Freitag, 25. November 2011

Poetic Death - Shakespeare Science


Release Date:
30. Juni 2011

Label:
Organized Threat / ihiphop Distribution

Tracklist:
01. Martyr (Pt. One)
02. Brimstone Sonnets
03. Hamlet
04. Cult Following (Feat. Planet Asia)
05. Through My Window
06. Memory Box (Skit)
07. I Wonder (Feat. Top1)
08. Conflict (Feat. Sneakyness)
09. Dark Voices (Feat. The Jotaka & Explicito)
10. Imogen
11. Life Lessons (Dear Grandpa)
12. Macbeth
13. Obsidian Beauty (Feat. JMega)
14. Catacombs
15. Wolves (Feat. Jus Allah)
16. Nosferatu
17. Poker Face
18. Bad Seedz (Feat. Katha, Life Scientist & Mighty Kalipssus)
19. Martyr (Pt. Two)

Review:
Wer dachte, es sei unmöglich, mit 21 Jahren bereits sein neuntes Album zu veröffentlichen, der hat noch nicht die Bekanntschaft von Poetic Death gemacht. 2005 fängt der Junge aus Südkalifornien im Alter von 15 Jahren mit dem Reimen an, stellt gleich ein paar Mixtapes zusammen und bastelt ein Jahr später sein erstes Album zusammen, was zeitgleich zur Gründung von Organized Threat mit einigen Gleichgesinnten führt. Spätestens als vier seiner Freunde kurz vor dem High-Schhool-Abschluss bei einem Autounfall sterben, wird seine Einstellung von bedrückendem Gedankengut geprägt, während er in eine beachtenswerte Arbeitsmoral verfällt, die mehrere Alben pro Jahr nach sich zieht. Trotzdem nimmt er fast das ganze Jahr 2010 eine Auszeit, steigt dann aber wieder mit seinem achten Album ("The Beautiful Ugly") ein und legt, inzwischen in L.A. ansässig, 2011 "Shakespeare Science" nach.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Selten findet man bei einem jungen Rapper ein so ausgeprägtes Streben nach Poesie, doch PD kann davon anscheinend gar nicht genug bekommen. Möglich wurde sein Output aber erst durch einige sehr gute Connections, die er offenbar so gut gezüchtet hat und konsequent nährt, dass er regelmäßig Beats und Features für lau bekommt, was die Kosten pro Album natürlich erheblich senkt. Ganz ungeachtet dessen ist "Shakespeare Science" ernst zu nehmende Musik und hat nichts mit stümperhaften Aufnahmen aus dem eigenen Keller zu tun. Während Poetic Death erstmals bekannte Namen verpflichten konnte, gehen bei den Beats unbekannte Namen zu Werke: Neben Top1 und Pesticyde von Organized Threat (OgT) sind Kayoss Sonn und Anabolic von Black Hand Digital, der belgische Kwervo sowie der deutsche Phirious mit von der Partie. Wichtig dabei ist, dass das Ergebnis ein sehr homogener Teppich ist, der fast durchgehend düster bis schwermütig gewebt ist. Den bleibendsten Eindruck hinterlässt allerdings der dazu passende Poetic Death, der einen einmaligen Stil pflegt: Mit langsamen Raps und einer unglaublich tiefen (aber weichen) Stimme legt er einen schwarzen Schleier über seine Songs und kreiert eine der düstersten Atmosphären, die ein Album in jüngster Zeit vorzuweisen hatte. Schon mit dem ersten Song zeigt PD außerdem, dass sein Albumtitel nicht unbegründet gewählt wurde, sondern auf seine poetische Ader anspielt, die sich in einer großen lyrischen Dichte niederschlägt: Teil Eins von "Martyr" ist "dedicated to the future genration, these trouble making knuckleheads with symbols on their faces" und bietet direkt einen sehr geschärften Eindruck des amerikanischen Systems (und der Rolle der nicht zu sehr als Opfer hingestellten Schwarzen), der trotzdem nicht mit Hoffnung unterfüttert ist ("And now you wonder where the faith went, it's buried under memories"). Genau so ergießt sich dann die komplette LP: Ein wachsam beobachtender Pessimist mit einem Hang zur Poesie wählt Titel wie "Hamlet" und zeichnet eine schwarze Welt ("I see the irony in mankind with infinite wisom / Like peace is secondary when you're fighting for freedom"). Wohlgemerkt geht es hier nicht um bahnbrechende Skills, PD's Stärke ist sein steter Flow mit den bedeutungsschweren Zeilen, die durch die Instrumentals zumeist bestmöglich komplementiert werden: "Cult Following" ist repräsentativ mit einem langsamen, melancholischen Piano-Loop bestückt, dem Instrument, das so gut zu PD passt. Diese schleppende Stimmung ist des Albums roter Faden, muss aber vor allem bei Gastauftritten aufpassen, nicht von der Spur abzukommen - Sneakyness etwa ist in "Conflict", das PD voll im Griff hat, nur eine Störung des Albumflusses, noch mehr gilt das für die Gäste in "Dark Voices" und "Bad Seedz" (ausgenommen Life Scientist), die viel zu hektisch und unkoordiniert ins Geschehen platzen. Abgesehen davon trifft auch nicht jeder Beat ins Schwarze, sehr wohl aber die meisten: So ergibt sich ein bedrückendes Zusammentreffen mit Jus Allah (der sich danach direkt bei OgT verpflichtete) als bösartige Mörder und es kommt zu einem überragenden Mittelteil: "Imogen" (wieder mit starkem, gelooptem Klavier-Sample) teilt PD's tief betrübende Gedanken zum Thema Liebe, das gehaltvollste Highlight ist allerdings "Life Lessons", das an den 2004 verstorbenen Opa adressiert ist und den Hörer in eine desillusionierte Welt saugt:

"I lost a couple homies right before my graduation
If you ever run into 'em, let 'em know their parents miss 'em
[...]
I've had sex a few times, didn't really see the point of it
If I ever had a kid, I'm pretty sure that I'd adopt it
I still haven't talked to my father, since he walked out
He's never there anyways, so fuck the memory
[...]
Got some tattoos, all across my left side
Zonin' out to 2Pac and wondering if thugs cry
And now I understand what it takes to be a man
I graduated college just to work a 9 to 5er
[...]
But anyways I gotta go now, just wanted us to conversate and see how you were doing
You'll never be a memory, the pain is for eternity
"



Diesem Meisterwerk folgt gleich das nächste, "Macbeth" ist eine geradezu deprimierend düstere Produktion, die die intensive Atmosphäre fortspinnt. Später folgen noch das bedrohliche "Pokerface" ("I've got a little problem with the artists on the mainstream / Shoutouts to Wolf Gang for representin' current mind states") sowie der zweite Teil von "Martyr", das (unter politischen Aspekten) zurück in die Vergangenheit blickt.

Bei einem derart hohen Output, wie ihn Poetic Death an den Tag legt, könnte man auf einem einzelnen Album lieblose Massenware erwarten. Doch was auf "Shakespeare Science" geboten wird ist in höchstem Maße beeindruckend. Die Beats sind sorgfältig gewählt und stammen von fähigen Produzenten, die ein Ohr für Poetic's dunkel eingefärbte Art zu Rappen haben, der Protagonist selbst verlässt sich voll auf seinen monotonen Flow, der ein schwarzes Zelt um den Hörer aufspannt, das sich langsam mit den teils bemerkenswert guten Lyrics füllt. Dieses Album ist beileibe nicht perfekt, denn die nötige atmosphärische Intensität ist nicht durchgehend gegeben, trotzdem ist "Shakespeare Science" mindestens empfehlenswert und zeigt großes Potential.

6.8 / 10

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