Dienstag, 23. März 2010

Wu-Tang Killa Bees - RZA Presents: The Swarm Vol. 1


Release Date:
21. Juli 1998

Label:
Wu-Tang Records / Priority Records

Tracklist:
01. Intro
02. The Legacy (Feat. Timbo King)
03. Concrete Jungle (Feat. Sunz Of Man & Timbo King)
04. Co-Defendants (Feat. Shyheim & Hell Razah)
05. S.O.S. (Feat. Inspectah Deck & Streetlife)
06. Execute Them (Feat. Raekwon, Masta Killa, Inspectah Deck & Streetlife)
07. Bronx War Stories (Feat. A.I.G. & 120)
08. And Justice For All (Feat. RZA, Killarmy & Method Man)
09. Punishment (Feat. Black Knights Of The Northstar)
10. Bastards (Feat. Ruthless Bastardz)
11. On The Strength (Feat. Tha Beggaz)
12. Cobra Clutch (Feat. Ghostface Killah)
13. Never Again (Feat. Remedy)
14. Where Was Heaven (Feat. Wu-Syndicate)
15. '97 Mentality (Feat. Cappadonna & Ghostface Killah)
16. Fatal Sting (Feat. Black Knights & Christ Bearer)

Review:
Wu-Tang im Jahre 1998: Der Clan hat gut ein Jahr zuvor sein zweites Album veröffentlicht, die erste Generation der Soloalben ist unter stürmischem Beifall vollendet. Doch der nimmermüde Mastermind RZA ruht sich keinesfalls auf den Lorbeeren aus, sondern kümmert sich nun intensiv um das, was später als das größte Netzwerk an Künstlern in der Rap-Gemeinschaft gelten wird: die Wu-Fam. Ein Konzept für diese Fam ist schnell gefunden: Was Anzahl und angestrebtem Image dienen würde, wäre ein Schwarm; ein tödlicher Schwarm an Emcees - geboren sind die Killa Bees. Da bisher nur sehr wenige Künstler aus diesem Kollektiv Alben veröffentlicht, geschweige denn sich einen Namen gemacht haben, soll mit der Compilation "The Swarm" gezeigt werden, wieviel Potential hinter dem Clan steht.

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Ganz auf das Können seiner Schützlinge wollte RZA wohl nicht bauen, weswegen auch einige Clan-Mitglieder ins Lineup geladen werden. Nötig wäre das keinesfalls gewesen, denn wie wir alle wissen waren und sind die Mic-Qualitäten des unmittelbaren Umfelds - vor allem in der ersten Geburtswelle der Bees - mehr als ausreichend. Zudem sieht man sich auf "The Swarm" keinesfalls ausschließlich mit neuen Gesichtern konfrontiert: Shyheim debütierte vier Jahre vor diesem Album, die Sunz Of Man sind spätestens mit ihrem zeitgleich zu "The Swarm" veröffentlichten offiziellen Debüt eine dekorierte Truppe, ähnlich wie weitere Namen aus der Bienengesellschaft. Hinter den Boards teilen sich RZA und Mathematics (mit über der Hälfte der beigesteuerten Beats) die Bühne mit einigen Unbekannten. Erster vermerkbarer Unterschied zum bisherigen Wu-Style: Statt fliegenden Fäusten aus Kung-Fu-Flicks startet das Album in seinem "Intro" mit einem Auszug aus dem B-Movie "The Swarm", das die Einstimmung zu wildem Summen eines Schwarms als Überleitung zwischen vieler der Songs liefert. Die wiederum zeigen sich in allerfeinstem Eastcoast-Gewand, und beherbergen dabei zwar meist keine Neuerungen, dienen aber perfekt als Grundlage für eine Stunde durchgehend hochwertige Raps. Den Anfang macht Timbo King (ebenfalls zu diesem Zeitpunkt kein unbeschriebenes Blatt mehr), der über RZA's Drumline mit abstrakten Rhymes ("Born on the cross between love and lust / Genesis through Exodus, Lazarus, slash black Barnabus / The holy temple be the mental, you and I see Islamic") und schaut dann auch für "Concrete Jungle" kurz vorbei, in dem die Sunz Of Man mit starkem (und ansatzweise noch an die früheren Zeiten erinnerndem) Auftritt über einem soliden RZA-Gerüst schweben. Es fällt auf, dass die Auftritte der Clan-Member weder auf den besten Tracks passieren noch die besten Leistungen markieren. Ghostface's "Cobra Clutch" ist gut, hat mit Mathematics' Beat jedoch nicht den besten Griff getätigt. Andere Tracks wie "Execute Them" oder "And Justice For All" sind richtig gut, werden aber noch überstrahlt. Diese Aufgabe übernehmen Newcomer: Die Ruthless Bastardz überbieten sich in "Bastards" gegenseitig mit dreckigen Flows und Rhymes, können aber von den Beggaz (denen als Gruppe, ebenso wie den Bastardz, nie weiterer Erfolg beschert war) noch getoppt werden, die über den traurigen Hauch einer Piano-Line so weise wie Veteranen der ersten Stunde klingen. Darüber hinaus schlägt der zweite Teil des Albums den ersten dank weiterer Granaten um Längen: "'97 Mentality" ist RZA's bester Beat des Albums, ein wahres Juwel, auf dem das Duo Cappa/ Ghost ein Spitzenspiel absolviert. Auch der junge Westcoast-Ableger der Killa Bees bekommt zwei Auftritte: Die Black Knights Of The North Star, die sich bekanntermaßen später aufteilten, überzeugen vor allem im zum Abschluss nochmal schön rohen "Fatal Sting". Überragend ist außerdem die Vorstellung von Remedy, der mit dem Glanzstück seiner Karriere vertreten ist: Die trostlosen, von tiefmelancholischen Streichern unterlegten Bilder, die der jüdische Emcee vom Holocaust zeichnet und für die er mit "Never Again" einen trefflichen Titel findet, sorgen für ein Unikat eines Songs. Nicht ganz so markant, doch ähnlich ergreifend ist Myalansky's Ballade "Where Was Heaven", die von einem gebeutelten, auf kriminellen Wegen landenden Leben und Aufwachsen in seiner Hood (Virginia) erzählt - und ganz zu Recht auch auf dem ein Jahr später erschienenen Wu-Syndicate-Album zu hören war.

Diese Scheibe wird im Wu-Katalog gerne übergangen - schließlich handelt es sich nur um eine Compilation. Doch "The Swarm" ist nicht nur irgendeine Compilation, es ist ein Beweis für die unglaubliche Stärke und Güteklasse, die zu jener Zeit in der Wu-Bruderschaft gepflegt wurde. Mag sein, dass einige der vertretenen Clan-Mitglieder einen routinemäßigen (und somit immer noch guten) Auftritt aufs Parkett legen, der Großteil der Emcees geht allerdings volles Tempo und zeigt, was er kann. Es ist zwar ein Jammer, dass beispielsweise die Beggaz es nie zu einem eigenen Album geschafft haben, doch was auf diesem Longplayer an Beats und Rhymes versammelt wurde, war ein klarer Indikator, dass auf dem Fundament "Wu-Tang" noch einige Großtaten entstehen sollten.

7.8 / 10

Amos The Ancient Prophet & Sinister Stricken - Grandis Arcanum


Release Date:
26. Februar 2010

Label:
Ancient Productions

Tracklist:
01. ...Intro
02. Temple Of The Black Pharaoh
03. Rain Of Black Light (Feat. Sick Since)
04. Time (Interlude)
05. Triumph And Tragedy (Feat. Solomon Childs & Timbo King)
06. Curse Of The Damned (Interlude)
07. Prophets Of The Apocalypse (Feat. Holocaust & Atma)
08. Morning Of The Magicians (Feat. Semantix Tha Sorcera)
09. Twilight Zone (Interlude)
10. War Of Sons Of Light Against The Sons Of Darkness (Feat. Atma & JahNigga Da Baptist)
11. Lament Configuration (Feat. Beretta 9 & Since Since)
12. Outro...

Review:
Wieder eine Kollabo, die man dem Internet zu verdanken hat: Diesmal trifft ein Emcee aus England auf einen polnischen Produzenten. Sinister Stricken wuchs in den Straßen Südlondons auf, wo er sich schnell einem kriminellen Werdegang gegenübersah. Da er diesen nicht beschreiten wollte, wählte er den Mic-Sport als Alternative, und nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte er sich über das Internet Gehör (zugegeben, nicht überwältigend viel) verschaffen. So trifft er auch auf Amos The Ancient Prophet. Der Pole produziert erst seit 2005, gehört aber dem weltweiten, um die Lost Children Of Babylon zirkulierenden Kreis an und konnte in diesem Zuge auch schon Beats bei weithin bekannten amerikanischen Indie-Größen landen. Das gemeinsame Album (teils auch als EP erwähnt) läuft unter dem Titel "Grandis Arcanum".

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Mit einem lateinischen Titel, der, wenn nicht gar esoterisch, dann doch mythisch angehaucht ist, weiß man schon grob, woher der Wind weht. Schließlich wurden die LCOB schon als Referenz genannt und wer sich mit dem Umgang, unter dem Amos als auch Sinister verkehren (von Atma bis hin zu Killah Priest) und der auch auf dieser Scheibe repräsentativ zugegen ist, bereits ein wenig beschäftigt hat, der wird kaum überrascht sein. "Dunkel" ist das Wort, mit dem man bei der Beschreibung der Musik durchwegs gut zurande kommt: Tief brummende Drum- und Basslines, hypnotisierende Piano-Loops oder dramatische Streicher-Arrangements sind einige von Amos' Utensilien, mit denen er das Album illustriert. In gewisser Weise stellt Sinister Stricken da die perfekte Ergänzung am Mic dar: Der Londoner dirigiert ein tiefes Stimmorgan, das ansatzweise dem von Holocaust ähnlich ist; wobei dies keine stilistischen Parallelen einschließen soll, schließlich verkörpert Sinister noch einen, wenn auch kaum hörbaren britischen Akzent. Einen direkten Vergleich bietet "Prophets Of The Apocalypse", das zudem noch vom stimmlich ähnlich angesiedelten Atma komplettiert wird. Der Song offenbart allerdings auch, dass Amos - man mag es seinem relativ jungen Dasein als Producer zuschreiben - teilweise noch eine gewisse Raffinesse vermissen lässt, die auch nicht von DJ Extremidiz' ausgezeichneten Cuts (die den angestrebten, mystischen Charakter des Albums jedoch nicht wirklich unterstützen) nicht kompensiert werden kann. Meistens schaffen es Amos und Sinister aber hervorragend, eine dichte Atmosphäre aufrechtzuerhalten, wie etwa schon im "Intro", das einen Auszug aus der "Tabula Smaragdina" enthält und damit Allbumtitel und -konzept näher definiert. Doch die lyrische Glaubwürdigkeit ist auch bei Sinister stark in Frage zu stellen, schließlich wird unter die anfänglich nahegelegte Hermetik-Vorlesung (natürlich in sich ebenfalls stark zweifelhaft) auch Verschwörungstheorien-Material gemischt. Dazu kommen Gäste wie die Wu-Gebrüder Timbo Kind, Beretta 9 und Solomon Childs, die zwar qualitative Abwechslung bieten, aber auch von keinen antiken Wahrheiten zu berichten wissen. Wenn man sich also nicht zu sehr aufs Thema einschießt, wird man glücklich: Ein Titel wie "War Of Sons Of Light Against The Sons Of Darkness" ist (ab- und eingeleitet von einem erneuten Rezitat der "Tabula Smaragdina") zudem schon kunstvoll genug, um das Rap-Fan-Herz höher schlagen zu lassen. Zwischen Interludes, deren Typ man schon von zahlreichen anderen Alben kennt, finden Tracks wie das düstere "Morning Of The Magicians" Platz. Die beste Munition wird allerdings gleich zu Beginn verschossen: "Temple Of The Black Pharaoh" unterstützt mit üppigem Einsatz von Kick perfekt Sinister's Stimme, während "Rain Of Black Light" seinen Titel mit schwermütigem Piano-Loop und starkem, mystischem Gesang im Chorus bestmöglich in Szene setzt.

Auch wenn es einem nicht unbedingt so vorkommt, dieses Album findet schon nach 35 Minuten ein Ende (was durchaus für den EP-Charakter spricht). Dass einem das nicht bewusst wird, liegt an der Atmosphäre, die Amos und Sinister geschickt aufbauen. Zwar ist das Album keinesfalls makellos, darf aber als guter und vor allem durchgehender Hörgenuss bezeichnet werden. Nicht alle Beats von Amos begeistern und aus der Thematik hätte man zweifelsohne noch weitaus mehr machen können (sowohl hinsichtlich Lyrics als auch instrumental-atmosphärisch), doch das sei Amos und Sinister verziehen. Schließlich sind die beiden nicht faul und arbeiten schon an neuen Projekten. Bei "Grandis Arcanum" reicht es für ein "gut".

6.7 / 10

Guerrilla Alliance - Guerrilla Warfare


Release Date:
09. April 2010

Label:
Planet X Records

Tracklist:
01. Guerrilla Instincts
02. School Of Assassins
03. Wrath Of Kings (Feat. V.I.)
04. Sodom And Gomorrah (Feat. El*A*Kwents)
05. Architecture Of A Perfect Weapon
06. Sick Man Of Asia
07. Guerrilla Warfare
08. Inglorious Basterds
09. Audubon Ballroom (Feat. Stranga The Great)
10. Systematic Genocide (Feat. Schizo Da Madcapp)
11. Mark Of The Beast (Feat. G.I. 45)
12. The Hidden Fortress (Feat. Holocaust)
13. Revelationz (Feat. Armageddon)
14. The Prophecy (Feat. Shabazz The Disciple)
15. Nightmare Portal (Feat. Rook Da Rukus)
16. The Lost Symbol (Feat. Stranga The Great, Aztech, Eratic & Lone1)

Review:
Neben großflächigem Label-Sterben gibt es auch noch Künstler, die sich dazu entschließen, mit der Gründung eines Labels die eigene Unabhängigkeit sicherzustellen und der Welt die eigene Musik zu präsentieren. Das ist bei Planet X Records der Fall, dem Vega X als Kopf vorsteht, Macabean The Rebel als Vize dient und dem eine Handvoll Artists zugehört. Doch es sind die beiden Chefs, die uns hier interessieren, denn sie bilden zusammen die Guerrilla Alliance, die seit nunmehr zwei Jahren an ihrem Debüt arbeitet. Da beide bisher wenig in Erscheinung getreten sind und ihre Solo-Projekte (Vega X mit "Terrifying Consequences" und Macabean als Mac Blaze mit "Werdz From The Rebel: Part II", beide 2008) kaum Beachtung fanden, wird "Guerrilla Warfare" dem Konsument nicht nur als Vorstellung des neuen Labels, sondern auch als Vorstellung der Künstler selbst dienen.

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Vorgenommen haben sich GA ja einiges: Nicht nur wollen sie mit einem Paukenschlag Planet X Records etablieren, auch will man die Grenzen des HipHop-Genres ein wenig ausdehnen und eines der inhaltlich gehaltvollsten Alben veröffentlichen. Wer sich an dem missratenen Cover vorbeikämpft, dem eröffnet sich, was Vega und Mac damit meinen: Ganz offen stehen sie zu ihrer Affinität zu Verschwörungstheorien, egal welcher Art. Als Produzent für das Spektakel fungierte hauptsächlich Macabean, aber auch Label-Kollege Vee Eye hatte unter anderen seine Finger im Spiel. Hinsichtlich des Sounds stehen die Zeichen also auf typische Eastcoast-Nahrung, anzunehmenderweise nicht in seiner entspanntesten Ausführung. Ein loser Rahmen sowie zweifelsohne ein großer Einfluss auf die Ansichten der beiden Emcees findet sich in Milton William Cooper's "Behold A Pale Horse", das schon die ersten Worte des Intros "Guerrilla Instincts" stiftet. Bevor man nun das inhaltliche Wollknäuel angeht, sei zuerst auf die Skills der Emcees eingegangen; hier nämlich scheinen Abstriche bei Zeit und Übung zugunsten der Studie obskurer Literatur in Kauf genommen worden zu sein: Vor allem Vega X gebärdet sich wie ein Barbar, der mit brachialem Stimmeinsatz seine Botschaften herausrappt (bzw. nahezu -schreit), ohne dabei Reimschemata, sauberem Flow oder anderen technischen Kriterien Respekt zu zollen. Dieser Stil wirft den Vergleich zu Holocaust auf, doch spielt Vega ein bis zwei Ligen weiter unten. Mac schließlich ist ein solider, aber keinesfalls auffälliger Emcee. Seine Aussage, dass dieses Album wie eine Dokumentation gehalten sei, liefert trotzdem eine schöne Beschreibung der LP. Nun zum amüsanten Teil des Albums, nämlich den Lyrics. GA stellen sich als sehr offene Leser (pseudo-)politischer Schriften heraus. Ihre Aufgabe sehen sie darin, der HipHop-Gemeinschaft neue Aspekte in vielen Bereichen zu bieten. Man muss eigentlich nur die einschlägigen, hanebüchenschen Theorien durchchecken - man wird sie alle finden, alle wurzelnd auf Unwissen, das durch Statuieren geheimer, fädenziehender Mächte gefüllt wird, denen in Form von Geheimgesellschaften ein verschleiertes Gesicht gegeben wird: Freimaurer, Illuminaten (somit natürlich auch Skull & Bones), CIA (stellvertretend für den riesigen Lügenkomplex Amerika), und so weiter - die Neue Weltordnung (ebenfalls unzählige Male erwähnt) lässt grüßen. Sogar die HipHop-Musik werde kontrolliert, sofern man "The Prophecy" glaubt. Der Song zeigt im Übrigen auch anschaulich, wie die Protagonisten gegen einen versierten Emcee wie Shabazz eingehen. Doch schlecht ist die LP deswegen keineswegs: "Architecture Of A Perfect Weapon" beispielsweise ist mit Gitarrenklängen stark produziert und eher ruhig, während erneut gegen kaschierende Staatspropaganda gewettert wird. Versteht sich von selbst, dass ständig Samples aus Reden, die das Albumthema behandeln, eingebaut werden. Ein Highlight findet man in "Sick Man Of Asia", das clever (erneut mit Akustikgitarre) produziert ist und die groben Raps in ein schönes Ambiente wirft. Andere Tracks, wie etwa der Titeltrack, sind stürmisch genug, um als perfekt passend für Vega X durchzugehen, entfalten dafür in ihrer Gesamtheit durch Überreizung eine geringere Qualität. Ähnlich "The Hidden Fortress", das von einem Bruce-Lee-Sample eingeleitet wird und bei dessen Beat auch ein Holocaust nichts retten kann. "Nightmare Portal" (mit einem klasse Rook Da Rukus) hingegen funktioniert wieder. Gemäßigte Sounds bietet "Systematic Genocide", für das GA plus Schizo in die Rollen von G.I., Al-Qaida-Soldat sowie CIA-Agent schlüpfen - dass Letzterer der Böse ist, sollte nicht schwer zu erraten sein. Um das Märchenbuch zu komplettieren, fehlt noch "Inglorious Basterds", GA's Ansichten über den 2. Weltkrieg, die nicht ohne Vril-Gesellschaft und Schwarze Sonne auskommen und mit einem Hinweis darauf, dass das Böse direkt ins eigene Land (Stichwort "Project Paperclip") importiert wurde, enden.

In gewisser Weise haben Guerrilla Alliance Recht: HipHop hat tatsächlich wenige Verschwörungstheoretiker vom Schlage dieser zwei Quacksalber. Man solle nichts glauben, was man nicht selbst beweise könne, sagte (ironischerweise) Bill Cooper selbst, und genau dort liegt das Problem der Guerrilla Alliance: Wenn dieses Album eine Doku sein soll, dann eine grottenschlecht recherchierte. Das mutet doch alles ein wenig sehr wie das Nachplappern der Thesen und Behauptungen anderer Köpfe an. Auf Seiten der Raps kommen noch einige Defizite hinzu, außerdem sind auch die Beats nicht durch die Bank weg erste Sahne. Nichtsdestotrotz ist "Guerrilla Alliance" - wenn auch wahrscheinlich auf voller Länge Mumpitz - lyrisch unterhaltsam und mit mehr Gehirnschmalz als viele andere Alben gefüllt, was zusammen mit der ansehnlichen musikalischen Verpackung durchaus hörenswert ist.

6.3 / 10

Holocaust - Blue Sky Black Death Presents: The Holocaust


Release Date:
05. September 2006

Label:
Babygrande Records

Tracklist:
01. Plunder
02. Twilight Zone
03. We All Are Well Known
04. What Can the Matter Be
05. God Be With You
06. Monarchs
07. No Image
08. The Ocean
09. Sinister
10. Smoking Room
11. Lady Of The Birds
12. The Worst
13. Killer Moth
14. Wing To Wingfeather
15. Crash

Review:
Es musste einige Zeit vergehen, bis Holocaust sein optimales Debütalbum veröffentlichen konnte. Seit der Emcee aus Los Angeles 1998 auf den Alben von RZA und der Killarmy Auftritte feiern konnte, behielt man in Wu-Kreisen seine einmalig tiefe, füllende Stimme im Gedächtnis. Später erfolgte die Änderung auf den weniger behafteten Namen Warcloud, mit dem er 2002 zwei Internet-Releases verbuchen konnte. Zum offiziellen Debüt kam es aber erst 2006, nachdem der Bostoner Kingston mit dem Kalifornier Young God zu Blue Sky Black Death zusammengefunden hatte und sich die Wege von Holocaust und dem Produzentenduo auf Babygrande Records trafen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Warcloud ist inzwischen wieder Holocaust, doch im Gegensatz zu seinen Anfangstagen wurde die Entwicklung seines Rap-Stils, der sich über die Jahre langsam verändert hat, beibehalten bzw. fortgeführt. Holocaust rappt so off-beat wie kaum ein Anderer und verzichtet obendrein oft noch darauf, dass sich seine Zeilen reimen. Das mag man nun sehen wie man will, und wer damit auf keinen grünen Zweig kommt, der sollte sich nicht weiter mit Holocaust beschäftigen. Doch wer Holocaust als Ausbruch aus der Norm, wer seine Raps als einen eigenen, kunstvollen Stil akzeptiert, der wird mit diesem Album seine Freude haben. Denn nicht nur sein Stil selbst, auch seine Lyrics sind keineswegs alltäglich: Der Mann der lebhaften Wortmalerien legt zwar keinen Wert darauf, dass seine Zeilen Sinn ergeben, passt damit aber mehr oder weniger ins Profil eines Poeten, wiederum eine gute Umschreibung für seine Raps. Einen Hinweis auf die Fähigkeiten und Vorlieben von Blue Sky Black Death gab es schon mit deren Album "A Heap Of Broken Images", das auch schon eine Zusammenarbeit mit Holocaust sah. Doch was der Hälfte besagter (Doppel-)CD, die das Producer-Album darstellte, fehlte, bietet "The Holocaust" im Überfluss: stimmungsschwangere, atmosphärische Songs, die eine geschlossene Einheit, ein Album bilden. Hauptwaffe von Young God und Kingston sind flächendeckende Streicher-Samples, die mal den Hintergrund füllen und mal voll aufbrausen. Darauf reduzieren lässt sich das Duo nicht, denn für ihre malerischen Kunstwerke setzen sich die beiden keine Begrenzungen. So kommt es, dass sich dieses unscheinbare Duo als der perfekte Partner für Holocaust heraustellt, dass die beiden Parteien in einer Weise voneinander profitieren und harmonieren, die man im Voraus wohl kaum erwartet hätte. Tracks wie das von ergreifendem Hörnerschall geleitete "We All Are Well Known" kreieren eine einmalige Atmosphäre, in der Holocaust's Wörterketten weiträumigen Auslauf bekommen. In "Smoking Room" beispielsweise hält Holocaust eine Lesestunde und erzählt die Sage vom Rattenfänger vom Hameln sowie die Geschichte von Daidalos aus der griechischen Mythologie. An anderer Stelle inszenieren BSBD ein schwermütiges Stück aus Piano, Streichern und Voice-Sample ("No Image"), in dem Holocaust ebenso passend klingt wie im drum-starken Opener "Plunder". Auffällig sind die immer wieder zu findenden (doch zusammenhangslosen) Erwähnungen der amerikansichen Ureinwohner. Zwischen seine abstrakten Raps mischt sich auch immer wieder die eine oder andere Battle-Line. Unter den 15 Tracks, die alle im selben Stil gehalten sind, aber dank der Leidenschaft, die BSBD in ihre Beats stecken, nie langweilig werden, finden sich noch ein paar Highlights: Die Single "The Ocean" und "Sinister" begeistern mit dramatischem Streicher-Aufgebot, die "Twilight Zone" setzt sich aus Streichern und Piano zusammen und das überwältigende "God Be With You" wird mit tanzenden Streicher-Samples zum Hauptgewinn. Abschließend sei noch ein wenig von Holocaust's ganz normalem Wahnsinn zitiert:

 
"Fifty five people die yearly from box jellyfish stings
It is the most deadly animal in the world, I rock heavenly king
The heart will circulate thirty five gallons of blood a day
An assassin bug on your grave
While leeches suck the life out of a helpless frog
Unarmed, found inside a frozen forest, message long
"

Man nenne es Blödsinn, doch dieses Album ist einer der wenigen einmaligen Momente, die HipHop in seiner jüngeren Geschichte noch beschert waren. Auf Ebene der Instrumentals gibt es wenig Kritik anzubringen, denn Blue Sky Black Death schrauben wie die Weltmeister und schicken Holocaust durch eine Kulisse, um die ihn wahrscheinlich viele andere Rapper beneiden. Der Emcee aus LA macht sich mit seinem exzentrischen Stil nicht nur Freunde, doch wer bei seiner Performance keine Pickel bekommt, der wird die unglaubliche Kraft, die die großteils sinnfreien Rhymes (und Nicht-Rhymes) des Holocaust besitzen, zu schätzen wissen. Damit ist "The Holocaust" nicht nur eine der besten Veröffentlichungen aus der Wu-Fam im neuen Jahrtausend, sondern auch eines der Edelstücke seines Jahrgangs.

8.2 / 10

O.G.C. - The M-Pire Shrikez Back


Release Date:
31. August 1999

Label:
Duck Down Records / Priority Records

Tracklist:
01. Shoot To Kill
02. Joe Clair (Skit)
03. M-Pire Shrikez Back (Feat. Rock & Thunderfoot)
04. Sometimey
05. Shit Happens
06. Bounce To The Ounce
07. Girlz Ninety Now (Feat. Smif-N-Wessun, Ruck & Smokelite)
08. Smokey - Bless The Mic (Skit)
09. The Big Ohh (Feat. Smokelight)
10. If You Feel Like I Feel (Feat. Hardcore)
11. Slo Mo
12. You're Not Sure To See Tommorow (Feat. Lil Knock, MS, Doc Holiday & Illa Noyz)
13. From The Table To The Label (Skit)
14. Suspect Niggaz (Feat. Buckshot & Havoc)
15. Dirtiest Players In The Game (Feat. Heltah Skeltah)
16. Set Sail
17. Boot Camp MFC Eastern Conference (Feat. Boot Camp Clik & M.F.C.)

Review:
Das Trio O.G.C (Originoo Gunn Clappaz), das der Head als Starang Wondah, Louieville Sluggah und Top Dog kennt, macht die zweite Reihe der weithin bekannten Boot Camp Clik aus. Die drei waren die letzten aus dem Kreis der acht, die ein Album veröffentlichten, nämlich das 1996er "Da Storm", das sich außerdem noch als erste Scheibe aus dem BCC-Kreise schlecht verkaufte. Das verschaffte dem zweiten Album natürlich promotion-technisch keinen leichten Stand, doch auch die allgemeinen Erwartungen waren an O.G.C. nicht so hoch wie etwa an Heltah Skeltah. Entsprechend unbeachtet blieb "The M-Pire Shrikez Back". Selbst dieser Tage findet die Scheibe trotz Golden-Era-Nostalgie kaum Erwähnung.

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Ob man nun erhoffte, mit dem zweiten Album mehr Einheiten abzusetzen, oder ob man nur nicht auf der Stelle treten wollte - die Keller-Vibes von "Da Storm" haben sich verzogen, bei den Produzenten wurde eine rigorose Umstrukturierung unternommen. Die hauseigenen Beatminerz fallen im Anteil von vormals 50 Prozent auf einen Song und auf eine Stufe mit einem ganzen Haufen an meist nur einmal beitragenden Knöpfchendrehern. Weniger Überraschungen gibt es am Mic, wo sich eine Auswahl aus Boot Camp Clik und zweitem Crew-Pool, MFC (Magnum Force Click), in der Gästeliste wiederfindet. Was also haben die Gunn Clappaz zu bieten? "Fette Beats und street-schwangere Rhymes" darf man hier als wahrheitsgemäße Antwort erwidern - trotz der vielen verschiedenen Beatmaker gelingt dem Trio ein Glücksgriff nach dem anderen: In "Shoot To Kill", natürlich mit einem als Erster die Stimme erhebenden Starang, tischt Greyboy eine harte Drumline und dichte Streicher-Samples auf, denen die hörbar gut gelaunten O.G.C. behände aufsitzen. Was genau den Neurologismus "Shrikez" vom Star-Wars-Titel (wobei Starang selbst "the empire fights back" sagt) abhebt, lassen O.G.C. ungeklärt, doch daran stört sich letztendlich niemand. Schon eher lässt sich Kritik am lyrischen Süppchen, das diesmal gekocht wird, üben: Weiber, Geld, Gras en masse und primitive Street-Verhaltensmuster stehen auf dem Stundenplan. Doch auch hier bleibt einem die Kritik im Hals stecken, wenn die Fab 5 über ein wirklich dreckiges "Dirtiest Players In The Game" in gefächerter Front austeilen. Sehr zur Freude des Hörers machen selbige düstere, kraftvolle Produktionen einen Großteil der LP aus. Ein weiteres Edelstück dieser Sorte ist "If You Feel Like I Feel" (mit makelloser Produktion von Black Market), in dem Femcee Hardcore die interessante Verstärkung bildet. Einzige große Ausnahme ist "Girlz Ninety Now", in dem über einen Old-School-Beat reihum diverse schlüpfrige Bekanntschaften aufgezählt werden. Auch "The Big Ohh" verschlägt es mit ähnlicher Thematik in relaxte Gefilde. Während zwei der Skits überflüssig sind, ist Joe Clair's Tirade gegen alle "sexy video niggas" schwer amüsant. Mit Rock im Rücken schlägt das Imperium dann auch nachdrücklich zurück, schiebt mit "Sometimey" gleich einen von Glockenläuten begleiteten Banger hinterher, um dann in "Shit Happens" einen Gang zurückzuschalten. Wie gut die Beats der verschiedenen Produzenten zu einem Gesamtpaket arrangiert wurden, zeigt "Suspect Niggaz", in dem sich Havoc souverän der Albumatmosphäre angleicht. Im gewöhnungsbedürftigen "You're Not Sure To See Tomorrow" kommt im Chorus eine Spur Karibik ins Spiel, mit dem abschließenden "Boot Camp Eastern Conference" wird dann jedoch absolut nichts falsch gemacht: Ein dicker Posse-Track, in dem der solide Beat als perfektes Gerüst für die Bars der insgesamt zehn Emcees dient.

Inhaltlich ist dieses Album ohne Frage in keinster Weise eine Erleuchtung, doch merkt man dem Dreigespann (wobei Top Dog auf erstaunlich wenigen Songs vertreten ist), das sich auch technisch keine Abzüge einhandelt, die Freude am Rappen an. Der Mittneunziger-Sound der BCC und vor allem der von "Da Storm" ist hier gänzlich abwesend, dafür aber ist "The M-Pire Shrikez Back" vor allem eines: ein hervorragender Repräsentant des Jahres '99, der im Angesicht von Mainstreamisierung und soundlichem Wandel ganz klar Stellung bezieht und somit (größtenteils) als Musterbeispiel für rohen Endneunziger-Sound herhalten kann. Fazit: Diese LP wird zu Unrecht übergangen.

7.8 / 10

Main Flow & 7L - Flow Season


Release Date:
26. September 2006

Label:
Brick Records / Wanna Battle Records / Traffic Entertainment

Tracklist:
01. Flow Season
02. The Show
03. Where I'm From
04. Hold Lines
05. She Like The Way I Talk
06. Forever Rap (Feat. Cormega)
07. No Gangsta
08. Recipe
09. Hustle Flow
10. 7L Says Nope
11. Top Scholars Rap (Feat. Esoteric)
12. The Re-Up
13. Stack Up (Feat. The Grouch & Whosane)
14. Permission To Speak

Review:
Wir schreiben das Jahr 2006. Es ist schon einige Zeit her, dass Main Flow seinen Zweitling "Hip-Hopulation" veröffentlichte und dafür durchwachsene Kritik erntete. Eines allerdings hat er aus der LP mitgenommen: den Samen einer Zusammenarbeit, der nun seine vollen Früchte tragen soll. Denn 7L aus Boston kommt für die Produktion der dritten Platte des Emcees aus Ohio auf. Diese Kollabo mag auf den ersten Blick nichts Außergewhönliches sein, doch berücksichtigt man die Beats, die 7L für das im selben Jahr erschienene "A New Dope" (mit Langzeitpartner Esoteric) geschustert hat, darf man gespannt sein, in welche Richtung "Flow Season" geht.

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Die Antwort ist schlicht und eröffnet sich schnell: "Flow Season" geht den konventionellen Weg. Keine Experimente, keine Überraschungen. Damit liegt natürlich die Vermutung nahe, dass beim Aufeinandertreffen von 7L, der für konstant soliden BoomBap steht, und Main Flow, dessen Karriere nach einem starken Beginn etwas ins Stocken gekommen ist, ein Album zustande kommt, das ganz und gar nicht mehr besonders ist. Dass es genau so kommt, sollte dann nicht mehr groß verwundern, stellt aber selbstverständlich kein Todesurteil dar, denn seine Fähigkeiten besitzt Main Flow auch 2006 noch, während 7L ebenfalls selten enttäuscht. Doch allem Optimismus zum Trotz fehlt der LP der gewisse Biss. Meist smoothe Instrumentals von 7L, dazu ähnlich geschmeidige Raps des Cincinnati-Emcees, das garantiert angenehme, doch keine begeisternden Minuten. Doch selbst die wenig berauschenden Texte von Main Flow schaffen es nicht, einen gewissen Hörspaß zu unterbinden: Oberflächliche Weiber-Raps in "Recipe" sind schnellstens vergessen, das Zusammenspiel von lockeren Bläsern und relaxtem Main Flow bleibt erhalten. Auch die anderen Top-Momente kristallisieren sich genau dann heraus, wenn 7L entspannte Töne anschlägt; bei härteren Nummern wie "Hustle Flow" (bedient sich Main Flow bei der Darbietung dieser platten Raps aus dem Hustler-Kodex nun der Ironie oder nicht?) fehlt Main Flow die Power und 7L's Beat der letzte Schliff. Auch die bei "No Gangsta" zu erahnende Ironie untergräbt sich durch die schlechte Ausführung des Songs, vor allem mit dem mülligen Chorus. Ein weiteres Mal dicke Hose vor den Ladies gibt es in "She Like The Way I Talk", wobei 7L's Bühnenbild hier wieder stimmt. Doch selbst an dieser Stelle hat man das Gefühl, dass der Bostoner mit angezogener Handbremse fährt, dass er Main Flow seine besten Werke vorenthält, während auch der Rapper selbst zu weitaus mehr fähig wäre. Stilistisch gibt es an seinen Reimen wenig auszusetzen, Delivery und (belegt klingende) Stimme hatte man allerdings positiver in Erinnerung. Ein Track, bei dem all dies wenig stört, ist "Forever": Über ein feinfühliges Voice-Sample passt Main Flow genau richtig und hat mit Cormega einen starken, stimmlich ähnlich angesiedelten Gast im Gepäck. Auch das melancholische "The Re-Up" beweist, dass Main Flow und 7L hervorragend funktionieren können, und zwar über eine Bandbreite, die von besagter, ernster Stimmung bis zum sich anschließenden "Stack Up", in dem Streicher-Samples für einen freshen Kopfnicker geradestehen, reicht. Trotz des Statements "I'm living on the West now, but really I'm so East" ist mit "Where I'm From" eine Widmung an die eigentliche Heimat - Cincinnati - im Aufgebot. Des Weiteren gibt es noch ein verrücktes Instrumental von 7L ("7L Says Nope"), derer es ruhig mehr hätten sein dürfen, beispielsweise für das instrumental verkümmerte "Top Scholars".

Summiert man nach 14 Tracks auf, sammeln sich auf der Habenseite durchaus genug genießbare Tracks an, um den Hörer bei Stange zu halten. Doch diese Kollaboration als ertragreich und fruchtbar zu ehren, wäre nicht korrekt. Main Flow und 7L waren vor diesem Album nicht in den Listen der unbedingt gewünschten Kollabos - und das rückblickend zu Recht. Ihre gemeinsamen Bestreben heben sie über das Mittelmaß, doch im Rennen um Relevanz im Rap-Game macht damit keiner der beiden Boden gut. Vor allem Main Flow hätte sich einen besseren Partner zulegen sollen, um, kombiniert mit einer besseren Vorstellung am Mic, zu zeigen, dass er noch das Zeug zu einem Top-Album hat. Eventuell geschieht das ja beim nächsten Mal.

6.2 / 10

Planet Asia & Gold Chain Military - Chain Of Command


Release Date:
23. Februar 2010

Label:
RBC Records

Tracklist:
01. Intro (GCM Dateline) (Feat. Rich Curry)
02. At The End Of The Day
03. Riding For
04. GCM Meets ALC
05. 6 Percent (Skit) (Feat. Rich Curry)
06. Calzoni
07. Sadam's Mansion
08. All Of The Above
09. It's The Chain (Feat. Denise Janae)
10. Detention
11. Gold Chain War
12. Love 4 Gold Chain (Skit) (Feat. Walt Liquor)
13. Mad As Hell
14. Chocolate Honeys
15. Pleasure And Pain
16. Blood Lust
17. Organic Food
18. Back It Up
19. Chain Of Command
20. Future Shock

Review:
Künstler und ihre Crews - ein altbekanntes Phänomen, dass dort, wo von einem Einzelnen eine Schneise geschlagen wurde, andere nachdrängen. Dabei hat man es hier gar nicht mit einem Pendant zu 50 Cent's G-Unit zu tun: Die Gold Chain Military ist vielmehr ein Zusammenschluss von gleichgesinnten Künstlern, die unter bescheuertem Titel und im Fahrtwasser des weithin bekannten Planet Asia ein Statement für tugendhaften HipHop mit Lyricism etc. abgeben wollen. Neben dem unumstrittenen Kopf aus Fresno zählen sich zur Militia außerdem die Nachbarn Killa Kali und Turbin, die aus Brooklyn stammenden Sav Killz und Killer Ben sowie die in Los Angeles sesshaften Tristate und Montage One (Letzterer ist als Mitglied nicht gelistet und somit auch nicht auf dem Cover abgebildet). Zusammen konnte man RBC davon überzeugen, das gemeinsame Debüt "Chain Of Command" zu veröffentlichen.

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In der heutigen Zeit muss man sich wohl weniger fragen, was diese transkontinentale Gruppierung zusammengebracht hat, sondern ob sie in ihrer Besetzung Sinn macht und wer hier überhaupt zusammengefunden hat. Sav Killz dürfte nach PA wohl als bekanntestes Mitglied durchgehen, schließlich konnte der Brooklyn-Emcee bereits zahlreiche Mixtapes und Feature-Auftritte unter Dach und Fach bringen. Auch Turbin ist kein Unbekannter, führt schon jahrelang ein Schattendasein und tauchte aufgrund seiner Heimat schon ab und zu im Dunstkreis von Planet Asia auf. Die Aktivität der restlichen Crew-Mitglieder hielt sich bis dato in sehr überschaubaren Grenzen. Dieser Überblick über das bisherige Schaffen des Goldkettenmilitärs deckt sich recht gut mit der Skill- und Charisma-Verteilung am Mic: Ohne große Überraschung ist Planet Asia der einzig wirklich charakteristische Rapper der Formation, Sav Killz fällt mit technisch nicht unbedingt perfektem, dafür ambitioniert kraftvollem Einsatz auf. Skills wohnen der ganzen Truppe inne, doch man muss nicht lange in "Chain Of Command" reinhören, um zu wissen, dass die GCM beim allgemeinen Überschuss an Rappern zweifelsohne keinen Platz im Oberstübchenarchiv erhalten wird. Das liegt nicht nur an den Emcees selbst: Die sind zwar austauschbar (ausgenommen PA natürlich), legen aber allesamt eine gute bis befriedigende Leistung an den Tag; seinen Fahrtwind verliert das Album größtenteils durch lahme Produktionen. Das wiederum mag man anfangs gar nicht erwarten, da schließlich Namen wie Babu, Alchemist, Evidence oder Large Pro an Land gezogen wurden, doch man kennt das Spiel: Die Namhaften gehen nicht über die Routine hinaus, die Unbekannten (allen voran Masterkraftsmen mit sieben Beiträgen) beweisen, warum sie unbekannt sind - und schon sieht man sich umringt von mittelmäßigen Produktionen bzw. Standardware. Auffallend sind bei der GCM die geradezu impotenten Snare-Drums, die sich saft- und kraftlos durchs tiefe Abseits flüstern - Tracks wie "Calzoni" kann man in der Pfeife rauchen. Dazu gesellen sich mittelmäßige Hooks wie die von Denise Janae in "It's The Chain" - ganz nebenbei wieder schwach produziert. Wer nun dachte, die GCM planten, solche etwaigen Mängel durch aufmerksamkeitsfordernde Lyrics zu kaschieren, der wird feststellen, dass die üblichen Themen, Battle-Raps aus dem Katalog (immerhin mit ansprechenden Wortkonstrukten) und reichlich Lob auf die eigene Marke hierzu undienlich sind. An manchen Stellen allerdings brechen GCM aus ihrem Muster aus: "Chocolate Honeys" ist inhaltlich platt und voraussehbar, aber gut und relaxed produziert, "Blood Lust" geht ebenso wie Evidence's "Detention" (trotz zweifelhafter Sample-Wahl) erfreulich schön ab. Largo Pro schließlich stellt mit "Organic Food" und einem herrlichen Beat den Rest in den Schatten. Doch so läuft es nicht durgehend, denn wenn sowohl Alchemist als auch Babu ("ALC Meets GCM" bzw. "Chain Of Command") nicht über Durchschnitt hinauskommen, dann ist klar, dass bei anderen Songs ("Mad As Hell", "Pleasure & Pain") weitere Abstriche einzuplanen sind.

Wer hierbei Großes erwartet, ist selbst schuld. Der Gold Chain Military fehlt etwas, dass sie davon abhielte, unbeweglich in der Durchschnittlichkeit einzementiert zu sein. Nichts, rein gar nichts hat dieses Projekt als spezifischen Kaufgrund vorzuweisen. Unter diesen Bedingungen allerdings darf den Künstlern kein großer Vorwurf gemacht werden, denn sie machen ihre Sache nicht schlecht. So hat "Chain Of Command" ohne Frage auch seine guten Tracks, doch bei der Überzahl an (teils unter-) durchschnittlichen Songs (und überflüssigen Skits) reicht das gerade noch, um diese Scheibe in die neutrale Mitte zu hieven.

5.2 / 10

Ty - Special Kind Of Fool


Release Date:
19. April 2010

Label:
BBE Records

Tracklist:
01. Don't Cry (Feat. Corey Mwamba)
02. Wait (Feat. Leo Ihenacho & Soweto Kinch)
03. Heart Is Breaking (Feat. Sway & Roses Gabor)
04. Little Star (Feat. Wreh-asha)
05. Something Big (Feat. Carroll Thompson)
06. Emotions (Feat. Sarina Leah & Shaun Escoffery)
07. Phantom Of The Opera (Feat. Anthony Mills)
08. Get To The Sky (Feat. Vula Malinga & Terri Walker)
09. Happiness (Feat. Vula Malinga)
10. I'm Leaving (Feat. Anthony Mills)
11. Me (Feat. Erik Rico)
12. I Get Up (Feat. D-Cross)
13. Falling (Feat. Shaun Escoffery & Finn Peters)
14. Special Kind Of Fool (Feat. Erik Rico)
15. Endtro (Feat. Leo Ihenacho & Robin Mullarkey)

Review:
Es gibt nur wenige Künstler aus dem United Kingdom, die mit einer Neuveröffentlichung auch hierzulande für Aufsehen sorgen. Ein solcher Artist ist Ty, der sympathische Londoner, der schon immer sein eigenes Süppchen gekocht hat und genau deswegen als einer der respektiertesten Emcees der britischen Szene zu werten ist. War er bisher ein Aushängeschild von Big Dada, so erfolgte nach drei Alben der Abgang vom Label und der Wechsel zu BBE Records. Das soll natürlich einerseits ein Indikator für musikalische Änderungen sein, doch es darf schon verraten werden, dass Ty sich und seinem eigenen Stil treu bleibt, diesmal unter dem Motto "Special Kind Of Fool".
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Wie eigentlich zu erwarten, hat dieser Longplayer mit HipHop im herkömmlichen Sinn nicht mehr allzu viel zu tun. Was Ty und sein Co-Producer Drew Horley hier zusammengesetzt haben, wird in der Pressemitteilung nicht zu Unrecht als Mix aus Classic Funk, Soul, Two-Step, Synth-Pop und Electro angepriesen. Das Album selbst soll laut dem an seiner Diabetes-Erkrankung gereiften Ty erheblich ernster sein, was sich jedoch höchstens über die Texte aussagen lässt. Denn auf musikalischer Seite ist "Special Kind Of Fool" eine Platte, die gute Laune macht - und das ganz gleich, welchem Genre man sonst so frönt. Ty ist zwar ein Emcee, doch sein in warmer Stimme vorgetragener Rap hat etwas so Weiches, dass man ihn sich ebenso im kommerziellen Radio vorstellen könnte. An Gästen wurde nicht gespart, von Soul-Legenden bis hin zu Newcomern hat Ty alles im Gepäck, wobei es ihm wichtig war, für den jeweiligen Track den passenden Partner zu wählen. Das ist ihm auch auf jedem einzelnen Track gelungen - die große Zahl der Gäste klingt zu keinem Zeitpunkt unnatürlich, behindert den Albumfluss nicht und lenkt auch nicht vom Protagonisten ab - sie wirkt einfach nur unterstützend. Und so läuft alles zusammen zu einem schönen Album, bei dem Ty erstklassige Rap-Skills darbietet, dabei teilweise nahezu poppig klingt, trotzdem schwer experimentierfreudig und abwechslungsreich gerichtet und bei all dem nicht mehr und nicht weniger als er selbst ist, wie "Me" unmissverständlich zu verstehen gibt:

 
"I'm a special kind of fool
Different from the rest, never stuck to the rule
It's all about progression, I'm just try'nna pass through
And ask you a question or two
[...]
Cause I don't wanna be loved cause of my skin colour
I wanna be loved cause what I bring for ya
"

Begleitet wird er dabei von schwer relaxten Tönen, die sich noch einige weitere Male im Album wiederfinden: Das von herzlichen Background-Vocals begleitete "Emotions" sei da ebenso aufgeführt wie "Happiness" mit erneut schönem Gastgesang und einer sehr, beinahe naiv-positiven Message. Für das Album spricht die sehr geringe Varianz, die mit einem hohen Mittelwert gekoppelt ist: Zwar hat das Album keine großen Ausreißer nach oben - und ist demnach wiederum bestens als Ganzes zu genießen -, aber vor allem leistet Ty sich keinen einzigen Schnitzer. Müsste man einen besten Track küren, so wäre "Little Star" wohl der unmittelbarste Aspirant, da der Song - sowohl partytauglich als auch in den eigenen vier Wänden für beste Stimmung sorgend - sympathisch und vor allem unwahrscheinlich eingängig, kurzum, ein Hit ist. Auch sonst gestaltet Ty den Einstieg ein sein Album erfrischend schwungvoll: "Wait" trumpft mit cleverem Rhythmus auf, in "Heart Is Breaking" besticht die Kombination aus bezauberndem Gesang von Roses Gabor und rasanten Flow-Einlagen von Ty und Sway, die sich Zeit für ein wenig Gesellschaftkritik nehmen. Nachdem "Falling" erneut funky-fidel abhebt und man im Drum-lastigen Titeltrack Gelegenheit zum Durchatmen bekommt, setzt Ty im "Endtro" noch ein sehr dickes Ausrufezeichen hinter sein Album, indem er seine Hörer kurz verabschiedet, um sie dann noch eine volle Minute dem atmosphärischen Gesang seiner beiden Feature-Gäste zu überlassen.

Wer mit dem Wechsel zu BBE Veränderungen zum Schlechten hin erwartet hat, der darf aufatmen. Ty gibt sich auch mit seinem vierten Album keine Blöße, liefert im Gegenzug sogar einen unleugbaren Beweis für seine Kreativität und sein Gespür für gute Musik. Musik, mit der er jeden anspricht. Was Ty auszeichnet, ist eine unglaubliche Harmonie in seinen Songs: An der Wahl der Gäste gibt es keine Kritik zu üben, die Beats kommen aus erster (nämlich eigener) Hand und wissen somit, wie sie zu klingen haben. Trotzdem bietet Ty kein Top-Album. Was "Special Kind Of Fool" letztendlich zur knapp nicht erreichten höheren Wertungsstufe fehlt, sind ein paar Granaten à la "Little Star". Trotzdem darf dieses Album wirklich jedem dringend nahegelegt werden.

7.0 / 10

Samstag, 20. März 2010

Mark Deez & KeKo - The Cycle Of Struggle


Release Date:
31. Januar 2010

Label:
iLL-Legit-Records

Tracklist:
01. Intro
02. The Overseers
03. Acid Aqueduct
04. Grindhouse Theatre
05. Legends of The Fall (Feat. Whichcraft & Powder)
06. Tombstone Tactics (Feat. Bigg Limn)
07. Hallucination Harmony
08. Stomach Ache (Feat. Powder)
09. The Struggle
10. God's With Me
11. All Flames Extinguished (Feat. 2Ugli)
12. Keep It Moving (Feat. Powder)
13. The Watchers Of The Watchmen (Feat. Dr. iLL aka Malpraktiz)
14. A Higher Level / Outro

Review:
Hiermit schickt sich ein weiterer Emcee an, einen größeren Schritt auf dem Weg, dessen Ziel ein etablierter Name ist, zu unternehmen. Mark Deez stammt aus Augusta, Georgia und war bisher nur in Form einiger halbgarer Mixtapes (zu finden auf datpiff) aktiv. 2009 könnte dann der erste große Schritt für ihn gewesen sein: Er ist auf White Shadow Of Norway's "Victory" zu hören, es kommt zur Gründung der Grindhouse Gang (mit Dr. iLL, Powder und Lord Lhus), außerdem entschließt sich Mark, mit dem blutjungen, 19-jährigen Produzenten KeKo aus dem einen Internet-Katzensprung entfernten Bogotá ein Album aufzunehmen. Das Ergebnis ist "The Cycle Of Struggle", das über Dr. iLL's iLL-Legit-Records erscheint.

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Damit ist diese LP nur ein weiterer Beweis, dass alle Freunde gepflegten Eastcoast-Raps die Ecke, aus der auch Mark Deez entsprungen ist, durchaus im Auge behalten sollten. Denn was das Duo aus Deez und KeKo auf die Beine gestellt hat, ist standfester, als die CD-R oder das halbprofessionell designte Cover erahnen lassen. Dieses Werk ist behaftet mit dem Geruch unverbrauchter Energie, denn auch wenn in Sachen Innovation die Füße stillstehen, so scheint es dem Zweigespann eine Leichtigkeit, ihre BoomBap-Lokomotive zu befeuern. Mark Deez selbst schafft das mit einer rundum zufriedenstellenden Leistung am Mic, die mit Battle-Raps (teils abstrakt und teils direkt vor den Latz), aber auch gehaltvollen Lines (hier und da mit Ansätzen zu politisch motivierten Aussagen) gefüllt werden. Nicht minderer Respekt gebührt KeKo, der einen hochwertigen Beat nach dem anderen bäckt: Mit den klassischen Mitteln der Sample-Kunst - Streicher, Piano - füttert er seine druckvollen Drumlines, während The White Shadow Of Norway mit Cuts und Scratches oftmals den letzten Schliff arrangiert. Dass Mark auf anderen Projekten/ Mixtapes seine South-Herkunft durchaus in die Musik miteinfließen ließ, spürt man hier nicht mehr: KeKo ist ganz klar ein Anhänger der Ostküste, der entgegen des Covers auch ohne fliegende Schwerter schöne Atmosphären zaubert. Das beweist schon das "Intro", in dem Voice-Samples (u.a. aus Obama's Wahlsieg-Rede) über ein Piano-Instrumental gelegt werden. Direkt im Anschluss gibt Mark eine ansprechende, in seine Albenthematik, den ewig andauernden Kampf, einführende Darbietung zum Besten. Neben den oft düster angehauchten Kopfnickern (wie eben "The Overseer") kann KeKo glücklicherweise noch mehr - ein Fakt, der diesem Album sehr zugute kommt: Das muntere Klaviergeklimper in "Keep It Moving" ist einer der besten Momente der LP, der zudem auflockernd, aber nicht albern wirkt. So gut gelingt nicht alles: "God's With Me" startet großartig stimmungsaufbauend mit einem Psalm-Rezitat und sachter Sample-Arbeit, die vom Beat dann leicht gestört wird. "Legends Of The Fall" bemüht zu unkreative Streicher und will in Kombination mit einer in den Sand gesetzten Hook nicht begeistern. Weitaus besser "The Struggle" mit Akustikgitarre und ganz ohne Hook oder das düstere "The Watchers Of The Watchmen", das die Battle-Raps beiseite lässt, um den Fokus noch mehr auf die überall versteckten Fragen und Kritiken am derzeitigen Ist-Zustand zu richten - in diesem Fall sogar aus einer nicht auf diesem Planeten gelegenen Perspektive: "What the fuck is goin' on in our world? I seen the prophecies / Am I the only guy on the planet expandin' consciously?" Weitere Highlights umfassen das geigengeleitete "All Flames Extinguished", das Battle-freudige "Acid Aqueduct" und schließlich das grandiose "A Higher Level / Outro", in dem Voice-Samples, Raps und abschließende Worte (in denen Mark Deez verlauten lässt, wie sehr dieses Projekt seinem geistigen Wachstum zuträglich war) perfekt mit einem atmosphärischen Streicherteppich verwebt werden.

Man darf ruhig zugeben, dass es niemandem wehtut, dass "The Cycle Of Struggle" so flächendeckend übersehen werden wird, dass nur die wenigsten je in den Genuss dieses Albums kommen werden. In seiner Gesamtheit haben Mark Deez und KeKo ihrem Genre keine Neuerungen zu bieten. Doch das ändert nichts daran, dass ihr gemeinsames Projekt vielen anderen Releases voraus ist, sowohl in Sachen Raps, doch mehr noch mit einem kohärenten Instrumentalteppich, für den sich KeKo getrost auf die Schulter klopfen darf. Wer also die Gelegenheit dazu hat, dem sei "The Cycle Of Struggle" als Anschaffung nahegelegt. Alle anderen dürfen sich zumindest die Namen merken.

6.7 / 10

Cryptic One - The Anti-Mobius Strip Theory


Release Date:
31. Mai 2004

Label:
Day By Day Entertainment

Tracklist:
01. Intro
02. Anti-Mobius Strip Theory
03. Pulp Non-Fiction (Remix)
04. UniCycle (Water Cycle)
05. Half-Life
06. Tempt Fate (Feat. Windnbreeze & Alaska)
07. Intricate Schemes
08. BiCycle (Gold Cycle)
09. Apocalypse Zone (Feat. Aesop Rock)
10. Uncomfortable Silence
11. Death Of Regret
12. TriCycle (Lawn Cycle)
13. Time Piece / Peace Of Time
14. Rebirth Of Regret
15. Willow
16. Life After
17. Pulp Non-Fiction (Original Version)

Review:
Wer die Atoms Family als bedeutungslose Gruppe hinter Cannibal Ox abgetan hat, der tut den Herren aus der Tri-State-Area Unrecht. Seit Mitte der Neunziger, lange vor den Def Jux Zeiten, rockt dieses Kollektiv Mics und hat seitdem seinen eigenen Sound entwickelt. Maßgeblich verantwortlich dafür war Cryptic One, dessen erste Veröffentlichung ins Jahr 1996 (mit Centa Of Da Web) zurückreicht. Nachdem er sowohl als Produzent sowie auch als Emcee immer wieder in Erscheinung trat, ist es 2004 Grimm's Day By Day, das Cryptic endlich die Gelegenheit zu einem Soloalbum gibt: "The Anti-Mobius Strip Theory".

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Und während man sich noch fragt, was Cryptic One gegen Möbiusbänder hat, legt der New Yorker auch schon los. Denn so kunstvoll wie der Albumtitel ist auch der Inhalt. Genau genommen ist rein gar nichts an dieser LP gewöhnlich: die Gäste, die Produzenten und am wenigsten Cyrptic One selbst. Denn "The Anti-Mobius Strip Theory" ist eines dieser Alben; ein Album, das die Aufmerksamkeit der Hörerschaft nicht nur fordert, sondern sie sich einfach nimmt. Insgesamt ist die Scheibe weniger mit dem Atoms Fam Sound zu vergleichen als mit einem neu definierten, Cryptic's eigenem Sound. Der ist im Gesamtton ein ganzes Stück nachdenklicher und melancholischer als das bisher Dagewesene. Dass Cryptic dafür einen Großteil der Produktion selbst in die Hand nimmt, ist angesichts seiner Fähigkeiten nur rechtens. Mit dem Rest der Instrumentals in den fähigen Händen von Blockhead, Blueprint und Jestoneart (alias Jest One) kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Wenig überraschend, dass die LP dann auch wirklich gut geworden ist. Thematisch schnürt Cryptic sie unter einem losen Konzept zusammen, knüpft jedoch mehrere Songs aneinander oder bietet mit einzelnen tiefgründige Minuten. Dabei schwingt in Cryptic oft ein vebitterter, pessimistischer Unterton mit, wenn er in Songs wie dem bedrückten "Intricate Schemes" eine schwarze Welt malt. Wie schon zu erwarten sind Electro-Einflüsse zahlreich auf der LP vertreten, so auch im "Intro", in dem Cryptic mit schnellen Rap-Salven sein Können demonstriert. Der Titeltrack setzt dann mit einem Schwall rhetorischer Fragen ein, der zwei weiteren großartig konstruierten inhaltlichen und stilistischen Abschnitten vorausgeht. Wird der Hörer dann einmal inhaltlich nicht voll gefordert, sieht er sich mit Tracks wie "Tempt Fate" konfrontiert, in denen die drei Atoms-Emcees über eine mexikanische Trompete jagen. Schwer tiefgründig wird es mit "Life After", in dem sich Cryptic uralte Fragen über ein mögliches Leben nach dem Tod, über Auswirkung der zu Lebzeiten begangenen Taten und Ähnliches stellt. In die bezaubernd, sehr bedacht und entspannt produzierte "Apocalypse Zone" begibt er sich mit Aesop Rock, während er sich in "Time Piece / Peace Of Time" im Alleingang der Unausweichlichkeit der Zeit stellt. Ein ganz besonderes Schmankerl serviert er mit den drei Zyklen, die gleichzeitig Blockhead's starke Beiträge zur LP darstellen: Es wird die Reise eines Wassertropfens, eines Goldgesteins und die eines Grashalms, bei denen jeweils Start- und Endpunkt trotz Einfluss des Menschen identisch sind, erzählt. "Death Of Regret" und "Rebirth Of Regret" hängen ebenfalls zusammen, Cryptic findet sich erneut gefangen im "unbarmherzigen Karussell" namens Leben, das dem Gedankenverlorenen ("See now I judge covers by the contents of the book") nur Gründe zum Pessimismus liefert. Weiterhin noch unerwähnt geblieben ist "Half-Life", erneut ein tolles Konzept für Cryptic One, um neben der eigentlichen Titelbedeutung Wortspiele mit Gegensätzen und Ergänzungen zu treiben ("Half empty and half full, life vision is impaired / My life glass is always full - half with water, half with air").

Dem Gedanken-Pool des Cryptic One in ein paar Sätzen gerecht zu werden, ist nicht möglich. Doch es ist möglich, darauf zu verweisen, dass Cryptic One eines der lyrisch anspruchsvollsten Alben seines Genres geschaffen hat, das sich dem Hörer nicht unmittelbar eröffnet - seinen Namen bezieht der Emcee nicht von ungefähr. Doch das ist nicht alles, was dieses Album auszeichnet. Auf instrumentaler Ebene stellen Cryptic One und seine Mitproduzierenden ebenfalls den Großteil der Konkurrenz in den Schatten. Um die nächste Stufe zu erklimmen, hätte es zwar einiger herausstechender Songs mehr bedurft, doch auch so ist "The Anti-Mobius Strip Theory" ein Geheimtipp, wie er im Underground-Lehrbuch steht.

8.4 / 10

The UN - UN Or U Out


Release Date:
13. Juli 2004

Label:
456 Entertainment

Tracklist:
01. Buildin' (Intro)
02. Mind Blowin'
03. D.O.A. (Dead On Arrival)
04. Avenue
05. What They Want
06. P. Money (Set Up)
07. Golden Grail
08. Ain't No Thang
09. Monsta
10. Get Yo Shit
11. Russian Hat Wear (Cold Money Remix)
12. Shakedown
13. The Art (Interlude)
14. Game Of Death (GOD Version)

Review:
2004 trat mit der Veröffentlichung dieses Albums für kurze Zeit eine Gruppe in Erscheinung, die davor und auch danach wenig Spuren hinterließ: The UN, eine vierköpfige Truppe aus Long Island. Roc Marciano, Dino Brave, Mike Raw und Laku gingen zusammen auf dieselbe High School in Uniondale (während Roc und Dino eigentlich aus Hempstead stammen) - die ersten zwei Buchstaben der Stadt dienten auch als Inspiration für den Gruppennamen. Die vier Kumpel machten erstmals von sich hören, als bei einer ihrer zahlreichen Aufnahmen in den Green Street Studios ein Track auf Pete Rock's (der ebenfalls dort recordete) "Petestrumentals" landete (das geniale "Cake"). Mit diesem und weiteren guten Kontakten erschien einige Jahre später dann "UN Or U Out" (dem 2003 noch ein Mixtape - "World Domination" - vorausging).
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Roc Marciano selbst mag man schon von anderswo kennen, schließlich trat der Emcee kurze Zeit vor der UN-Gründung Busta Rhymes' Flipmode Squad bei und übte einigen Einfluss auf Busta's "Anarchy" aus. Er ist es auch, über den die UN in Kontakt mit Pete Rock, Large Pro oder anderen Neunziger-Helden kommen. Diese wiederum bürgen 2004 für den Sound des Debütalbums. Jenes Album kommt über 456 Entertainment, ein Label, für das Carson Daly (ja, der MTV-Moderator) und John Rifkind (Bruder von Steve Rifkind) Pate stehen, während auch Schott Free (A&R bei Loud / SRC) zum Bekanntenkreis von Roc zählt. Was nun also 2004 seinen Weg an die Öffentlichkeit findet, ist sehr gut fundiert und involviert keine Rookies. Es muss nur noch die Musik stimmen. Und wie sie das tut. Roc Marcy formuliert es so: The UN sei "grown man shit" - damit hat er so Recht, wie es nur irgend möglich ist. Vier Emcees, die auf ihrem Debüt klingen wie die personifizierten Veteranen (wie oben zu lesen ist - nicht von ungefähr), platziert auf einem der rohsten, street-lastigsten Teppiche, die in jüngerer Zeit gewebt wurden. Man vergesse, was Pete Rock um diese Zeit sonst anderweitig geleistet bzw. nicht geleistet hat: So raw, wie der simple Piano-Loop in "Avenue" über die dumpfen Drums läuft, hat man ihn lange nicht mehr erlebt. Den Kern am Mic bilden Roc Marciano und Dino Brave, die auch mit schneidenster bzw. tiefster Stimme auffallen. Doch wenn man nicht bewusst hinhört, fällt einem dieser Umstand nicht auf, denn The UN sind ein durch und durch dynamisches Quartett ohne Schwachstellen. Hinzu kommt, dass Roc Marcy auch noch einige Tracks der LP selbst produziert: "Mind Blowin'" setzt als erster Song mit trockener Drumline die Marschrichtung fest. Lyrisch vollbringen die vier Emcees natürlich keine Großtaten, doch die Selbstverständlichkeit, mit der hier Street-Weisheiten abgesondert werden, entbindet The UN von jeglicher Kritik: Hier kommen vier Herren nach der Arbeit auf ein paar Bier zusammen, um ein paar Gedanken und Worte auszutauschen. Das passiert über ein eingängiges Sample von Mahogany in der Rubeljagd "Russian Hat Wear" ebenso wie im makellosen Large Pro Beitrag "What They Want", der schon melancholische Züge annimmt. Auch Mike Raw versteht sich aufs Produzieren und steuert "The Art" bei, das leider in verkürzter Version vertreten, aber dennoch vom Geist der LP voll erfasst ist. Und dann finden sich auf diesem Album, auf dem alles goldwert ist, noch einige Edelsteine mehr: In "Ain't No Thang" übertrifft Pete sich selbst und dirigiert sein Streicher-Ensemble zu nicht weniger als einer Hymne, bei "D.O.A." besteht ernsthafte Gefahr für sämtliche Nackenmuskulaturen. Nachdem dann schließlich alle anderen Tracks abgespielt wurden, setzt's zum Abschluss nochmal kräftig auf die Ohren: Erneut ist es Pete Rock, auf dessen Kappe "Game Of Death" geht und der mit schrillem Streicher-Sample für keinen entspannten, dafür aber einen saftigen Ausstieg sorgt.

Wir wollen es mal beim Namen nennen: The UN sind genau das, was sich viele Heads wünschen. 2004, als sich Hardcore-Elemente aus dem HipHop-Sound zusehends verabschieden oder schon verabschiedet haben, schart dieses Quartett einige fähige Beat-Bastler um sich, um der Welt allerfeinsten Street-Sound ohne jeglichen Kompromisse zu präsentieren. Und zum großen Glück des Hörers läuft hier alles gut, denn The UN erlauben sich keinen Aussetzer und beheizen die Lautsprecher bis zum Schluss mit Brennholz, das jeder Eastcoast-Head umgehend als Delikatesse identifizieren wird. Ein Jammer, dass von dieser Gruppe davor so wenig erschien und dass sie wohl auch nie wieder in dieser Besetzung etwas veröffentlichen wird; denn wer im neuen Jahrtausend nach härterer Kost der Ostküste sucht, der kommt an "UN Or U Out" kaum vorbei.

8.5 / 10

Qwel & Meaty Ogre - Freezer Burner


Release Date:
31. Oktober 2006

Label:
Galapagos4 Records

Tracklist:
01. Wintro / Who's The Boogieman?
02. ID Glue
03. I Forgive 'Em
04. Read Writer
05. Saved
06. Fallen Rome
07. The Cyclops
08. Winterlude
09. Machinegun Monkey
10. Cabin Fever
11. Don Quixote
12. High Tithe
13. The Fourth Reich Of The Rich
14. Elijah The Prophet
15. Practice For Hope
16. Asceticism

Review:
2004 läutete Qwel seine "Four Seasons" Reihe fulminant mit "The Harvest", komplett produziert von Maker, ein. 2006 steht der zweite Teil an, der unmissverständlich den Winter repräsentiert: "Freezer Burner" heißt das gute Stück und kommt - wie könnte es anders sein - via Galapagos4. Der Producer, der diesmal die Fäden zieht, ist kein Unbekannter: Meaty Ogre arbeitete mit Qwel erstmals auf dem ersten Typical Cats Album zusammen, wo er den einzigen nicht von DJ Natural produzierten Beitrag lieferte. Daneben wohnt der Vinyl-Junkie derzeit in Phoenix und besitzt einen Plattenladen. "Freezer Burner" geht also unter besten Voraussetzungen an den Start.
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Und die Scheibe macht auch alle Anstalten, die von "The Harvest" (und natürlich Qwel's restlichem Release-Katalog) gesetzten Voraussetzungen zu erfüllen. Gleichzeitig aber verheißt Meaty Ogre hinter den Boards eine neu eingeschlagene Richtung: noch atmosphärischer, noch geschlossener, noch nachdenklicher. Die nach vorne preschenden Banger, die bei der herbstlichen Ernte noch abfielen, haben sich hierfür verabschiedet und weichen reichlich Gitarren-Samples und brodelnder Sound-Kulisse. Langsamere Songs, die man sich am besten zu Gemüte führt, wenn man alleine in den eigenen vier Wänden sitzt und es draußen schneit. Songs für den Winter. Fast unnötig zu erwähnen, wie gut Qwel's Input zu diesem Album (wieder einmal) ist. Andererseits ist es essenziell, sodass man nicht darum herumkommt, zu rühmen, wie diszipliniert Qwel mit seinen monoton-scharfen Rhymes, die in seiner markanten Stimmlage vorgetragen werden, am Charakter dieser LP feilt, um nach 16 Tracks ein weiteres Kunstwerk vollendet zu haben. Mit dem Ambiente der LP fallen natürlich auch die sich wütend ergießenden Tiraden weg und machen noch mehr grüblerischen, reflektierenden Zeilen Platz. Den Anfang macht allerdings noch "ID Glue", auf das das Intro "Who's The Boogieman?" perfekt hinarbeitet, und das mit knallhartem, eiskaltem Gitarren-Sample zum härtesten zählen mag, was Qwel je veröffentlicht hat. Das hier die zynischen Raps noch kraftvoll herausgeschleudert werden, ergibt also nur Sinn. Doch dann zieht endgültig kalte Winterstimmung auf, in der das Duo Qwel-Meaty aufblüht. "Fallen Rome" ist ein kühler Windhauch, in dem Qwel Denkanstöße durch die im Titel angedeutete Parallele liefert. Generell finden sich bei ihm des Öfteren Anspielungen an historische als auch biblische Ereignisse. Stellung bezieht er dabei seltener, als dass er kommentiert: "Machinegun Monkey" beispielsweise thematisiert einerseits die Evolutionstheorie und deren Lehre in der Schule und lässt es sich nicht nehmen, die Menschheit im Hier und Jetzt zu kritisieren ("Ain't seen a monkey turn a man, I seen a man turn a monkey"). Raum für Interpretation ist zwischen Qwel's gezeichneter Evolutionstheorie plus deren Indoktrination reichlich. Kritik an der menschlichen Rasse und ihrem unnatürlichen Verhalten scheint Qwel's bevorzugtes Thema zu sein, so finden sich in "Elijah The Prophet" ähnliche Ansätze, während auch das grandiose "The Four Reich Of The Rich" die Menschheit vor ein grundlegendes (Geld-)Problem und dessen wuchernde Auswüchse stellt. Zur gitarrenlastigen Musik gesellt sich in "I Forgive 'Em" eine Mundharmonika, während "Practice For Hope" Flöten-Samples als Gast begrüßt. Zur Halbzeit serviert Meaty ein "Winterlude", während später noch ein weiteres Thema von Qwel angeschnitten wird: "High Tithe" ist ein pro-christliches Statement, das den Stellenwert des Christentums in den Staaten anprangert ("Seems like nowadays everybody else speaks their mind except christians / But we aint welcome in your schools, so how them schools turn to prisons"). Seinen Abschluss findet das Album dann in "Ascetism", an dessen Ende Qwel über die Motivation zu Veränderungen (erneut ein bei Qwel bekanntes Motiv) spricht.

In seiner vierteiligen Release-Reihe stellt dieser, der zweite Teil wohl den atmosphärisch intensivsten Abschnitt dar. Meaty Ogre versetzt den Raps des Ausnahme-Emcees aus Chicago seine eigene Note, die oft einen schwermütigen Ton bedeutet. Wie nicht anders zu erwarten brennt Qwel wieder ein lyrisches Feuerwerk ab, in dem er viele seiner wohlüberlegten Gedanken preisgibt. Man muss ihm nicht immer zustimmen, doch alleine durchs Zuhören vollführt man eine größere geistige Leistung als bei den meisten anderen Alben. Abgesehen davon liegt "Freezer Burner" voll im Durchschnitt der fast einheitlichen Qualität, die Qwel mit seinen "Four Seasons" erzielen konnte, auch wenn der erste Teil noch einen Tick besser war.

8.1 / 10