Donnerstag, 17. November 2011

R.A. The Rugged Man - Die, Rugged Man, Die


Release Date:
16. November 2004

Label:
Nature Sounds

Tracklist:
01. Lessons
02. Casanova (Fly Guy)
03. A Star Is Born
04. Chains (Feat. Masta Killa & Killah Priest)
05. Dumb
06. On The Block
07. How Low
08. Mitch Blood Green (Interlude)
09. Midnight Thud
10. Black And White (feat. Timbo King)
11. Brawl
12. Die, Rugged Man, Die
13. Pick My Gun Up (Skit)
14. Da' Girlz, They Luv Me
15. Make Luv (Outro)

Review:
Er ist zugleich einer der tragischsten, ereignisreichsten, lustigsten und zusammengefasst interessantesten Werdegänge eines Rappers überhaupt - jener von R.A. The Rugged Man, der ihn durch ein Dutzend albumlose Jahre im Game führt. Zum Rap findet der junge R.A., der als eines von sechs Kindern zwei behinderten Geschwister (eine Folge des Agent-Orange-Kontakts seines Vaters, ein dekorierter Vietnam-Veteran) hat, bereits mit zwölf Jahren, sechs Jahre später (1992) reißen sich die Labels um ihn und er heuert beim damals mächtigen Jive an, um als Crustified Dibbs sein Debüt ("Night Of The Bloody Apes") aufzunehmen. Doch das Geld, das in den MC aus Long Island gesteckt wird, dematerialisiert der für seine Eskapaden bekannte Rugged Man binnen kürzester Zeit, woraufhin er schließlich ohne Deal dasteht. Dem Respekt, den er in der Szene erhält, tut das vorerst keinen Abbruch, was nichts daran ändert, dass auch ein zweites, Ende der Neunziger für Priority aufgenommenes Album ("American Lowlife") nie das Licht der Welt erblickt. Erst 2004 kommt er mit einem Label, dem Indie Nature Sounds, auf einen grünen Zweig und veröffentlicht sein Debüt, "Die, Rugged Man, Die".

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Wer so viel durchlebt hat, wer einen kollektiven Hass auf Labels pflegt, als weißer Rapper schon Jahre zuvor die Masche abzog, mit der ein anderer Weißer aus Detroit erfolgreich wurde, und Respektbekundungen von Biggie auf dem Konto stehen hat, der hat einiges zu erzählen. Deshalb verwundert es nicht groß, dass "Die, Rugged Man, Die" einerseits von den Skills des Rugged Man (sein ursprünglicher Hype kam schließlich nicht von ungefähr), andererseits von vielen Anekdoten und Gedanken über die vergangenen Jahre als auch seiner ohnehin kranken Persönlichkeit, die sowieso genügend verrenkte Konzepte hervorzubringen imstande wäre, profitiert. Was also für ein erfolgreiches Album fehlt und an dieser Stelle die wesentlich unsicherere Komponente darstellt, sind die Produktionen. Da ist Nature Sounds 2004 noch kein besonders aussagekräftiger Name, ist der Katalog von Dev One's Label zu diesem Zeitpunkt schließlich noch sehr überschaubar. So stehen als Produzenten neben den "prominenten" Ayatollah und J-Zone Namen wie Marc "Nigga" Nilez, Dev 1 selbst, Jocko, Koran The L.T.D. oder Vapor World zur Stelle, von denen man zumeist wenig bis nichts gehört hat. Anfangs scheint das nicht das geringste Problem zu sein, denn Koran legt als Vorzeige-Noname mit "Lessons" das erste waschechte Highlight hin und beschert der Platte einen Traumeinstieg: Sadat X wird in die Hook eingebaut, ein Borderline-kitschiges Glockenspiel klopft sich über die Drumline und gewährt dem Rugged Man gerade jene Art skurriles Szenario, in dem sich der bärtige Sonderling wohlfühlt. Passend dazu wird dem uninformierten Head erstmal ein kleiner Abriss davon gegeben, mit wem er es hier eigentlich zu tun hat und was der Rugged man schon alles erlebt hat:

"They say a white boy need a black boy to win
Uhm, Bubba Sparxxx did it and so did Slim
Just Blaze is hot now, why don't you get with him
I watch mad rappers bite my shit and blow up
And make millions of what I created, that's tough luck
[...]
A month before they blew up with Mystikal and Jay-Z
The Neptunes came to see me at D&D
I knew this chick named Norah, a lounge singer
A year later she a six Grammy award winner
I've seen Flatlinerz, I've seen Canibuses
I've seen Lil Zanes, yeah I've seen mad misses
[...]
I seen A&Rs get fired for takin' pisses
"


 
Selbst ohne die vielen Anspielungen (man vergegenwärtige sich die letzte zitierte Zeile vor dem Hintergrund der Gerüchte, die über ihn und seine Exzesse bei Jive kursieren) spielt R.A. hier ganz groß auf, kombiniert Veteranen-Perspektive mit (selbst-)ironischem Kommentar. Da wo "Lessons" aufhört, fängt "A Star Is Born" erst an. Der Beat gefällt, hält sich aber dezent zurück und stellt R.A. wieder ins Rampenlicht, der diesmal seine eigene Biographie bzw. seine vermurkste Karriere vom Zaun bricht: vom Hype '91 zur falschen Label-Wahl bis zum Tiefpunkt Mitte der Neunziger - grandioser Vortrag. Damit ist die Geschichte des Rugged Man genug abgedeckt und man kann sich (vorerst) anderen Themen zuwenden: "Brawl" will hauptsächlich anecken, auch der Titeltrack und "Dumb" zeigen R.A. als den zwielichtigen Abschaum, als den er sich selbst inszeniert, offenbaren aber direkt das größte Problem der Scheibe: teilweise wirklich unterdurchschnittliche Produktionen. "How Low" hat als "Planet Rock"-Kopie natürlich einen gewissen Charme, will aber nicht so recht ins Gesamtbild passen, das an die guten alten Zeiten zurückdenkende "On The Block" (bekannt von der dritten "Soundbombing") versumpft mit seiner Kindermelodie nur dank R.A.'s Auftreten nicht im Kitsch. "Midnight Thud" ist wieder eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, aufgrund des langweiligen bis schlechten Instrumentals jedoch uninteressant. Auch die Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung mit Timbo King hätte wesentlich besser ausfallen können - etwa wie das überragende "Chains" (einem übertrieben frisch aufgelegten Ayatollah sei Dank), bei dem auch noch die Gäste Feuer spucken. Und wer bisher noch nicht genug gelacht hat, der sei auf die unschwer erkennbaren Tracks verwiesen, die R.A.'s Beziehung zur Damenwelt involvieren.

Ein Jahrzehnt, nachdem R.A. eigentlich hätte debütieren sollen, kann er endlich einen Longplayer vorweisen. Dass der auf Indie-Basis veröffentlicht wird, ist nur konsequent, doch es darf davon ausgegangen werden, dass man bei etwas mehr Konformität oder wahrscheinlich selbst mit einigen netten Anfragen bei diversen Kollegen ein wesentlich besseres Producer-Lineup zusammenbekommen hätte. Die Themen gehen dem Rugged Man nicht aus, die guten Beats sehr wohl und kosten ihn damit fast die gute Zensur. Inhaltlich ist "Die, Rugged Man, Die" ganz klar ein Hinhörer - das Album ist witzig, informativ, provokant, politisch inkorrekt und technisch stark vorgetragen - und da eine ausreichende Zahl Beats aufgeht, wird man auch einige Banger finden, doch öfter als nötig hinterlässt das Sound-Gerüst einen bitteren Nachgeschmack und legt R.A. an eine Leine, die ihn nur ganz knapp übers gute Mittelmaß hinauslässt.

7.0 / 10

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