Dienstag, 5. Juli 2011

Blue Scholars - Cinémetropolis


Release Date:
14. Juni 2011

Label:
Eigenvertrieb

Tracklist:
01. Cinémetropolis
02. Hussein
03. Fou Lee
04. Lalo Schifrin
05. Seijun Suzuki
06. Anna Karina
07. Marion Sunshine
08. Slick Watts
09. George Jackson
10. Oskar Barnack / Oscar Grant
11. Yuri Kochiyama
12. Rani Mukerji
13. Tommy Chong (Feat. Macklemore)
14. Chief Sealth
15. Fin

Review:
In ihrer Heimatstadt sind sie längst so etwas wie Lokalhelden, doch die Blue Scholars sind inzwischen ein Act, der selbst auf internationaler Ebene nicht wenige Anhänger hat. Dabei ließen sie es die letzten Jahre eher ruhig angehen: Hier und da wurde ein Song releast, es gab eine EP, man verbrachte viel Zeit mit Touren und Sabzi (Producer und DJ) zog nach New York. Da man seit jeher via Internet arbeitete, änderte sich an der Arbeitsweise des Duos damit allerdings nichts. Was sich für das dritte Album allerdings geändert hat ist die Label-Situation: Auf Labels möchte man nicht mehr angewiesen sein, sieht selbige nur noch als kostspielige Instanz, die zwischen Künstler und Konsument steht. Also kommt "Cinémetropolis" ohne Label und macht sich die immer beliebter werdende Kickstarter-Kampagne zunutze, bei der mehr als genug Zaster zusammengekommen ist.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Eine Kehrtwende verglichen mit dem bisherigen Sound sowie das ambitionierteste und bisher beste Werk soll "Cinémetropolis" sein. Ein Grundthema liegt der Platte auch zugrunde, so will man sich auf den Tracks damit beschäftigen, wie sehr Film und Fernsehen Einzug ins tägliche Leben gehalten haben und dieses beeinflussen. Passend dazu wird von den gut 60000 Dollar Kickstarter-Backup ein Teil in begleitende Videos fließen. Eine weitere Besonderheit sind die Tracktitel, die fast ausschließlich durch Namen des öffentlichen Lebens inspiriert wurden - von Aktivisten über Sportler bis zu Komponisten und Filmemachern ist einiges dabei. Damit sind also alle Parameter für ein neues, nicht langweiliges Album eingerichtet und man darf sich daran machen, zu analysieren, was die LP wirklich zu bieten hat. Ab der ersten Sekunde fällt auf, dass sich Sabzi die an einigen Stellen geäußerte Kritik, die bisherigen Blue-Scholars-Alben seien zu harmlos, langweilig und austauschbar, offenbar sehr zu Herzen genommen hat. Denn "Cinémetropolis" scheint mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen, nochmals mit solcher Kritik konfrontiert zu werden. Sabzi greift zu vielen Mitteln, um sein Sound-Bild aufzupeppen: Synthies sind Dauergast, die Drum-Patterns wurden neu angestrichen (808s lassen grüßen) und die komplette Rhythmussektion legt nicht selten ein flotteres Tempo vor, als man das etwa von "Bayani" kennt, außerdem begrüßt man den Electro-Einzug in die HipHop-Szene auch auf dieser LP. Das alles klingt zwar nicht langweilig, in trockenen Tüchern ist der instrumentale Teil der Scheibe damit aber noch lange nicht - "Hussein" beispielsweise ist anstrengendes 8-Bit-Gedudel, das zusammen mit Geologic schon gar nicht funktioniert, denn der Emcee der Gruppe ist stimmlich nunmal so schwach besaitet, dass er leicht verloren wirkt. So ist die ganze LP ein Kampf zwischen Spuren des alten BS-Sounds und Sabzi's neuen kreativen Ergüssen, die nur selten funtkionieren, beispielsweise im milden "Lalo Schifrin". Da die Scholars auch immer einen politischen Anspruch erheben, findet man natürlich einige Tracks, auf denen es Interessantes zu hören gibt, das jeweilige Thema lässt sich grob vom Songtitel ableiten: "Oskar Barnack / Oscar Grant" verknüpft den Erfinder der 35mm-Karmera mit dem Oaklander Opfer von Polizeigewalt und ist folglich (verpackt in den provokanten Slogan "Shoot the cops") ein Ruf zu der legalen "Waffe", die jedem zugänglich ist. "Anna Karina" portraitiert eine junge Schauspielerin und erinnert dabei in seiner Art arg an Slug, "Yuri Kochiyama" ist nicht nur einer der wenigen Songs, der (gelungen) auch auf "Bayani" zu hören hätte sein können, sondern huldigt außerdem der namensgebenden Menschnrechtlerin. Das qualitative Gegenteil präsentiert sich in Songs wie dem stinklangweiligen "Chief Sealth" oder (noch wesentlich schlimmer) im unausstehlichen "Slick Watts" - da helfen auch die Shoutouts an sämtliche Nachbarschaften Seattles nichts. Ebenfalls zu meiden ist "Seijun Suzuki", stattdessen höre man lieber "Tommy Chong" zweimal, denn der Track ist nicht nur relaxed produziert, mit "Wikipedia raps" lässt Geo außerdem die Geschichte der Marihuana-Kultur Revue passieren, während Macklemore einen lustigen Gastvers droppt und die Thematik mit Eigenerfahrungen abrundet.

Sie können es einem wohl nicht recht machen: Auf einem Album sind die Blue Scholars zu gutbürgerlich unaufregend und wenn dieses Problem so wie hier schließlich behoben wurde, passt die neu eingeschlagene Richtung nicht. Besonders geschickt stellen sich Sabzi und Geologic bei aller Liebe aber auch nicht an, denn Sabzi's neue Beat-Auswüchse, wenn sie nicht für sich genommen schon mit Glanz und Gloria in die Hose gehen, arbeiten nicht immer zu Geo's Gunsten. So begibt es sich, dass "Cinémetropolis" zwar eine schöne Idee zugrundeliegt, viele störende Faktoren die Zahl der genießbaren Tracks aber erheblich einschränken und eine Empfehlung nur noch bedingt zulassen. Zuversicht, dass es in Zukunft wieder bergauf geht, darf man trotzdem haben.

4.8 / 10

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