Donnerstag, 24. Juni 2010

Braille - Weapon Aid


Release Date:
27. April 2010

Label:
Syntax Records / Talking Textures

Tracklist:
01. Get Well Soon
02. Give Myself
03. Complexicated
04. Up
05. Poison
06. Thinking Shoes
07. Resurrect Me
08. Revenge (The Right Way) (Feat. Ruslan & Beleaf)
09. Nothing Left To Say
10. Surgical

Review:
Vor knapp über einem Jahr begann Braille, nachdem er sein Kollaboalbum mit Symbolyc One fertiggestellt hatte, mit den Arbeiten zu seinem neuen Album, "Audibly Enhanced Dreams". Was die nächsten zwölf Monate für ihn bereithalten würden, war ihm da noch nicht bewusst. Dass der christliche Emcee aus Portland, der mit positiven Botschaften zweifelsohne einer der unbehaftetsten Charaktere der HipHop-Szene war und ist, in seiner Ehe scheitern und ein Jahr voller Selbstzweifel durchleben würde, hätte niemand erwartet. Das Release seines nächsten Albums zeigt, dass er keine Probleme hat, seinen Hörern von seinen persönlichen Problemen zu berichten: So ist "Weapon Aid" ein Album, das er als Eigentherapie sieht und das vor gut einem Jahr neben dem eigentlich geplanten Album entstand.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Bevor man ans Album geht, sei noch festgehalten, dass das Label, das man jahrelang mit dem Emcee verband (Hip Hop Is Music), ausgedient hat und durch ein neues, in Braille's Augen ideologisch weniger einschränkendes ersetzt wurde: Talking Textures. Darüber ist er natürlich weiterhin mit Syntax Records im Bunde. Wird "Weapon Aid" nun als sein düsterstes Album bezeichnet, so heißt das nur, dass die ernsten Tracks, die seit jeher einen Teil seines lyrischen Arsenals ausmachten, diesmal die Alleinherrschaft an sich reißen, was natürlich vor allem nach dem seicht-fidelen Gähnmarathon "Cloud Nineteen" einen starken Kontrast verheißt. Da Braille einer der eifrigsten christlichen Prediger in der etablierten Underground-Kommune ist, steht ihm bei seinen Problemen und Selbstzweifeln natürlich immer der Allmächtige zur Seite, der immer wieder als Ausweg und Licht am Ende des Tunnels auftaucht. Trotzdem muss man zugeben, dass der lyrische Gehalt der Scheibe nicht zu verachten ist und dass sich Braille selbst beim Einrappen anscheinend mehr Mühe gegeben hat - er klingt wieder etwas besser als auf "Cloud Nineteen". Den Sound zum Album erhält er von vier Herren, die ihn unabhängig alle etwa zur selben Zeit zwecks Zusammenarbeit kontaktierten. Neben Xperiment, Kid Hum und DJ Cassidy ist Big Jess der einzige weitläufig Bekannte, mit dem Braille für die Aufnahmen von "Le System D" in Kontakt kam und der mit sieben Instrumentals klarer Hauptproduzent ist. Nach dem ersten Konsum der Platte kommt man zu dem Schluss, dass man es hier nicht mit Musik für nebenbei zu tun hat. Nach intensiverem Hören weiß man zwar, dass Braille einen ausgezeichneten Job verrichtet hat, aber auch, dass sich das von den Produzenten nur bedingt sagen lässt. "Get Well Soon" legt los und erinnert direkt an "Le System D", während Braille seine Hörer erstmals darüber ins Bild setzt, dass er sich in einem Stadium befindet, aus dem es sich zu befreien gilt. Da die beiden Haupteinflüsse auf Braille sein Glaube und seine Probleme zu jener Zeit waren, lassen sich auch die Songs gut mindestens einer der beiden Kategorien zuordnen: Das sinnierende "Complexicated" und "Poison" (Thema sind die Braille vergiftenden Lügen) leiden dabei an schwachen Produktionen, die in ihrem Bestreben, einen gehaltvollen Gegenpol abzugeben, über ihre eigene Langeweile stolpern. Schon besser ist da "Thinking Shoes", das mit lockeren Gitarrenklängen und aussagekräfitgem Chorus ("Think you wanna walk in another man's shoes, think you wanna do what he do? / Think you wanna be where he's at?") bestückt ist. Ganz der Christ ist Braille in "Revenge", das mit der altbekannten Aufforderung, die andere Wange hinzuhalten, um sich wirft. Mit ein bisschen bitterer Ironie darf "Give Myself" betrachtet werden, eine hingabevolle Widmung an Nikki, Braille's (Ex-)Frau. Die steuert übrigens in vier Track Vocals bei, auch in "Resurrect Me", dem inhaltlichen Highlight der Platte, dessen Aufforderung wahlweise als an Gott oder seine Frau adressiert aufgefasst werden darf, während Braille Worte dafür findet, wie ihm die enormen Probleme, vor der seine Ehe steht, langsam klar werden ("Never imagined myself walking in these shoes / The road I was on was littered with many clues"). Dass nach diesem Track "Nothing Left To Say" als Titel zu finden ist, ist nur rechtens, während man erfreut feststellt, dass Jess gegen Ende der Scheibe wesentliche Verbesserungen bei seinen Instrumentals erreicht. Als logischer Schluss verbleibt mit dem starken "Surgical" noch ein religiös motivierter Track, dessen chirurgischer Eingriff nochmals die Gedankenwelt Braille's offenlegt.

Auch wenn es offensichtlich ist, dass Braille nicht gedenkt, aus seiner Misere Profit zu schlagen, tun die Umstände, unter denen er dieses Album aufnahm, der Qualität sehr gut. Das einzige Problem ist, dass Braille ganz offensichtlich genau die Beats wählte, die sich ihm zur Zeit der Aufnahmen anboten. Eine gründlichere Wahl von Produzenten und deren Beats hätte dafür gesorgt, dass "Weapon Aid" nicht wie eines unter vielen Alben klingt, die erzwungen kreativ klingen wollen, dabei aber an einigen Stellen in instrumentaler Belanglosigkeit zergehen. Immerhin hat "Weapon Aid" genügend gute Tracks, um als gut hörbar zu gelten, während Braille's Performance auf der LP empfehlenswert ist.

6.0 / 10

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