Mittwoch, 27. April 2011

Wise Intelligent - The Unconkable Djezuz Djonez


Release Date:
08. Februar 2011

Label:
Intelligent Muzik

Tracklist:
01. Crown of Thornz
02. Introduce Ya Self
03. My Crucifix
04. Water Walker
05. Illuminati
06. Sow Djezuz (Feat. Tye Austin)
07. Somethin' About Mary (Feat. B. Smith)
08. What Would Djezuz Do? (Underdog)
09. Zion (Feat. Rahzii Highpower)
10. Undergroundspiritualgame
11. Hey Brutha Man (Feat. Tye Austin)
12. Mark of Da Beast
13. Intelligent Dezign (Feat. Courtney Danger)
14. Miracles (Feat. Contro'versy)
15. Muthafuckasizhatinonme
16. I Will Die 4 U (Roman Cross)

Review:
Sieben Teile soll Wise Intelligent's "Back 2 School"-Reihe lang werden. Ein ordentliches Ziel, wenn man bedenkt, dass der erste Teil schon wieder fast vier Jahre auf dem Buckel hat. Darüber hinaus erweckte der talentierte Timothy Taylor in der Zwischenzeit nicht gerade den Anschein großer Geschäftigkeit. Zumindest weiß man nun, dass der Schein trügt, denn neben dem Ausbau seines independent operierenden Intelligent Muzik stehen fürs Jahr 2011 zwei Bücher sowie schon der dritte "Back 2 School"-Teil an. An dieser Stelle soll aber erst einmal der zweite ins Kreuzverhör genommen werden, nach dem Lob, das Wise vor vier Jahren einfahren konnte, darf man schließlich gespannt sein, was er sich bei einem Namen wie "The Unconkable Djezuz Djonez" (diesmal ohne auswärtige Label-Unterstützung) hat einfallen lassen.

Djezuz Djonez ist eine von Wise Intelligent erfundene Person, ein weiteres Alter Ego seiner selbst, das als schwerwiegendes Gleichnis die Probleme der heutigen Gesellschaft behandelt - ein Freund inhaltsloser Texte war Wise schließlich noch nie. Vom "modern day Rome" hört man (auch in Rap-Songs) des Öfteren, Wise Intelligent geht noch einen Schritt weiter und bürdet sich selbst die Figur des Messias auf, der dem unterdrückten Volk Hoffnung spenden soll. Ansonsten hat sich nicht übermäßig viel geändert seit der ersten Unterrichtsstunde, die Zahl der Gäste bleibt weiterhin gering und hinter den Boards sind wieder Masada und Paul "PJ" Little Jr., diesmal mit Verstärkung von Big Scott und D-Rel, zu finden - kurz gesagt Niemande allererster Güteklasse. Wo diese Herren schon 2007 der Grund für den einen oder anderen Schwächeanfall waren, brechen sie Wise Intelligent diesmal das Genick. Gegen das, was einem hier teilweise verkauft wird, ist das Cover ein geschmackvolles Meisterwerk. Saft- und kraftlos plätschert ein Großteil der Beats mit vollkommen impotenten Snares vorbei, meist noch bestückt mit müden Samples. Das ist doppelt schade, denn Wise Intelligent zeigt, dass er am Mic noch keinen Zentimeter abgebaut hat und flowt mit jugendlicher Kraft nach Belieben über alles, was ihm über die gesamte Spielzeit hinweg so vorgesetzt wird. Dass in dem, was er zu sagen hat, nicht alles ganz schlüssig ist und dass sich darin einige Wiederholungen finden, stört nur bedingt. Neben der vorherzusehenden Systemkritik lässt Wise es sich nicht nehmen, sich in intellektueller Hinsicht über den Rest der Rapper-Bande zu stellen (zu großen Stücken wohl nicht ganz zu Unrecht). Das ist auf Tracks wie "Introduce Ya Self" sowieso egal - wer sich solche Beats wählt, der ist selbst schuld. Die Ausnahmen sind sehr rar gesäht: "Miracles" bezieht seinen Soul von den Jackson Sisters und importiert den Charme des Samples für die Hook. Auch "Hey Brotha Man" geht gut ins Ohr, hier sorgt Tye Austin für harmonische Vocals, während Wise gewohnt stark aufspielt ("Black Entertainment Television listen, if you're representing Black musicians, you'd be propagating my position"). An genug Stellen findet sich außerdem halbwegs mittelmäßige Kost, "What Would Djezuz Do?" etwa ist wegen der flotten Raps hörenswert. Die können auf Albumlänge jedoch anstrengen, weswegen man Songs wie das ohnehin schwache "Zion" sofort überspringen kann. Im Anfangsteil der LP wird das Jesus-Konzept noch stärker verfolgt, was sich schon an den Titeln ablesen lässt, jedoch keineswegs zu besseren Tracks führt: Die Zeit, die man für "Water Walker", "Crown Of Thornz" oder "My Crucifix" aufbringen muss, ließe sich auch sinnvoller investieren. Dann wäre da schließlich noch "Illuminati". Abgesehen davon, dass die armen Illuminaten inzwischen anscheinend für alles Verschwörungstheoriebezogene herhalten müssen, kritisiert der musikalisch sehr lauwarm untermalte Song idiotische Theorien über den Einfluss der Erleuchteten in die HipHop-Welt und inszeniert sie stattdessen (nicht minder amüsant) als Sklaventreiber, die natürlich in erster Linie das schwarze Volk auf dem Kieker haben.

Ist es zu viel verlangt, vom heilsbringenden Messias der Massen auch ein paar gute Beats zu erwarten? Anscheinend. Es ist ja nicht so, dass Wise Intelligent nicht die Möglichkeit hätte, andere Quellen anzuzapfen, was es umso unverständlicher macht, dass er sich auf einen qualitativ sehr schwankenden Haufen Unbekannter verlässt - vielleicht musste man ja sparen. In jedem Fall präsentiert der unbezwingbare Djezuz Djonez einige interessante textliche Konzepte und vor allem einen immer noch schwer agilen Flow, der definitiv in der ersten Liga mitspielt. Wise Intelligent's drittes Album hätte also durchaus ein Volltreffer werden können, mit den gewählten Beats bleiben allerdings wenige Tracks, die zu empfehlen sind.

4.0 / 10

Zion I & The Grouch - Heroes In The Healing Of The Nation


Release Date:
22. März 2011

Label:
Z&G Music

Tracklist:
01. Invitation (Feat. Brother Ali)
02. Leader
03. Victorious People (Feat. Freeway & The R.O.D. Project)
04. Drop It On The 1
05. It's Goin' Down (Feat. Jacob Hemphill)
06. I Used To Be A Vegan
07. Rockit Man (Feat. Silk E)
08. Be A Father To Your Child (Feat. Roy Ayers)
09. Healing Of The Nation
10. Frankenstein
11. Plead The Fifth (Feat. Codany Holiday, Fashawn & Casual)
12. Test Of Time (Feat. Marty James)
13. Journey To Forever (Feat. Mystic & Eric Rahmney)
14. Like A G (Feat. Los Rakas)

Review:
Selten genug passiert es, dass ein Kollabo-Projekt wie jenes von Zion I und The Grouch, die anno 2006 "Heroes In The City Of Dope" veröffentlichten, in eine zweite Runde geht. Die drei Westküstler gönnen sich für ihr zweites gemeinsames Album sogar ihr eigenes Label, Z&G Music. Den Schritt kann man ihnen natürlich nicht verübeln, schließlich erhielt der Vorgänger ein recht positives Feedback. Das einzig Verwunderliche dabei ist höchstens das Zeitmanagement von Amp Live, der im letzten Jahr sein eigenes Album sowie "Atomic Clock" zu produzieren hatte. Woher genau er also die Zeit für "Heroes In The Healing Of The Nation" nimmt, ist eine Frage, die sich nur mit einer sehr hohen Arbeitsmoral beantworten lässt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Dass die Qualität unter dem hohen Output leiden könnte, war von Anfang an unwahrscheinlich, viel bedeutender sind die teils fragwürdigen Einfälle und Blickrichtungen, die das alternative Duo Zumbi und Amp gerne einschlägt. Das ist auf "Heroes In The Healing Of The Nation" nicht anders, denn The Grouch wirkt keinen merklichen Einfluss auf den Sound aus, wenngleich ihn seine Eingliederung am Mic natürlich trotzdem nicht zum Nebendarsteller degradiert. Zuerst sollte aber kurz auf das Albumkonzept eingegangen werden, das als Fortsetzung des ersten Teils eine positive Botschaft vermitteln soll. Man kann es auf die morbide HipHop-Szene oder die kränkelnde Gesellschaft münzen, Z&G ehren die Helden, die mit kleinen Schritten positive Veränderungen bewirken - "Our heroes are us" heißt es so schön im von Ali gesprochenen Intro. Das erlaubt es Grouch und Zumbi, ein breites Themenspektrum abzugrasen, was auch geschieht. Die heilenden Helden motivieren, hauen selbst auf den Putz und beobachten ihre Umwelt mit scharfem und nie zu ernstem Auge. Vielleicht sogar noch eine ganze Ecke variationsreicher gibt sich Amp Live, dessen Soundteppich wahnwitzige Sprünge aufweist. Da wäre zum Beispiel "Victorious People", ein recht harmloser Kopfnicker mit soften Streichern, der außerdem einen dick aufgetragenen Chorus erhält und an dem es wenig auszusetzen gibt - vor allem die (bei Zion I und den Living Legends fraglos anwesende) Backpacker-Gemeinde wird sich hier freuen, wohingegen direkt im Anschluss mit "Drop It On The 1" eine radikale Kehrtwende eingelegt wird: Synthies fliegen durch die Luft, ein simpler Beat gibt den Takt an, es gibt ein in Dubstep-Sphären abdriftendes Finale und eine vollkommen schräge Hook bohrt sich unmittelbar ins Ohr des Hörers, überzieht dabei die Charme-Grenze jedoch ein wenig. Dieses Problem hat die LP an einigen Stellen: Amp macht zwar durchgehend einen sehr guten Job, bei dem es immer Spaß macht, die vielschichtigen Instrumentals in ihrer Detailverliebtheit und all ihrer Abwechslung nachzuvollziehen, manchmal verrennt er sich jedoch in Sackgassen, aus denen der Song als Ganzes nicht mehr zu retten ist. "Healing Of The Nation" beispielsweise trägt zwar zur Vielfältigkeit bei, stellt sich mit seinen rockigen Gitarren aber als unpassend heraus. "I Used To Be A Vegan" ist recht öde und wird erst durch die Lyrics interessant, die dem Gesundheitswahn und der peniblen Kategorisierung zu Leibe rücken. Erstaunlicherweise ist sogar noch Platz für nicht besondere Tracks: "Rockit Man" ist zusätzlich eintönig und wenig prickelnd, "Plead The Fifth" dagegen geht als Kritik an der voreingenommenen Judikative in Ordnung. Ansonsten geht das Konzept gut auf: "It's Goin' Down" ist allerhöchstes Niveau und verbindet die faszinierend eingängige Stimme von Jacob Hemphill mit Trompeten zu einem poppigen, radiotauglichen und verdammt stimmungsvollen Song, der ironischerweise den harten Alltagskampf zum Thema hat. Bläser und Xylophon veredeln "Be A Father To Your Child", das schon mit dem Titel mehr sagt als ein Großteil anderer Songs, und schließlich wäre da noch der Schlussteil, den man Amp Live nochmal hoch anrechnen muss: "Journey To Forever" bindet seinen Chorus auf ein paar markante Gitarren-Akkorde, während das nachdenkliche Stück in seinen acht Minuten dank hoher Abwechslung nicht langweilig wird, was auch für "Like A G" gilt, das nicht etwa auf Gangster macht, sondern ("like a G.O.D.") nochmals zur Verwirklichung der eigenen Ziele aufruft.

Eines kann man The Grouch und Zion I ganz gewiss nicht vorwerfen, nämlich das Fehlen von progressiven Ideen. Wenn sich andere Künstler auch nur eine Scheibe von der Einzigartigkeit dieses Projekts abschnitten, hätte das Genre ein Problem weniger (selbst auf inhaltlicher Ebene gibt es die eine oder andere Abwechslung). Z&G treiben diesen Variationsreichtum fast schon zu bunt, sodass in ihrem zweiten gemeinsamen Album zu viele verschiedene Dinge stecken, zumal einige davon (nicht nur für den HipHop-Head) weniger erfreuliche Pfade beschreiten. Wenn dabei dieselbe Zahl guter Tracks wie hier herauskommt, wird man das allerdings auch in Zukunft in Kauf nehmen. Für ein Top-Album sollte man sich jedoch etwas fokussieren, denn "Heroes In The Healing Of The Nation" ist dafür doch etwas zu durchwachsen.

6.2 / 10

Da Circle - 360° Deal


Release Date:
22. Februar 2011

Label:
Viper Records

Tracklist:
01. Intro (Wuddup?!?!)
02. Circle Anthem
03. Reality Check
04. Revolution (Feat. Hasan Salaam)
05. Smack
06. Napalm (C.O.W.) (Feat. Immortal Technique)
07. Cuff Da Fists
08. 4 Profits (Feat. Ill Bill & Math Hoffa)
09. Going Crazy
10. Red Devil Lies
11. Time Zone (Feat. Chino XL)
12. Militia (Feat. J Arch, CF & Poison Pen)
13. Swallowtics
14. In Da Groove
15. Spanish Fly
16. Underground
17. Outro

Review:
Welch Glück, dass man sich auch in absehbarer Zeit nicht darüber beschweren können wird, dass die Realness-Prediger im HipHop aussterben. Hier hat man es wieder mit zwei solchen Exemplaren zu tun, genannt Da Circle. Das Duo, das bei der Namenswahl fraglos einen Kreativitätserguss hatte, besteht aus Fatz D' Assassin und Goodtime Slim, welche die Bronx bzw. Brooklyn ihre Heimat nennen. Die beiden besuchten die High School of Graphic Communication Arts und machten ihre ersten Rap-Schritte in einer sechsköpfigen Gruppe, die schnell wieder zerfiel. Als Da Circle setzt man die Bestrebungen fort und gewinnt nach einiger lokaler Aufmerksamkeit in der Battle-Szene den Zuspruch von Ringrichter Poison Pen, was den Bogen zum jetzigen Signing bei Viper Records und dem Debütalbum "360° Deal" spannt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Auch wenn die beiden neben zwei Mixtapes schon ein Album in der Pipeline hatten, das aufgrund negativen Feedbacks an fast allen Ecken und Enden wieder eingestampft wurde, darf "360° Deal" als die erste Reifeprüfung der zwei New Yorker angesehen werden. An Bord von Viper Records und damit als Teil von Immortal Technique's Rebel Army spricht eigentlich alles für politisch geladene Revoluzzer-Kost, wie man sie zumindest nicht überall zu hören bekommt. Doch die äußeren Bedingungen trügen, denn kurz gesagt ist Da Circle nicht viel mehr als ein typischer Eastcoast-Act ohne jedes weitere Markenzeichen. Das herauszufinden ist weder sonderlich schwer noch dauert es besonders lang, nämlich so lange, bis im "Intro" Eddie Murphy und das "Life"-Sample verstummen, um Bunny Sigler's bereits (zu) oft verwendetem "Half A Man" Platz zu machen. Spätestens an dieser Stelle sollte man sich jeglicher törichter Hoffnungen, dass sich auf diesem Album noch etwas ändern, etwas Aufregendes passieren könnte, entledigen. Da Circle sind so haargenau Post-2000-Retro-BoomBap, dass es nicht selten schmerzt. Das mag auf den ersten Blick nicht so aussehen, schließlich finden sich im Producer-Lineup auch Namen wie Buckwild oder Sick Jacken, doch kurz gesagt ist alles an "360° Deal" unangenehm bieder. Das fängt dabei an, dass sowohl Fatz als auch Slim genau so spucken, wie sie aussehen: erwachsen, gemächlich, unaufgeregt. Gerade die Tatsache, dass das Duo als Newcomer trotzdem die souveräne Veteranen-Schiene (man erinnere sich an The UN im Jahre 2004) hätte fahren können, dies aber vollkommen verschläft, ist ärgerlich. Man klingt schlichtweg wie der nächste "Früher war alles besser"-Jammerer, ohne dabei eigene Akzente zu setzen. Fast alle angesprochenen Themen sind dem großen Buch der Austauschbarkeit entnommen, lediglich "Red Devil Lies" hat als Fingerzeig auf das böse Geld als Motivation für Übel einige gute Zeilen parat, doch prompt ist der Beat zum Einschlafen. Ironischerweise wird kurz davor selbst zur Monetenhatz geblasen, wenn Buckwild in "4 Profits" den besten instrumentalen Untersatz der Scheibe serviert. Ansonsten legen Da Circle ausführlich ihre Ansichten über die wahren HipHop-Werte (die gar nicht so verkehrt sind) dar (z.B. "Reality Check"), untergraben sich jedoch beständig durch die eigene Mittelmäßigkeit. Da macht selbst ein Immortal Technique im natürlich systemfeindlichen "C.O.W." keinen großen Spaß, wähernd ein seine Gastgeber an die Wand rappender Chino XL ebenfalls auf recht verlorenem Posten kämpft. "Swallowtics" ist ganz solide gemacht, wenngleich der hundertste Track über orale Blockabfertigung keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlockt - ebensowenig wie feuchte Träume über rassige Latinas in "Spanish Fly". Gut gefertigte Tracks wie "Militia", "In Da Groove" oder das "Outro" sind Schadensbegrenzung, Blumentöpfe gibt's dafür jedoch keine.

Es ist das immergleiche Problem, nur noch etwas verschärfter. Dabei ist es natürlich amüsant, dass Da Circle im festen Glauben ins Feld ziehen, ein Statement für die rechte Sache abzugeben, während ihr Debüt in Wirklichkeit nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass man mit der rezeptgetreuen 08/15-Retro-Schiene nur noch sehr selten etwas reißen kann. Fatz und Slim können nichts dafür, die Szene braucht zwei solche Kerle im Moment einfach nicht. Hart gesprochen kann man Immortal Technique darüber hinaus den Vorwurf machen, dass seine Rebel Army mit solchen Mitgliedern nichts ausrichten wird. Um diesem Theater jedoch ein Ende zu machen: "360° Deal" heißt: zwei ambitionierte Rapper, die nichts Neues zu erzählen haben, ihren Job oft nicht verkehrt machen, aber auf so ausgetretenen Pfaden wandeln, dass der Hörer neben einigen akzeptablen Tracks vorwiegend Gleichgültigkeit verspürt.

3.9 / 10

Beneficence - Sidewalk Science


Release Date:
01. März 2011

Label:
Ill Adrenaline Records

Tracklist:
01. Heavyhitters
02. Monetary Policy (Feat. Roc Marciano)
03. Fight On
04. The Essence (Feat. Truth Enola)
05. Bare Knuckle
06. Royal Dynasty
07. What Would You Do? (Feat. Rob-O & Kazi)
08. Watch You
09. What A King Would Do (Feat. Diamond D)
10. Aim, Fire, Spit (Feat. The Legion)
11. Sidewalk Science
12. Treasures Untold (Solo Version)
13. With My Real People (Feat. Prince Po & Lord Tariq)
14. King of Knights (Part 2)
15. Go Away (Feat. Frank Nitt)
16. Royal Dynasty (Remix) (Feat. Wise Intelligent)
17. Treasures Untold (Bonus Version) (Feat. Diamond D)

Review:
Ganz heimlich, still und leise hat Beneficence schon mehr Jahre im HipHop-Geschäft verbracht als so manch anderer. Doch wen wundert das groß, ist der Rapper aus Jersey's Brick City doch einer von vielen, die in den Neunzigern auf nicht mehr als 12-Inch-Veröffentlichungen (die erste wurde schon '91 aufgenommen und dann erst drei Jahre später veröffentlicht) kommen. Dann zieht es ihn an die Cheney University, wofür die Rap-Karriere vorerst einen Gang zurückgeschaltet wird und die Welt Beneficence vergisst. Als er dann zurückkommt bleibt sein 2004er Debüt "Eye Of The Storm" fast gänzlich unbekannt. Nicht anders ergeht es einige Jahre später "Vocal Sport" und 2009 dann "Holders Of The Key" (mit dem Schweizer DJ LKB). Das vierte Album soll die Wende bringen, "Sidewalk Science" bekommt zumindest schon vor Release etwas Aufmerksamkeit, außerdem tragen sich einige Größen der Szene auf der Gästeliste ein.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die Alarmglocken schrillen, wenn man den Pressetext liest, der die Rückkehr des Neunziger-BoomBap-Sounds verkündet. Das haben schon viele getan und sind dabei in fast selbiger Anzahl gescheitert. Ein erster Indikator, dass man es hier mit einer Ausnahme zu tun haben könnte, stellt die Gästeliste dar, auf der sich erfreulicherweise nicht die immergleichen, bekannten Gesichter und Feature-Rapper finden - von El Da Sensei, zu dem Benef einen guten Draht hat, gibt es auf zudem dem (schon bekannten) Bonus-Track (auf der Vinyl enthalten) einen Auftritt. Die Produktion machen zum Großteil Diamond D (zu dem ebenfalls ein sehr gutes Verhältnis besteht) und DJ LKB unter sich aus, dazu stoßen noch Presto und 12 Finger Dan. Lange um den heißen Brei herumzureden macht an dieser Stelle auch keinen großen Sinn: "Sidewalk Science" ist genau das, was der Pressetext ankündigt und will überhaupt nichts anderes sein. Das klingt wesentlich langweiliger, als es eigentlich ist. Der Grund dafür ist weder offensichtlich noch leicht zu erklären: Beneficence scheint ein Ohr für die richtigen Beats zu haben, denn viele seiner Tracks haben in der Tat das unbeschwerte 90s-Feeling (natürlich in einer 2011er Version) gepachtet, ohne dass dem goldenen Zeitalter je nachgeweint wird. Benef selbst ist dabei sicherlich alles andere als ein Ausnahmetalent, seine recht gewöhnliche Stimme kleidet sich in einen sehr weichen, angenehmen Flow, der gut ins Bild passt. Gerade der Anfang fährt dicke Pluspunkte ein: "Heavyhitters" hätte kaum eine positivere Überraschung sein können: Diamond's Beat schippert mit einer Brise Ninetees sehr relaxed vorbei, während sich Beneficence all jenen, die ihn noch nicht kennen, mit Lines wie "some say if I curse I'd be one of the top spitters" oder "I can give a what about SoundScan, it's really a sound scam / The plan is to keep it astounding" vorstellt. Die nächsten Tracks feuern gleich kräftig weiter: "Monetary Policy" erklärt, warum sich doch alles ums Geld dreht (da passt Roc Marciano als Gast natürlich gut), "The Essence" lehnt sich entspannt zurück und in "Fight On" wird mit einfachen Mitteln ein lyrisch sehr ansprechendes Stück (inklusive starkem Chorus) erschaffen, dem außerdem wieder der richtige Beat zugrunde liegt. Leider sackt die ganze Geschichte dann etwas ab, da sich im späteren Verlauf einige weniger begeisternde Stücke einschleichen: "Royal Dynasty" will nicht so ganz ins Konzept passen und macht erst als Remix am Ende des Albums mit gut gewählter Unterstützung von Wise Intelligent Sinn, andere Tracks ("What A King Would Do", "Aim, Fire, Spit" - so erfreulich es auch ist, dass The Legion aus der Versenkung ausgegraben wurden) kommen nicht aus dem Mittelmaß hinaus, wohingegen LKB's "King Of Knights 2" etwas zu wuchtig für Beneficence's Flow aufspielt. Wesentlich besser funktionieren da die ruhigen Nummern, die zum Glück in gesunder Zahl vertreten sind (als Beispiele seien noch LKB's bester Beitrag, "Watch You", oder "What Would You Do?", eine Ode an den "real" HipHop, genannt).

Egal, wie viele Jahre Beneficence schon im Game zugebracht hat, ohne dabei durchaus verdiente Beachtung zu bekommen, spätestens jetzt sollte sich ein größeres Publikum der Tatsache bewusst werden, dass die Riege der "real emcees" um einen Namen reicher ist, denn Benef strahlt das aus, was die Ewiggestrigen dazu veranlasst, neuen Acts ihr Ohr zu schenken. Mit dieser Fähigkeit bringt er es dann auch zu einer ganzen Reihe exzellenter Songs, die für jeden zu empfehlen sind. Dass er wahrscheinlich nicht der wandlungsfähigste oder technisch versierteste Rapper ist, stört dabei kein Bisschen, ganz im Gegenteil wäre "Sidewalk Science" noch wesentlich besser gewesen, wenn mehr "Heavyhitters"-Kaliber mit von der Partie gewesen wären. Unter den gegebenen Umständen hat das Album einen sehr starken Anfang und bleibt trotz einer Handvoll weniger berauschender Tracks über die gesamte Spielzeit hinweg angenehm im Ohr.

6.7 / 10

Doap Nixon - Gray Poupon


Release Date:
01. März 2011

Label:
Q-Demented

Tracklist:
01. Intro
02. Silent Murders
03. Grand Opening (Feat. Celph Titled & Planetary)
04. Afraid Of Me
05. Jive Turkey's
06. Darkness
07. About Me
08. Words From Kwest (Feat. DJ Kwestion)
09. War Music (Feat. Crypt The Warchild)
10. Power To The People
11. You Need To Know
12. Caucasion SlimeWave (Feat. Killa Rellik, Sick Six, Capo & Burke The Jurke)
13. Burnt Offering
14. Running (Feat. Chief Kamachi) (Bonus Track)
15. Pistol Gang (Bonus Track)

Review:
Doap Nixon ist einer der Jungs, die schlichtweg deshalb Teil der AOTP sind, damit man den Begriff "Army" im Namen zu Recht trägt - einer, der in Videos meist im Hintergrund steht und böse schaut. Kurz gesagt: Ein Weedcarrier, Handtuchhalter oder auch Mitläufer. Im Zuge des Hypes, der der AOTP vor einigen Jahren Auftrieb bescherte, gab ihm Babygrande sogar die Gelegenheit, sein Debüt, eines der "JMT Presents"-Alben, zu veröffentlichen. Dieser Tage pfeift das einst so mächtige Label selbst aus dem letzten Loch, die Jedi Mind Tricks ziehen ihr eigenes Label hoch und haben dabei offensichtlich noch keinen Platz für die ganze Bande. Da kann man sich ausmalen, dass die Zeiten für einen Doap Nixon nicht unbedingt rosig sind. Deshalb nennt er "Gray Poupon" nicht nur sein Sophomore, sondern auch ein Statement, wie stark die AOTP-Familie sei und welche Beharrlichkeit Doap selbst besitze.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Klingt nach einer Kampfansage, die aber noch nicht preisgibt, in welche Richtung Doap mit seinem zweiten Werk zu steuern gedenkt - denn wer das Debüt noch in Erinnerung hat, der wird sich ebenfalls noch daran erinnern, dass Doap damals von allen Seiten ein akzeptables, aber durchgehend austauschbares Zweite-Reihe-Album beschieden wurde. Das kann natürlich für keinen Künstler ein Status sein, auf dem man es beruhen lassen will. Deshalb wäre zumindest die potentielle Zielsetzung eine, die aus den Standardmustern seiner AOTP-Kollegen ein wenig ausbricht, zumal Doap ja auch am Mikro alles andere als eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Doch dann sollte man sich wieder daran erinnern, dass Doap eben doch nur ein Weedcarrier ist, und seine Erwartungshaltung dementsprechend ins rechte Licht rücken - man täte gut daran, wenn man diesem Album entgegentreten will. In der Realität nämlich ist "Gray Poupon" das viertausendachtzigste AOTP-Album mit bekanntem Sound, den üblichen Gästen und vollkommen ohne Überraschungen. Es ist dagegen geradezu (in erschreckender Weise) überraschend, wie sehr dieses Album so ziemlich alles, was man als Standard erwarten würde, abgrast. Um diese Behauptung zu beweisen, muss man lediglich chronologisch vorgehen: Wir starten mit dem "Intro" und ein paar Lines, die klingen, als würde sich Doap selbst Mut zusprechen ("This time around gotta come more lethal / [...] / My flow's legit, I promise you this album"), bis der erste Track ("Silent Murders") mit einem noch recht verhaltenen Instrumental ein wenig die marode Szene umreißt und an die guten alten Zeiten erinnert ("Everything gotta change my nigga, but it changed to a mess"). Das fadenscheinige "Grand Opening" kombiniert so routiniert ein dramatisches Voice-Sample mit den immergleichen Cuts für die Hook, als gäbe es ein Kochbuch, in dem sich solche Tracks nach Belieben rekreieren ließen - da tut es übrigens nichts mehr zur Sache, ob ein Doap Nixon oder ein Celph Titled am Mic steht - das ist solides Mittelmaß, aber sicherlich nicht mehr. Das Standardprogramm geht weiter: "Afraid Of Me" ist der Block-McCloud-Track, für das der überfischte Refrain-Spender mit dem, was er immer tut, wieder maßgetreue Mittelmäßigkeit serviert. Was natürlich ebenfalls nicht fehlen darf sind gepitchte Voice-Samples, die mit "Jive Turkey's" und "Darkness" prompt nachgereicht werden, wobei letzterer Track dabei noch in unglaubwürdiger Weise die Rolle der melancholischen Nummer einnimmt, für die Doap sich in ein paar existenziellen Fragen windet. Ein Interlude von DJ Kwestion (das gelungene "Words From Kwest") wird vor dem mit grauenhafter Hook versehenen "War Music" eingeworfen, bis mit "Power To The People" die Notwendigkeit, Abwechslung ins Spiel zu bringen, verspürt und ein wenig Karibik-Flair versprüht wird. Etwa zu diesem Zeitpunkt ist die Geschichte dann schon gegessen, da reißt ein Kamachi auch nichts mehr raus, ebensowenig wie da mit dem vielleicht besten Song (dem ordentlich produzierten und schön abgeklärten "You Need To Know") noch was zu drehen wäre. Um dies zu unterstreichen reicht man freundlicherweise mit "Caucasion SlimeWave" noch ein Festmahl für wahlweise Abfalleimer oder Toilette nach.

Noch vor einigen Jahren waren selbst Alben wie dieses ganz gut genießbar, fanden sich selbst auf einem solchen Album zwei oder drei Bretter. Orientiert man sich hieran, so ist diese Zeit vorbei. Gleichsam lässt sich somit dem inzwischen so ausgetretenen AOTP-Sound ein ähnliches Schicksal wie einst der Justus League prophezeien: Es wird noch für eine ganze Zeit einige Hartgesottene geben, die ein Album wie "Gray Poupon" feiern, doch der typische Weedcarrier (Paradebeispiel Doap Nixon) wird, wenn er weiter stur mit dem Kopf gegen die Wand rennt und sich nichts Neues einfallen lässt, bald verschwinden. "Gray Poupon" muss schon ohne Highlights auskommen und fällt zu oft in die falsche Richtung aus dem Bereich des Mittelmaßes heraus.

4.1 / 10

John Robinson & Robot Koch - Robot Robinson


Release Date:
29. März 2011 (D) / 12. April 2011 (US)

Label:
Project Mooncircle

Tracklist:
01. Introduction To RR
02. The Future
03. The Planet Is My Canvas
04. The Program
05. Keep On Dancing
06. Smorgasbord
07. Sun RA (Feat. I.D. 4 Windz)
08. Channeling

Review:
Von der HipHop-Perspektive aus betrachtet bestand (bis jetzt) keine unbedingte Notwendigkeit, Robot Koch zu kennen. Das könnte der Berliner jetzt ändern. Ort des Geschehens ist Project Mooncircle, Deutschlands Aushänge-Label für niveauvollen HipHop. Aber eben auch für Electronic, rein zufällig steht Robot Koch nämlich seit 2009 genau dort unter Vertrag. Ansonsten darf man ihn die treibende Kraft hinter dem Trio Jahcoozi nennen, während er seine Finger auch bei vielen anderen Gelegenheiten im Spiel hatte und nebenbei noch ein fähiger DJ ist. Für den weltoffenen HipHop-Konsumenten ist das alles insofern interessant, als ein gewisser John Robinson den nicht dummen Einfall hatte, zu seinem Geburtstag eine konsequenterweise als "Robot Robinson" betitelte Kollabo zu veröffentlichen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Wie es bei Project Mooncircle der ganz normale Standard ist, erhält auch dieses Album ein Kunstwerk als Cover, sodass auf den ersten Blick die einzige Enttäuschung die Kürze ist, bei der man es belassen hat: "Robot Robinson" ist lediglich acht Tracks stark. Davon abgesehn sind es Projekte wie dieses, die die direkte Antwort auf das inzüchtige Sichselbstkopieren der festgefahrenen Fraktion des HipHop-Kosmos darstellen. Zu der hat John Robinson seit den Fondle-'Em-Tagen sowieso noch nie gehört, was sich auch durch spätere Alben mit Scienz Of Life, MF Doom, Lewis Parker oder Carlos Nino nicht geändert hat. Etwaige Zweifel, ob das Duo Robot Robinson überhaupt harmonieren kann, werden schon mit der "Introduction To RR" vom Tisch geräumt: Der Bass brummt und Robinson's einzigartig hell-rauchige Stimme gleitet elegant über die sehr ruhigen Spielereien seines Kameraden. Dass er dabei nicht sonderlich viel Zusammenhängendes erzählt, stört nicht groß, ein übergeordnetes Thema oder konkretes inhaltliches Konzept scheint es nicht zu geben, was erstaunlicherweise in keinster Weise sauer aufstößt - wenn Lil Sci "from Flintstone to Jetsons time to Optimus Prime" durch "The Future" als "unidentified rhyming object with ahead-of-his-time sonics" mit "lasers hotter than the tropics" fliegt und dabei sogar noch Zeit für einen eingängigen Chorus findet, dann glaubt man dem klein gewachsenen New Yorker, was er da an Phrasen zusammenstöpselt. Gerade aufgrund der Kürze der LP ist es sehr wichtig, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine charakteristische Atmosphäre aufgebaut wird, die sich insgesamt durch einen smoothen und relaxten Vibe auszeichnet. Leider geht genau dieser Pluspunkt zur Hälfte verloren, denn "Keep On Dancing" ist kantig und verspielt sein Potential durch eine schnell lästige Hook. Noch mehr akustisches Chaos wird für "Sun RA" aufgefahren, und wenngleich nicht schlecht kommt man so dem starken Anfang ebensowenig wie mit dem minimalistischen "Smorgasbord" (mit kleinem Zeh im Dubstep) mehr nahe. In "The Planet Is My Canvas" bastelt Robot Koch selbst eine wunderbare Hook, "The Program" punktet durch unglaubliche Gelassenheit, während im abschließenden "Channeling" nochmals Robinson's Chorus das größte Manko ausmacht.

Der Anfang ist großartig, ab der Mitte dann unterlaufen der eine oder andere Schönheitsfehler. Das ist schade, denn diese Kollaboration hat ein großes Potential, das man gerne auch auf voller Albumlänge gehört hätte. Hier scheint es, als wolle man zu viel in die 25 Minuten hineinquetschen, weswegen die zweite, hektischere Hälfte nicht vollends funktioniert. Insgesamt ist "Robot Robinson" damit auch weit davon entfernt, ein Must-Have zu sein. Die angekratzten Ansätze sollten nichtsdestoweniger weiterverfolgt werden, was dank der auf Project Mooncircle herrschenden Einstellung anzunehmenderweise auch passieren wird; gerade John Robinson passt ausgezeichnet in Sound-Settings wie das von Robot Koch bereitgestellte.

5.8 / 10

Pharoahe Monch - W.A.R. (We Are Renegades)


Release Date:
22. März 2011

Label:
Duck Down Records

Tracklist:
01. The Warning (Feat. Idris Elba)
02. Calculated Amalgamation
03. Evolve
04. W.A.R. (Feat. Immortal Technique & Vernon Reid)
05. Clap (One Day) (Feat. Showtyme & DJ Boogie Blind)
06. Black Hand Side (Feat. Styles P & Phonte)
07. Let My People Go
08. Shine (Feat. Mela Machinko)
09. Haile Selassie Karate (Feat. Mr. Porter)
10. The Hitman
11. Assassins (Feat. Jean Grae & Royce Da 5'9")
12. The Grand Illusion (Circa 1973) (Feat. Citizen Cope)
13. Still Standing (Feat. Jill Scott)

Review:
Er ist die Definition eines Rap-Unikats und hat nicht nur deswegen hamsterbackenweise Respekt gebunkert. Dies ist umso verwunderlicher, als der Mann aus Queens die Welt in den letzten Jahren nicht mit Alben oder etwa Feature-Auftritten überflutet hat. Ganz im Gegenteil, gemessen an der Länge seiner Karriere gibt es nicht viele Kollegen mit ähnlich geringem Output. Deshalb ist es natürlich etwas Besonderes, wenn Pharoahe Monch sein neues Album ankündigt, deshalb stört es auch nicht groß, ein Jahr darauf zu warten. An dieser Stelle darf man dann kurz ein Dankeschön an Duck Down richten, das einem Künstler wie Monch die Möglichkeit gibt, ein Album wie "W.A.R." nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Selbst das Apronym kann man Monch irgendwie nicht krummnehmen, zumal man es mit dem, was es auf der Scheibe zu hören gibt, immerhin rechtfertigen kann. "We Are Renegades" soll von Anfang bis Ende ein Appell sein. Dieser beschäftigt sich natürlich mit altbekannten Themen, aber in guter Aufbereitung hat das noch niemanden gestört. Und wo schon von guter Aufbereitung die Rede ist, kann man eigentlich gleich beim Intro einsteigen, für das Schauspieler Idris Elba verpflichtet wird. Der Hörer wird in ein düsteres Setting geworfen und lauscht einer mittels noch unbekannter Technologie aus der Zukunft von einem US-Soldaten geschickten Audiobotschaft, die als "Warning" die höchst geheimen Informationen, die das sich anschließende Album sein soll, zum Inhalt hat. So wirklich geheim sind die Infos natürlich nicht, denn Monch's Stil, seine Themen aufzubereiten und dabei die persönliche Note (mit regelmäßigem Wechsel in die erste Person) stark zu gewichten, kennt man nicht erst seit gestern, zumindest bekommt man jedoch mal wieder ein sinnvolles und gutes Intro geboten. Neu, aber keineswegs überraschend sind einige der Produzenten, die hinzugezogen werden, als da wären: M-Phazes mit vier Beiträgen, Exile, Marco Polo und noch einige andere. Doch Namen sind bei P-Monch nicht von Bedeutung, denn der Protagonist wählt sich den Sound, den er für seine Platte haben möchte, bewusst aus, was dazu führt, dass "W.A.R." ein gutes Stück vom Standard entfernt spielt. Wie schon auf "Desire" ist der teils besinnliche, sehr Soul-geschwängerte Anteil wieder gut vertreten, was durch das Hinzuziehen zahlreicher ihre Sache gut machender Sänger noch offensichtlicher wird. Paradebeispiel hierfür ist das grandiose "Let My People Go", das sich mit Chor-Backup und überragender Darbietung von Monch als eines der Juwelen dieser LP manifestiert. Zu den restlichen Tracks gehört auch das aufs Intro folgende, etwas chaotische "Calculated Amalgamation", das beattechnisch vielleicht nicht überragend ist, als verlängerte Einleitung aber bestens funktioniert und vor allem den Weg für "Evolve" ebnet, das als erstes Highlight mit einem ruhigen Beat von Exile mehr als genug Platz für Pharoahe Monch's Ergüsse bietet. Später kommen dann noch besagte Sänger dazu, etwa Mela Machinko mit einer starken Performance in "Shine" oder Phonte für "Black Hand Side". Thema ist zumeist das, was seinerzeit schon die Spirituals füllte: die Situation der afro-amerikanischen Bevölkerung. Ins Kreuzfeuer kommen dabei natürlich auch die weithin geliebten Gesetzeshüter, wie im klassischen M-Phazes-Tune "Clap" (der das aufrüttelnde Albumthema perfekt einfängt). Doch auch ein Pharoahe Monch macht nicht alles richtig: Mr. Porter hätte auf "Haile Selassie Karate" nicht unbedingt sein müssen, "The Hitman" plätschert etwas zu unaufgeregt vor sich hin. Ganz im Gegensatz zu "Assassins", das den Auftritt des Killer-Trios durch ein ausschweifendes Intro amüsant aufbläst, wobei es natürlich unnötig zu erwähnen ist, dass bei einem Aufeinandertreffen von Monch, Grae und Royce in jedem Fall die Fetzen fliegen. Das gilt selbstredend auch, wenn Immortal Technique (offenbar kommt ein politisch motiviertes Album nicht mehr ohne den Hardcore-Sozialisten aus) engagiert wird, wenngleich der Peruaner viel zu grobschlächtig durch die Hook heizt, ohne einen Part dazulassen. Das genaue Gegenteil gibt es in "The Grand Illusion" mit einem wehmütigen Citizen Cope (und einem P-Monch, der sich ein paar schwammige Gedanken über die heutige Gesellschaft macht), während "Still Standing" nochmals die volle Packung Soul rekrutiert und einen erwartungsgemäß pathosgeladenen Ausstieg garantiert.

"W.A.R." hat vielleicht nicht den inhaltlichen Nährwert, den das dramatische Intro verspricht, ist dafür aber von der ersten bis zur letzten Sekunde 100% Pharoahe Monch. Wenige Künstler können sich selbst so treu bleiben, ohne dabei an keiner einzigen Stelle Vorwürfe von Stillstand zu kassieren. Pharoahe scheint das ganz nebenbei zu machen, nur um ein weiteres Mal zu demonstrieren, dass er immer noch zu den besten Emcees gehört, die aktiv im Game unterwegs sind. Dies ist kein Release eines gestrandeten Künstlers, dem Duck Down den letzten Strohhalm gereicht hat, "W.A.R." strotzt alles in allem vor Vitalität. Dass die Höchstnoten trotzdem nicht fallen, ist eher kleinen Macken geschuldet, die sich letzten Endes aufsummieren, außerdem fehlen die ganz großen Momente, zu denen vielleicht ein nicht vertretener, deftiger Kracher hätte zählen können. Beschweren will man sich aber eigentlich nicht, denn Monch's drittes Soloalbum ist auch so empfehlenswert.

6.9 / 10

CunninLynguists - Oneirology


Release Date:
22. März 2011

Label:
A Piece Of Strange Music / QN5 Music / RBC Records

Tracklist:
01. Predormitum (Prologue)
02. Darkness (Dream On) (Feat. Anna Wise)
03. Phantasmata
04. Hard As They Come (Act I) (Feat. Freddie Gibbs)
05. Murder (Act II) (Feat. Big K.R.I.T.)
06. My Habit (I Haven't Changed)
07. Get Ignorant
08. Shattered Dreams
09. Stars Shine Brightest (In The Darkest Of Night) (Feat. Rick Warren)
10. So As Not To Wake You (Interlude)
11. Enemies With Benefits (Feat. Tonedeff)
12. Looking Back (Feat. Anna Wise)
13. Dreams (Feat. Tunji & BJ The Chicago Kid)
14. Hypnopomp (Epilogue) (Feat. Bianca Spriggs)
15. Embers

Review:
Auch wenn es sich nicht so anfühlt, seit "Dirty Acres" sind ganze dreieinhalb Jahre vergangen. Jahre, die natürlich nicht untätig verbracht wurden. Man erinnert sich an die beiden Teile der "Strange Journey", die im Prinzip sowieso als vollwertige Alben anzusehen sind und Natti, Deacon und Kno an der Seite einer Vielzahl an Gästen sahen (unnötig zu erwähnen, dass die CunninLynguists immer eine gute Figur machten). Vor kurzem wagte Kno dann den von Kritikern umjubelten Schritt in die Solo-Welt. Ein unfreiwilliges weiteres Mal geriet die treibende Produzentenkraft hinter CL wegen eines grundlegenden HipHop-Problems, dem Sampling, ins Kreuzfeuer (ironischerweise stellten ihm wohl übereifrige Fans ein Bein), weswegen kürzlich ein pampiger Brief gen Öffentlichkeit geschickt wurde. All diese Stationen führen schließlich zu "Oneirology", dem fünften vollwertigen Album der Gruppe.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die "Strange Journey" diente ein wenig als Spielweise, auf der man die verschiedenen Facetten der CL nochmals durchprobierte, auf "Death Is Silent" gab Kno schon zu erkennen, wofür sein Herz derzeit verstärkt schlägt (neu ist dieser Stil bei den CL schließlich nicht), weswegen es nicht groß verwundert, dass man an dieser Stelle einen Titel wie "Oneirology" zu lesen bekommt - wer sich in ein Gebiet begibt, das bisher noch nicht einmal auf empirischem Weg gesichert wurde, der will viel Raum für Interpretationen lassen. Genau das passiert mit dem Eintritt in die Welt der Träume und deren Deutung. Wie stilvoll man die Geschichte angeht, lässt schon das stattlich gezeichnete Cover erahnen. Kno bestreitet das Album mit zumeist ruhigen, sehr weichen Instrumentals, in denen er seine Stärken - vor allem das lötstellenfreie Einbinden atmosphärischer Voice-Samples (jedweder Clearance-Eskapaden zum Trotz) - voll ausspielen kann. Das geht schon im Stadium des Halbschlafs, symbolisiert durch das "Predormitum"-Intro, auf sehr starke Art und Weise los, nur um fließend in die dreiviertelstündige Schlafphase überzugehen. "Darkness" ist das den Hörer umgebende Motto, in dem eine schöne Hook die Rhymes von Deacon und Natti umspielt, die wiederum in bedeutungsschwer murmelndem Tonfall einen Blick in ihr emotional brach liegendes Inneres gewähren ("I'm feeling faceless heading' for a bitter state / I'm trying to place but my heart ain't even in the race ") - was genau den Jungs über die Leber gelaufen ist, spielt dabei offenbar keine Rolle. Irgendwo zwischen Weltschmerz und der bewusst eingesetzten Kunst der Emo-Raps finden sich nicht wenige der Zeilen auf der Platte, was in gewissem Maße nicht verkehrt, in Kombination mit dem anspruchsvollen Schlummerland-Setting aber ermüdend ist. Genügend Songs fahren jedoch ein anderes Konzept, vor allem die beiden "Act"s, für die man gleich noch zeigt, dass man bei der Wahl der Gäste (nicht die großen Namen, sondern jene, die im Moment einen gewissen Hype erfahren) alles richtig macht. Für "Hard As They Come" wird aus der Sicht dreier echter Killer (Crack, Alkohol, AIDS) erzählt, "Murder" dagegen hebt das Ganze auf globale Ebene, wobei vor allem Natti als "Instrument Religion" den wohl besten Verse des Albums absondert:

"I could use worship as a warship, bible as sword
Turn men and women to minions over heaven's rewards
Promise Islamic bombers heaven's harem of whores
For taking out a couple of floors
[...]
Whoever you praise, I just made it a game
Called winners and sinners, but they one and the same
You can play along with us at home
We livin' in Rome, destined to fall
"

Später im Traum stolpert man dann über das pessimistische "Shattered Dreams", nur um von "Stars Shine Brightest" wieder mit einer (zu einem gewissen Grad widersprüchlichen) positiven Botschaft Mut gemacht zu bekommen, was dem löblichen Anspruch keinen Abbruch tut. An dieser Stelle sind es schon die Beats von Kno, die zeitweise Grund zur Kritik geben: Als instrumentale Untermalung des Traums mögen sie sehr gut geeignet sein, doch vor allem gegen Ende hin passiert etwas zu wenig - "Dreams" etwa ist insgesamt der schwächste (konzeptuell nicht notwendige) Track, woran Kno nicht ganz unbeteiligt ist. Zu smooth, zu unaufgeregt gleiten einige Tracks am Hörer vorbei und werden erst durch die lyrische Dichte aufpoliert. In diese Kategorie fallen "Looking Back" als auch "Get Ignorant", das sich mit Vater Staat und vor allem dessen unmündigen Bürgern beschäftigt. An einigen Stellen wird natürlich trotzdem ganz groß aufgespielt: "My Habit" gibt perfekte Sample-Kunst (illustriert von den Musik-Abhängigen Deacon und Natti) wieder, "Enemies With Benefits" legt mit umwerfend gutem Piano los und ergeht sich anschließend in flottem Tempo in Erzählungen über die Art Ex, die man nie ganz los wird - eine gelungene Umsetzung des Themas Hassliebe. Schließlich wären da noch instrumentale Interludes, wobei vor allem "So As Not To Wake You" der Atmosphäre der LP einen gewaltigen Push gibt. In "Hypnopomp" schließlich fasst Bianca Floyd den Zwiespalt, den das Album zu transportieren versucht, in einer Parabel griechischer Mythologie zusammen, bis mit "Embers" (mit Pitch-Sample) ein etwas zu langsamer Ausstieg aus dem Halbschlaf gewählt wird.

Es gibt viele Dinge, die man dem Album zugute halten kann, angefangen beim Konzept, dessen Komplexität trotz kleiner Schönheitsfehler dem Großteil aller Rapper wohl selbst im Traum nicht einfiele, bis hin zu Kno's Arbeit, die in erster Linie als sehr charakteristisch und gut gewählt zu bezeichnen ist - von den Samples, die klingen, als wären sie nur für dieses Album gemacht, ganz zu schweigen. Das bisher geschlossenste CL-Album wird also nicht umsonst in den Himmel gelobt. Auf der anderen Seite sieht man sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass "Oneirology" einerseits vom Hörer fordert, am Stück gehört zu werden, dass aber genau dann einige Passagen ins Langweilige abdriften, was bei derartig glatt geschliffener Traummusik abzusehen ist. Insgesamt sind das hier also nicht Kno's beste Werke, während die Auftritte am Mic (nicht die Texte) manchmal etwas gedämpft wirken. Alles in allem liegt "Oneirology" nichtsdestoweniger auf einem hohem Niveau, das zwar die vier Kronen verpasst, deshalb wohl trotzdem bei den Top-Alben des Jahres mitmischen können wird.

7.2 / 10

Donnerstag, 14. April 2011

Looptroop Rockers - Professional Dreamers


Release Date:
11. März 2011

Label:
Bad Taste Records

Tracklist:
01. Don't Wanna Wake Up
02. Professional Dreamers
03. Any Day
04. This Music Sounds Better At Night
05. Do (Feat. Gnucci Banana)
06. On Repeat
07. Sweep Me Away
08. Blow Me Away
09. Darkness
10. El Classico
11. Magic (Feat. Chords)
12. Late Nights, Early Mornings
13. Joseph (Feat. Lisa Ekdahl)

Review:
Als Anhänger amerikanischen HipHops hat man nicht viele europäische Acts zu kennen, doch Looptroop sind ein solcher Kandidat, schließlich ist die schwedische Formation seit jeher ein Kritikerliebling. Dass Embee, Promoe, Supreme und CosM.I.C. ihr Ding schon seit vielen Jahren erfolgreich durchziehen, verlangt dabei sowieso einen gewissen Respekt. Für das inzwischen fünfte Album hat man eine Reunion zu feiern, da sich CosM.I.C. zwischenzeitlich in den Hintergrund zurückgezogen hatte. Das Konzept zur Scheibe wird unabhängig von Promoe (der den Titel beiträgt) und Supreme (nachdem ein Bekannter ihm von einem Schlafforscher erzählt) angeregt, dann zusammengetragen und endet schließlich in "Professional Dreamers", das wieder über Bad Taste das Licht der Welt erblickt.
 
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Man wundert sich glatt, wieso die Looptroop Rockers mit diesem Titel nicht schon früher angetanzt sind. Seinen Traum zu leben und damit (genug) Geld zu verdienen ist ein Privileg, das neben den vier Schweden nicht vielen (vor allem wohl den meisten Hörern nicht) vergönnt ist, weshalb das leicht erratbare Anliegen dieses Albums ist, den Hörer in die entsprechende Stimmung zu versetzen. Sollte eigentlich kein großes Problem sein, denkt man sich, und hat natürlich vollkommen Recht, denn Embee weiß an den Boards einmal mehr durchzugreifen. Es dauert nur ungefähr bis zum Anbruch der zweiten Minute im Album, bis man Gewissheit hat, dass Embee weiß, was er zu tun hat - wie sollte es auch anders sein, hat der Mann seinen Trademark-Stil doch über die Jahre hinweg nahezu perfektioniert. Wohin genau die Traumreise geht wird dabei noch nicht vollends enthüllt, die empfangenden, sehr weichen Sounds deuten sowohl auf Electro-Einflüsse als auch auf den klassischen Feel-Good-Sound der Gruppe hin. Nachdem "Don't Wanna Wake Up" also (mit angezogener Handbremse) den Ton vorgegeben hat, legt man im Titeltrack erstmals los. Bei der Frage, welcher Song wohl den bestmöglichen Opener abgeben würde, hat man sich offensichtlich auf eine positiv eingestellte Nummer geeinigt, denn "Professional Dreamers" bedient gekonnt und geschickt das Albumthema, feiert dabei noch die Reunion mit CosM.I.C., motiviert, macht Laune und ist dabei vor allem ungemein smooth und relaxed. Dabei fällt man zwar nicht aus dem Stuhl, entspannt dafür aber die Sitzmuskulatur. Für die restliche LP wartet dann noch ein bisschen mehr: Bei "Any Day" beispielsweise dachte man sich wohl, dass es nicht schaden kann, dem Hörer ein wenig auf den Zeiger zu gehen - ungute Idee. Und wer gedacht hat, Embee marschiert fehlerfrei durch diese 13 Tracks, der hat sich gehörig geschnitten. "On Repeat" soll politischen Protest gegen die rechtsextremen Schwedendemokraten (motiviert durch deren Einzug ins Parlament) ausdrücken, mit dem Geräusch ins Schloss fallender Türen ist es allerdings noch nicht getan. Wo jenem Track also das wütende Element zur Untermalung der Raps fehlt, scheint in "Do" die Energie überzuquillen, was sich in einem anstrengend temporeich bouncenden Beat äußert, was wiederum mit Aufforderungen, weniger zu reden und mehr zu agieren, ebenfalls besser hätte umgesetzt werden können. Glücklicherweise lässt man es bei den weiteren Songs ruhiger angehen, "Darkness" beispielsweise mutet als der beinahe obligatorische melancholische Semi-Emo-Track zwar etwas aufgesetzt an, wurde als Heimspiel für Looptroop allerdings ohne Probleme umgesetzt. "Magic" ergeht sich in angenehm gebetteter Dankbarkeit über das, was Promoe & Co. vergönnt ist (der Song wird mit schlafwandlerischer Sicherheit in trockene Tücher gebracht), "Sweep Me Away" dagegen fehlt inklusive Anhängseltrack ein wenig der Saft für ein Highlight. Als solche entpuppen sich, nachdem man sich im "Clasico" auf die eigene Schulter geklopft hat, die letzten beiden Stücke, wobei "Late Nights, Early Mornings" mit Embee-typischem Akkordeon die in sozialer Hinsicht weniger berauschenden Aspekte des Musiker- und Tour-Lebens elaboriert und "Joseph" schließlich als großartiger Abschluss sowohl instrumental als auch textlich zu großer Klasse aufläuft und (neben anderen, weniger einprägsamen Verses, u.a. mit einem Suizidalen) vom todkranken Joseph berichtet, für den die Musik von Looptroop eine wichtige Rolle spielte.

Looptroop schlängeln sich nicht ohne Blessuren und Seitenhiebe durch den ewigkritischen Rap4Fame-Album-Parkour, stehen letzten Endes aber doch etwas besser da, als man meinen möchte. Das liegt an der stattlichen Atmosphäre, die während dieses professionellen Traums aufgebaut wird und einige der Ungereimtheiten vergessen macht. Nichtsdestotrotz hat das fünfte Album der Schweden seine Macken und Fehltritte, die bei den hohen Ansprüchen, die allgemein an die Gruppe gestellt werden, schmerzen können. Wer "Professional Dreamers" also zu hören gedenkt, der sollte dies am Stück tun, denn nur dann baut sich die LP zu einem fast durchwegs gelungenen Hörerlebnis mit starkem Finale auf.

6.5 / 10

Reks - R.E.K.S. (Rhythmatic Eternal King Supreme)


Release Date:
08. März 2011

Label:
Brick Records / Showoff Records

Tracklist:
01. 25th Hour
02. Thin Line
03. Limelight
04. Kill 'Em
05. This Or That
06. Why Cry (Feat. Styles P)
07. Face Off (Feat. Termanology)
08. The Wonder Years
09. This Is Me (Feat. DJ Corbet)
10. Mr. Nobody
11. The Underdog
12. U Know (Feat. Freeway)
13. Cigarettes (Feat. Lil Fame & Atticabarz)
14. Mascara (The Ugly Truth)
15. Like A Star
16. Self Titled (Bonus)

Review:
Das Phänomen Reks geht in die nächste Runde. Es ist rückblickend immer noch erstaunlich, wie der vielversprechende Jungspund seinen Eintritt in die Szene mit einem starken Album feierte, nur um dann jahrelang in eine Halbexistenz abzudriften und 2008 auf den Showoff-/ Brick-Zug aufzuspringen und ein fulminantes Comeback zu feiern. Wenige haben den kollektiven Retro-BoomBap-Nerv so gut getroffen wie "Grey Hairs". Inzwischen sind wieder zweieinhalb Jahre ins Land gezogen, Reks hat seinen schon verloren geglaubten Platz als bekanntes Gesicht am Eastcoast-Stammtisch mit einigen Feature-Auftritten weiter gefestigt und schickt sich nun an, mit "R.E.K.S." wieder Sympathien von BoomBap-affinen Hörern und Kritikern einzuheimsen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Überraschungen gibt es auf "Rhythmatic Eternal King Supreme" (wieso muss alles zu einem grauenhaften Backronym verschandelt werden?) keine: Vielleicht hätte man ein paar mehr Gäste erwartet, vielleicht mehr als fünf Beats von Statik Selektah, doch das war's auch schon. DJ Premier, Hi-Tek, Nottz, Pete Rock, The Alchemist und weitere machen ihre Aufwartung und versprechen (zumindest theoretisch) einen interessanten Sound-Teppich. Alles was Reks nun noch zu tun hat, ist dafür Sorge zu tragen, dass sein Album nicht zu einem konzeptlosen, langweiligen BoomBap-Faultier, wie man es schon tausendfach gesehen und gehört hat, verkommt. Anscheinend eine recht schwere Aufgabe für jemanden wie Reks, denn "R.E.K.S." ist praktisch ein "More Grey Hairs 2" geworden und steuert damit direkt in oben beschriebenes Fiasko. Doch schön der Reihe nach, schließlich läutet Reks die Eröffnungsglocken zusammen mit Premo und "25th Hour" - keine wirkliche Offenbarung, doch Premier hat schon Schlechteres abgeliefert. Bei Aufrufen wie "It's now or never - we gotta get it for it's gone forever" seitens Reks fühlt man sich zwar nicht wirklich wachgerüttelt, sein Flow und die verfeuerte Energie gleichen das aber mühelos aus. Es folgen 15 weitere Tracks, die mal ganz gelungen und viel zu oft berechenbar geraten. Ein gutes Beispiel wäre da beispielsweise "This Or That", dessen Sample vor gar nicht allzu langer Zeit von Frank Dukes weitaus attraktiver geflippt wurde - da kann Reks eigentlich tun, was er will, die Existenzberechtigung dieses Stücks entbehrt ob der Performance von Ghostface und Gästen auf "Apollo Kids" jeder Grundlage. Mit diesem Problem muss sich das Album aber sonst nicht herumschlagen, die weitaus schlimmeren Untaten sind Tracks wie "The Wonder Years", deren lahmen Ödnis-Beats auch ein Reks nichts mehr abgewinnen kann. Der Protagonist beweist mit seinen Inhalten im Übrigen keinen enormen Ideenreichtum, die standardgemäßge True-School-Attitüde bekommt von einigen autobiographischen Elementen, die wiederum Kritik an den Übeln des Ghetto-Daseins motivieren, Gesellschaft. Letztendlich sind es dabei die Beats, die entscheiden, ob ein Song besteht - was eine recht eindeutige Schwarz-Weiß-Einteilung zulässt: "This Is Me" gewinnt seine Lorbeeren schön unaufgeregt und mit einer Abwechslung ins Album bringenden Hook, exakt dasselbe gilt für "Mr. Nobody" und "Like A Star" (zumal beide ebenfalls persönliche Themen ansprechen), während Reks für "The Underdog" neben der Darlegung der eigenen Ziele zeitweise noch in seine Braggadocio-Pantoffeln schlüpft. Der Rest der Tracks zeichnet sich (ausgenommen Pete Rock's "Thin Line") vorwiegend durch geringen Nährwert aus, Gäste wie Freeway und (vor allem) Termanology treten in für sie ungünstigen Tracks auf und sind keine wirkliche Bereicherung. Themen wie das Namedropping-/Propsgiving-Ungetüm "Kill 'Em" oder das mit dem überschaubaren eigenen Ruhm spielende "Limelight" sind ganz nett, täuschen aber ebenfalls nicht über die maue Produktion hinweg. So ziemlich das einzige Highlight der Platte ist das finale "Self Titled", ein Piano-Arrangement, das ungeahnt Laune macht und nebenzu als ambitionierter Rückblick auf Corey's Werdegang als Emcee nett anzuhören ist.

Wahrscheinlich wird Reks mit dieser Scheibe weiterhin ein Liebling jener Leute bleiben, die schon "Grey Hairs" in den Himmel lobten. Doch ungeachtet dessen, wie sehr man den Vorgänger nun mochte, ist Reks' drittes offizielles Album in ermüdender Weise nichts Neues. In diesem Fall läuft es aber nicht nur darauf hinaus, wie sehr man nun Standard toleriert, es kommen das Fehlen einer notwendigen Zahl an Highlights sowie ein Haufen skipwürdiger Tracks hinzu, die "R.E.K.S." zu Mittelmaß machen und darüber hinaus sogar den Zugang in die Riege der austauschbaren Alben, die man bei Bedarf einer bideren Portion BoomBap injizieren sollte, ins Wanken bringen. Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauern wird, bis Reks selbst zu dieser Erkenntnis kommt.

5.3 / 10

Lupe Fiasco - Lasers


Release Date:
08. März 2011

Label:
Atlantic Records

Tracklist:
01. Letting Go (Feat. Sarah Green)
02. Words I Never Said (Feat. Skylar Grey)
03. Till I Get There
04. I Don't Wanna Care Right Now (Feat. MDMA)
05. Out Of My Head (Feat. Trey Songz)
06. The Show Goes On
07. Beautiful Lasers (Two Ways) (Feat. MDMA)
08. Coming up (Feat. MDMA)
09. State Run Radio (Feat. Matt Mahaffey)
10. Break The Chain (Feat. Eric Turner & Sway)
11. All Black Everything
12. Never Forget You (Feat. John Legend)

Review:
Selbst einem Publikumsliebling wie Lupe Fiasco bleiben die unerfreulichen Aspekte das Major-Label-Daseins wohl nicht erspart. Über drei Jahre hat es seit "The Cool" gedauert, und in dieser Zeit durfte Lupe's nicht kleine Fan-Base miterleben, wie sich das eigentliche nächste Album "LupE.N.D." teilte, wie Titel gewechselt wurden und wie man schließlich bei "Lasers" - einem Wort, das dem Herrn Fiasco laut Eigenaussage schon immer gefiel - landete. Die Zahl der Tracks, die in der Zwischenzeit veröffentlicht und wieder vergessen wurden, ist ebenfalls beachtlich, letzten Endes scheint Atlantic sogar mit dem Gedanken gespielt zu haben, "Lasers" gar nicht zu veröffentlichen, was prompt eine Fan-Kampagne nach sich zog, mit deren Hilfe das Album nun erscheint.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Lupe selbst vertritt zu dem Album eine komische Meinung: Die Musik sei dope, doch wenn er an die Tracks und die qualvollen Eskapaden, die deren Entstehung mit sich zog, denke, bleibe nur ein neutrales Gesamtbild. Eskapaden, die anscheinend so schlimm waren, dass der arme Lupe zwischenzeitlich suizidale Gedanken hegte - es soll sogar Leute auf der Welt geben, die noch schlimmere Probleme haben. Die bedenklichen Botschaften reißen an dieser Stelle allerdings nicht ab: Entgegen "The Cool" gibt es diesmal kein Konzept, "Lasers" sei eine lose Ansammlung adäquat gesinnter Tracks. Da Lupe ebenfalls verlauten ließ, dass man viel radiotaugliches Material und insgesamt positive Vibes finden werden könne, konnte man sich diese Gesinnung schon vorab zusammenreimen. Es scheint also, als sei der zweite Interpret der Scheibe Atlantic Records. Da verwundert es kaum, dass die ersten Reaktionen der Medienwelt sehr schwankend ausfielen. Der Grund: "Lasers" sei zu poppig, zu verwässert, zu R'n'B-lastig, inhaltlich morsch und überhaupt nicht so, wie Lupe zu sein habe. Ja, es wird nach Kräften gemeckert und geweint, ganz offensichtlich mehr, als auf die Musik gehört wird. An jener Front nämlich knüpft Lupe mit dem Opener "Letting Go" mehr oder weniger bei "The Cool" an und kickt trübselige Lines über einen atmosphärisch ähnlich ausgerichteten Musikuntersatz. Auch mit dem zweiten Track bleiben die Korken auf den Flaschen, "Words I Never Said" rumpelt Drum-schwer mit Synthies ein und gibt einen akzeptablen Untersatz für grob als Systemkritik zusammenzufassendes, ausschweifendes Gebrabbel, das hier mal die US-Außenpolitik ankratzt, an anderer Stelle gegen Obama feuert (denn pro Obama ist dieser Tage schließlich nicht mehr angesagt) und den Nahostkonflikt mit einem oberflächlichen Auftritt einplant - insgesamt also genau der substanzlose Mix, den man bei Conscious-Rappern gerne lobt. Trotzdem bedankt man sich für die Denkanstöße und begibt sich in den wesentlich fröhlicheren Hauptteil. Steter Begleiter sind Lupe's Gäste, denen hauptsächlich das Ausgestalten der Hooks zufällt. Sie sind es zumeist auch, die diesem Hauptteil den anscheinend nicht ganz willkommenen, radiotauglichen Charakter verpassen. Ein Track wie "Out Of My Head" ist zwar selbst ohne den leicht feminin säuselnden Trey Songz Streichelzoo-Material, doch auch so wurde das alles schon wesentlich schlechter abgewickelt. Für unbeschwerten, leicht verdaulichen Rap mit positiver Message wende man sich an "The Show Goes On", eine perfekte Gratwanderung zwischen lockerer Eleganz und derzeit angesagtem Mainstream-Sound, oder wahlweise "Till I Get There", bei dem ein einfacher Piano-Loop sowie Kick und Snare für gute Laune und einen Lupe, wie man ihn auch auf "The Cool" hätte finden können, sorgen. Fehlerfrei ist die LP natürlich nicht: Was mit "State Run Radio" bezweckt werden wollte, bleibt unklar, "Beautiful Lasers" versagt trotz solider Emo-Lyrics, die Lupe's depressive Phase während der Aufnahmen zum Album behandeln, auf Sound-Ebene als auch in der Hook, für die der ehemalige Pooh Bear und nun MDMA nervtötend croont. Seine beiden weiteren Auftritte sehen da schon besser aus, wenngleich er lediglich das Mainstream-Appeal garantierende Werkzeug ist, dessen Auftritte an keiner Stelle essenziell sind. Gerade ein Song wie "I Don't Wanna Care Right Now" besticht vorrangig mit feschem Electro-Sumpf und einem bombenstark aufgelegten Lupe. "Coming Up" ist eine weitere Feel-Good-Nummer, in die MDMA (erneut mit Auto-Tune) sogar recht gut passt. Mit "Break The Chain" schließt sich ein pseudo-tiefgründiger Song an, den man (Sway hin oder her) schnell vergessen hat, das nette "All Black Everything" (Lupe's Lieblingssong auf der Platte) malt ein Luftschloss, das kurz gesagt keinen Rassismus kennt und eine utopische Welt beschreibt, zu deren Verwirklichung Lupe gegen Ende aufruft. Als krönender Abschluss bleibt noch "Never Forget You", das ein großartig träumerisches Instrumental auffährt, während John Legend demonstriert, wie eine Hook zu klingen hat, und Lupe sich an diverse Ereignisse seines Lebenswegs zurückerinnert.

An dieser Stelle muss gefragt werden, woher die überwiegende Kritik an dieser Platte kommt. Mal abgesehen vom total bescheuerten Backronym, in das der Titel gezwängt wurde, verrichtet Lupe unter den anzunehmenden Atlantic-Vorgaben einen guten Job. Ohne Frage hätte das alles nicht ganz so Mainstream-fixiert sein müssen, zweifelsohne hört man an einigen Stellen, dass sich Elemente in Songs finden, die ein Independent-Release wahrscheinlich nicht mit sich gebracht hätte, bezüglich der Texte wird keine Revolution angezettelt und darüber hinaus ist "Lasers" auch kein überragendes Album. Doch wer beschwert sich, dass dieser Lupe nicht mehr der alte sei? Schon zwischen "Food & Liquor" und "The Cool" klafft eine beachtliche Lücke, und jene zwischen "The Cool" und "Lasers" ist keinesfalls größer. Man sollte das "Konzept", unter dem die hier zu hörenden Tracks ausgewählt wurden, akzeptieren und genießen, was Lupe daraus gemacht hat, denn Pop-Rap wird an wenigen anderen Orten so gut umgesetzt wie bei Lupe Fiasco.

6.0 / 10

Raekwon - Shaolin Vs. Wu-Tang


Release Date:
08. März 2011

Label:
Ice H20 Records / EMI Records

Tracklist:
01. Shaolin Vs. Wu-Tang
02. Every Soldier In The Hood (Feat. Method Man)
03. Silver Rings (Feat. Ghostface Killah)
04. Chop Chop Ninja (Feat. Inspectah Deck & Estelle)
05. Butter Knives
06. Snake Pond
07. Crane Style (Feat. Busta Rhymes)
08. Rock N Roll (Feat. Ghostface Killah, Jim Jones & Kobe)
09. Rich & Black (Feat. Nas)
10. From The Hills (Feat. Method Man & Raheem DeVaughn)
11. Last Trip To Scotland (Feat. Lloyd Banks)
12. Ferry Boat Killaz
13. Dart School
14. Molasses (Feat. Rick Ross & Ghostface Killah)
15. The Scroll
16. Masters Of Our Fate (Feat. Black Thought)
17. Wu-Chant (Outro)

Review:
Woher die Euphoriewelle kommt bzw. kam, die Raekwon's Comeback unter die schwer relevanten Künstler in den Himmel schoss und nach wie vor antreibt, ist immer noch nicht ganz nachzuvollziehen. "OB4CL2" ist ein gutes Album, doch nach wie vor nicht der Heilsbringer, zu dem es an einigen Orten hochstilisiert wird. Doch Raekwon teilte der HipHop-Gemeinde zumindest mit, dass man auf Albumlänge noch mit ihm rechnen kann - was die Mogelpackung mit Meth und Ghost im letzten Jahr dann zugleich wieder in Frage stellte. Die Vorgeschichte zu hiesigem Album reicht allerdings noch ein Stückchen weiter zurück, nämlich bekanntermaßen bis zu "8 Diagrams". Aus der Unzufriedenheit über diese LP heraus gebar Raekwon die Idee eines Wu-Albums ohne den Abbot. Zum Glück blieb es bei der Idee, den ebenfalls schon entworfenen Albumtitel krallte sich Rae dann kurzerhand für sein eigenes Solo: "Shaolin Vs. Wu-Tang".

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Der Titel passt so gut zu einem Album aus dem Wu-Kreis, dass man ihn fast schon einfallslos nennen möchte. Aus wenigen anderen Kung-Fu-Flicks wurde öfter gesampelt, schließlich bietet das Thema der zwei durch Intrigen entzweiten Freunde, die den zwei verschiedenen Schulen angehören, nur um letztendlich den Shaolin- und den Wu-Tang-Stil als Einheit zu erkennen, zahlreiche würdige Dialoge. Raekwon setzt das Konzept auf einen inneren Kampf zwischen seiner Wu-Tang- und seiner Staten-Island-Seite, die schon vor der Gründung des Clans ausgeprägt war, um. Konsequent hinsichtlich des ursprünglichen, RZA-losen Konzepts, dafür umso fragwürdiger bezüglich einer Umsetzung der Wu-Tang-Seite ist das Fehlen des Prinzen Rakeem, an dessen Stelle einerseits Namen wie Bronze Nazareth, Cilvaringz und Mathematics, aber auch Sean C & LV, DJ Khalil, Scram Jones, Alchemist und Oh No die Producer-Tribüne füllen. Weiterhin untypisch ist eine große Zahl auswärtiger Gäste, während die Wu-Bande in überschaubarer Zahl konsultiert wird. Als Wu-Fan (wie auch als normaler Beobachter) kann man dieser ganzen Geschichte also nur sehr skeptisch gegenüberstehen, zumal Raekwon auch noch dem Erfolg seines vorigen Albums hinterherlaufen muss. Scram Jones kommt die Aufgabe zu, den Startschuss ansprechend zu untermalen, und er trifft mit einer der Schlüsselszenen aus dem Titelfilm (dem intrigierten Auslöser der Fehde) keine schlechte Wahl, während die kurz darauf einsetzenden, sehr hektischen Streicher dagegen durchaus besser inszeniert hätten werden können. Doch Raekwon kriegt mit der Wahl seiner Beats recht schnell die Kurve und somit sein Album in Fahrt. Auffallend ist dabei der recht exzessive Gebrauch von Kung-Fu-Samples, der in der Theorie nach aufgezwungener Atmosphäre klingt, zumeist aber doch recht gut funktioniert. Als natürlicher Katalysator hilft es natürlich beim Zusammenspiel der verschiedenen Produzenten, doch auch so muss man zugeben, dass fast jeder Beatbastler seine feinste RZA-Interpretation aus dem Ärmel schüttelt, weswegen ein paradoxes Szenario wie "Chop Chop Ninja", in dem Deck und Rae über ein minimalistisches Instrumental, das hauptsächlich vom Sample fliegender Fäuste lebt, flowen, während Estelle eine butterweiche Hook zwischensäuselt, nicht verkehrt klingt. Raheem DeVaughn versucht Ähnliches in "From The Hills", hier reicht es allerdings nur zu seichter Mittelmäßigkeit. Darüber hinaus gibt es noch weitere Stationen, bei denen nicht alles rund läuft: ALC's Standardwerk "Ferry Boat Killaz" lässt noch kaum Raum für Kritik, die von vielen wohl heiß erwartete Kollabo mit Nas dagegen ist eine Langeweilenummer, die nur knapp der Skip-Taste entgeht. Eine bitterböse Verwünschung geht Richtung des unliebsamen Exoten "Rock N Roll" in dem ein Auto-getunter Kobe (möge seine ob dieser Vorstellung als reudig zu wertende musikalische Existenz ein jähes Ende finden) den Hörer über ein unförmiges Gebilde von Khalil über "some of that Bon Jovi" leiert - krasser wurde der rote Faden eines Albums selten unterbrochen (da kann sogar ein Jim Jones nichts mehr verschlimmern). Glücklicherweise verweilen viele andere Tracks auf dem sonnigsten Plateau der Wu-Tang-Seite, so etwa das viel zu kurze "Silver Rings", das mit dem Titel dem Schöpfer des unbeschreibbar fetten Beats Respekt zollt (dafür röhrt sogar ODB aus dem Grab). Bronze lässt sich ebensowenig lumpen und knallt harte Drums und düstere Streicher in den saftigen Throwback "Butter Knives", während sich Wackelkandidatengast Busta für das edel produzierte "Crane Style" auf seine Stärken besinnt und mit Raekwon fürstlich über die Drumline manövriert. Die großen lyrischen Ergüsse lässt der Gastgeber selten vom Stapel, muss er allerdings auch nicht, um die absolute Souveränität zu behalten. Trotzdem finden sich dann noch Tracks wie der Überkracher "Snake Pond", für das der unbekannte Selasi den Producer-Pokal einsackt, indem er fernöstliche Flute-Sounds über eine satte Kick packt, während Rae eine erstklassige Story über Verrat und Rache aus dem Nähkästchen zieht. Gegen Ende wird man wider Erwarten positiv überrascht, wenn Fettsack Ross im sehr gelungenen "Molasses" einwälzt und sogar positiv zum Gesamtbild beiträgt. Weiteres Storytelling serviert dann einmal das Duo Banks-Rae, zum anderen aber auch der Chef solo im waschechten Schmankerl "The Scroll", dessen Beat Evidence zu verantworten hat und dafür meisterhaft trüb-düstere Soundgefilde um den Hörer spinnt. Den passenden Abschluss liefert "Masters Of Our Fate" (wann hört man schon mal ein Churchill-Sample in einem Rap-Song?), für das Black Thought vielleicht nicht der optimale Gast ist, das mit Ennio Morricone aber bei der richtigen Adresse für ein stimmungsschweres Finale sampelt, was sich anscheinend auch Raekwon dachte, da er den Meister der Film-Soundtracks in "Wu Chant" gleich nochmal bemüht und mit der Kombo aus "Wu-Tang"-Rufen über "The Ecstasy Of Gold" ein kurzes und perfektes Outro fabriziert.

Im Kontext seines Albumkonzepts ist es fraglich, ob "Shaolin Vs. Wu-Tang" wirklich gelungen ist, denn wenn man sich vergegenwärtigt, dass "Rock N Roll" der Moment ist, der am weitesten von Wu-Tang entfernt und damit nahe bei Rae's Shaolin-Seite liegt, erübrigt sich das Ausfechten des inneren Zwiespalts. Auch stellt einen Großteil der Highlights die Fraktion, die man vorab eventuell als erzwungene RZA-Kopie mit zu viel Kung-Fu-Geschnitzle abgestempelt hätte. Natürlich darf an dieser Stelle der Vergleich mit "OB4CL2" nicht fehlen, zumal er recht positiv ausfällt: Kürzer, aber nicht zu kurz, mit weniger Füllmaterial und Fremdkörpern (zugegebenermaßen: einem grauenhaften) behaftet und dafür streckenweise mit so erhabenem Wu-Tang-Sound, wie man ihn lange nicht von einem der Generäle gehört hat, ist "Shaolin Vs. Wu-Tang" auf Augenhöhe mit seinem Vorgänger und in jedem Fall zu empfehlen.

6.9 / 10