Donnerstag, 20. Oktober 2011

J-Live - S.P.T.A.


Release Date:
27. September 2011

Label:
Triple Threat Media

Tracklist:
01. As I Start
02. From Scratch
03. The Authentic
04. Watch Sun Watch (Feat. YC The Cynic)
05. How I Feel Pt. 3
06. The Me And You (Feat. Anneice Cousin)
07. No Time To Waste
08. Pronounced Spitta
09. Life Comes In Threes (Feat. Rasheeda Ali)
10. Great Expectations
11. Poetry In Ertia (Feat. John Robinson & MarQ Spekt)
12. Home Or Away (Remix)
13. Half A Glass (Feat. Lyric Jones)

Review:
Nach einem Ausflug, der drei verschiedene Alben auf drei verschiedenen Labels umfasste, ist J-Live nun wieder zurück auf seinem eigenen Label Triple Threat, auf dem das Multitalent schon seit geraumer Zeit sein inzwischen fünftes Soloalbum plant. Als Überbrückung und Einleitung ins neue Album veröffentlichte er dazu Ende letzten Jahres bereits die sechs Tracks starke EP "Undivided Attention" (u.a. mit Homeboy Sandman als Gast), die den Künstler aus New York bereits dreimal auf dem Cover abbildete, was kein Zufall ist, denn so tut es auch das Cover zu "S.P.T.A.", was auf die Tätigkeit als DJ, Producer und Emcee (neben weiteren, weniger essenziellen Beschäftigungen wie Geschäftsmann, Promoter, etc.) hinweisen soll. Außerdem wird der Hörer auf dem Cover den expliziten Hinweis finden, wie er den Albumtitel auszusprechen und den Sinn des Akronyms zu verstehen hat.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
J-Live ist nicht unbedingt der Typ mit der größten Fanbase, was zugegebenermaßen daran liegt, dass er einen recht unauffälligen, in jeder Hinsicht gemäßigten HipHop betreibt, dem einmalige Charakteristika abgehen. Deshalb war ein Album wie "Then What Happened?" nicht überragend und deshalb wird bei den meisten die Vorfreude überschaubar sein. Doch auf der anderen Seite überraschte "Undivided Attention" mit einigen sehr hörenswerten Momenten und "S.P.T.A." soll schließlich mehr oder weniger die Erweiterung auf Albumlänge dazu sein, daher auch die eine oder andere Ähnlichkeit in der Tracklist. Was es nun mit J-Live's Dreifaltigkeit als einzigem im Pressetext angepriesenen Großkonzept der Scheibe zu tun hat, vermag das Album selbst leider auch nicht zu klären. Dafür, dass Mr. Justice Allah auch seine Producer-Seite präsentieren will, produziert er nämlich recht wenig, lediglich drei Beats. Den Rest tritt er an Namen wie RJD2, Nicolay, Diamond D oder Marco Polo ab, was auf den ersten Blick auf ein eher willkürliches und mittelmäßiges Gesamtbild deutet, aber wie sich herausstellt flickt J-Live alle Beiträge recht gut zu einem stimmigen Album zusammen. Die großen, weltbewegenden Themen bricht J nicht vom Zaun, gut unterhalten ist man von dem fähigen Spitta trotzdem durchgehend, denn er weiß, wie er (auch ohne herausstechende Erscheinung am Mic) ein Mic zu behandeln hat. Betrachten wir also zuerst die selbstproduzierten Songs: "Life Comes In Threes" klingt wie eine Ausführung über das LP-Konzept, stellt sich aber als (mit viereinhalb Minuten zu langes) Instrumental heraus, das nettes, aber unaufregendes Flötenspiel in den Vordergrund stellt, "Watch Sun Watch" erreicht Ähnliches mit seinen Bläsern. Geplänkel über Real- und Fake-MCs besiegeln das Prädikat "Hintergrundmusik". Davon kann sich der "Home Or Away"-Remix mit ausfüllendem Voice-Sample glücklicherweise absetzen: Frei nach dem Motto "You know my 3-man-1-man-band tight" versucht J den Eindruck zu erwecken, dass mehrere Rapper am Mic stehen. Nun darf man sich daran machen, den Rest der LP auseinanderzunehmen: RJD2 trägt das mittelmäßige "Great Expectations" bei, Marco Polo dagegen trifft in "Pronounced Spitta" genau den Nerv des Albums und landet einen leichten Kopfnicker mit ordentlich Soul, bei dem sogar der DJ J-Live zum Vorschein kommt. Marco's zweiter Cut, "The Authentic" (unnötig zu erwähnen, dass inhaltlich nichts passiert), ist Standardkost und fällt lediglich dadurch auf, dass am Schluss das überragende "The Way That I Rhyme" von der "Undivided Attention"-EP angepielt wird. Auf dieselbe Weise wird fast die gesamte EP an mehreren Song-Enden untergebracht, beispielsweise auch auf Diamond's höchstens solidem "No Time To Waste", was die Frage aufwirft, wieso die besten Stücke der EP nicht komplett importiert wurden. Bei "How I Feel Pt. 3" ist das praktisch der Fall, Nicolay's traumhafter Beat mit dem Audio-Two-Voice-Cut war anscheinend unentbehrlich und schnappt sich (versehen mit neuen Raps, die J's Ansichten zur Rap-Szene umreißen) auf der LP problemlos die Krone als bester Song. Gegen den simplen Piano-Loop in "Poetry In Ertia" kann er sich (trotz starker Gästeschaft) nämlich ebenso durchsetzen wie gegen das nachdenkliche "Half A Glass", der Love-Song "The Me And You" ist dagegen keine Konkurrenz.

J-Live's fünftes musikalisches Gebräu auf Albumlänge ist eines dieser Alben, die wenig falsch machen und trotzdem keine großen Wellen schlagen werden. Schuld ist irgendwo J-Live's Herangehensweise selbst, die kaum einzigartige Momente zulässt und sein Album von Anfang an zu einem Kampf mit der Aburteilung als "eines von vielen" zwingt. Diesen Kampf hätte man aber besser meistern können, denn zusammen mit den guten Liedern der "Undivided Attention"-EP hätte J genug Material für ein gutes Album beisammen gehabt. Doch "S.P.T.A." hat trotz eines freundlichen Vibes und schöner Tracks zu viele durchschnittliche Momente, um den Hörer dauerhaft zu binden, ganz abgesehen davon, dass das Konzept des dreifachen J-Live komplett auf der Strecke bleibt.

6.2 / 10

A-Class - Motive Response


Release Date:
23. Juli 2007

Label:
Brake Fast Records

Tracklist:
01. We Are Here
02. Make You Say
03. Takes On Rap
04. Artwork
05. Radios
06. Turnfiya
07. Blackout
08. Face Card
09. A-Music
10. Sweat This (Feat. Flu)
11. And It Goes
12. Classoutro

Review:
Wer ab und zu einen Blick auf die abgekapselte Welt der Battle-Gesellschaften wirft (als Beispiel sei hier Grind Time Now genannt), der hat vielleicht schon das eine oder andere Mal von A-Class gehört, denn seine Sporen verdient er sich derzeit genau dort. Seine ersten Schritte im HipHop-Game reichen allerdings schon weiter zurück, denn nachdem der in Südkorea geborene und in Baltimore aufgewachsene A-Class in den Neunzigern seine Liebe fürs Genre entdeckt hat, schafft er es bereits 2004, auf lokalen Battle-Events Aufmerksamkeit zu erregen, was ihn zu Brake Fast Records führt, wo er 2006 zur "Divisions Of Labour"-Compilation beitragen darf. Neben seiner Tätigkeit als Battle-MC findet er dann 2007 auch noch Zeit für das ebenfalls auf Brake Fast erscheinende Solodebüt, "Motive Response".

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Bei derartig aus dem Nichts kommenden Künstlern stellt sich primär die Frage, was sie denn Lohnenswertes zu bieten haben, denn im Falle A-Class ist selbst das Label, Brake Fast, kein Aushängeschild, das man mit bestimmter Qualität verbände. Auch die Produzentenliste ist durchgehend mit unbekannten Namen gespickt: Bei Tom Delay, P-Nyce, Rosirus, DJ Dyrti oder Big Whiz werden bei niemandem die Alarmglocken schrillen. Hinzu kommt noch, dass A-Class die Hürde, die sich vor allen Freestyle-Battle-Rappern aufstellt, zu überwinden hat: Er muss seine Battle-Fähigkeit richtig übersetzen bzw. sie zu gegebenem Zeitpunkt ausblenden, um ein ordentliches Album zustandezubekommen. Sein Können am Mic beschränkt sich glücklicherweise nicht nur auf spontan und holprig zusammengebastelte verbale Beschimpfeskapaden (wobei er schließlich schon in seinen Battles flowmäßig beachtlich loslegt), in Sachen Flows überrascht er mit einem sehr runden und stetigen Auftreten, das scheinbar nach Belieben im Tempo nach oben geschraubt werden kann. Besonders viel Zeit zu verschwenden hat A-Class immerhin nicht, "Motive Response" misst nur eine halbe Stunde und legt dementsprechend auch sofort los: "We Are Here", ein schicker Kopfnicker, eignet sich perfekt als Intro und bringt dem Hörer direkt nahe, was Class zu bieten hat - gute Battle-Lines ("You Vs. me is like coke Vs. customer - I throw some lines at ya") dürfen da natürlich nicht fehlen. Die Produktionen geben dabei recht schnell zu erkennen, dass größere Überraschungen nicht das sind, womit man hier rechnen sollte. Gemäßigter BoomBap steht auf der Tagesordnung, der wie in "Blackout" von P-Nyce auch gerne mal eine jazzige Note verpasst bekommt, während A-Class ein bisschen aus seinem beschwerlichen Leben berichtet. Große Konzepte packt Class für seine Songs allerdings nicht aus, den Großteil seiner Spielzeit füllt er mit cleveren Battle-Raps, in die sporadisch persönliche Zeilen eingestreut werden. Ein kleiner und feiner Moment, in dem das Rampenlicht nur auf Tom Delay ruht, ist das instrumentale "Radios", "A-Music" dagegen ist wieder ein friedliebendes Ständchen, in dem Class seine Skills unterstreicht. Dieses etwas harmlose Auftreten der ganzen Scheibe ist vor allem im hinteren Teil A-Class' größter Feind, denn da er zwar astrein spittet, bei den ruhigen Tracks aber ein gewisses Feuer, das die Aufmerksamkeit der Hörerschaft hätte sichern können, vermissen lässt, verkommt "Motive Response" streckenweise zu Hintergrundmusik. "Face Card" muss sich diesen Vorwurf ebenso gefallen lassen wie "Artwork" oder das abschließende "Classoutro". Seinen einzigen großen Moment hat Class in "Make You Say", denn das Instrumental von Rosirus überflügelt ihn nicht, legt aber trotzdem wesentlich mehr Drive an den Tag als der Rest der Scheibe und zeigt, wie man den Sükoreaner hochgradig effektiv in Szene setzen kann.

Dass der Markt für neue Künstler wie A-Class nicht sperrangelweit offensteht, zeigt die Aufmerksamkeit, die diesem Album zuteil wurde. Für eine Vorstellung als bis dato gänzlich unbekannter Rapper ist das, was der Jungspund zu bieten hat, jedoch nicht verkehrt. Er selbst ist ein ansprechender Battle-Emcee mit genügend Grips, diese Fähigkeit auf Albumlänge auszuweiten. Seine Producer sind ebenfalls keine Stümper, doch an zu vielen Stellen rutscht das Album in unbedeutsame Langeweile ab. Falls Class dieses Problem in Zukunft meistert, ist definitiv noch Luft nach oben und man wird von dem Mann, der von seinen Opponenten gerne als Jin-Kopie dargestellt wird, hoffentlich noch mehr hören als die Battles auf GTN.

5.9 / 10

Genelec & Memphis Reigns - Scorpion Circles


Release Date:
2002

Label:
HHI Recordings

Tracklist:
01. Firebombz
02. Elephantightus
03. Sunwheel
04. Anarchist Cookbook (Feat. Gamma Ray)
05. Move (Feat. Dan J)
06. Thunderbox (Feat. King 1)
07. Organisms
08. Prepare (Interlude)
09. Offerings
10. Sakura
11. Scorpion Circles
12. Chicken Soup
13. Give & Take

Review:
Direkt aus der HipHop-Metropole Santa Cruz, gelegen am schönen Highway No. 1 im Herzen des kalifornischen Küstenstreifens, bahnen sich diese zwei Herren mit Beginn des neuen Jahrtausends ihren Weg in die Szene. Genelec & Memphis Reigns sind keine feste Gruppe (eher ein Duo wie Meth und Red), arbeiten auch mit anderen Künstlern zusammen (so releast Genelec schon 1999 eine EP mit Master Kong) und hinterlassen der Welt faktisch nur dieses eine Album, wenngleich noch eine praktisch unauffindbare Demo-EP ("Lemme Make Love To You" aus dem Jahr 2000) existiert. Mit dieser EP bemustert man seinerzeit Hip Hop Infinity und erhält Spitzenwertungen, was in einem Label-Deal resultiert. Es folgt ein Track ("Ground Zero") auf der "Fishin' In Troubled Waters"-Compilation und ein Jahr später schließlich das Album "Scorpion Circles", mehr oder weniger die aufpolierte und um einige Songs erweiterte Version der "Lemme Make Love To You"-EP.

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Wenn es nicht schon der Herkunftsort zu einem absoluten Rätsel macht, was einen hier erwartet, sollte das Cover den Rest erledigen. Da hilft es auch nicht weiter, dass Genelec sämtliche Beats (auf seinem Computer) produziert. Es lässt sich jedoch wohl mit Sicherheit bemerken, dass "Scorpion Circles" nicht wie ein Album aus einer Surfer-Stadt südlich des Bays klingt. Viel eher wie eine Scheibe aus dem Umfeld der Atoms Family oder von Def Jux zu jener Zeit. Genelec und Memphis Reigns sind zu gleichen Stücken fähige Rapper, die ihre Hörer mit sehr aufgeweckten Flows und vielseitigen Zeilen fordern. Neben meisterhaften, mit messerscharfen Widerhaken gerüsteten Battle-Rhymes kommen auch die nachdenklichen Momente nicht zu kurz. Diese Mischung war (in guter Ausführung) noch nie verkehrt und trifft auf dieser Scheibe auf die Produktionen Genelec's, die man stellenweise gar nicht genug rühmen kann, denn was der Mann seinem Computer entlockt, schlägt nicht selten die Elite der Beat-Bastler. Der Charme der LP ist ein stets fühlbarer Lo-Fi-Flair, die Waffen sind ausgefallene Samples, die Genelec nicht nur aus den Sphären der westlichen Musikwelt zusammenträgt. Komplettiert werden die Instrumentals von rohen Drumlines, denen bei jedem Snare-Schlag noch ein wenig Blut aus den Sehnen tropft, was Stücke wie "Elephantightus" in munterem Tempo nach vorne dirigiert. Dabei merkt man Genelec und Memphis den Spaß am Rappen sofort an, es wird kein großer Wert auf besondere Konzepte gelegt (vertreten sind trotzdem einige), was die Qualität der Songs aber nicht schmälert. "Anarchist Cookbook" blickt aus der Sicht eines Staatsfeinds ("Master of disguise, change face at any pace / Rendezvous at any place, no existence of my state") zwischen appetitlicher Drumline und Streicher-Samples aufs Vaterland und wird vom meisterlich gescratchten Intermezzo Gamma Ray's vollendet. Bei den Tracks mit exotischen Samples ist ganz klar "Sakura" zu nennen, das mit seinem Wechselspiel aus Guqin und dichtem Streicher-Kopfnicker ganz großes Kino bietet, was nicht minder für "Sunwheel" mit perfekt eingebundener Sitar und unglaublichen Flow-Einlagen ("Following the energy, swallowing any entity unready for twenty second century / Miles above the middle ground with riddles that pound / Slippin' thick in the compositions, tricklin' down sound / This captain interacting with magic and mapping actions massively dramatic / None ready and not a single melody able to stable my fiery memory") gilt. Ein wenig Kritik lässt sich auch anbringen, so ist "Move" vielleicht einen Hauch zu entspannt und "Thunderbox" ein echter Durchhänger. Das war's dann aber schon, denn der Rest gibt sich keine Blöße, sei es nun das instrumentale Interlude "Prepare", der düstere Titeltrack, "Offerings" mit in ihren eigenen Gedankenwelten verlorenen Hauptdarstellern oder das wunderschöne, gitarrenunterlegte "Chicken Soup". Als ob man damit nicht genügend Hochkaräter beisammen hätte, findet sich in "Organisms" noch ein ganz besonderer Leckerbissen, ein Manifest der Klasse dieser zwei Emcees ("I'm awfully sorry for my rudeness, I ruined your flow / I had a bigger cypher during the better part of your show"), das von einem hypnotisierend-eindringlichen Orgel-Loop befeuert wird.

Die Begebenheiten nach Release der Scheibe sorgten dafür, dass dieses Album zum echten Geheimtipp wurde: Das Label, Hip Hop Infinity, vermeldete kurze Zeit später den finanziellen Ruin, Gen und Mem selbst, die zur Zeit der Aufnahmen gemeinsam auf der UC Santa Cruz waren, führte das Leben nach ihrem Abschluss in unterschiedliche Richtungen. Und so gerieten die vielen positiven Stimmen, die das Album kurz nach Erscheinen lobten, wieder in Vergessenheit und die HipHop-Welt vergaß um die beiden und ihr einziges Album. Zu Unrecht, denn was Genelec und Memphis Reigns hier auf die Beine gestellt haben, ist Underground-HipHop, wie er schöner kaum sein könnte, und selbst wenn "Scorpion Circles" nicht perfekt ist, so darf doch eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden.

8.0 / 10

Raekwon - Only Built 4 Cuban Linx...


Release Date:
01. August 1995

Label:
Loud Records / RCA

Tracklist:
01. Striving For Perfection
02. Knuckleheadz (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks & U-God a.k.a. Golden Arms a.k.a. Lucky Hands)
03. Knowledge God
04. Criminology (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks)
05. Incarcerated Scarfaces
06. Rainy Dayz (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks & Blue Raspberry)
07. Guillotine (Swordz) (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks, Inspectah Deck a.k.a. Rollie Fingers & GZA a.k.a. Genius a.k.a. Maximilian)
08. Can It Be All So Simple (Remix) (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks)
09. Shark Niggas (Biters)
10. Ice Water (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks & Cappadonna a.k.a. Cappachino)
11. Glaciers Of Ice (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks & Masta Killa a.k.a. Noodles, 60 Second Assassin & Blue Raspberry)
12. Verbal Intercourse (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks & Nas a.k.a. Nas Escobar)
13. Wisdom Body (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks)
14. Spot Rusherz
15. Ice Cream (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks, Method Man a.k.a. Johnny Blaze & Cappadonna a.k.a. Cappachino)
16. Wu-Gambinos (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks, Method Man a.k.a. Johnny Blaze, RZA a.k.a. Bobby Steels & Masta Killa a.k.a. Noodles)
17. Heaven & Hell (Feat. Ghostface Killah a.k.a. Tony Starks)
18. North Star (Jewels) (Feat. Popa Wu)

Review:
Man hätte vielleicht nicht sofort darauf getippt, dass nach dem charismatischen Method Man und dem durchgeknallten Ol' Dirty Bastard Raekwon der dritte aus dem neuneckigen Zirkel des Wu-Tang Clans sein würde, der ein Soloalbum releast. Doch der Chef, der schon auf "Enter The Wu-Tang" am präsentesten war, nimmt in RZA's Home-Studio seit Ende 1994 viel Material auf und hat auch schon die Vision für sein Album, das ihn endgültig vom Hustler-Leben in den Killa Hills, Staten Island wegbringen soll. Also schnappt er sich Ghostface Killah (der im nahegelegenen Somalia alias Stapleton residiert), mit dem er nicht erst seit Clan-Zeiten bestens vor und abseits des Mics harmoniert (im Spaß sehen sich die beiden als Zwillinge), und die zwei Tunichtgute konzentrieren sich auf die Musik, für die es Rae im Zuge der freien Label-Wahl zu Loud zieht, wo "Only Built 4 Cuban Linx..." Mitte 1995 erscheint.

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Der Einfluss dieses Albums auf die Szene ist unleugbar und enorm, schon beim Titel und den Äußerlichkeiten geht's los: Der ursprüngliche Titel ist "Only Built 4 Cuban Linx Niggaz" und entspringt der Vorliebe von Rae und Ghost für seidene, glänzende, schicke Klamotten und Schmuck (der schon damals "Ice" genannt wird), unter die auch Kubaner fallen, die Ketten, die die beiden tragen und aus denen sich laut Rae ein Glied nur sehr schwer herausbrechen lässt. Über das Ausleben dieser Faibles kommt man zum nächsten essenziellen Punkt: Wo RZA in seiner Kindheit Kung-Fu-Flicks konsumierte, ist Rae außerdem mit der Mafia- und Mobster-(Film-)Szene vertraut und überträgt dies auf sein Leben in Park Hill, in dem er bereits mit jungen Jahren das volle Programm abbekommt. Als man mit Steve Rifkind den Grundstein zur HipHop-Popularität von Cristal legt, kommt Rae übrigens zu seinem Zweitnamen Lou Diamond, nach und nach wird auch die ganze "OB4CL"-Belegschaft mit speziellen Spitznamen versehen (GZA und Masta Killa beispielsweise sind zwei Charaktere aus "Es war einmal in Amerika"). Neben Rae, der zusammen mit Ghost in schillerndem Slang das Erlebte in so oft als Mafioso-Rap betitelter Form wiedergibt, fehlt noch ein grundlegender Faktor: der das komplette Album produzierende, mischende und masternde RZA. Der Mann, der während dieser Zeit praktisch in seinem Keller-Studio lebt, schraubt einen Klassiker-Beat auf den nächsten und findet trotzdem Zeit, direkt auf Rae einzugehen und ihm als Regisseur das zu schneidern, was er benötigt. So rahmen die LP Samples aus dem thematisch passend umgemünzten "The Killer" von John Woo ein, während Kung-Fu kaum vertreten ist und auch die Beats ein etwas anderes, nicht minder geniales Gesicht zur Schau stellen. Kurz gesagt ist das instrumentale Gerüst makellos, es übertrifft problemlos die beiden bisherigen Wu-Solos. Während Rae und Ghost in "Striving For Protection" noch davon reden, das Dealen hinter sich zu lassen, geht es in Tracks wie "Knowledge God" königlich zur Sache, wenn Rae in bildhafter Genauigkeit einen Kingpin namens Mike Lavonia portraitiert und RZA sich mit vielschichtiger, stimmungsschwerer Sample-Arbeit austobt. Trotzdem wäre die Arbeit des Abts wohl nur halb so gut ohne das Zusammenspiel der zwei glorreichen Halunken, egal ob man nun als junge "Knuckleheadz" kriminellen Machenschaften nachgeht oder Ghost sich im (produktionstechnisch dem Original ähnlichen) "Can It Be All So Simple"-Remix erinnert, wie schnell man sich in fremden Gewässern eine Kugel einfängt. Der lyrische Feinsinn ist dabei im Detail zu suchen, wenn Raekwon eine Szenerie filmreif genau beschreibt und die Figuren seiner Texte von oben bis unten einkleidet. An dieser Stelle spielen logischerweise Elemente wie die Erwähnung von Cristal oder Ghost's Liebe zu Wallabee Clarks eine Rolle, was beispielsweise zu einem Skit vor "Glaciers Of Ice" führt (bei dem ein KGB-Track im Hintergrund spielt), der nächsten Großtat, mit 60 Sec's treffsicherem Singsang als Abrundung. Selbst wenn die eigene Potenz betont wird (und Ghost seine Philosophie, seinen Damen nie Geld zu überlassen, kundtut), pochen RZA's Drumlines hart, tanzen rohe Klavierklänge mit einem klagenden Voice-Sample. Als einen der älteren Songs kennt der "Tical"-Fan das von Isaac Hayes inspirierte "Guillotine" (das mit jedem Schlag der Kick eine Staubwolke aufwirbelt) schon ansatzweise, hier ist es wieder einmal der Rebel INS, der im lyrischen Sparring der vier am Mic heiß laufenden Emcees eingangs die Türen aus den Angeln bläst. Rein zufällig landet auch Rae's Kumpel Nas (als erster auswärtiger Gast auf einer Wu-Scheibe) im Studio, um die tonnenschwere Kollabo "Verbal Intercourse" zu veredeln, für die RZA eine meisterhafte Übersetzung der Emotions in diesen Kopfnicker findet. Dabei ist nie Ghost's Rolle zu unterschätzen, schließlich sieht Rae dieses Album sowieso als Kollabo der beiden, weswegen auch "Wisdom Body" Sinn macht, das Ghost (mit Intro aus "The Mack") alleine bestreitet; erzählt wird von der Interaktion mit einer Dame. "Rainy Dayz" stellt Blue Raspberry als Inhouse-Sängerin vor, "Heaven & Hell" schildert die unausweichliche Hölle des Straßenlebens und "Ice Water" zerrt (nachdem der "Shark Niggas"-Skit unbekümmert Biggie als Cover-Biter andeutet) den frisch aus dem Bau entlassenen Cappachino in die Booth, um ihm einen der besten Verse seines Lebens über eines der rohsten Stücke Musik, die RZA je ins Gefecht schickte, zu entlocken. Als kleines Osterei spielt zu Beginn von "Spot Rusherz" der Song, den der Clan für St. Ides aufnahm, während "Incarcerated Scarfaces" als einer der wenigen Solo-Cuts den einsitzenden Homies gewidmet ist. Mehr Mafia-Gefühl gibt es mit den Streichern in "Wu-Gambinos", schlussendlich nimmt "North Star" mit langsamem, kinotauglichem Instrumental und den Worten von Wu-Mentor Popa Wu die Rolle des würdigen Abschlusses ein. Zu guter Letzt sei noch ein Zitat aus dem aufbrausenden "Criminology" (in dem RZA perfekt zwei Samples zusammenschnürt) vom heiß laufenden Tony Starks angehängt:

"Extravagant, RZA bake the track and it's militant
Then I react, like a convict, and start killin' shit
It's manifested, the Gods work like appliances
Dealin' in my cypher I revolve around sciences
The ninth chamber, you get trapped inside my hallway
You try to flee but you got smoked up by the doorway
No question, I send your ass back, right to the essence
Your whole frame is smothered in dirt, now how you restin'
"


Das Zielpublikum der Scheibe ist ganz klar die Straße, aufgrund der herausragenden Klasse der Gambinos geriet schon damals jeder, der dem Duo Diamond-Starks mit seinem extravaganten Geschmack und (noch) erträumten Lebensstil über Bobby Steels' sich erneut selbst neu erfindenden und bahnbrechenden Produktionen lauschte, ins Schwärmen. Selbst die Zeit konnte und kann diesem Meisterwerk nichts anhaben, dieses Debüt ist immer noch so messerscharf wie damals und obwohl es zweifelsohne der beinharten Schule New Yorks zuzurechnen ist, so ist es doch zugänglich genug, um für jeden HipHop-Interessierten nicht nur als Monument, sondern auch als überragende Platte in Frage zu kommen. Respekt gebührt Regisseur RZA, ohne den dieses Album nicht ansatzweise möglich gewesen wäre, aber auch Hauptdarsteller Lou Diamond und Co-Star Tony Starks, die "Only Built 4 Cuban Linx..." seinen einzigartigen Charakter einhauchen.

9.8 / 10

Wildelux & Mac - The Masterplan


Release Date:
16. August 2011

Label:
Digi Crates Records

Tracklist:
01. The Masterplan
02. All My Life
03. Avant Garde
04. Sunshine
05. No Sense (Feat. D-Strong)
06. Impervious (Feat. SmooVth)
07. All Mines (Feat. Destruct)
08. Even The Playing Field
09. Alone In The Streets (Feat. D-Strong)
10. Behind The Assassination
11. Impervious (Remix) (Feat. SmooVth)
12. Tuff Love

Review:
Als einer von hunderten, die bisher unbemerkt durchs Rap-Geschehen zirkelten, ist Wildelux schon gut rumgekommen: Ursprünglich stammt der Mann aus der Bronx, wächst mit HipHop auf dem harten Pflaster des New Yorker Boroughs auf und entscheidet sich später, die Kultur zu seinem Job zu machen. Dafür zieht er 1993 quer übers Land nach LA, wo er direkt Umgang mit Leuten wie Ice-T pflegt und außerdem zur Gruppe Last Kind stößt. Um die Jahrtausendwende zieht er mit denen einen Deal mit dem Bay-Area-Label Stray an Land, was zu "Revelations" führt, welches aber wenig Beachtung erfährt - kurze Zeit später meldet Stray sowieso Insolvenz an. Für Wildelux hat sich die Sache aber noch nicht erledigt, in Eigenregie (auf Last Kind Entertainment) releast er unter seinem Alias Willmatic 2003 eine EP ("Sneak Preview"), die sich wacker schlägt. Der folgen mehr Gastauftritte (u.a. beim LA-DJ Lord Ron) und 2007 schließlich das Debüt "Hustlemania". Ein Jahr später ist er bei Tha Connection" zu Gast: Man bleibt in Kontakt, was im Zuge der Erstarkung von Digi Crates zu einer neuen Heimat führt, die 2011 schließlich in "The Masterplan" resultiert.

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Das Album ist vorerst nur digital erhältlich und ruft außerdem einen neuen Namen auf den Plan: Ein gewisser Mac, der sich als Beat-Bastler aus Schottland herausstellt, befeuert die gesamte LP. Mit einer solchen Kombo ist das Album keine Seltenheit mehr, in diesem Fall kann man Wildelux' Entscheidung allerdings auch nachvollziehen: Mac ist sicherlich kein Ausnahme-Producer und verschreibt sich klassischem BoomBap der zumeist zurückgelehnten Sorte, in diesem Metier trumpft er allerdings voll auf. Ganz richtig, "The Masterplan" ist wieder mal eines der unverbesserlichen Alben, die irgendwie nach übergestern klingen. Stören sollte sich daran allerdings niemand, denn das Duo auf der Bühne macht seinen Job erstaunlich gut. Wildelux selbst klingt mit seinem Flow so eindeutig nach New York, dass man sich ihn gut und gerne auch in den kalten Sound-Gefilden der Mittneunziger vorstellen könnte, Mac dagegen übersetzt diesen Geist erfolgreich ins Jahr 2011. Als überragendes Musterbeispiel, wie das im besten Fall klingt, wende man sich an "Even The Playing Field": Streicher bereiten dem Hörer einen herzlichen Empfang, eine wohlgerundete Kick lädt zum leichten Mitwippen ein, ein Voice-Sample addiert einen Hauch Soul, Chinch 33 arrangiert (wie auch auf der restlichen Scheibe) die klassischen Cuts und Will selbst stellt mit seiner distanzierten Performance sicher, dass die Angelegenheit nie zu weich wird. Dass der (Ein-)Topf der Inhalte doch recht überschaubar ist, tut nicht sonderlich weh. Im gutbürgerlichen "All My Life" wird in aller Ausführlichkeit die Liebe und Loyalität zur HipHop-Kultur bekundet, das ebenfalls unaufgeregte "Sunshine" gehört Wildelux' Lebensabschnitt in Kalifornien und erinnert sich an das dortige Lebensgefühl und die Leute. "Impervious" blüht erst im Remix so richtig auf und klingt dort wie ein astreiner Tha-Connection-Cut von DJ Krypto, weswegen SmooVth's Auftritt absolut ins Bild passt. Bisher noch unerwähnt ist D-Strong, mit dem Will zusammen im Trio Third Rail agiert und der auf zwei sehr starken Tracks gastiert: Vor "No Sense" wurde eine AB-Ansage von Mac geschaltet (was dank des schottischen Akzents höchst amüsant klingt), die dann einsetzenden Streicher rechtfertigen Mac's Andeutung, es hier evtl. mit einem Song fürs Album zu tun zu haben, vollends. Was natürlich nicht fehlen darf ist ein Prodigy-Sample, das in "Alone In The Streets" Einzug hält und, von einem noch besseren Streicher-Geflecht umgeben, als Schilderung des Straßenlebens eines der Highlights der Scheibe ist. "Behind The Assassination" ist eine nüchterne Analyse der Frage "Who killed HipHop?" und "Tuff Love" beschließt die LP als weiteres Resümee des eigenen Werdegangs, das diesmal als Widmung an den verstorbenen Vater die harte Erziehung und erhaltene Liebe ehrt.

Man sieht also, die Themen sind nichts, was nicht schon unzählige Male zuvor durchgekaut wurde. Trotzdem kocht Wildelux den Mix ansprechend auf, was zweifelsohne zu großen Stücken an seinem starken und souveränen Auftreten liegt. In Mac findet er außerdem einen Partner, der ihm sowohl die etwas weicheren als auch die typischen NY-Cuts bieten kann; und dies in einer Weise, die erfolgreich den Grat zwischen zeitgemäß und retro wandert. Damit ist "The Masterplan" zwar weder etwas Besonderes noch ein echter Masterplan, doch wen es nach gelungenem 2011er BoomBap gelüstet, der ist hier auf der sicheren Seite.

6.7 / 10

Wise Intelligent - The Talented Timothy Taylor


Release Date:
17. Juli 2007

Label:
Shaman Work Recordings

Tracklist:
01. Another Chance @ Life
02. I'm Him
03. Skit
04. Sensi Party (Feat. Somer Lane)
05. Skit
06. Go With Me
07. Youth & Thugs (Feat. Popula)
08. John Kerry (Interlude)
09. A Genocide
10. Alex Jones (Interlude)
11. Ganja Smugglin
12. Skit
13. Police Can Do
14. Skit
15. Passing Tha Time
16. Still Black
17. Mama Cry
18. Summer In Da Jects
19. Barnes & Noble (+ Lesson)
20. This Is Love (Feat. Tye Austin)
21. Intelligent Wise
22. Set U Free
23. Cold World

Review:
Es schien ganz danach, als würde die Poor Righteous Teachers ein ähnliches Schicksal wie viele andere Helden der Neunziger ereilen - Funkstille bis auf versprengte Gastauftritte, die niemand wirklich mitbekommt. Doch einer der drei Five-Percenter aus Trenton stellt sich der Aufgabe, ein ganzes Jahrzehnt später noch Relevanz zu beweisen. Wie aus dem Nichts wird das Mixtape "Blessed Be The Poor?" selbst veröffentlicht und Wise Intelligent, der bekannteste der drei PRT, ist elf Jahre nach seinem ersten und bis dato einzigen Soloalbum wieder da. Nicht nur irgendwie, sondern gleich 100%: Der Plan ist, eine siebenteilige Albumserie zu veröffentlichen, deren erster Teil "The Talented Timothy Taylor" ist, für das Wise bei Shaman Work unterschreibt.

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Der Zutatentopf der Themensuppe sollte niemanden groß überraschen, denn vor dem PRT-Hintergrund wäre alles andere als eine starke Konzentration auf politischen Kommentar eine Überraschung. Dazu kommt der Albumtitel, der bereits nahelegt, dass es das Anliegen dieser Scheibe ist, noch einen etwas persönlicheren Pfad einzuschlagen. Genau so kommt es dann auch und da der talentierte Timothy Taylor mehr als genug zu erzählen hat, sieht sich der Hörer auf dieser Scheibe mit einer inhaltlichen Dichte konfrontiert, die er kaum gewohnt sein wird. Weitaus interessanter ist natürlich, inwiefern sich Wise Intelligent als Rapper gehalten oder verändert hat - schließlich bauen die meisten Bars-Stapler mit der Zeit eher ab. An dieser Stelle wartet Wise allerdings (zumindest für jene, die sein Mixtape nicht gehört haben) mit einer großen Überraschung auf, denn raptechnisch ist er nicht nur auf der Höhe von früher, sondern sogar noch ein wenig fideler unterwegs. Damit hält er auch nicht lange hinterm Berg, schon "Another Chance @ Life" zeigt, wie verdammt flowstark dieser Mann ist. Und weil er die Zeit seiner Hörer schätzt, wird auch nicht lange heiße Luft produziert, sondern gleich mal analysiert, was man in einem zweiten Leben alles besser machen könnte - und Wise würde glatt die halben Probleme der Menschheit beheben: "Let Jadakiss ask 'Why', I'm here to provide the answers" ist das Motto, unter dem Wise wohl gar kein Rapper geworden wäre, sondern Schulen gebaut und der Entstehung von Straßengangs durch ordentliche Bildung entgegengewirkt hätte. Der leicht verdauliche Piano-Loop (mit überflüssigem, gepitchtem Roger-Sanchez-Sample) eignet sich dabei als guter Einstieg, doch zum Thema Produktion müssen doch ein paar Worte mehr verloren werden: Einen renommierten Partner hat Wise für dieses Album nicht, er verlässt sich ganz auf Masada (mit dem bereits zusammengearbeitet wurde), Paul Little Jr. und sogar Oh No, der dreimal vorbeischaut. Die Herren sorgen für einen recht zeitlosen Sound, der sich stellenweise zu richtigen Highlights auswächst, an nicht wenigen Stellen aber leicht unreif klingt. Das ist natürlich schade, denn es gibt keinen einzigen Track, in dem Wise selbst nicht überzeugt oder nichts zu sagen hat. So portraitiert "Barnes & Noble" einen Player, der sein heißes Date in einen Buchladen ausführt, auf instrumentaler Ebene ist der Song jedoch vollkommen für die Tonne; an der "Sensi Party" ist alles hölzern, hier passt fast gar nichts zusammen. "Mama Cry", "A Genocide" oder auch "Still Black", die sich wie viele andere Stücke mit der unausweichlichen Misselage der schwarzen Bevölkerung beschäftigen, klingen da schon wesentlich besser, wenngleich man das Gefühl hat, dass man bei der Produktion wesentlich mehr hätte rausholen können. Zurück zu Wise, der erfreulicherweise nicht mehr allzu sehr gegen den weißen Teufel hetzt, während auch der Ragga-Einfluss nur noch an einigen Stellen präsent ist: "Youth & Thugs" lädt sich mit Popula einen entsprechenden Gast ein und "Ganja Smugglin'" schreit gerade danach: Aus dem Piano-Sample von Procol Harum wird ein überragender Kopfnicker mit Ragga-Vibe geschustert, dem Wise eine präzise erzählte Geschichte über die Freuden und Leiden des Dealer-Lebens verpasst. Außerdem auf dem Album zu finden sind systemkritische Skits, natürlich ein Song für die Polizei, eine Tempo machende Aufklärung für HipHop-Banausen ("I'm Him"), in Form von "Set U Free" mehr mäßig produziertes Material, ein schönes "Intelligent Wise", das zur Abwechslung mal Prahlereien mit dem eigenen IQ betreibt, und schließlich noch "Cold World", eine Auflistung diverser Statistiken, die die von Wise angeprangerte Rassenungleichheit nochmals in vollen Zügen darlegt.

Wise Intelligent's Rückkehr aus dem musikalischen Jenseits mag nicht die höchsten medialen Wellen geschlagen haben, doch bei Betrachtung des abgelieferten Materials muss man ihm zugestehen, dass er seine Fähigkeiten am Mic nicht nur gehalten, sondern sogar weiter verbessert hat. Nicht nur das, er bringt es auch noch fertig, trotz einer Trackzahl, die eigentlich zu hoch ist, jeden Song inhaltlich interessant und gehaltvoll zu gestalten. Sein einziges Problem sind - wie es so oft bei fähigen Rappern der Fall ist - die Beats. Masada und Paul Little Jr. verrichten zwar meist solide (und selten sehr gute) Arbeit, doch zu oft fühlt man sich, als würden die nur halb fertig produzierten Tracks dem MC Wise in keinster Weise gerecht. Dass "The Talented Timothy Taylor" trotzdem hörenswert ist, ist einzig und allein Wise Intelligent zuzuschreiben.

6.7 / 10

Swollen Members - Balance


Release Date:
31. Mai 1999

Label:
Battle Axe Records

Tracklist:
01. Ground Breaking
02. Strength
03. Lady Venom
04. Front Street
05. Bless + Destroy
06. Counter Parts (Feat. Evidence & Rakaa Iriscience)
07. Circuit Breaker
08. Out Of Range
09. Bottle Rocket (Feat. Everlast & Divine Styler)
10. Assault + Battery
11. Valentines Day Massacre (Feat. Third Raill Vic, Saafir & Big Nous)
12. S + M On The Rocks
13. Committed (Feat. Sun Doobie)
14. Left Field (Feat. Del The Funky Homosapien & Unicron)
15. Horrified Nights
16. Battle Axe Experiment
17. Consumption (Feat. Aceyalone)
18. Sinful Bliss

Review:
Wer nach dem bedeutendsten kanadischen HipHop-Act sucht, der muss in jedem Fall die Swollen Members in Betracht ziehen. Inzwischen hat die Gruppe mit dem zweiköpfigen Kern auch schon einige Jahre hinter sich, denn in den (offiziellen) Gründungsurkunden ist das Jahr 1996 zu finden: Mad Child ist damals ein aufstrebender Reimeflexer, den es nach San Francisco gezogen hat, wo er seine Karriere anfeuern möchte. Bei der Rückkehr in die Heimat Vancouver trifft er auf Prevail, der dort dasselbe treibt und mit Moka Only unterwegs ist. Man schließt sich zusammen und kann sich (auch wenn Moka kurze Zeit später den Solopfad einschlägt) in Underground-Kreisen der kompletten US-Westküste einen Namen machen (sogar mit einer Rock-Steady-Affiliation wird man geadelt). Der nächste Schritt ist die Veröffentlichung ordentlicher Musik, was 1999 das die Aufnahmen der vorigen Jahre zusammenfassende Debüt der Gruppe ("Balance", das auf Mad Child's Battle Axe Records erscheint) erledigt.

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Eine weitere Gruppe, die mit der Rock Steady Crew in Verbindung gebracht wird, sind die Dilated Peoples, die zufälligerweise auch zu den engsten Kontakten zählen, welche die Swollen Members in ihrem Nachbarland knüpfen und dementsprechend auch für die Produktion einiger Tracks verpflichten konnten (genau genommen sind es Evidence und der in selbigen Kreisen verkehrende Alchemist, die insgesamt sieben Beats beitragen). Auch sonst spricht die Gästeliste nicht unbedingt für einen lokalen Act aus Kanada, sondern für eine Gruppe aus Cali - da tummeln sich Del The Funky Homosapien, Aceyalone, Saafir oder Everlast. Über die Marschrichtung, die die Swollen Members mit diesem Album als ihre persönliche, auch über die folgenden Jahre immer mit ihnen assoziierte festlegen, sagt das noch relativ wenig aus. Da sagt der Name das Labels schon wesentlich mehr, denn die Swollen Members sind weniger in die Conscious-Ecke zu packen, als sie sich kunstvoll und bildhaft artikulierende Vertreter der Battle-Rapperschaft darstellen. Dazu kommt der Sound der Truppe, den man von einem Act der Westküste auch nicht unbedingt gewohnt ist und der (neben Namen wie Paul Nice und Kemo) als drittes Standbein den halb zur Gruppe gehörenden DJ und Writer Zodak rekrutiert. Nur sehr selten klingen Westcoast-Elemente durch, den Ton geben rohe Drumlines, Piano-Loops und vor allem deckende Streicher-Samples östlicher Schule an. Dass bei den SM nicht lange gefackelt wird, erfährt der Hörer ab der ersten Sekunde: Ein Intro wird als unnötig erachtet, es geht direkt in die Vollen, im wahrsten Sinne des Wortes: "Ground Breaking" geht glatt als Crew-Hymne durch und definiert alles, was an Mad Child und Prevail lobenswert ist: Ein dreckiger Piano-Loop schlägt die erste Schneise, es folgen brummender Bass, knüppelharte Percussions und stattliche Raps, die dem Song trotz messerscharfer Ausführung einen Hauch Lo-Fi erhalten: "Hunger still fierce, stomach still grumbles / Still pounding the pavement, watch concrete crumble / This is an underground invasion / Busting out from underneath, just to rise to this occasion". Und so heizen die zwei Emcees feurig-munter durch ihre Tracks, ohne dass man dabei (dank guter Abstimmung untereinander) Abwechslung vermisst. Trotzdem sind Auftritte der Dilated Peoples, von Everlast oder gar vom bärenstarken Saafir (der das "Valentine's Day Massacre" erst zum Massaker macht) gern gesehen. Ansonsten wird eigentlich nicht viel verändert, trotzdem hat man das Gefühl, dass hier viel passiert: Paul Nice packt zweimal Gitarrenriffs aus ("Lady Venom", "Sinful Bliss"), in Zodak's "Bless + Destroy" rennen voluminöse Klavierklänge gegeneinander an, der Alchemist zeigt sich mit akkuratem Streichereinsatz ("Circuit Breaker") in Bestform und Son Doobie prägt "Committed" mit seiner Hook. Zwischen all diesen Akteuren verlieren die zwei Steuermänner nie das Kommando und reiten zielsicher durch ihr Album, um auf dem Weg an ein paar echten Perlen vorbeizukommen, allen voran das düstere "Horrified Nights", wohl einem von Alchemist's schlagkräftigsten Streicher-Arrangements aller Zeiten, was vor allem Mad Child zu Höchstleistungen anspornt. Kleinere Mängel gibt es leider auch zu vermelden, so ist etwa "S + M On The Rocks" als semi-clubtauglicher Track nichts Halbes und nichts Ganzes, während sich "Left Field" spätestens nach zwei Minuten erschöpft hat und Mad Child in "Battle Axe Experiment" ausnahmsweise nicht zum Beat passt - doch das war's dann auch schon.

Schon die Tatsache, dass die Swollen Members es schaffen, auf ihrem Debüt mit 18 Tracks und knappen 70 Minuten Spielzeit anzutanzen, ohne den Hörer zu langweilen, sollte ein Plädoyer für sie sein. Der einzelne Hörer mag zwar den einen oder anderen Song skippen, doch insgesamt haben Mad Child und Prevail bestens abgeliefert und bewiesen, dass sie ihren Hype von Battle-Events auch gut auf einen Longplayer umsetzen können. Swollen Members fallen zwar ganz klar in die Hardcore-Sparte, "Balance" ist aber nicht so dicht gestrickt wie vergleichbare Platten und punktet stattdessen mit einer relativen, gut ausbalancierten Vielseitigkeit, die zu einem kleinen Teil den Westcoast-Einflüssen zuzuschreiben ist. Damit ist es zwar kein wegweisendes Album, aber immer noch ein durchwegs gutes, empfehlenswertes Machwerk.

7.5 / 10

Metermaids - Rooftop Shake


Release Date:
06. September 2011

Label:
Strange Famous Records

Tracklist:
01. 8MM
02. Graveyard Shift
03. Bad Things (Feat. Sage Francis)
04. Rooftop Shake (Feat. 9th Wonder)
05. Ghost Town
06. Last Of The EMTs
07. Kill The Crow (Feat. Sage Francis & Buck 65)
08. Victory Blvd
09. Get Down
10. Gone (Feat. 9th Wonder)

Review:
Dass beim Namen Metermaids noch bei niemandem die Glöckchen klingeln, ist verzeihlich, denn Großes hat das Duo bisher noch nicht vollbracht. Sentence kommt ursprünglich aus Denver und zieht 2005 in den Big Apple, wo er Swell trifft, der dort schon mit dem Namen Metermaids in der Rap-Szene aktiv ist. Nachdem man sich angefreundet und zusammengeschlossen hat veröffentlicht man (ohne Label) zusammen einige Projekte, u.a. das Album "Nightlife". Große Wellen schlägt man nicht, allerdings genug, um Aufmerksamkeit von 9th Wonder sowie Sage Francis zu erhalten, wobei Letzterer sie nach einer gemeinsamen Tour sogar unter Vertrag und seine Fittiche nimmt, was 2011 zu "Rooftop Shake" auf Strange Famous Records führt.

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Die Metermaids möchten den Eindruck einer nicht alltäglichen Gruppe erwecken, schreiben sich selbst eine "Punk-Attitüde" zu. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen: Dieses Duo ist so unglaublich andersartig, dass es glatt Teil der Justus League sein könnte. Raps vom grauen Alltag und vom Struggle finden sich zuhauf und mit der schon besagten Verbindung zu 9th Wonder weiß jeder, woran er ist. Der Fruity-Loops-Großmeister steuert nämlich fünf und damit die Hälfte der Beats bei, greift sogar zweimal selbst zum Mic (lustigerweise nicht als 9thmatic). Für die andere Hälfte kommt Matt Stine auf, der die Metermaids schon auf früheren Projekten (u.a. auf "Nightlife") belieferte, kurz gesagt aber ebenfalls als Aspirant der Justus League durchgehen könnte. So klingt das von Stine zu Beginn in den Ring geschickte "8MM" direkt nach 9th Wonder, glücklicherweise aber nach einer seiner besseren Arbeiten. Zusammen mit einer angenehm relaxt-gemütlichen Atmosphäre (und den Scratches von Rob Swift, die das ganze Album begleiten) stellen sich Sentence und Swell also den vielen Hörern vor, die sie bis dato nicht kannten, vermögen dabei aber niemanden von den Socken zu hauen: Mit gemächlichen Flows und Reimschemata ohne besondere Merkmale oder Inhalte nimmt das Duo vorerst im Hintergrund Platz. Nichts anderes gilt erwartungsgemäßg, wenn 9th selbst ans Mic tritt, etwa im voll und ganz mittelmäßigen "Rooftop Shake" - um das Dach zum Wackeln zu bringen, bedarf es etwas mehr, erreichen lässt sich dieses Ziel sowieso mit keinem der Songs des Albums, was aber keineswegs bedeutet, dass man nicht auf seine Kosten kommt. Da man ja eigentlich den etwas rufferen NY-Sound zum Vorbild hat, packt Stine etwa in "Bad Things" ein wunderbar vertaubtes Voice-Sample aus, für das die Metermaids zusammen mit Sage auch etwas mehr Druck hinter ihre Bars pumpen. Auch "Victory Blvd." lebt von einer gesunden Produktionen, während die Metermaids eine wirre Selbstinszenierung als abgebrannte Typen zum Besten geben. Direkte Anliegen werden sowieso selten klar, die Ausnahme ist da "Ghost Town" mit typischer 9th-Wonder-Ausstattung, das der ersten großen Liebe nachtrauert. "Kill The Crow" beginnt als starke Metapher, wirkt durch die vier verschiedenen MCs wiederum etwas unfokussiert, kommt aber immerhin über seine guten Ansätze hinaus. Die Beats sind außerdem nicht schlecht, 9th Wonder schläfert den Hörer (fast) nie ein und Matt Stine überrascht mit teils sogar noch besserer Arbeit. Während 9th mit "Graveyard Shift" nur dank der nächtlichen Hustler-Raps nicht untergeht, kann er in "Get Down" und "Gone" für einen soliden (aber unspektakulären) Abschluss sorgen.

Dafür, dass weder die Metermaids noch ihr hier vorliegendes Album etwas Besonderes sind, verkauft sich das Duo doch recht gut. Alles andere als der direkte Hinweis darauf, dass dieses Werk eines wie tausend andere ist, wäre zwar unangebracht, doch das heißt schließlich nicht, dass man sich den Spaß nicht anhören kann. Vor allem als einfache Hintergrundmusik eignen sich diese 35 Minuten, an zwei bis drei Stellen trumpft man sogar beachtlich auf. Trotzdem: Unter der Annahme, dass die Metermaids große Ziele hatten, können sie mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden sein, zu oft (vor allem gemessen an der Spielzeit) versinkt man bis über beide Ohren in ostküstlicher Backpacker-Konformität. Das ist weder schlecht noch gut und legt somit eine Landung im mittleren Bereich hin.

5.4 / 10

Sonntag, 9. Oktober 2011

Lil Wayne - Tha Carter IV


Release Date:
29. August 2011

Label:
Cash Money Records / Young Money / Universal Republic

Tracklist:
01. Intro
02. Blunt Blowin'
03. Megaman
04. 6 Foot 7 Foot (Feat. Cory Gunz)
05. Nightmares Of The Bottom
06. She Will (Feat. Drake)
07. How To Hate (Feat. T-Pain)
08. Interlude (Feat. Tech N9ne & André 3000)
09. John (Feat. Rick Ross)
10. Abortion
11. So Special (Feat. John Legend)
12. How To Love
13. President Carter
14. Its Good (Feat. Jadakiss & Drake)
15. Outro (Feat. Bun B, Nas, Shyne & Busta Rhymes)

Review:
Man weiß gar nicht so recht, was man hier noch schreiben soll, denn vor dem am Ende des Jahres wahrscheinlich meistverkauften Rap-Album gibt es momentan sowieso kein entkommen - ein Album dieses Ausmaßes wurde schon vorab so breitgetreten und von allen Ecken beleuchtet, dass man sich gleich darauf beschränken kann, die wichtigen Fakten zu nennen: Nachdem Lil Wayne nach "Tha Carter III" endlich im Königshaus der gut betuchten Rap-Exzentriker und -Verrückten angekommen ist, schafft der Gnom aus New Orleans es, mit Drake und Nicki Minaj (inzwischen beide Selbstläufer) sogar zwei seiner Lakaien den Weg in die Welt der Stars zu ebnen. Es folgen ein grauenhafter Ausflug in die Rockwelt ("Rebirth"), acht Monate im Knast und ein währenddessen releastes, überbrückendes Album, bis nach Freilassung die Aufnahmen für "Tha Carter IV" von Grund auf neu beginnen.

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Rein zufällig setzt "Tha Carter IV" nicht nur eine knappe Million Einheiten in der ersten Woche ab, es lasten auch ähnlich hohe Erwartungen auf der Platte, denen Wayne mit einer dicken Gästeliste im Gepäck (anstatt die ganze Young-Money-Bande loszulassen) entgegentritt. Dazu kommen viele unbekannte und wenige bekanntere Producer, von denen - so viel sei jetzt schon gesagt - keiner wirklich hervorsticht. Die einzige Ausnahme hiervon mag Bangladesh sein (der sich nach kurzweiligen Beschwerden über die Zahlungen zu "A Milli" inzwischen wieder mit Wayne versteht), der die ein halbes Jahr alte, insgesamt gelungene Single "6 Foot 7 Foot" schustert, die wieder schön eingängig durch die Hörgänge rummst und einen krächzenden Weezy in seinem arroganten Element zeigt. Ohne Frage sind Songs dieses Schlags mit diversen Einzeilern sehr unterhaltsam, doch schon hier zeigt Weezy ab und an schwache Lines ("I think you stand under me if you don't understand me", in diesem Fall einfach ein alter Hut). Das wird schnell zum Problem, denn es zeigt sich, dass Weezy ausschließlich das thematisiert, was ihn in seinem Leben tangiert (der Knastaufenthalt kommt dabei noch recht kurz), in erster Linie also sein Leben als Superstar, seinen Reichtum und die für ihn feststehende Geistes- und Skillgröße. Das ist von Zeit zu Zeit in Ordnung, wird aber schnell ermüdend eintönig, zumal Wayne teilweise etwas einfallslos klingt - wer in letzter Zeit auf gefühlten 1000 Hochzeiten tanzte, bei dem verwundert das nicht. Tracks wie "Megaman" sind zu allem Überfluss auch noch alles andere als stimmlich unanstrengend. Die LP besteht also aus Tracks, in denen Wayne sich selbst feiert sowie einigen wenigen, in denen er gerne ein anderes Thema ansprechen würde, es aber nicht auf die Reihe bringt: Sollte "Nightmares Of The Bottom" seine Kittchen-Episode abhandeln? Was hat "Abortion" ("When life sucks I just enjoy the head") mit seinem Titel zu tun? Wie passen Wayne's übliche, Frauen objektisierende Proleten-Raps auf ein düsteres Streicher-Gerüst wie "She Will"? Damit hören die Sternstunden der Platte aber noch nicht auf: Zementiert in die fast durchgehend durchschnittliche Produktion, die nicht nach mehr als einem unkreativen Querschnitt dessen klingt, was aktuell angesagt ist, versucht etwa ein John Legend, in "So Special" mit feinem Gesang (aber schlüpfrigem Text), ein wenig Charakter beizusteuern, hat damit aber ähnlich wenig Erfolg wie Officer Ross im gähnend langweiligen "John". Vollkommen mit sich selbst beschäftigt ist das unschön produzierte "Blunt Blowin'", in dem man sich anhören darf, wie toll Lil Weezy genau ist. Ein ähnliches Thema pachtet auch "President Carter", nur hier stimmt der Beat und auch Lil Tunechi liefert mit einer beherrschten, ruhigeren Performance einen der besten Momente der LP. Im Gegenzug marschieren "How To Hate" und "How To Love" auf, Ersteres mit grauenhaft exzessivem Auto-Tune (während Weezy tatsächlich halbwegs fokussiert über eine Ex-Freundin spricht), Zweiteres als der bittere Tiefpunkt des Albums, eine radiofreundliche Schnulzen-Single mit haarsträubendem Gesang über irgendeine schon mehrmals (gefühlsmäßig) verletzte Dame. Wie das ins Weltbild des Lil Wayne passt, der auf fast allen anderen Tracks die Ladies um weniger Unterleibsbekleidung bittet, weiß nur der Marsianer selbst. Ein Ende hat der Spaß damit aber noch nicht, es fehlt noch "It's Good" mit einem unpassenden Jada und zärtlichen, unheimlich aufgebauschten Zeilen gegen Jay-Z ("Talkin' bout baby money? I got your baby money / Kidnap your bitch, get that "how much you love your lady"-money") sowie "Intro", "Interlude" und "Outro", allesamt mit demselben Beat, der von Willy Will mit Snaps, Kick und Hörnern solide verkleistert wurde und der Weezy selbst nur im "Intro" beheimatet. Ironischerweise machen André 3000 und vor allem der alles überstrahlende Tech N9ne den besten Track der Platte aus, dem das "Outro" (leider mit einem aus der Versenkung ausgegrabenen, unglaublich beschissen japsenden Shyne) folgt.

Egal ob man Weezy nun mag, nicht mag oder ihm gleichgültig gegenübersteht - die Ausbeute von "C4" ist mager. "Megaman" und "6 Foot 7 Foot" taugen als dick aufgetragene Feier-Songs, der Rest geht fast komplett in Disharmonie mit Wayne's kindlicher Art unter. Abgesehen von den zwei besten Songs natürlich, auf denen der Herr gar nicht vertreten ist. Die restlichen Produktionen sind zumeist herzlich uninspiriert und eines selbstgekrönten größten Rappers aller Zeiten nie und nimmer würdig, doch schließlich ist der Gastgeber ebenfalls nicht in Bestform und sehr wiederholend. Der Großteil von "Tha Carter IV" ist eine austauschbare Kollektion von anderswo in besserer Ausführung Gehörtem, dem der charismatische Zwerg aus New Orleans nicht das gewisse Etwas mit auf den Weg geben kann.

3.6 / 10

Sound Survivors - P.E.A.C.E. (Pure Energy Allows Constant Elevation)


Release Date:
23. September 2011

Label:
Rapublik Records / MKZwo Records

Tracklist:
01. The Arrival
02. P.E.A.C.E. (Feat. Shogun Of Dark)
03. 123
04. Ma Soul (Feat. Craig G)
05. Hold You
06. Weltkrieg V3.0 (Bonus)
07. Last Hill (Feat. Tos El Bashir)
08. Light Travel (Feat. Constant Elevation & 9th Scientist)
09. Who Can Help Us?
10. Gloomy Days (Feat. Aslaam Mahdi)
11. Lost Hill State Of Mind (Bonus)

Review:
Während in der heutigen Zeit viele Künstler vor der Entscheidung stehen, ein Album ausschließlich digital zu veröffentlichen oder CDs pressen zu lassen, haben die Sound Survivors die Eier, ganz gepflegt auf CDs zu pfeifen und ihr neues Projekt neben der digitalen Form lediglich auf Vinyl (als Anreiz fürs sammelnde Junkie-Zielpublikum sogar in spezieller, transparenter Form) zu veröffentlichen. So hielt man das schon bei den letzten beiden Veröffentlichungen, den ebenfalls auf Rapublik erschienenen "Tree Of Life" (mit Invincible Temple) und "Working Class Heroes", das neue "P.E.A.C.E." soll als die vorerst letzte (HipHop-)Platte in dieser Art erscheinen, für die übrigens Mitglied Marabou das Cover-Logo auf einer Reise nach China zeichnete.

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Am Gemütszustand der deutsch-französischen Truppe hat sich kaum etwas geändert, auch Aufstellung und Aufgabenverteilung funktionieren so wie früher, beispielsweise auf "Boom Bap Blues". Tom Select schustert immer noch alle Beats und die bereits bekannte Blickrichtung, die aus dem Titel des eben genannten Albums ersichtlich ist, gibt noch immer den Ton an. Genau genommen soll "P.E.A.C.E." sowieso nur eine Art Überbrückung bis zum nächsten vollwertigen Album sein, weswegen es abzüglich der Bonus-Tracks fast EP-Format hat. Wie schon klar auf dem Cover zu erkennen begeben sich die Sound Survivors ins Feld der so beliebten Apronyme: "Pure Energy Allows Constant Elevation" ist die Devise, weswegen im Pressetext gleich einmal die innere Energie des Menschen an die physikalische Einheit angehängt wird. Das ist mäßig sinnvoll, doch mit esoterischen Blödsinnsweisheiten wird im Albumverlauf glücklicherweise niemand behelligt. Vielmehr regieren wieder Texte, die gesunde Belesenheit und überdurchschnittlichen Wortschatz zur etwas unfokussierten Grundaussage bündeln, welche schon vom eröffnenden Sample Howard Beales aus "Network" (das den Großteil von "Arrival" ausmacht) zusammengefasst wird: Die Massen sind dumm und unmündig, man befindet sich in einem Dämmerzustand. Zwar sehen sich die Sound Survivors als Weise, die jene Massen adressieren, Patentlösungen gibt es allerdings keine. Die innere Energie des Menschen hat nämlich nichts mit jener aus der Wärmelehre zu tun, wie die konstante Elevation zu erreichen ist, wird nicht klar. Doch dies nur nebenbei, denn abgesehen davon sind die Texte wieder einmal wesentlich unterhaltsamer als bei vielen anderen Künstlern. Dabei ist immer noch keiner der Akteure ein Rapper der Spitzenklasse, die gemächlichen Flows geben aber auch keinen Anlass zur Kritik. Was allerdings kritisiert werden kann ist der Umstand, dass auch die Beats in diesem gemächlichen Tempo ihren Boom Bap Blues spielen und die LP so teils etwas träge daherkommt: Der Titeltrack "P.E.A.C.E." dient hier als Beispiel, wobei Gast Shogun Of Dark ebenfalls keine Abhilfe schafft. Auch "Weltkrieg V3.0" ist nicht schlecht, aber produktionstechnisch nicht unbedingt lebendig genug, um es von der "Boom Bap Blues" für einen zweiten Auftritt hierauf zu bitten. Sich des Weiteren Ayatollah's "Hold You" auszuleihen ist gewagt und kann gegen das Masta-Ace-Original nicht bestehen, wenngleich man sich nicht schlecht schlägt. Jedenfalls besser als im trist produzierten "Ma Soul" mit Lou Sparks zu Beginn und standardmäßigen Salven gegen schlechte Rapper von Craig G. Mit der B-Seite wird das Album dann besser, vor allem "Light Travel", das sein langsames Tempo erstmals richtig ausnutzt, und das in seiner Drumline vom Rest der Scheibe gelungen abweichende "Who Can Help Us?" fahren Pluspunkte ein. Es stellt sich dann noch die Frage, wieso man mit "Lost Hill Sate Of Mind" Nas' Klassiker neu interpretieren musste, ansonsten kommt man zu einem Ende ohne weitere Fehltritte.

Das größte Problem, das die Sound Survivors selbst verschulden: "P.E.A.C.E." klingt streckenweise eher wie ein Mixtape. Da wird einmal ein Beat gejackt, ein Klassiker kopiert und ein Track vom "Boom Bap Blues"-Album ans Ende der A-Seite gesetzt (Bonus-Track hin oder her). Da außerdem bei den restlichen Beats keine Offenbarungen warten (sondern stattdessen an einigen Stellen Langeweile) und weder Sound Survivors noch Gäste als Rap-Lichtgestalten glänzen, verbleiben als größtes Aushängeschild die Lyrics, die selbst Battle-Raps interessant machen. Wer also genau darauf aus ist, der darf nach "P.E.A.C.E." Ausschau halten, alle anderen können das Werk als optionale Anschaffung betrachten, sollten aber im Zweifelsfall eher zu "Boom Bap Blues" greifen oder auf das nächste Album warten.

4.8 / 10

Qwazaar & Batsauce - Bat Meets Blaine


Release Date:
13. September 2011 (US) / 14. Oktober 2011 (D)

Label:
Galapagos4 Records

Tracklist:
01. A Choice
02. I Know
03. What Love
04. Chop Em Down
05. Eye To The Sky
06. Never Weaker (Feat. Onry Ozzborn, Offwhyte & DJ Bizkid)
07. Surrealism (Feat. Lady Daisey)
08. Power
09. If It Seems Wrong
10. I'm Gone
11. A Feeling (Feat. KP & Denizen Kane)
12. The Dream
13. Til It's Done
14. Thanks

Review:
Da verbrachte er eine halbe Ewigkeit im Halbschatten und jetzt scheint Qwazaar das Arbeitsfieber gepackt zu haben. Rekordverdächtige zwei Monate nach der stattlichen EP "Style Be The King" mit seinem neuen Partner Batsauce aus Jacksonville (wohnhaft in Berlin) folgt das Album. Geplant seit einigen Jahren, war "Style Be The King" die Vorstellung der beiden als Duo (die noch Luft nach oben hatte), das mit "Bat Meets Blaine" betitelte vollwertige Debüt soll nun zeigen, wozu man fähig ist, wobei vor allem Qwazaar unter Berücksichtigung seines bisherigen Schaffens das niemandem mehr beweisen muss. Im Gegensatz zu "Style Be The King" wird "Bat Meets Blaine" nicht erst als kleines Release auf Fifth Element umworben, sondern von Anfang an von Galapagos4 gestützt.

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Im Gegensatz zur EP gönnt man sich diesmal einige ebenfalls sehr fähige Gäste, vorwiegend Bekannte aus dem direkten Umfeld. Wer Qwazaar kennt, der weiß, dass der Mann ungerne zweimal hintereinander dasselbe macht, weswegen man irgendwie gar nicht groß überrascht sein darf, dass auf "Bat Meets Blaine" schon wieder ein etwas anderer Wind weht als noch auf der EP. Das wird vielleicht all jene etwas enttäuschen, die auf weitere Schweißtreiber vom Schlage "Shake" gehofft haben, denn dieser Ansatz wird auf dem Album kaum mehr verfolgt, weicht dafür natürlich aber anderen Ideen und Stilen. Trotzdem darf direkt vermerkt werden, dass die geradezu perversen Flow-Abfahrten, die gerade "Shake" zierten und ausmachten, ebenfalls abwesend sind. Das ist gewissermaßen schade, doch Qwazaar gehen als einem der vielseitigsten MCs des Genres deswegen nicht die Trümpfe aus. Statt knallharter Raps verfällt Qwa oft in einen Singsang, der Stil und Geschwindigkeit wiederum beliebig zu variieren weiß. Batsauce passt sich diesen Änderungen an und sorgt für einen instrumentalen Teppich, der genau in den Spätsommer bzw. Herbst passt, in dem sich relaxte Nummern und ein nachdenklicher Anstrich abwechselnd die Klinke in die Hand drücken. "Power" erinnert dabei noch am ehesten an "Shake" und trumpft mit einfacher Struktur, Claps im Hintergrund und in der Hook voll einsetzenden Hörnern auf, wobei das Thema diesmal wesentlich ernsthafter und kritischer ausfällt. Ansonsten regieren viele zwischenmenschliche Themen, wenngleich natürlich auch ein Stück wie das austeilende "Chop 'Em Down" nicht fehlen darf. Zufälligerweise legt Bat hier den schwächsten, etwas zu basslastigen Backdrop der Platte vor. Großartig ist dagegen "I Know", das mit lockeren Vocals gut gelaunt anfängt, dank einer satten Rhythmussektion aber (wie auch der Rest der LP) nie den Eindruck zu leichter Sommermusik erweckt. Und schließlich ist da immer noch Qwazaar, der selbst mit Gesang nie weichgespült daherkommt. Deshalb schlägt "Surrealism" auch eine wunderbare Brücke zwischen dem zarten Gesang von Bat's Smile-Rays-Kollegin Lady Daisey und Qwa's introvertierten Lyrics aus seinem Alltag. Ähnlich geht es zu, wenn Qwa in einem "Dream" versinkt, wobei sich Bat an dieser Stelle schon fast zu sehr im Hintergrund platziert. Besser gelingt das Zusammenspiel im munteren "I'm Gone", das eine von Anfang an riskante Beziehung rekapituliert, als auch "What Love", das allerdings eher allgemeine Gesellschaftskritik übt ("You would think a black president inspired some intelligence..."). Schließlich sticht noch "If It Seems Wrong" hervor, das zum Durchhalten im harten Alltags- und Arbeitsleben aufruft und gerade durch die erschöpfte Art, in der Qwa rappt, sein Anliegen unterstreicht. Die Gast-Raps auf zwei Tracks bleiben überraschenderweise unauffällige Beigabe und stellen nicht in Frage, dass Qwa hier den Ton angibt und zwar bis zum abschließenden "Thanks", das einige Shoutouts loswird, von Psylock bis hin zu den Beteiligten an dieser Scheibe.

Dem musikalischen Stillstand wurde auch auf dieser Scheibe erfolgreich entsagt. Doch in diesem Fall muss gesagt werden, dass man einige Elemente, die auf "Style Be The King" ansatzweise zu hören waren, gerne noch vertieft gehört hätte, denn auf gewisse Weise war die EP etwas vielseitiger als das eigentliche Album. Wieso man sich so sehr auf Singsang und lockere Tracks verlagert hat, bleibt ein Rätsel, ein kleiner Brecher à la "Shake" zwischendurch hätte keineswegs geschadet. Damit hat sich die Kritik dann aber erschöpft, denn das, was Qwa und Bat bieten, ist nicht nur interessant, sondern zumeist auch richtig gelungen. "Bat Meets Blaine" ist somit ein geschlossenes, gutes Album, dem man nur vorwerfen kann, dass es seine Möglichkeiten nicht voll ausgereizt hat.

6.7 / 10