Dienstag, 20. Dezember 2011

Paranoid Castle - Champagne Nightmares


Release Date:
30. August 2011

Label:
Fake Four Inc.

Tracklist:
01. Champagne Intro
02. Orca
03. Feeling Inside
04. Stacey's Doing WAY Too Much
05. The Mature Life (Feat. Gregory Pepper)
06. Audacity Of Me
07. Champagne Interlude
08. LIttle Girl
09. D.U.I.
10. Weed Man
11. Some Place Else (Feat. Kirby Criddle)
12. You Don't Understand (Feat. Gregory Pepper)
13. Champagne Nightmares!

Review:
Wer mit dem Gruppennamen nicht sofort etwas anfangen kann, der schaue zuerst aufs Label. Ceschi's Fake Four Inc. hat sich in der letzten Zeit zu einem Aushängeschild für alternativen HipHop entwickelt, mit dessen Releases der kanadische Factor ohnehin immer wieder zu tun hatte. Also verwundert es nicht, dass Paranoid Castle, das neben Factor noch Kirby Dominant einschließt, ebenfalls dort gelandet ist. Viel überraschender ist die Reunion selbst, denn nachdem sich die beiden 2001 in Factor's Heimatstadt in Kanada kennengelernt, 2003 PC geformt und ein Jahr später ihr erstes Album veröffentlicht hatten, gingen beide anderen Projekten nach. Man darf also gespannt sein, was ihr Debüt auf Fake Four mit sich bringt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Kirby Dominant, der vom Gang-Leben in Oakland den (lediglich physikalischen) Katzensprung an die UC Berkeley schaffte, hat bereits ein bewegtes Leben hinter sich, das er ein seine Texte einfließen lassen kann, Factor ist - was kein Geheimnis ist - ganz gleich, ob man ihn nun schätzt oder nicht - ein sehr vielseitiger Produzent, zusammen ergibt das ein potentiell sehr interessantes Album, zumal das 2004er "One Way Ticket" alles andere als schlecht war. "Champagne Nightmares" hätte demnach als extrem vielseitiges Album konzipiert sein können, doch Kirby sah das wohl anders, denn was einen auf dem Großteil der Tracks erwartet klingt wie die Ergüsse eines College-Emcees - Party, Weiber und die von Factor gestellten Backdrops, die genau diesen irgendwie unseriösen College-Charakter kanalisieren und noch verstärken. War das gerade ein Witz? Nein - Paranoid Castle hatten schon auf dem ersten Album Songs dieses Schlags, hier regieren diese Tracks, wie etwa "Stacey's Doing WAY Too Much", das über eine Stacey, die man nicht zur Freundin haben will, berichtet. Wenn PC in der Stadt sind, sollte man aber sowieso das eigene Mädchen zuhause anketten, denn ansonsten verfällt sie unweigerlich dem unwiderstehlichen Charme von Kirby (natürlich nur noch übertroffen von seinen sexuellen Fertigkeiten), nachzuhören in "Audacity Of Me". Falls der Song ironisch gemeint sein soll, hat Kirby diesen Umstand jedenfalls gut versteckt. Nichtsdestoweniger ist gerade dieser Song für den richtigen Anlass (etwa auf einer Studenten-WG-Party) eine perfekte Gute-Laune-Nummer. Leider schneidert Factor einerseits nicht alle Tracks so ansprechend, andererseits werden Thema und selber Stil der Songs schnell langweilig. Da zeugt "Weed Man" natürlich von unendlichem Abwechslungsreichtum. Die Story des Dealers, der zu spät kommt und dann nicht mehr abhauen will ("You wanna explain conspiracy theories / And watch DVDs with commentary?"), ist zwar unterhaltsam (wahrscheinlich umso mehr, wenn man öfter selbst in derselben Situation ist), raptechnisch schaltet Kirby hier allerdings (wohl zwecks Verständlichkeit) mehrere Gänge zurück. An diesem Problem leidet auch "The Mature Life", das in einen Flow wechselt, der ein Gespräch imitieren soll, dabei aber schnell gehörig auf den Senkel geht. Ganz nebenbei liegen auch einige Hooks ein paar Zentimeter neben dem guten Geschmack. Weitere zweifelhafte Momente umfassen das in anstrengendem Singsang vorgetragene "Orca" (mit bedrückender Wal-Metapher), das ernst gemeinte und doch recht oberflächliche "Some Place Else" (nicht ansatzweise mit dem Titeltrack des Vorgängeralbums vergleichbar), das erneut mehr gesungene "Champagne Nightmares" (wieso genau er Albträume, entzieht sich meinem Verständnis) sowie das mit dem Tempo anziehende "D.U.I.", bei dem der kritische Unterton zumindest zu vernehmen ist. Auf der anderen Seite steht die sehr poppige, liebenswürdige Anbandel-Tour "You Don't Understand", die Kirby's stupide Einstellung zwar nicht ablegt, zumindest aber die erste in den Erzählungen des Albums geehrte Dame vorstellt.

Was Kirby auf diesem Album von sich gibt, könnte der Gesprächsstoff sein, den Kumpels austauschen, während sie darauf warten, dass der Joint weiterwandert. Da Factor seinem Partner mit der Musik sehr entgegenkommt und sie nie zu komplex aufbaut, ist Paranoid Castle's Zweitling ein sehr einfach anhörbares Album und funktioniert deshalb auch gut im Hintergrund. Wer aber seine Aufmerksamkeit etwas genauer auf die Scheibe richtet, dem fallen teils nervige Hooks, wiederholende, etwas platte Konzepte und ein raptechnisch nicht in Bestform auflaufender Kirby Dominant auf. Irgendwie scheint es, als wisse die Platte selbst nicht genau, was sie eigentlich sein will, jedenfalls wirkt der (ohnehin einseitige) Mix aus seriösen und Party-Songs unreif, was zum Schluss führt, dass "Champagne Nightmares" einige nette Momente hat, insgesamt aber nicht das volle Potential von Kirby und Factor repräsentiert.

5.1 / 10

Dope D.O.D. - Branded


Release Date:
23. September 2011

Label:
Dope D.O.D.

Tracklist:
01. Branded
02. What Happened
03. The Island
04. Real Gods (Feat. Simon Roofless)
05. Combust
06. Ghost And The Darkness
07. Redrum
08. Psychosis (Feat. Sean Price)
09. Slowmotion
10. Cosmosis Jones
11. Pandora's Box
12. Witness The Crispness
13. Gatekeepers
14. Candy Flipping
15. Blaow!!!!
16. Mothership
17. Dark Age

Review:
Es wird höchste Zeit, sich mit dem Phänomen Dope D.O.D. etwas näher zu beschäftigen, einer Gruppe, die sich praktisch mit einem Musikvideo, welches Anfang des Jahres 2011 Premiere feierte und inzwischen schon die Vier-Millionen-Grenze bei Youtube am Horizont sieht, ins Rampenlicht katapultiert hat. In Hollands Stadt Groningen findet man zusammen, zuerst sind Skits Vicious und Jay Reaper nur das Duo Of Darkness, dann stößt noch Dopey Rotten hinzu und man gelangt zum jetzigen Bandnamen. 2008 vertreibt man das kaum beachtete, zehn Tracks starke "Fountain Of Death" übers Netz, 2009 belegt man in einem niederländischen Contest den dritten Platz und bereitet sich für das offizielle Debütalbum vor. Bis es dann so weit ist und "Branded" an den Start gehen kann, vergeht noch fast das ganze Jahr 2011, weswegen man die Wartezeit mit der "Evil E.P." verkürzt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Was also macht dieses Trio, abgesehen von einer sehr schrägen und verrückten Selbstinszenierung in Musik- und sogar Vorstellungsvideos, hinter denen fähige Köpfe aus dem direkten Umfeld stehen, so besonders? Einerseits ist es genau die Tatsache, wie gut sie sich zu vermarkten wissen, andererseits ist es natürlich die Musik selbst, die nach eigener Aussage an den Hardcore der (ostküstlichen) Neunziger angelehnt ist, faktisch damit aber doch nur gemein hat, dass es ordentlich hart zur Sache geht. Dope D.O.D.'s Mittel und Wege sind nämlich andere, definitiv zeitgemäße - mit veraltetem Sound wird man also nicht konfrontiert. Zusammengefasst kann man sagen: Dope D.O.D. sind HipHop-Dubstep. Das ist natürlich nichts Neues und gehört vor allem in England zum Alltag, doch die drei Holländer tauchen diese Fusion mit ihrer Außenseiter-Perspektive und dem doch öfter durchscheinenden BoomBap-Fundament (oder zumindest den dort liegenden Einflüssen) in ein etwas anderes Licht, das ihnen auch ganz ohne Videopräsenz sehr hohen Wiedererkennungsfaktor einbrockt. Den Anfang setzt man am besten bei "What Happened", da es die Gruppe so treffend charakterisiert: Ein kurzes Intro dekoriert dem Song eine bedrohliche Atmosphäre, in die mit dem Einsetzen von Jay Reaper wummernde Dubstep-Bässe einfallen und so eine erstaunlich gute Fusion hinbekommen. Es schließt sich Skits Vicious an, der tief- und raustimmige, inszenierte Psychopath der Gruppe, zu dem Dopey den eher unauffälligen Gegenpol bildet. Thematisiert wird der eigene Weg zum Erfolg, der logischerweise über haufenweise Leichen (bevorzugterweise von schlechten Emcees) geht, außerdem werden mit sehr bildhaften Battle-Raps die Geschwüre der HipHop-Szene entfernt. Mehr als die Hälfte der Beats stammt vom mehr oder weniger vierten Mitglied Peter Chimunja Songolo, den Rest besorgen andere Unbekannte. Das Klangbild ist übers ganze Album hinweg sehr einheitlich und variiert nur in der Stärke des Dubstep-Einflusses. Ein Track wie "Real Gods" beispielsweise (mit Simon Roofless von Da Goldminerz) ist schlicht und ergreifend düsteres New-York-Material, deshalb aber nicht weniger gut. Dope D.O.D. erzwingen nie etwas, hier liegt wahrhaftig eine Symbiose vor. In Butter ist deswegen allerdings noch lange nicht alles, denn der größte Feind der LP ist die Monotonie, die gerade diese Symbiose in sich birgt und die viele Tracks mit starkem Dubstep-Einschlag gleich klingen lässt. Tracks wie "Mothership" oder "Blaow!!!" sind deshalb anstrengend, zumal Jay Reaper sein hartes Auftreten durch teils grenzwertig peinliche Lines ("I'm the one who told George Bush that he could be a president", "We the ones who came with that fish dick joke and niggas ripped it") untergräbt. Deshalb überzeugen vor allem die Tracks, die etwas Abwechslung ins Spiel bringen: "Slowmotion" allein wegen des langsamen Tempos, "Candy Flipping" mit seinem im Album amüsant fremd wirkenden, entspannt-lockeren Outfit (welche Sorte "Candy" gemeint ist, stellt sich schnell heraus) oder "Pandora's Box", das mit herkömmlicheren Mitteln eine nicht minder bedrohliche Stimmung kreiert. Ein sehr interessanter Punkt ist das Sean-Püü-Feature, doch der Duck-Downling macht keine Anstalten, sich zu integrieren und klingt leider so deplatziert, wie es auf dem Papier aussieht. Zu den Sternstunden der LP zählen dagegen der Opener, das abschließende "Dark Ages" sowie "Witness The Crispness", der beste Dubstep-Crossover, in dem vor allem Skits Vicious aufgeht und mit dem Beat verschmilzt ("Witness the crispness, Skits is the vicious / I got a girl, too, but your chick is my mistress / I'm committed to commit seven sins").

"What Happened" mag Hoffnungen auf Großes geweckt haben. Denen kommen Dope D.O.D. nicht ganz nach, was irgendwo auch schon abzusehen war. Schlecht oder eine Enttäuschung ist "Branded" deshalb allerdings nicht, denn es zeigt einerseits, dass die Brücke zwischen dem Ami-Hardcore, der als Vorbild dient, und dem eigenen, sehr markanten Sound, der gerade mit "What Happened" unverrückbar postuliert wurde, geschlagen werden kann und dass Dope D.O.D. auf beiden Seiten und auch mitten auf dieser Brücke wissen, was zu tun ist. Die Jungs sind auf einem vielversprechenden, noch nicht ausgetrampelten Weg, wenn sie weiterhin an sich und ihrem Stil arbeiten werden die ganzen Ungereimtheiten von "Branded" hoffentlich von alleine verschwinden.

6.2/ 10

Boxguts & Will Taubin - Spare Parts


Release Date:
26. September 2011

Label:
Johnny23 Records

Tracklist:
01. Spare Parts
02. Breathe (Feat. LoDeck)
03. Giants of Grease (Feat. Jak Progresso)
04. Look Up!
05. Chemical Dumb Down
06. StableMaster
07. Piglet Poppin' Horseshoe Thrower's Riddle Rally (Feat. LoDeck & Mike220)
08. Ohm Intelligence
09. GutHead TV (Feat. HaacWon)
10. Rash Bandit
11. Vacant Channel Nomad (Remix)
12. Face-Puzzler's Advanced Gimmicks
13. Millenium Child
14. Mellow Mud

Review:
Wer sich wundert, was Boxguts in der letzten Zeit - seit dem Album "Mutilator" - so trieb, der muss nur etwas genauer finden und wird eine dreiteilige Reihe Mixtapes sowie weitere Projekte (u.a. mit C-Plex) finden. Außerdem darf man nicht vergessen, dass er unter seinem echten Namen, Doug Hoffmann, eine erfolgreiche Laufbahn als Maler und Writer verfolgt und pflegt und in diese wahrscheinlich auch den Großteil seiner Zeit investiert. Übergangen werden darf seine musikalische Seite deshalb nicht, denn als Schlüsselfigur bei Johnny23 bewegt er sich nunmal in einem sehr interessanten Umfeld, was das erscheinen der kostenlosen "Riot Renaissance"-Label-Compilation jüngst unterstrich. Da seine Outputrate nicht die größte ist, darf man umso gespannter sein, wenn er mit Kumpel Will Taubin in die nächste Runde geht und aus den Überresten von "Mutilator" ein weiteres Album formt, das so treffend "Spare Parts" betitelt wurde.

WRITTEN FOR Rap4Fame
Eigentlich sollte "Spare Parts" nur aus Left-Overs bestehen, doch inzwischen ist es nur noch die Minderheit der Tracks, die aus den Sessions zum ersten Kollaboalbum von Box und Will stammt. An der Herangehensweise oder dem Stil der zwei hat sich deshalb nichts geändert. Bezeichnend dafür ist das Cover, für das wieder ein sehr abstraktes Kunstwerk von Doug herhält und das erneut dem Stil der Scheibe ein Gesicht gibt: eigenwillige, dunkel-dumpfe Beats, Lo-Fi-Charme von vorne bis hinten, ungewohnte Samples und Guts' eigener Rap-Stil, all das ergibt aufsummiert den unorthodoxen HipHop, den schon "Mutilator" praktizierte. Das ist ganz gewiss nicht jedermanns Sache, für diejenigen, die schon das Vorgänger-Album schätzten, sollte diese Dreviertelstunde jedoch höchst interessant sein. Die Platte fängt direkt mit dem Titeltrack an und fällt dem Hörer somit nicht mit der einfachsten Kost ins Haus. Will Taubin's rumpelige Drumline wird nur von allerlei komischer Geräusche (am besten als murrendes Surren zusammenzufassen) begleitet. Boxguts rappt dazu munter und agil mit dem Bestreben eines Künstlers, der in seinen Reimen ein gesprochenes Pendant zu seinen Artworks sieht. Große Botschaften, Geschichten oder den Hörer direkt ansprechende Texte sind also auch (wie beim Vorgänger) dieses Albums Sache nicht, was nicht zuletzt daran liegt, dass Boxguts mit seiner leicht fern klingenden, voll ins Keller-Ambiente der Scheibe passenden Stimme teils schwer zu verstehen ist. Ein schlechter Emcee ist er deshalb nicht, denn wenngleich er kein Untergrund-Messias ist, vermag ihm sicher nicht jeder durch die relativ zügige, monotone Schlagwerk-Party in "Look Up!" (einem der Tracks aus "Mutilator"-Zeiten) zu folgen. In "Piglet Poppin' Horseshoe Thrower's Riddle Rally" (die Neigung zu aberwitzigen Titeln ist inzwischen kein Geheimnis mehr) dürfen LoDeck und Label-Neuzugang Mike220 mit ran, ansonsten gehört der Song allerdings zu den weniger attraktiven des Albums, denn Will Taubin läuft mit seinen Beats doch hin und wieder in Sackgassen, in denen seine knarrenden Sound-Arrangements fruchtlos bleiben. Nicht so auf "GutHead TV", dessen langsames, bedrückendes, in Rauschen gebettetes Instrumental hervorragend zu Guts passt; Nobody HaacWon fühlt sich ebenfalls zuhause. "Giants Of Grease" passt zu Gast Jak P und wummert verzogen durchs Bild, in "StableMaster", das schon vier Jahre auf dem Buckel hat und neu eingespielt wurde, wechselt sich eine Gitarre mit einem schleppenden Piano-Loop und zerstückelten Drumpattern. Zwei instrumentale Zwischenspiele in Form des kurzen, aber starken "Ohm Intelligence" sowie des melancholischen "Millenium Child", das lediglich mit sporadischen Zitaten von Charles Manson versehen ist, tragen ihren Teil zum Gesamtbild bei. Abschließend sind es noch zwei Tracks der "Mutilator"-Sessions, die überzeugen: "Face-Puzzler's Advanced Gimmicks" entführt eine Harfe in die absonderliche Welt des Will Taubin, "Mellow Mud" ist ein sehr behutsames und doch mystisch-ergreifendes Instrumental, dem Doug's softe Performance genau das gewisse Etwas mitgibt.

Man darf "Spare Parts" getrost den Nachfolger zu "Mutilator" nennen, denn stilistisch fahren beide genau dieselbe Schiene. Wem also die erste Kollabo von Box und Will T gefallen hat, der sollte auch bei der zweiten nicht enttäuscht werden. Kleine Unterschiede hier und da lassen sich ausmachen, die Grundidee, das Zusammenspiel zwischen Beats und Rhymes sowie die Qualität sind gleich. Das heißt einerseits, dass auch "Spare Parts" seinen ganz eigenen, abgedreht-gewundenen Film fährt, aber auch, dass jeder, der sich mit Boxguts vertraut machen will, die freie Wahl hat, welchem der beiden Alben er (zuerst) sein Ohr schenken möchte, denn viel nehmen sie sich nicht. Da "Spare Parts" nicht erzwungen anders klingt, ist es hörenswert, wenn auch an einigen Stellen etwas zu wenig ausgefeilt, um wirklich an die große Glocke gehängt zu werden.

6.5 / 10

J. Cole - Cole World: The Sideline Story


Release Date:
27. September 2011

Label:
Roc Nation / Columbia

Tracklist:
01. Intro
02. Dollar And A Dream III
03. Can't Get Enough (Feat. Trey Songz)
04. Lights Please
05. Interlude
06. Sideline Story
07. Mr. Nice Watch (Feat. Jay-Z)
08. Cole World
09. In The Morning (Feat. Drake)
10. Lost Ones
11. Nobody's Perfect (Feat. Missy Elliott)
12. Never Told
13. Rise And Shine
14. God's Gift
15. Breakdown
16. Work Out (Bonus)

Review:
Nicht nur ist J. Cole einer der Vertreter der "neuen" Generation, nun ist der erste bei Roc Nation gesignte Künstler auch Debütant auf dem ersten Platz der Charts. Der Weg dahin ist allerdings länger, als man vielleicht meint: Cole wächst in Fayetteville, NC auf, wo er früh das Talent zum Rappen entdeckt, aber auch passabel mit dem Basketball umgehen kann und sogar gut in der Schule ist. Zu dieser Zeit sind es die lokalen Größen Bomb Shelter, zu denen er aufschaut und die ihn in die (lokale) Rap-Welt eingliedern. Den geheimen Plan, HipHop-Star zu werden, weiter im Blick, geht Cole in New York aufs College, wo er sehr zu Freuden seiner alleinerziehenden Mutter einen guten Abschluss erreicht, durch emsige Bestreben aber auch seine Rap-Karriere, der sich mangels fähiger Partner im Umfeld auch eine Producer-Karriere anschließt, ins Rollen bringt. 2007 bis 2010 erscheinen drei gefeierte Mixtapes, von denen das zweite den vormals erfolglos kontaktierten Jay-Z hellhörig macht, weswegen mit "Cole World: The Sideline Story" schließlich ein Major-Debüt folgt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Auf J. Cole und seinem Debüt lasten viele Erwartungen. Nicht nur, weil seine Mixtapes die Messlatte recht hoch gelegt haben, sondern auch aufgrund der vielen Lager, die an Cole Erwartungen stellen - einerseits ist er einer aus der Newcomer-Garde, von der erwartet wird, HipHop im Jahr 2011 salonfähig und vor allem hip zu halten, zum anderen ist er für die alteingesessenen Hörer jemand, der den Geist vom leichteren 90er-Rap richtig zu übersetzen weiß und dem im Kreise dieser neuen Generation die richtige Einstellung und Herangehensweise attestiert wird: starke Beats und Rap, der inhaltlich über das alltägliche Radioeinerlei hinausgeht. Noch verwunderlicher ist, dass J. Cole diesen Spagat auf die Reihe bekommt: Insgesamt zeigt das Album einen jungen MC, der über sein Leben und seine Tätigkeit spricht, doch nicht selten packt Cole interessante und geistreiche Geschichten aus. Hinzu kommt, dass er den Großteil seiner Tracks (vier ausgenommen) selbst produziert und dieses Handwerk inzwischen mehr als passabel beherrscht. "Rise And Shine" etwa ist ein wahres Sahnestück, baut mit Bläsern Spannung auf, packt einen Chor in den Hintergrund und sorgt mit Marschtrommeln während der Verse für zusätzliche Abwechslung, die ein heiß laufender J. Cole für sich zu nutzen weiß. Trotzdem ist er auf den ersten Blick keine besonders charismatische Erscheinung am Mic, was an einer austauschbaren Stimme und einem guten, wenngleich nicht außergewöhnlichen Flow liegt - die Magie liegt hier sowieso im Ganzen. Wie Cole die Brücke von "Can't Get Enough", der radiofreundlichen, mit karibischer Entspanntheit überzuckerten Single, zu "Lights Please" schlägt, das zwar schon in fast identischer Form auf "Warm Up" zu hören war, hier aber bestens ins Bild passt und dem zu erwartenden Exkurs übers Bettgeflüster eine tiefere und pfiffige Komponente beimischt, verdient Anerkennung. Generell sollte man bei Cole keine Inventur des jüngst angehäuften Reichtums erwarten, wenngleich "Mr. Nice Watch" in diese Richtung geht - und auch prompt zu den schwächeren Tracks zählt, denn der plastisch anmutende Uptempo-Beat steht Cole nicht optimal, während man auch den Jigga lieber auf einem anderen Track gehört hätte, in etwa auf dem eigentlich mit einem Gastvers von ihm vorgesehenen "God's Gift", das dank seines Samples eine großartige, intensive Stimmung erhält, was Cole dazu nutzt, seinen Aufstieg zu dokumentieren ("Jigga wouldn't even take my CD when he seen me / Two years later bitch we made it on, on to the Blueprint / Now how's that for persistence?"). Eingespielte Instrumente treten in Form von Piano im "Interlude" (das von dem Tag, als Cole's von seinem Signing erfährt, erzählt) als auch im gelungenen "Intro" zu Tage, während "Dollar And A Dream III" den Intro-Charakter (zum Preis eines der weniger guten Songs der LP) weiterspinnt. Echtes Bettgeflüster gibt es übrigens im soliden, nachträglich mit Drake versehenen "In The Morning", während "Lost Ones" als direkte Folgerung darauf angesehen werden darf, eine Teenager-Schwangerschaft aus Sicht von Ihm und Ihr ausdiskutiert und das Thema ausführlich und authentisch behandelt. Danach folgt eine Missy Elliott, die mehr nach Lloyd klingt, das von Mentor No I.D. geschusterte "Never Told" (der Titel fasst ein weiteres, clever konstruiertes Geschichtenkonstrukt über Seitensprünge zusammen) sowie "Breakdown", das als anrührende Nummer die Beziehung zum Vater, die Drogenabhängigkeit der Mutter (weswegen Cole übrigens die typischen Dealer-Rhymes geringschätzt) sowie eine letzte Geschichte aneinanderreiht und als perfekter Abschluss für das Album dient.

J. Cole hat das Glück, nicht zehn Jahre früher geboren zu sein, denn im Jahr 2011 kann ein (relativ) bescheidener Rapper, der zwar Gangster-Freunde kennt, selbst mit solchen Geschichten aber nichts am Hut hat, überhaupt erst in dieser Form bestehen. Alles andere bringt Cole selbst mit: Talent, Ehrgeiz, Connections und musikalisches Gespür. Das Resultat ist ein Album, das gleichzeitig kommerziell erfolgreich sein kann, dafür aber nicht einmal seinen Albumcharakter opfern muss. Klar hat die "Sideline Story" seine schwächeren Momente, doch der rote Faden reißt nie ab und an Highlights mangelt es definitiv nicht. Dass J. Cole diese beiden Eigenschaften vereint, ist eine kleine Sensation, die "Cole World" zu einem guten, beinahe sehr guten Album macht. Bleibt zu hoffen, dass Jermaine diesen vielversprechenden Weg weitergeht. 

6.8 / 10

Roc Marciano & Gangrene - Greneberg


Release Date:
19. Juli 2011

Label:
Decon Records

Tracklist:
01. Roc Marciano - Momma Told Me
02. Roc Marciano - Hoard 90
03. Roc Maricano - Jet Luggage (Feat. Gangrene)
04. Gangrene - Papercuts
05. Gangrene - New Shit
06. Gangrene - Sewer Gravy (Feat. Roc Marciano)
07. Roc Marciano - Jaws (Digital Bonus)

Review:
Da ist sie auch schon, die erste Folge von Decon's heiß begehrtem Neu-Signing - eine Kollabo-EP mit einem der bisherigen Aushängeschilder des Labels, nämlich Gangrene, dem Zusammenschluss von The Alchemist und Oh No, der 2010 sein überwiegend positiv aufgenommenes Debüt präsentierte. Auch für Roc Marciano war 2010 ein bedeutsames Jahr, schließlich erfolgte der Schritt vom Veteranenschattendasein in den Zirkel der angesagten Szenenlieblinge. Um letzterem Image auch weiterhin dienen zu können, soll noch dieses Jahr das Decon-Debüt "Reloaded" kommen, ebenso wollen Gangrene noch im Herbst mit "Vodka & Ayahuasca" nachlegen, als Vorgeschmack entschied Decon sich, die drei auf eine digitale EP zusammenzupacken, die nun sogar noch ein Vinyl-Release erhalten soll.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Was der Sinn dahinter sein bzw. wo der Vinyl-Kaufanreiz liegen soll, wenn der digitalen iTunes-Version ein Bonus-Track beigefügt wird, entzieht sich bei einem Kundenkreis, in dem es eher umgekehrt hätte sein sollen, zwar meiner Kenntnis, doch sei's drum, viel gespannter darf man natürlich ob der gebotenen Musik sein, die durchaus ein Vorgeschmack dessen sein dürfte, was es auf den beiden Longplayern dann zu hören gibt. Außerdem sind alle drei Beteiligten sowohl Produzenten als auch Rapper, eine nicht alltägliche Begebenheit, die darin resultiert, dass jeder der Emcees mindestens einen Beat beisteuert. Was aber nicht überhört werden kann, ist der Umstand, dass man sich weniger an "Gutter Water" als an "Marcberg" orientieren wollte - oder besser gesagt an dem minimalistischen, rohen Grown-Man-Sound, für den Marcy's 2010er Großtat stand. Dabei gibt es jedoch einige Faktoren, die einem ähnlichen Erfolg im Weg stehen. Mit ihren 22 Minuten (inkl. Bonus-Track) verabschiedet sich die EP dafür viel zu früh, außerdem ergibt die Fusion der verschiedenen Produktionsstile ein eigenwilliges Ergebnis, das beileibe nicht immer ins Schwarze trifft. Schon der einzige von Marc produzierte Track "Momma Told Me" lässt ein wenig den Antrieb vermissen (hätte übrigens nie und nimmer auf "Marcberg" gepasst), ist gegen das vorab ausgekoppelte "Jet Luggage" aber noch harmlos. Hier versucht man mit bassigem Wummern und Bläsereinsatz nämlich auf Teufel komm raus, hart und böse zu klingen - und scheitert in anstrengender Art und Weise. Hinzu kommt, dass Alchemist immer noch kein weltbewegender MC ist, darüber hinaus ist die Kombo aus Gangrene und Roc nett, aber keinesfalls eine, auf die die Welt gewartet hat. Was soll dann also "Sewer Gravy", das den Beat vom Gutter Water"-Titeltrack wiederverwertet? Dass über alles und nicht viel geredet wird, hilft da auch nicht weiter. Wesentlich ansehnlicher sind die "Solo"-Cuts von Gangrene, "Papercuts" beispielsweise ist ein smoothes und arschcooles Stück, von dessen Schlag man auf "Vodka & Ayahuasca" gerne mehr hören würde, und auch "New Shit" zaubert den lässigen, aber doch kantigen Sound aus dem Hut, der ALC und Oh No am besten zu Gesicht steht. Zweiterer sollte lieber die Finger von einem Track wie "Jaws" lassen, welcher verzweifelt versucht, so blutig-roh als nur irgend möglich dem eiskalten Flow des Manns aus Hempstead gerecht zu werden. Wesentlich weniger aufgesetzt klingt da schon "Hoard 90", bei dem Alchemist solche Späßchen unterlässt und Marcy einen soliden Kopfnicker unterschiebt.

Fazit: Immer dann, wenn Gangrene versuchen, ihrem Kollabo-Partner etwas Hartes zu schneidern, geht das Projekt nach hinten los. Auf der anderen Seite lässt Marciano selbst bei seinem einzigen komplett selbst arrangierten Beitrag den Antrieb vermissen. Man kann also nur hoffen, dass er der Versuchung widersteht, "Reloaded" mit Gastproduzenten vollzupflastern und stattdessen seine eigenen Juwelen dafür aufhebt. Gangrene dagegen mach auf ihren beiden eigenen Tracks eine hervorragende Figur und geben damit hoffentlich einen Ausblick auf ihr Album, das dann "Gutter Watter" in der Gosse stehen lassen könnte. "Greneberg" hingegen, der Zusammenschluss dieser drei Personen zur phantomähnlichen Mafia-Gestalt des Covers, der mehr wie eine Doppel-Single anmutet, erweist sich in keinster Weise als notwendig und wird hoffentlich als die Zweckgemeinschaft, die er ist, begraben.

6.0 / 10

Phonte - Charity Starts At Home


Release Date:
27. September 2011

Label:
The Foreign Exchange Music

Tracklist:
01. Dance In The Reign (Feat. Sy Smith)
02. The Good Fight
03. Everything Is Falling Down (Feat. Jeanne Jolly)
04. Not Here Anymore (Feat. Elzhi)
05. Eternally (Feat. Median)
06. Sendin' My Love
07. Ball And Chain
08. To Be Yours
09. Gonna Be A Beautiful Night (Feat. Carlitta Durand)
10. We Go Off (Feat. Pharoahe Monch)
11. The Life of Kings (Feat. Evidence & Big K.R.I.T.)
12. Who Loves You More (Feat. Eric Roberson)

Review:
Aus Greensboro, der drittgrößten Stadt in North Carolina, kommen nicht gerade überwältigend viele Rapper. Der bekannteste dürfte jedenfalls Phonte Coleman sein, der mit Little Brother weltberühmt wurde. Doch das geschieht nicht sofort, denn bevor Phonte seine beiden Kollegen im College trifft, bevor er überhaupt zu rappen anfängt, kommt er im Kirchenchor seiner Großmutter mit Musik bzw. Gesang in Kontakt. Das Rappen fängt er später, inspiriert von den gängigen Old-School-Größen, an. Mit dem durchschlagenden Erfolg von LB in den 2000ern wird Phonte auch immer mehr zum gefragten Feature-Rapper und startet nebenbei mit Nicolay ein sehr fruchtbares Seitenprojekt, das inzwischen die zentrale Operationsbasis ist, auf der letztendlich auch das Solodebüt "Charity Starts At Home" veröffentilcht wird.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Lange hat es gedauert; Phonte sah bisher keine Notwendigkeit für ein Solo. Doch da Little Brother inzwischen definitiv begraben ist, war es wohl nur noch eine Frage der Zeit. Außerdem hat Phonte nach einer kleinen Twitter-Auseinandersetzung mit 9th Wonder, die drohte, sich aufzuschaukeln, eine öffentliche Versöhnung mit seinem LB-Kumpel zu feiern, was vier Beats von 9th Wonder auf "Charity Starts At Home" nach sich zieht. Für den Rest kommt eine nicht sehr vielsagende Gruppe aus ´Produzenten zusammen, auffällig ist lediglich die Abwesenheit von Nicolay. Wie sich herausstellt, ist das allerdings kein Beinbruch, denn wer Phonte's Solo irgendwo zwischen Little Brother und Foreign Exchange angesiedelt hat, der liegt goldrichtig. Es gibt etwas Gesang, jedoch vorwiegend Rap, der erwartungsgemäß die Probleme des täglichen Lebens, gewendet in Tigallo's behänder Wortwahl, abhandelt und dabei in Te's typisch sympathischer Weise den Hörer anspricht. Da in den ersten fünf Tracks dreimal 9th Wonder platziert wurde, wollte man im Startteil wohl auf Nummer sicher gehen, was mehr oder weniger auch gelingt: Das Album wird am Anfang niemanden aus den Socken fegen, denn selbst wenn 9th's Beiträge die meisten seines parallel erschienenen Albums übertreffen, so sind sie doch nichts, was man nicht schon zig mal von ihm gehört hätte. "Eternally" macht sich nicht ansatzweise die Mühe, die Trademark-Drums originell in Szene zu setzen, funktioniert mit einem netten Sample aber trotzdem und lebt vor allem vom aufgeweckten Hin und Her zwischen Median und Phontigga. Trotzdem war es kein Fehler, 9th derart ins Album einzubinden, gibt er doch eine Marschrichtung vor, der die übrigen Tracks genug Abwechslung beifügen. Außerdem ist "The Good Fight" - egal, ob man von 9th die Nase voll hat - schlichtweg schön anzuhören und findet Phonte im moralischen Zwiespalt, der einen Mittelweg zwischen ehrlicher, "guter" Musik und einem ausreichenden Einkommen fordert. Mit "The Life Of Kings" verantwortet 9th dann sogar den besten Song der Platte, der an sein Ohr für großartige Samples erinnert, während das Trio am Mic drei Perspektiven zum Titel gibt und Evidence schwer deplatziert wirkt. Der gesungene Teil der LP wird kompakt in der Mitte eingeschoben und umfasst das anstrengend produzierte "Ball And Chain", das von Piano begleitete Interlude "To Be Yours" sowie die R'n'B-Schnulze "Gonna Be A Beautiful Night", bei der man keine Risiken eingeht, weshalb das das galante "To Be Yours" gereicht hätte. Der beziehungstechnisch wertvollste Erguss wartet sowieo in "Sendin' My Love", in dem Phonte nach einem Streit seine Flucht in der Versuchung sucht. Weiterhin bietet die LP einen eher unauffälligen, aber gewohnt guten Auftritt von P-Monch, das eröffnende "Dance In The Reign", das die eigenen Ambitionen zusammenfasst, sowie das finale "Who Loves You More", das mit zwei kleinen Geschichten und allgemeinen Gedanken ("Got a room with a microphone and all this time / I just sat by the window and looked inside / Didn't like what I found, but you win or you lose / Make a living or have a life, guess that I gotta choose") einen gelungenen Abschied schafft.

Phonte ist der bescheidene Kerl von nebenan, der seinen Hörern am Anfang und am Ende der LP fürs Zuhören dankt. Braucht er nicht, denn er spielt in der ersten Rap-Liga und man hört ihm gerne zu. Deshalb ist sein Album zwar nicht frei von Fehlern, aber Tigallo schafft es trotzdem wesentlich besser als Kollege 9th Wonder, den alten LB-Geist in ansprechender Form aufzukochen. Der Foreign-Exchange-Einfluss mag eine Hilfe gewesen sein, der entscheidende Faktor ist er auf dieser Scheibe nicht. Denn auch und vor allem bei den Gesangseinlagen wird nichts riskiert, die betrefflichen Songs sind nahezu ein eigenständiger Teil der Scheibe. Die große Erleuchtung ist "Charity Starts At Home" also nicht, seinen LB-Kollegen ist Phonte trotzdem voraus, was er mit einem guten Soloeinstand unterstreicht. Das nächste Mal darf dann aber ruhig noch etwas mehr gewagt werden.

6.7 / 10

Jedi Mind Tricks - Violence Begets Violence


Release Date:
25. Oktober 2011

Label:
Enemy Soil Records

Tracklist:
01. Intro
02. Burning The Mirror
03. When Crowds Descend Upon You (Feat. Demoz)
04. Fuck Ya Life (Feat. Blacastan)
05. Imperial Tyranny (Feat. King Magnetic)
06. Design In Malice (Feat. Young Zee & Pacewon)
07. Weapon Of Unholy Wrath
08. Target Practice
09. Carnival Of Souls
10. Willing A Destruction Onto Humanity
11. Chalice (Feat. Chip Fu)
12. Bloodborn Enemy
13. The Sacrilege Of Fatal Arms
14. Street Lights

Review:
Kaum zu glauben, doch "A History Of Violence" ist schon wieder drei Jahre alt. Seitdem brachten AOTP ihr drittes Album und Vinnie pflasterte die erste Wegmarkierung seiner Solokarriere (während Jus' seit Langem angekündigtes zweites Album weiterhin auf sich warten lässt). Bis dahin verläuft alles sehr normal, bis dann die Ankündigung zu "Violence Begets Violence", dem mittlerweile siebten Album der Jedi Mind Tricks, konkreter wird: Man arbeitet mit mehreren Produzenten zusammen, Stoupe wird gar nicht am Album beteiligt sein. Faktisch ist der Mann, der für den JMT-Sound steht, kein Teil der Gruppe mehr, da er seine Begeisterung für HipHop schon vor einiger Zeit verlor (wahrscheinlich ein schleichender Prozess, der eventuell den konstanten Qualitätsabfall erklärt) und sich lieber anderen Projekten widmet. Er stellte wohl Material für das neue Album zur Verfügung, dieses wurde aber nicht ausgewählt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Zu lange habe man darauf gewartet, dass Stoupe, mit dem Vinnie und Stoupe in der letzten Zeit ohnehin wenig bis keinen Kontakt pflegten, seinen Hintern bewege und das benötigte Material bereitstelle. JMT wollen Hardcore-Sound, Stoupe dagegen hantiert derzeit mit nachdenklichem, ruhigerem Material. Zusammenfassend ist also anzunehmen, dass "Violence Begets Violence" ein Zeugnis der überstrapazierten Geduld von Vinnie und Jus ist, die keinesfalls darauf warten wollen, bis Stoupe ihnen eventuell irgendwann doch wieder entgegenkommt. Denn die eigenen Kassen füllen sich nicht von selbst und der Name JMT lässt sich eben doch besser vermarkten als jegliche Soloalben. Also füllen andere Produzenten die Lücke, unter anderem Enemy Soil's Inhouse-Produzent C-Lance, der offenbar mehr und mehr eine zentrale Rolle auf dem Label einnimmt, des Weiteren Namen, die hier und da schon auf Releases des Labels auftauchten: Shuko, Hypnotist Beats, Nero und mit Mr. Green sogar noch ein Überraschungsgast. Eigentlich sind die Namen allerdings egal, denn neben einem sehr homogenen Klangbild machen sie alle klar, was mit dem Hardcore-Sound gemeint war, den man offenbar anstrebt und den Stoupe nicht (mehr) liefert. Genau genommen tat er das noch nie, denn Jus und Vinnie beschreiten ganz einfach neue Sound-Gefilde, die man eher von jüngeren Releases auf Enemy Soil kennt. Das heißt im Klartext: Furiose Beats, rasende, dramatische Samples und wummernde Kicks, die offenbar das Ziel haben, sämtliche Lautsprechermembran einzustampfen. Mit der subtilen und doch mörderisch-präzisen Genialität eines jungen Stoupe hat das herzlich wenig zu tun, weswegen man sich auch direkt von jeglichen Vergleichen mit alten JMT-Platten verabschieden muss. Wer so ins Album startet, der wird nicht unbedingt enttäuscht: Das Intro erzählt etwas über Massenmörder und Psychopathen, baut dabei Stimmung auf und bereitet die Bühne für "Burning The Mirror" vor, das ohne Vorwarnung die Hütte niederbrennt, eine solide Hook auffährt und mit drohenden Battle-Raps nicht geizt: "Fuck a crucifix, I use it just to stab a nun". Erfreulicherweise überzeugt auch ein (mehr oder weniger) über seine Aufzähl-Rhymes hinweggekommener Jus Allah. In diesem Format spiel dann ein Großteil der Scheibe. Das wird beizeiten anstrengend und führt auch nicht zu einer eventuell erhofften, geschlossenen Atmosphäre, über einige sehr gelungene Tracks darf man sich trotzdem freuen. Dieser Effekt wird durch die Gäste noch verstärkt, ein Blacastan etwa passt nicht wirklich in den Albumstrom, wertet aber das anderweitig mittelmäßige "Fuck Ya Life" etwas auf. Mr. Green bemüht ein ausfüllendes Vocal-Sample, für das Young Zee nur ein "Sing, bitch!" übrig hat, "Design In Malice" zählt trotz der nicht unbedingt passendsten Gäste zu den besten Momenten - ganz im Gegensatz zu "Chalice", das mit seinen Dub-Anleihen der klare Fremdling der Scheibe ist und in diesen Gefilden akzeptabel operiert, für die LP insgesamt aber alles andere als essenziell ist. Andere Songs sind schlicht und ergreifend Standard-Material, in dem auch bluttriefende Lyrics nichts helfen: "The Sacrilege Of Fatal Arms" gehört ebenso zu den Verdächtigen wie "Imperial Tyranny" oder "Carnival Of Souls", für dessen Hook Demoz eigentlich geteert und gefedert gehört. "Willing A Destruction Onto Humanity" erinnert (nur) mit seinem Voice-Sample an Stoupe, die viel zu übersättigten Kicks sind wieder typisch "VBV", sparen hätte man sie sich in jedem Fall können. Aus diesem Pool des Durchschnitts ragen glücklicherweise noch einige starke Momente heraus: "Target Practice" flirrt roh durchs Bild und passt sogar zum Bassdrum-Ansturm - woher der lyrische Wind weht, sollte klar sein. Auch "Weapon Of Unholy Wrath" wendet die neue Standardformel gut an und bevor in "Street Lights" ein sehr geplant klingender nachdenklicher Schlusspunkt gesetzt wird, geht es in "BloodBorn Enemy" nochmal deftig und bärenstark zur Sache.

Hinter dem, was Vinnie und Jus unter den für dieses Album angestrebten Hardcore-Sounds verstehen, lässt sich ein ganz klares Muster erkennen: Gefährliche, möglichst dramatisch aufgestellte Samples und stampfende Kicks, die jede Diskussion über variierende Drumlines obsolet werden lassen. "Violence Begets Violence" schickt zig mal ein aufgemotztes "Genghis Khan" ins Rennen, leider ist diese Art von Tuning tödlich für den ursprünglichen Stoupe-Sound. Deshalb sind die neuen Jedi Mind Tricks ganz abgeschottet zu betrachten, und unter diesem Licht gibt es nicht mehr sonderlich viel, was sie von den Horden der AOTP und geistigen AOTP-Verwandten abhebt. Lediglich der gewichtige Name bleibt bestehen und hat, während das Duo am Mic eine überzeugende, gewalttriefende Show hinlegt, wohl auch einige der jungen Produzenten zu eigener Bestleistung angetrieben, weswegen "Violence Begets Violence" durchaus seine feurig-überzeugenden Momente hat. Ein wenig Luft nach oben ist insgesamt noch, doch mit absoluter Sicherheit wird man auf diese Weise aber niemals an alte Glanzzeiten anknüpfen.

6.0 / 10

Freestyle Fellowship - The Promise


Release Date:
14. Oktober 2011

Label:
Decon Records

Tracklist:
01. Introduction
02. We Are
03. The Write Here
04. Step 2 the Side
05. Ambassadors
06. Dart
07. Gimme
08. Government Lies
09. Introspective
10. Daddies
11. Candy
12. Know the Truth
13. Popular
14. Promise

Review:
2009 gaben Freestyle Fellowship eine Reunion-Show, bei der sie sich außerdem dazu entschlossen, mal wieder ein Album aufzunehmen. 2001 erschien das letzte, weitere zehn Jahre davor das Debüt, mit dem die Project-Blowed-Fackelträger das Fundament für ihren heutigen Legendenstatus legten. Die allerbesten Zeiten des Quintetts sind - trotz eines ganzen Schwalls an Soloalben, der auch in den letzten Jahren nicht daran dachte, abzureißen - sicherlich vorbei, verblasst sind die Westcoast-Veteranen deshalb noch nicht. Dass sie sich mit dem neuen Album, das den Namen "The Promise" trägt, zwei Jahre Zeit ließen, deutet zudem darauf hin, dass man nichts erzwungen hat.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Myka meinte, er sei weniger auf die Tracks stolz als auf die Tatsache, dass man immer noch als Einheit funktioniert und Musik macht. Eine ähnliche Philosophie mag man unter Umständen auch bei Decon pflegen, wenngleich das reine Spekulation ist, da das Label u.a. Aceyalone schon seit fünf Jahren beheimatet. Fest steht nur: Übertrieben große Spannung sollte man aufgrund des Albums nicht haben, denn Überraschungen gibt es eigentlich keine: Vier Emcees, die deutlich über dem Durchschnittsalter liegen, kommen zu einer albumlangen Session zusammen und reden, ohne den unbedingten Drang, mit einem gewissen Thema Alarmglocken zu läuten, über dies und das. Ebenso selbstverständlich ist glücklicherweise die Präsenz des Talents der Gruppe, denn in wortakrobatischer Hinsicht macht den Jungs niemand so leicht etwas vor. Ganz unhektisch stellt sich allerdings noch die eingangs eingeworfene "Introduction" vor, das mehr oder weniger als ein von Gitarre begeleitetes Gedicht aufzufassen ist, in dem die eigenen Werte skizziert werden, der Bogen in die Gegenwart gespannt und die Treue zu diesen nach wie vor bestehenden und hoch gehaltenen Werten als das titelgebende Versprechen gegeben wird. Den Grund, warum man FF sein Gehör schenken sollte, schieben sie direkt hinterher: "We Are" ist eine Art zweites Intro, das mit einem temporeichen, spacigen und doch smoothen Instrumental von Eligh perfekt ausgestattet ist, um dem Rap-Wettrennen der Mic-Künstler dienlich zu sein. Die Frage, welche soundtechnische Richtung mit diesem neuen Album am besten einzuschlagen ist, wäre damit eigentlich schon beantwortet. Doch FF sehen das anders und probieren noch ein paar weitere Pfade - mit großteils wesentlich geringerem Erfolg. "Ambassadors" spielt erfolglos mit Synthies, "Gimme" läuft völlig neben der Spur im Straßengraben der Belanglosigkeit und fällt nur durch eine unterdurchschnittliche Hook auf und selbst "Step 2 The Side" wirkt (aus welchem Grund auch immer) für eine Exile-Produktion zwanghaft auf eine eigentlich nichtexistente Norm zugeschnitten, wohingegen man FF viel lieber auf einem klassischen Exile-Tracks gehört hätte. Nicht ganz so sehr gilt das für "Candy", hier bleibt Black Milk schlichtweg hinter seinen Möglichkeiten. Trotzdem fallen die Tracks nicht komplett ins Wasser, ein Verdienst der melodiös vorgetragenen Raps von Myka, P.E.A.C.E., Acey und Self Jupiter. Lediglich im Speed-Acapella "Government Lies" (in das erst später ein wenig erbaulicher Beat einstimmt) passt die Darbietung nicht ganz - dass die direkte Staatskritik im Rest des Albums etwas verloren wirkt, stört dabei gar nicht großartig. Die gut aufgezogene Ode an die echten "Daddies" wird ebenfalls durch einen Beat verdorben, der je nach Tagesform unauffällig bzw. anstrengend ist. Gibt es also auch noch Lichtblicke? In der Tat: "Introspective" und "Popular" legen beide einen ernsten Ton an den Tag, letzterer Song wirft einen sehr kritischen Blick aufs Berühmtsein. Der abschließende Titeltrack führt wieder zum Albumkonzept zurück ("We promised we won't let you down / We promised to connect these through life experiences in sound / We promised to succeed and exceed your expectations") und schließt das Album mit lockeren und sehr angenehmen Minuten ab.

Leider tröstet der Schlussteil nicht darüber hinweg, dass man sich unterwegs einige Schnitzer geleistet hat - großteils unnötige Schnitzer, die man problemlos hätte vermeiden können, wenn man sich beim Sound für die Richtung(en) entschieden hätte, die von den wenigen hervorragenden Songs vorgeschlagen wurde(n). Am Können der vier Rapper selbst besteht nach wie vor kein Zweifel, auch das Licht, unter dem man zusammentrifft und ein wenig von allem diskutiert, ist kein Störfaktor. Das Versprechen, sich selbst und den Fans treu zu bleiben, halten Freestyle Fellowship damit zwar ein, "The Promise" hätte trotzdem den Potential zu wesentlich mehr gehabt.

5.2 / 10