Samstag, 17. April 2010

Mobb Deep - The Infamous


Release Date:
25. April 1995

Label:
Loud Records

Tracklist:
01. The Start Of Your Ending (41st Side)
02. [The Infamous Prelude]
03. Survival Of The Fittest
04. Eye For An Eye (Your Beef Is Mines) (Feat. Nas & Raekwon)
05. [Just Step Prelude] (Feat. Big Noyd)
06. Give Up The Goods (Just Step) (Feat. Big Noyd)
07. Temperature's Rising (Feat. Crystal Johnson)
08. Up North Trip
09. Trife Life
10. Q.U.-Hectic
11. Right Back At You (Feat. Big Noyd, Ghostface Killah & Raekwon)
12. [The Grave Prelude]
13. Cradle To The Grave
14. Drink Away The Pain (Situations) (Feat. Q-Tip)
15. Shook Ones Pt. II
16. Party Over (Feat. Big Noyd)

Review:
Es ist geradezu amüsant, welch radikale Wendung in der Biographie von Mobb Deep überhaupt dafür sorgte, dass sie heute so bekannt sind. Denn als Havoc und Prodigy, die sich auf der High School of Art and Design trafen und Ende der Achtziger als Rap-Duo aktiv wurden, 1993 (im zarten Alter von 17) ihr erstes Album veröffentlichten, wurden sie als eine von vielen Gruppen abgetan, die zu jener Zeit im ostküstlichen Hardcore-Bereich ihr Unwesen trieben. Da halfen auch Beats von u.a. Premo oder Large Pro nichts - "Juvenile Hell" wird bis zum heutigen Tage übergangen. Als der eigentliche (Senkrecht-)Start in der Karriere von Mobb Deep zählt das zwei Jahre darauf erschienene "The Infamous".
WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die Änderungen, die seit dem gefloppten "Juvenile Hell" unternommen wurden, sind allseits bekannt: Havoc nimmt auf Seiten der Produktion das Zepter in die Hand (somit ist Prodigy definitiv als erste Geige am Mic definiert) und gibt es nur dreimal an Q-Tip ab - Premier, Large P oder Paul Shabazz von der Boom Squad sind Vergangenheit. Dieser für den späteren Status der LP essenzielle Schritt zeigt Parallelen mit einem zweiten, wesentlichen Unterschied zwischen diesem und dem Duo noch vor zwei Jahren: Die Stimmen von Havoc, aber in erster Linie von Prodigy scheinen Quantensprünge in ihrer Entwicklung gemacht zu haben, denn hier hat man es keinesfalls mehr mit Teenager-Rap zu tun. Zusammenfassend wirken Beats, Stimmen und auch Rhymes reifer und ausgeprägter, was als Basis für eines der unverwechselbarsten Alben der Rap-Geschichte höchst fruchtbar wirkt. Wieso es genau das ist? Havoc's Snare-Drums legen in Kombination mit ansonsten minimalistischen musikalischen Effekten und Spielereien den Grundstein für den viel gerühmten Trademark-Sound, Prodigy gibt dem Album am Mic eine Einzigartigkeit, wie sie schwer in Worte zu fassen ist: Die Stimme des Herrn Albert Johnson klingt so eiskalt, dass man sie einem seelenlosen Schwerverbrecher zuordnen möchte - und genau das ist es, was P's Raps über Straßenleben im Großstadtdschungel NYC und den Queensbridge Housing Projects an der 41st Side im Besonderen so viel markerschütternde Authentizität einverleibt. Da kann Havoc natürlich nicht mithalten, doch auch dieses Zusammenspiel am Mikrophon ist eine passende Facette der LP. Der Ring darf also freigegeben werden, und schon beim "Start Of Your Ending" wird klar, dass einfach alles passt: Die geradezu sanften Klänge zu Beginn des ersten Tracks bekommen schnell Gesellschaft der charakteristisch trockenen, hohlen Snares; selbige nutzt auch Q-Tip in fast identischer Weise, wodurch etwa "Temperature's Rising" die Gratwanderung des Einzugs einer weiblichen Hook in die Hardcore-Landschaft gelingt. Die weiteren Gäste zeugen von exzellenten Connections, denn neben Infamous-Buddy Noyd sind mit Nas, Wu-Tang und Q-Tip nur die Besten mit von der Partie. Die erwischen zwar nicht die besten Tracks, doch "Eye For An Eye" ist alleine wegen des hochgradigen Eastcoast-Gipfeltreffens bedeutsam. Den ersten noch hervorzuhebenden Überflieger in diesem Album voller Überflieger markiert "Survival Of The Fittest" mit einer von noch vielen folgenden epischen Performances von Prodigy, der hier jenseits von gut und böse rappt. Es geht nicht darum, was er sagt (denn das wurde schon hunderte Male gesagt), sondern wie er es sagt:

"There's a war goin' on outside, no man is safe from
You could run but you can't hide forever
From these streets that we done took
You walkin' with ya head down scared to look
You shook, cause ain't no such things as halfway crooks
[...]
I'm goin' out blastin', takin' my enemies with me
And if not, they scarred, so they will never forget me
"

Ein Piano-Loop, der schon weniger als minimalistisch ist, und fertig ist ein Klassiker. Dass in der kargen Drum-Wüste New Yorks trotzdem atmosphärische Momente aufblitzen können, zeigt sich, wenn Hav und P dem Hörer raten, wie sich der "Up North Trip" vermeiden lässt. Auch das altbekannte Storytelling über alltägliche und doch kaum harmlose Situationen bieten IMD in "Trife Life". Ganz andere, nämlich Lady-"Situations" sieht Prodigy in "Drink Away The Pain" vor sich. Dass das Album drei Inter- bzw. Preludes enthält, soll nicht vergessen werden, denn sie gehören mit u.a. Acapella-Rhymes oder schlichtem Gerede untrennbar zum Gesamtpaket dazu. Ebenso ein Track wie "Cradle To The Grave", der aufgrund seines ruhigeren Charakters gerne übersehen wird. Das wird "Give Up The Goods" kaum passieren, schließlich gehört Q-Tip's bester Beitrag zur LP auch absolut gesehen zu den Highlights, wobei P es sich nicht nehmen lässt, erneut unglaublich prägnante und präzise Lines zu droppen: "Now who the fuck you think is livin' to this day? / I'm tryin' to tell these young niggas crime don't pay / They looked at me and said 'Queen's niggas don't play. / Do your thing, I'll do mine, kid stay outta my way'". Um sich das Beste für den Schluss aufzuheben sei nun noch der große Übertrack des Albums erwähnt; ein Track, bei dem der gemeine HipHop-Fan schon beim Einsetzen der ersten Snare nach einer Sekunde wissen sollte, wo er sich befindet - nämlich in "Shook Ones Pt. II", einem bitterbösen, von Havoc grandios und tödlich nüchtern produzierten Track mit einem legendären ersten Part von Prodigy, in dem der klein gewachsene Emcee jeden noch so realen Gangster-Rapper zum Frühstück verspeist - nicht umsonst kennt man jede zweite seiner Lines aus diesem Track als Sample in unzähligen Songs der verschiedensten Artists:

"I'm only nineteen, but my mind is old
And when the things get for real my warm heart turns cold
[...]
Meanwhile back in Queens the realness is foundation
If I die, I couldn't choose a better location
When the slugs penetrate, you feel a burning sensation
Getting closer to god in a tight situation
"

Bleibt nicht mehr viel zu sagen. Der HipHop-Gott meinte es wohl einfach gut mit Havoc und Prodigy, anders lässt es sich nicht erklären, dass der Neustart mit diesem Album so perfekt gelang. Den Großteil dieser Erklärung liefern natürlich trotzdem Havoc's Produktions- und Prodigy's Rapkünste, die in einer einmaligen Weise zusammenspielen und kaum etwas schiefgehen lassen. Die Bedeutung dieses Albums für den späteren QB-Sound als auch für die gesamte ostküstliche HipHop-Szene steht außer Frage und macht den Terminus "Klassiker" unumgänglich.

9.8 / 10

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