
13. Free (Feat. Tone Skeet)
14. Illegal Tender
15. Leviathan
16. This Road (Feat. Qwazaar & Wes Restless)

Review:
Man weiß schon gar nicht mehr, wie lange es her ist, dass dieses Album zum ersten Mal angekündigt wurde. Viel Zeit und Aufwand habe Hellsent in sein zweites Album gesteckt. Und wenngleich manch einer ein neues Album von Outerlimitz vorgezogen hätte, so wird es niemandem geben, der dem Chicagoer Emcee einen Erfolg mit dieser Scheibe nicht gönnen würde - zumal sein 2006er Debüt, "Rainwater", von der Szene weitesgehend mit Nichtbeachtung beschenkt wurde. Als Label steht immer noch Galapagos4 im Rücken, der Hauptproduzent dagegen wurde gewechselt: "False Profit" wird nicht mehr von OL-Partner Silence, sondern von Max (ebenfalls aus G4-Kreisen) untermalt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Wer sich als Fan des Labels bezeichnet, der wird anzunehmenderweise schon mit Max vertraut sein, da er vor allem mit Robust's 2009er "Grown" als hauptverantwortlicher Beat-Bastler in Erscheinung trat. Doch für alle, die ihn nicht kennen, sei gesagt: Er arbeitet mit einer MPC 2000 und hängt dem Sound der Neunziger hinterher. Das klingt furchtbar langweilig und ist verglichen mit dem, was man von einem Silence kennt, sicherlich auch ein Schritt in eine von vielen Fans nicht gerne gesehene, herkömmlichere Richtung. Gleichzeitig zeigte "Grown" aber, dass Max selbst in diesem Kosmos zu durchaus brauchbarem Material imstande ist, was er auch auf diesem Album wieder beweist. Wovon Hellsent zu sprechen gedenkt, sollte klar sein: Die kapitalistische Profitgier wird im Allgemeinen ins Kreuzfeuer genommen und dazu noch auf die HipHop-Welt projiziert, was einem Geist wie HE natürlich bestens in den Kram passt. "What's the moral of the story? People doin' anything for the fame and the glory" - solche und ähnliche Lines fassen zusammen, worum es geht. Für die Untermalung seiner verbalen Salven wählt er erneut einen eher härteren, düsteren Sound, der jenem von "Rainwater" in Sachen Dichte jedoch nicht das Wasser reichen kann. Stattdessen hat man es mit klaren Drumstrukturen zu tun, denen oft Klaviersamples aufsitzen und denen es an Kraft nicht fehlt. Alles in allem macht Hellsent seine Sache also durchgehend gut, trotzdem hängt das Wissen, dass es auch etwas ausgefallener hätte zugehen können, wie eine dunkle Wolke über der LP. Beim Thema Gäste hält sich HE ähnlich knapp wie auf dem Debüt, von Qwel zu Wes Restless und Tone Skeet ist allerdings ein kleiner Qualitätsverlust zu beklagen. Und während die Zahl gelungener Tracks wirklich beachtlich groß ist, vermisst man außerdem einige Standouts. "The Endtroduction" kommt zumindest schon nahe hin und läutet die erste Runde kraftvoller, ohne unnötigen Schnickschnack lospreschender Songs ein, in die sich auch OL-Partner Qwazaar nahtlos und mit seinem gewohnt starken Stil einfügt. In energischem Tonfall und mit konstant hohem Tempo rauscht HE so durch die erste Hälfte seiner LP, portraitiert über eine knochige Drumline seine Stadt ("For The City"), reimt sich seinen Weg durch einen düster blubbernden Klangvorhang ("False Profit") und erhebt sich über die mittelmäßigen Rapper-Massen ("Sun God"). Erst im zweiten Teil geht teilweise der Treibstoff aus: Nachdem Loose Cannon das Ruder übernommen hat und in "Insanity" ein Vocal-Sample überstrapaziert, kann Max mit einem überragenden Instrumental ("The Water Dragon") noch gut gegenlenken, doch selbst er sackt im Folgenden ins Mittelfeld ab, wo er mit Fifth Element ("Illegal Tender") in bester Gesellschaft ist. Die Lyrics, deren Anliegen man inzwischen schon bestens kennt, können da keine große Initiative mehr ergreifen. Lediglich in "Free" gelingt das mit anschaulichen Schnappschüssen aus dem täglichen Leben, während "Leviathan" (dem einen oder anderen eventuell von der "Black Rain"-Platte bekannt) und "This Road" wieder auf Anfangsniveau klettern.

Trotz des kleinen Durchhängers ins Durchschnittsniveau in der zweiten Hälfte beweist Hellsent auch mit seinem zweiten Album seine Klasse als Emcee. Gleichzeitig unterstreicht er aber auch deutlich, dass ihm kreative und experimentelle Impulse abgehen. Genau deswegen wäre statt der Vollzeitverpflichtung von Max und den Beiträgen von Loose Cannon oder Fifth Element der eine oder andere Kracher von Silence absolut nicht verkehrt gewesen. Nichtsdestoweniger ist "False Profit" ein gutes Album mit einer eigenen Note, die glücklicherweise Hellsent's Signatur trägt. Seine gute Wertung kassiert er trotzdem nur ganz knapp, denn die großen Momente fehlen leider.

6.6 / 10

Hellsent - Rainwater


Release Date:
03. Oktober 2006

Label:
Galapagos4 Records

Tracklist:
01. Armageddon
02. I Got
03. Stick 'Em Up
04. Strong Arm (Feat. Qwazaar)
05. Scitzo (Feat. Silence)
06. Sinkin' (Feat. Silence)
07. Puddles
08. Rainwater
09. Bless U (Feat. Qwel)
10. 8mm
11. Thoughts Of A Dealer
12. Each Day
13. Downpour / Outro

Review:
Er trieb sich vor diesem Release zumeist im Hintergrund herum: He(.)llsent, einer unter vielen Emcees aus dem Chicagoer Untergrund, deshalb aber ganz gewiss nicht gewöhnlich. Wie auch sein langjähriger Kumpel Qwazaar betritt HE die Rap-Bühne mit dem heute nahezu verschollenen Outerlimitz-Debüt, um dann um die Jahrtausendwende auf lokalen Projekten, beispielsweise natürlich beim damaligen Label Frontline, aufzutauchen. Qwa und Hellsent finden nach der Schließung ihres Labels ein neues und bis zum heutigen Tage zuverlässiges Zuhause - Galapagos4. Dort veröffentlicht man 2005 das Gruppenalbum "Suicide Prevention" und erhält durchgehend positive Kritiken. Ein gutes Jahr später wagt dann auch HE das, was sein Kumpel schon Jahre zuvor tat: Mit "Rainwater" bestreitet er sein erstes Soloalbum.

WRITTEN FOR Rap4Fame
Wer noch voller Euphorie und mit "Suicide Prevention" im Hinterkopf an dieses Album herangeht, der mag unter Umständen etwas vor den Kopf gestoßen (weil auf eine falsche Fährte geführt) sein. Schließlich fungiert auch hier Silence, der Regisseur hinter dem Outerlimitz-Album, als Hauptproducer, was die Vermutung nahelegt, mit "Rainwater" eine konsequente Fortsetzung des dort verfolgten, abstrakten und sehr experimentellen Stils vor sich zu haben. Weit gefehlt. "Rainwater" ist konventioneller, was aber im G4-Camp von konventionellem BoomBap immer noch ein gutes Stück entfernt ist. Gleichzeitig ist das Album auch noch eines: düsterer. Silence legt einen geradezu bedrückenden Schleier über die Songs, der nicht davor zurückschreckt, durch etwas Lo-Fi-Charakter zusätzlich an Tiefe zu gewinnen. Dass Hellsent's verbittert-scharfe Stimme sich in solchen Gefilden wohlfühlt, sollte sich selbst erklären. So beschreiten Silence und HE einen neuen gemeinsamen Weg, der (wie auch schon "Suicide Prevention") nicht beim ersten Hörgang zieht, sich aber ebenfalls als sehr fruchtbar herausstellt. Vergleiche zu Qwa's Debüt brauchen gar nicht erst gezogen zu werden, die dortige Fraktion dunkler Produktionen sieht anders aus. Silence schustert meist sehr langsame Instrumentals, die ihre Atmosphäre allmählich aufbauen und so HE bei seiner Arbeit hervorragend unterstützen. Der Emcee nutzt seine Zeit am Mic für gedankenschwere Zeilen, für Kritik an verfallender HipHop-Kultur, aber vor allem auch für Bilder, die der Menschheit ihre eigenen Probleme und Laster aufzeigen und vorwerfen wollen. Bei all den rühmenden Anmerkungen fällt aber ebenso schnell auf, dass die Aneinanderreihung von Highlights, die man eventuell erwartet hat, ausbleibt. "Rainwater" ist ein geschlossener Strang, in dem es durchaus Schwachstellen gibt, die von der Albumatmosphäre jedoch aufgewertet werden. Der Titeltrack, "Rainwater", stellt sich mit beinahe sieben Minuten und seltsamer Klangauswahl als etwas anstrengend heraus, was jedoch nicht weiter stört, da man noch vom "Puddles"-Instrumental und einer tümpeldurchwatenden Geräuschkulisse hypnotisiert ist. Das Zwischenspiel von Meaty Ogre ("I Got") sorgt zu Beginn für frischen Wind, nach dem es dann langsam in den intensiven Mittelteil geht. Dort begrüßt den Hörer ein wie immer hervorragend aufgelegter Qwa und man bekommt in "Stick 'Em Up" eine pianogeschwängerte Großtat, die trotz vehaltener Stimmung so bissig wie die feurigste Schimpftirade gerät. Auch die beiden Tracks mit Silence am Mic (nur sehr fein dosiert) haben es in sich: "Scitzo" schweift gedankenverloren durch die Boxen, "Sinkin'" wird in ähnlichem Tempo von melancholischem Gesang verfeinert. Bevor "8mm" dann die Stimmung etwas (nur minimal) auflockert, bevor es mit "Thoughts Of A Dealer" nochmals pechschwarz wird und sich in "Downpour" ein überragendes Outro findet, wird zusammen mit Qwel in "Bless U" noch eine lyrische und instrumentale, von tief brummendem Beat getriebene Meisterleistung erbracht.

"Rainwater" ist schwere Kost. Nicht aufgrund eines hohen experimentellen Grades, der den Hörer zur Überwindung seiner HipHop-Grenzen zwänge, sondern weil es wenige andere Alben gibt, die eine ähnlich bedrückende Stimmung generieren. Teils einfache, fast immer langsame Klänge fusionieren mit HE's hartem Flow und machen den sonnigsten Tag zur kalten Novembernacht. Aufgrund einiger kleiner Schönheitsfehler gelingt das alles zwar nicht auf demselben Niveau wie sich auf "Suicide Prevention" künstlerisch ausgetobt wurde, doch Vielfältigkeit scheint in OL-Kreisen eine wichtige Rolle spielen, was zum Schluss führt, dass He.llsent und Silence auch eine weitaus weniger reizende Richtung hätten einschlagen können. Wer HipHop für kalte Tage und Nächte in den eigenen vier Wänden sucht, der wird mit "Rainwater" glücklich.

7.4 / 10

Blue Scholars - Bayani


Release Date:
12. Juni 2007

Label:
MassLine Media / Rawkus Records

Tracklist:
01. Baha'i Healing Prayer
02. Second Chapter
03. Opening Salvo
04. North By Northwest
05. Ordinary Guys
06. Still Got Love
07. Bayani
08. Loyalty
09. Fire For The People
10. Xenophobia
11. The Distance
12. Back Home
13. 50 Thousand Deep
14. Morning Of America
15. Joe Metro

Review:
Die Rap-Szenen abseits der großen HipHop-Ballungszentren sind meist recht überschaubar. So verhält es sich auch in Seattle. 2002 gründet sich dort eine der bekanntesten Gruppen der Stadt: Auf der Universität finden ein Produzent, der am Klavier ausgebildete und zuvor bereits in anderen Genres aktive Sabzi, und ein Emcee, der auch im Spoken Word nicht unerfahrene Geologic, zusammen und gründen die "Blue Scholars - eine klare Ansage, dass man es hier mit zwei gewöhnlichen Jungs zu tun hat. Das selbstbetitelte, lokal veröffentlichte Debüt verschafft dem Duo einen kleinen Hype, der schließlich zu einem nationalen Re-Release führt. Die wichtigste Stufe wird jeodch erst mit "Bayani" erklommen, für das Rawkus gewonnen werden kann und das weltweite Beachtung erfährt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
Die Bedeutung des Titels nachzuvollziehen fällt dank leicht auffindbarer Erklärung nicht schwer, ein schöner Kunstgriff ist die Wahl trotzdem. Sie umfasst die Wurzeln beider Mitglieder - die philippinischen von Geo und die iranischen von Sabzi - und sucht ein Wort, das in den beiden zugehörigen Sprachen eine Bedeutung hat. Mit "Held der Massen" bzw. "das Wort" zwar keine weltbewegenden, eine ähnliche Kreativität bei der Namensgebung wäre trotzdem bei vielen anderen Rappern wünschenswert. Beim Style dagegen erfreut man sich über die relative Einzigartigkeit, die Sabzi aus seinen Apparaturen zaubert. Waren seine Produktionen bis zu diesem Zeitpunkt zwar ganz klar in dieselbe lockere Richtung gerichtet, so ist "Bayani" ein erheblicher Schritt nach vorne, nach dem die Beats eine Fülle aufweisen, die ihnen zusätzlichen Hörgenuss sichert. Nach wie vor wird viel mit Klavier gearbeitet, was zusammen mit gefühlvollen Drumlines und der herzlich einladenden Atmosphäre, die sich schon nach dem "Baha'i Healing Prayer" (der Baha'i-Einfluss geht natürlich auf Sabzi zurück) im "Second Chapter" auftut, den Charme der Scheibe ausmacht. An dieser Stelle muss man jedoch auch allen Kritikern vorbeugen und klarstellen: Die Blue Scholars sind ganz tief im traditionellen BoomBap verstrickt und praktizieren diesen auf sehr entspannte Weise. Wem das zu herkömmlich ist, der sollte keine weiteren Gedanken an das Seattle-Duo verschwenden, denn er wird sich auch nicht daran erfreuen können, dass Sabzi mit seinen liebevollen Instrumentals in diesem überschaubaren Kosmos seine eigene Nische findet. Der zweite Beteiligte, Geologic, stellt sich schnell als geeigneter Partner heraus, der dem Hörer sehr ungehetzt alltägliche Gedanken präsentiert, aber auch als Sprecher fürs gemeine Volk fungiert. Gebettet sind die sozioökonomischen Rhymes aus der Sicht des Blue-Collar-Workers meist in die heimatliche Umgebung Seattles. Bahnbrechende Erkenntnise erhält der Hörer vom sozialismusfreundlichen Geo zwar nicht, trotzdem ist es immer angenehm, ihm zuzuhören. Nachdem die LP mit "Ordinary Guys" und "Still Got Love" einen sehr gemächlichen Start hinlegt, nimmt man mit Anpeilen der zweiten Hälfte deutlich Fahrt auf: Der Titeltrack startet mit strammen Snares und läuft sich dann in malerischen Streichern aus, ähnlich wie "Fire For The People", das jedoch stattdessem auf Piano setzt und sich so zum Highlight mausert. Die Abhandlung über Fremdenfeindlichkeit in "The Distance" hätte deutlich mehr Pepp verdient, kurz darauf findet die Platte jedoch ihren Höhepunkt: Der Aufruf "Back Home" geht als sachter Kopfnicker Richtung Irak, "50 Thousand Deep" spielt direkt vor der eigenen Haustür und taucht die 1999er "Seattle Riots", denen Geo als Augenzeuge beiwohnte ("And they call it a riot? I call it a uprising"), in (Polizei-)kritisches Licht. Mit "Joe Metro" setzt sich Sabzi dann mit einem kleinen Juwel eines Beats ein Denkmal, das Geo's Fahrt durch Seattle perfekt untermalt, das jedoch auf der ganzen Welt als Soundtrack für die Heimreise nach einem langen Tag (oder einer langen Nacht) ideal ist.

Ganz unwahr ist es nicht, wenn Kritiker diesem Album vorwerfen, es sei zu langweilig, zu gleichmäßig, zu altbacken, wenn Geo sich anhören muss, er rappe seine Parts zu teilnahmslos und lasse etwa bei "Fire For The People" das Feuer vermissen. Doch das sind keine Kriterien, die dieses Album ins Stolpern bringen, sie halten es lediglich davon ab, ein überragendes Gesamtergebnis zu erzielen. Denn wenngleich gerade Geo's ruhige Art und Sabzi's Beats das Wesen der Blue Scholars ausmachen, gibt es in der ersten Hälfte einige Tracks, die ein wenig Power vermissen lassen. Dass die Blue Scholars es besser können, beweisen sie schließlich in genügend der anderen Tracks. Aber auch mit diesen kleinen Fehlern klopft "Bayani" an der Vier-Kronen-Tür. Und da der Stern der Blue Scholars gerade erst aufgegangen ist, bleibt zu hoffen, dass man sich mit zukünftigen Alben noch steigert.

6.9 / 10

Sonntag, 12. September 2010

The Lost Children Of Babylon - The Equidivium: Where Light Was Created


Release Date:
2001

Label:
Seventh Cathedral Recordings

Tracklist:
01. Intro
02. Where Light Was Created (Chapter One)
03. Will You Be Prepared (When The Elohim Return)
04. Egiptian Magic
05. Cosmic Consciousness
06. Gladiators (Feat. Luminous Flux)
07. As We Become One With The Sun
08. From The Womb Of El Kuluwm
09. The Pythagorean Theorum
10. Book Of Black Light
11. The Mystic Triad (Of Atum Re)
12. Heaven's Mirror (Feat. Luminous Flux & Society Park)
13. Stargate
14. The Seven Thunders
15. Giving Praise (To Mother Nature)
16. Through The Eyes Of An Embryo

Review:
Um das Jahr 1993 stößt ein gewisser Rasul Allahu, ein Moslem, dessen Fragen zum Koran keine Antworten finden, auf die Schriften eines gewissen Dwight York. Die Folgen sollten weitreichend sein. Als von den Sunz Of Man beeinflusster HipHop-Jünger gewinnt er Killah Priest als Mentor und erhält kurze Zeit später eine Anfrage auf Zusammenarbeit von einem gewissen Ikon The Verbal Hologram. Auf Basis gemeinsamer Interessen (unkonventioneller Wege spiritueller Erfahrungen) beschließt man, eine Art Philly-Pendant der Sunz ins Leben zu rufen. Erstes Erzeugnis ist das Debüt der Jedi Mind Tricks, auf dem die damals dreiköpfigen Lost Children Of Babylon erstmals in Erscheinung treten. Als man kurze Zeit später eigene Wege geht, aber noch immer kaum Material veröffentlicht hat, nimmt Rasul das Ruder in die Hand, ruft die inzwischen fünfköpfigen LCOB ins Studio und nimmt mit der Hilfe von DJ Man-E ein Album auf: "The Equidivium: Where Light Was Created".

WRITTEN FOR Rap4Fame
Wohin die Reise geht, deutet schon grob die "Psycho-Social LP" (aus Platzgründen verkürzt) an, die Intensität der hier vermittelten Ansichten und Lehren ist jedoch nochmal eine ganze Stufe höher anzusiedeln. Zum frühen Lineup (Rasul Allahu, Breath Of Judah, Ancient Kemet) gesellen sich mit Richard Raw und Cosmic Crusader zwei weitere selbsternannte Schamanen. Zusammen zelebriert man den von Dwight York begründeten Nuwaubianusmus in allen seinen Formen und noch darüber hinaus. Die zusammengefassten "Weisheiten" versteht und präsentiert man als ersten Teil der Akasha-Chronik, des für eigene Zwecke übernommenen, esoterischen Weltgedächtnisses. Wer sich also diesem Album auf inhaltlicher Ebene nähert, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass er es hier weniger mit den Ideen und Lehren einer militant-afroamerikanischen Bruderschaft zu tun hat, sondern mit einem selbst zusammengesetzten Puzzle, das die Suche nach spirituellen Erfahrungen und die Befriedigung philosophischer und kosmologischer Fragen zum Ziel hat. Wenn man so möchte, sind die Lost Children Of Babylon Schüler eines Pendants zur Theosophie des ausgehenden 19. Jahrhunderts, jedoch aufbauend auf anderen Quellen und Einflüssen. Statt im fernen Osten sieht man die Wiege der späteren Kulturen im alten Ägypten. Damals wie heute ist es nicht möglich, eine solche Weltanschauung ohne unfreiwillige Komik zu vertreten, weshalb man als Hörer neben einer hereinbrechenden Wörterflut, die oft zum Nachschlagen anregt, immer bestens unterhalten ist. Nicht inhaltliche Kohärenz, sondern ausschweifende Verbaleskapaden sind das Ziel. Eines der lyrischen Highlights ist Rasul's Exkurs in die Numerologie ("The Pythagorean Theorum"), in dem das begleitende Film-Sample ("Pi") seine Raps ironischerweise sogar untergräbt. Die bisher noch unerwähnte zweite Komponente der LP sind die Beats von DJ Man-E. Der Herr ist zwar kein Stoupe, doch die von den LCOB eingeschlagene Marschrichtung untermalt er mit Co-Produktion von Rasul meist bestens. Umgeben von Film-Samples (u.a. "Spawn, "Supernova") wird der mystische Charakter der Tracks noch mehr in den Vordergrund gestellt, teilweise vergisst man regelrecht, dass man hier ein HipHop-Album vor sich hat: "Will You Be Prepared" kreiert eine hypnotisch-ruhige Atmosphäre, Tracks wie "Stargate" spielen in anderen Sphären. An einigen Stellen funktioniert das allerdings nicht so recht: "Egiptian Magic" überstrapaziert das Nay-Sample, "The Mystic Triad" gerät durch seine Voice-Samples leicht in Schieflage. Als wahre Freude stellen sich dagegen die durchgehend einzigartigen Rap-Styles heraus: Rich Raw rappt mit ekstatischem Wortstakkato, Rasul in meditativem Singsang, der Rest - aufgrund des nicht am Album beteiligten Breath Of Judah nur zweiköpfig - komplettiert das außergewöhnliche Bild, das diese Truppe abgibt. Und zur großen Freude des Hörers geht die Symbiose aus betörenden Instrumental-Szenarien und prophetischen Raps oft in großartigen Tracks auf: "From The Womb Of El Kuluwm" taucht hauchdünne Voice-Samples in eine Streicherkulisse, "The Seven Thunders" (in dem sogar die Blavatsky Erwähnung findet) punktet mit melancholischem Setting und "Through The Eyes Of An Embryo" sorgt noch einmal für einen packenden Abschluss.

Es fällt schwer, dieses Album nüchtern zu beurteilen. Soll man nun die Lyrics komplett als Humbug abtun? Soll man sie rühmen? Man muss sie in jedem Fall mit genügend Abstand betrachten, was dem Großteil der Hörer nicht schwer fallen wird, da man teilweise erst merkt, was die LCOB murmeln, wenn man mit der Materie halbwegs vertraut ist - an anderen Stellen erkennt jedoch auch der letzte Laie, dass die spirituellen Bestrebungen meilenweit über den gesunden Menschenverstand hinausschießen. Doch zusammen mit der ungewöhnlichen Vortragsweise der Raps und den mystischen Instrumentals übt "The Equidivium" eine einzigartige Faszination aus, die selbst die Schwachpunkte schluckt (und somit knappe vier Kronen erreicht) und die von einem Rap-Album lediglich in Form des Nachfolgers wieder erreicht wurde.

7.8 / 10

Trek Life - Everything Changed Nothing


Release Date:
10. August 2010

Label:
Mello Music Group

Tracklist:
01. Ready to Live (Feat. Olivier Daysoul)
02. Still Never Rains (Feat. J.Bizness, Audio Live & Skeem Price)
03. As The World Turns (Feat. Olivier Daysoul)
04. Everything Changed Nothing (Feat. Olivier Daysoul)
05. Wow
06. What It Is
07. Due West
08. So Supreme
09. I'd Rather Be (Feat. Olivier Daysoul)
10. So LA
11. Jump Out There
12. Might Sound Crazy (Feat. Audio Live, Oddisee & Ralph Real)

Review:
Es ist eine Geschichte wie tausend andere: Ein Junge, der in Los Angeles aufwächst und schließlich von den berüchtigten Vierteln in ein ruhigeres zieht, durchlebt seine Jugend in ständigem Kontakt mit Rap-Musik und entscheidet sich irgendwann, dieses Hobby auf seriöser Basis zu verfolgen. Das erste Lebenszeichen gibt Trek Life 2004 in Form einer Single von sich, zwei Jahre später folgt sein Debütalbum, das bereits mit den Namen Evidence, Babu oder Khalil auftrumpfen kann. Die Folgezeit wird dominiert vom üblichen Procedere, u.a. Shows als Opening-Act für einige große Künstler. Irgendwann kommt Trek in Kontakt mit einem gewissen Oddisee, der direkt das komplette Debüt remixt und Trek auf seinem Label Mello Music einspannt. Damit wäre auch schon alles Nennenswerte vor Trek's erstem vollwertigen Album auf Mello Music, "Everything Changed Nothing", gesagt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Nicht nur klingt die Story vertraut, auch Trek Life selbst klingt, als hätte man ihn bereits irgendwo vernommen. Das liegt weniger an seiner bisherigen Feature-Präsenz als an der vollkommenen Austauschbarkeit seiner Person als Rapper. Es mag hart klingen, einen Rapper für einen nicht selbst verschuldeten Umstand so abzufertigen, doch als HipHop-Junkie hat man in diesem so übersättigten Genre nicht mehr als eine mit halber Kraft nach oben gezogene Augenbraue für den Kalifornier übrig. Ganz uninteressant ist "Everything Changed Nothing" trotzdem nicht, schließlich lässt man sich gerne von altbackenen, aber perfekt ausgeführten Routinen überraschen, während außerdem Oddisse die Komplettproduktion der LP in die Hand nimmt. Mit zwölf Tracks und einer Dreivertelstunde ist das Album zudem kurz und knackig gehalten. Der erste Durchlauf ist also schnell absolviert, und man kann Trek Life nicht wirklich böse sein. Konzipiert als Gute-Laune-Album sorgt das transkontinentale Duo für einige ansehnliche Momente, bietet schönes Sommer-Material und versumpft nie zu sehr in Eintönigkeit. Wichtige Komponente hierfür ist neben Oddisee's Beats Olivier Daysoul, der mit seinen Vocals vor allem den Anfangsteil der Scheibe prägt. Das Album bietet also Oddisee's ohnehin Soul-lastigen Sound, der sich in die Westcoast'schen Gefilde begibt, sich dementsprechend anpasst und noch smoother gehalten ist, überzogen mit milden Hooks und sonnigen Rhymes. Denn wenngleich Trek Life sehr wohl Anspruch auf lyrischen Gehalt erhebt, rotiert er doch stark im Kreis der üblichen Conscious-Themen, die gelegentlich mit ein wenig Storytelling angereichert werden. Außerdem wird es nicht versäumt zu erwähnen, dass man aus dem sonnigen Kalifornien stammt: In "Still Never Rains", "So LA" und dem von schönen Bläsern geleiteten "Due West" wird die Heimat sowohl stolz als auch kritisch zur Sprache gebracht. "Wow" ist eine charmante Widmung an eine Barschönheit, "Ready To Live" inszeniert die Vorstellung des sympathischen Trek Life und dessen positive Lebenseinstellung ("Forget the A/C, roll down the window / Let's feel the night's breeze, turn the beats up / We on the freeway, hittin' the beach up") und "Jump Out There" ist als Ruck an alle Zögerer gedacht. Einer der Stützpfeiler der Platte ist fraglos "So Supreme", für das Oddisee ein Brett eines Kopfnickers aus seinen Instrumenten klopft, was nicht umsonst dazu führt, dass der Song von ESPN für die NBA Finals Highlights auserwählt wurde. Trotzdem kommt man nicht umhin zu bemerken, dass es haufenweise Emcees gegeben hätte, die dank einer größeren Stimmkraft diesem Track mehr abgewonnen hätten. Das trotzdem allgemein saubere Bild der Platte bekommt dann mit "I'd Rather Be" und einer miserablen Bootsy-Collins-Neuinterpretation einen unschönen Kratzer, den man bis zum Ende in Form des mäßig sensationellen "Might Sound Crazy" nicht vergisst.

Das Problem, mit dem Trek Life zu kämpfen hat, liegt nicht bei irgendwelchen technischen Mängeln, sondern bei der Austauschbarkeit, die er am Mic an den Tag legt und für die er kaum etwas kann. Schuld an diesem Problem ist, wie schon erwähnt, eine übersättigte Szene, in der es zig Trek Lifes gibt. Mit Beats von Oddisee erhält er immerhin eine sehr gute Ausgangssituation, aus der er auch ein sehr bekömmliches, leicht verdauliches Sommeralbum kreiert. Dank des starken Umfelds und trotz eines Totalaussetzers lässt sich "Everything Changed Nothing" gut genießen, etwas Besonderes oder gar ein Must-Have ist Trek Life jedoch nicht gelungen.

5.8 / 10

Slum Village - Villa Manifesto


Release Date:
27. Juli 2010

Label:
E1 Entertainment / Ne'Astra Music Group

Tracklist:
01. Bare Witness (Feat. Babu)
02. Lock It Down
03. Scheming (Feat. J Dilla, Posdnuos & Phife Dawg)
04. Earl Flinn
05. Faster (Feat. Colin Munroe)
06. 2000 Beyond (Feat. J Dilla)
07. Dance (Feat. AB)
08. Don't Fight The Feeling (Feat. Dwele)
09. Um Um (Feat. Keys)
10. The Set Up
11. The Reunion Pt. 2
12. Where Do We Go From Here (Feat. Little Brother)
13. We'll Show You (Feat. AB)

Review:
Der Name Slum Village meint dieser Tage nicht nur die legendäre Gruppe, er dient meist auch als Synekdoche für einen ganzen Ast von Detroit-HipHop. Damit hat er weitaus mehr Gewicht, als man bei der von Rückschlägen definierten Gruppengeschichte meinen sollte. Doch vielleicht ist gerade diese das ursprünglich Baatin, T3 und Jay Dee zählende Trio umgebende Tragik, die erst 2009 durch den Tod des gerade wieder eingegliederten Baatin einen neuen schmerzlichen Höhepunkt verpasst bekam, die SV zu etwas Besonderem macht. In jedem Fall wollen die verbleibenden Elzhi und T3 ein Album veröffentlichen, das nicht mit den beiden ebenfalls zu zweit bestrittenen Alben aus den Jahren 2004 und 2005 zu vergleichen, sondern ein Manifest der nie dagewesenen vollköpfigen Truppe sein soll.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
So richtig überzeugend war die durchwachsene EP, die 2009 als Appetizer zu diesem Album erschien, nicht. Wie auf jener EP kümmert sich auch hier Young RJ um den Großteil der Produktion, während der zum inoffiziellen Dilla-Nachfolger erkorene Black Milk durch vollkommene Abwesenheit glänzt. Den Rest des instrumentalen Teppichs füllen zwei Restposten von Dilla sowie Beiträge von Khrysis, Hi-Tek, Mr. Porter und Dave West. Da es als das Album angekündigt war, das der Gruppe SV einen würdigen Schlussstein setzen soll, wurden neben Aufnahmen von Baatin auch noch einige ungenutzte Rhymes von Dilla mit auf die Scheibe gepackt, während Illa J als Spender der Yancey-Essenz ebenfalls präsent ist. Haben sich SV also etwas Besonderes für ihr letztes gemeinsames Werk einfallen lassen oder wird in Little-Brother-Manier mehr schlecht als recht noch ein letztes Album zusammengebastelt? Das "Besondere" an der LP ist, dass man das serviert, was von Fans weithin geschätzt wird: Detroit-Sound à la Slum Villa. Das bedeutet auch auf lyrischer Ebene keine Weltrevolutionen, sondern die nie zu ernst gemeinten Songs, die sich um das schönere Geschlecht drehen, während eine gesunde Portion Bragging ebenfalls nicht fehlen darf. Dabei ist es schön zu beobachten, dass gerade Elzhi, den man aufgrund des Soloerfolgs schon im Mittelpunkt der Scheibe wähnte, ein wenig in den Hintergrund tritt, um für ein Gefühl von Geschlossenheit zu sorgen. Die Startoptionen sind also keinesfalls schlecht, erfahren aber dennoch keine optimale Umsetzung. Natürlich sind die Lady-Tracks etwas geschmeidiger gehalten, an einigen Stellen fehlt jedoch einfach Saft und Kraft: "Don't Fight The Feeling" und "Faster" sind astreine Tracks, denen das gewisse Etwas fehlt, in "Um Um" gehen einem die halb geflüsterten Raps allerdings schnell auf die Nerven. In die Liste der Mängel reiht sich auch "Dance" mit mäßigem Drive und schriller Hook ein, die Hommage an den "Earl Flinn" dagegen rettet sich mit sauberer Arbeit von RJ in den feierbaren Bereich. Auch in "Beyond 2000" sorgt RJ für beste Unterhaltung, diesmal mit einem klassischen Detroit-Kopfnicker. Mehr durch seinen Inhalt fällt "The Reunion Pt. 2" auf, in dem zuerst Baatin seine persönlichen Schizophrenie-Probleme aufrollt, T3 dann von dem Dilemma seiner Wiedervereinigungs-Vision berichtet und schließlich ein sehr unauffälliger Illa J seine Rolle im Villa-Zirkel (mehr oder weniger) erklärt. Der kleine Yancey-Bruder bleibt allgemein sehr blass und trägt weder positiv noch negativ zum Album bei. Durchaus negativ bringt sich Hi-Tek mit dem zum Einschlafen langweiligen "The Set Up" ein. Auf der Suche nach besserem Material landet man bei "Scheming", bei dem wieder eine unwiderstehliche Dame im Vordergrund steht, während Dilla im Himmel zufrieden festellen darf, dass seine zwei Beats der Oberklasse der LP angehören: "Lock It Down" macht mit seinem Gitarrenloop mächtig Dampf, "We'll Show You" stellt sich als gefühlvoll-ruhiger und hervorragender letzter Track heraus.

So ganz das monumentale Manifest zum Abschluss ist es dann doch nicht geworden: Auf der einen Seite wünscht man sich einen oder zwei Kracher mehr, auf der anderen Seite hätten die soften Nummern mehr Finesse und Gefühl an den Tag legen können. Zumindest ist das Album insofern ein Erfolg, als es tatsächlich den Geist aller Beteiligten - lebendig oder tot - wiedergibt, ohne dabei zugunsten einer Person das Gleichgewicht aufzugeben. Und wer weiß, so wie sich zahlreiche Ankündigungen, man wolle eine Gruppe zu Grabe tragen, als unwahr herausstellten, darf man - zumal T3 schon diskrete Andeutungen machte - davon ausgehen, dass "Villa Manifesto" nicht unbedingt das letzte Villa-Album bleiben wird. Ob das nun eine gute oder schlechte Vermutung ist, darf der Optimismus jedes Lesers selbst entscheiden.

6.3 / 10

The Black Market Militia - Black Market Militia


Release Date:
22. März 2005

Label:
Nature Sounds

Tracklist:
01. Children of Children (Feat. Oscar Brown Jr.)
02. Thug Nation
03. Mayday!
04. Audobon Ballroom (Feat. Dead Prez & Savoy)
05. The Struggle
06. Hood Lullabye
07. Gem Star's
08. Righteous Talk
09. The Final Call (Feat. Abiodun Oyewole)
10. Dead Street Scrolls
11. Paintbrush
12. Black Market
13. The Breath Of Life
14. Think Market

Review:
Im Jahr 2003 veröffentlicht QB-Legende Tragedy Khadafi sein Album "Still Reporting". Einer der wesentlich Beteiligten (u.a. als A&R) ist ein gewisser William Cooper, mit dem Khadafi in der Folgezeit auch öfters unterwegs ist. Auf einer Party der Source treffen die beiden Killah Priest, mit dem man sich schnell bestens versteht und mit dem man kurz darauf die ersten Aufnahmen beginnt, die unter dem von Priest erdachten Namen Black Market Militia zusammengefasst werden können. Zwei häufig anwesende Gäste im Studio sind Hell Razah und Timbo King, die aufgrund ihrer hohen Feature-Präsenz kurzerhand in die Gruppe eingegliedert werden und die die BMM komplett machen. Zeugnis dieser harmonischen Sessions ist die 2005 auf Nature Sounds erschienene "Black Market Militia" LP.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Dass auf diesem Schwarzmarkt nicht mit vergänglichem Trend-Ramsch gehandelt wird, sollte von Anfang an klar sein: Wo die drei Killa Beez aus Reihen der Sunz Of Man bzw. Royal Fam (ganz nebenbei machen die drei auch das momentane Lineup der Maccabeez aus) ihre lyrischen Interessensgebiete gesetzt haben, ist kein Geheimnis, Tragedy Khadafi's Mix aus Street-Talk und politischen Verschwörungsgepinsten existiert nicht erst seit gestern und womit sich ein Rapper mit dem Namen William Cooper beschäftigt, klärt für die Unwissenden spätestens das Nachschlagen des Namensgebers. Mit zwei der religiös motiviertesten Vertreter der Wu-Sippe deckt das Einflussgebiet dieses Quintetts alle drei abrahamitischen Religionen ab und vermengt sie mit Five-Percenter-Ideologie, politisch-systemkritischen Gedanken sowie afrozentristischen Ansätzen. Wie das alles unter einen Hut zu bringen ist? Ganz einfach: Was im oft widersprüchlichen Wust, den schon die Aussagen einzelner Mitglieder ergeben, funktioniert, durchschreitet den hier installierten Schmelztiegel, um sich als geeinter, revolutionärer Tonus mit koexistierenden Meinungen und Ansichten über die Rap-Welt zu ergießen. Dank starker Produzenten im Rücken erhält man so einige sehr interessante Tracks. Ein junger Bronze Nazareth hat hier einen seiner ersten Auftritte im Wu-Bereich: Mit einem langsamen Instrumental unterlegt er das Intro, das die Poesie des Oscar Brown Jr. und seines "Children Of Children", ursprünglich vorgetragen beim Def Poetry Jam, als perfekten Einstieg wählt:

"The children of children, by the time they're half-grown, have habits like rabbits, and young of their own.
The children of children, from their mommas' laps, hop down to the ground, to be taken in traps.
The children of children are trapped by dark skins, to stay in and play in, a game no one wins.
The children of children, while still young and sweet are all damned and programmed, for future defeat.
The children of children are trapped by adults, who failed them, then jailed them, to hide the results.
The children of children, unable to cope with systems that twist them, and rob them of hope.
The children of children, the sin and the shame, keep pairing and bearing, and who do you blame?
The children of children cry out everyday, they beg you for rescue and, what do you say?
"

Auch wenn man es der BMM eigentlich nicht anrechnen darf, so fasst Oscar das Anliegen der Scheibe doch bestens zusammen: Kunstvolles Anprangern von Missständen, ganz klar unter dem Aspekt der afro-amerikanischen Bevölkerung, die zum inoffiziellen Feind und Opfer von George Bush und Corporate America erklärt wird. Dasselbe Instrumental findet sich später auch in "Righteous Talk" wieder, einem Interlude-artigen Gespräch, zu dessen Ende Timbo das Mic ergreift. Auch an den restlichen Tracks gibt es wenig zu meckern, was unter anderem an der Stärke der Formation liegt: Die Schwergewichte stehlen sich nicht gegenseitig das Rampenlicht, die einzelnen Parts gehen vollkommen natürlich ineinander über und lassen dabei selbst William Cooper nicht unter den Tisch fallen - auch wenn Tragedy regelmäßig die markantesten Lines spittet ("When I write, the angels cry, tears fall out of the sky / Hit the earth, take human form and fly"). Die BMM passt zusammen und demonstriert das auf den ruhigen Tracks (dem verträumten "Paintbrush" oder dem von gemächlichen Streichern und Voice-Sample begleiteten "Black Market") ebenso wie im abschließenden, düsteren "Think Market" oder dem tatsächlich als Representer funktionieren "Dead Street Scrolls" mit eingängiger Hook. Produziert haben Godz Wrath, die mit insgesamt vier Beiträgen am häufigsten beitragen. So auch "Hood Lullabye", das natürlich vom Straßenalltag erzählt. Ironischerweise ist gerade der Song mit den einzigen Rap-Gästen (Dead Prez) der schwächste und einzige mittelmäßige der LP, der zwischen "Mayday!", in dem Razah und Khadafi die Alarmglocken läuten, oder "The Struggle" völlig untergeht. Weitere Hochkaräter finden sich in "Gem Star's" und dem dramatischen "The Final Call", in dem tragende Streicher die Raps sowie die prophetisch gesprochenen Worte von Last Poet Abiodun Oyewole untermalen und einen äußerst intensiven Track hinterlassen.

Entstanden ist die Black Market Militia eher zufällig und beiläufig, doch die Zusammenkunft führte zu überraschend konstruktiven Ergebnissen. Letztendlich ist die rationale Aussagekraft dieses politischen Albums recht überschaubar (wie bei fast jeder anderen Platte eben auch), was aber nicht über die starken Raps der Schwarzmarktmiliz hinwegtäuschen soll. Den Weg zum Erfolg der LP pflastern die Produzenten, die überraschend und beständig gut gewählt wurden. "Black Market Militia" ist eine klassische Eastcoast-Platte, glücklicherweise aber eine verdammt gute.

8.2 / 10