Dienstag, 23. August 2011

The Doppelgangaz - Lone Sharks


Release Date:
28. Juni 2011

Label:
Groggy Pack Entertainment, LLC.

Tracklist:
01. Happy Face
02. Nexium
03. Get Em
04. Doppel Gospel
05. Dumpster Diving
06. The Gods
07. Pack Kevorkian
08. Wench Rench
09. Rap $ Unemployment
10. Like What Like Me
11. Lush
12. NY Bushmen
13. At Night
14. Dead Already
15. Suppository

Review:
Ladies & Gentlemen, Sharks & Sharkettes, es ist Zeit, sich einem der wenigen Acts zu widmen, die 2011 noch nicht im Halbkoma dahindämmern. The Doppelgangaz alias EP und Matter Ov Fact stehen mit einem neuen Album vor der Tür. Das Ghastly Duo (oder auch Groggy Pack), beheimatet in "Parts Unknown" (in Wirklichkeit aber Orange County, NY) kennt sich schon seit geraumer Zeit - die Kindheitsfreunde basteln bereits seit über zehn Jahren gemeinsam an Tracks -, schwingt seinen Hintern aber erst relativ spät in den Pool der Rap-Szene: 2009 debütiert man mit einer EP und schiebt gleich im selben Jahr das kostenlose Album "2012: The New Beginning" hinterher. So erreicht man die Aufmerksamkeit einiger Hörer und auch Websites, veröffentlicht ein Jahr darauf mit "Beats For Brothels" ein großteils instrumentales, erstmals kostenpflichtiges Werk und macht kräftig Werbung für "Lone Sharks", das noch im Sommer 2011 (ganz ohne bei anderen Künstlern so übliche Verspätung) folgt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Eigentlich ist ihr Katalog dafür noch zu überschaubar, doch man darf trotzdem sagen, dass alles beim Alten bleibt: Eigenregie ist das Stichwort, EP produziert die komplette Scheibe, während das Duo die Raps brüderlich (bzw. doppelgängerhaft) aufteilt. Ihren Namen rechtfertigen sie übrigens nicht mit Äußerlichkeiten (der schwarze Matter Ov Fact rühmt sich gerne damit, doppelt so groß wie sein weißer Partner zu sein), sondern mit ihrer geistigen Verwandtheit. Die ist nicht zu leugnen, denn wenngleich sie stimmlich unschwer auseinanderzuhalten sind, sind Stil und vor allem Inhalt sehr ähnlich. Was die Musik der DGs mit sich bringt, erschließt man am besten über deren Klientel. Freudig dem Album entgegengeblickt hat wohl ausschließlich die Fraktion Eastcoast-Heads, die der Ansicht ist, dem minimalistischen Hardcore wurde noch nicht Genüge getan. Denn im Prinzip praktizieren EP und MoF genau das: staubtrockene Drumlines, bedächtig, dosiert und messerscharf eingesetzte Effekte und Samples sowie Raps, die sich nicht mit dem Klatsch und Tratsch der heutigen Szene aufhalten, sondern den Hörer in die eigentümliche Welt der Doppelgangaz ziehen. Eine Welt, in der man den "Black Cloak Lifestyle" lebt, der Müllcontainer-Tauchen als beliebte Sportart und Weg zur Beschaffung neuer Kleidung vorsieht und für den peinliche Andersartigkeit Trumpf ist: "He's used to hearin' three words: Go away, creep" beschreibt sich Matter Ov Fact so schön selbst. Doch man sollte seine Reise schön bei "Happy Face" beginnen, das in einer Welt, in der Rap-Intros zu sinn- und lieblos vergorenen Formalitäten verkommen sind, vorführt, wie man mit ein wenig verstaubtem Klavier und den weisen Worten von Nina Simone eine Atmosphäre aufbaut, wie man sie zumeist nur noch im HipHop-Museum vorfindet: Hier wird nichts überstürzt, jeder Takt genau an seinen Platz gesetzt, um schließlich eine perfekte Überleitung zu "Nexium" zu bilden, dem ersten Meisterwerk der Scheibe, das diese ruhige Stimmung so umwerfend weiterspinnt, dass man beim Einsetzen von Kick und Raps nur noch ekstatisch staunt. Sowas bringen in der Tat nur "The Gods" zustande, doch das Ghastly Duo denkt nicht im Traum daran, sich in bester Rapper-Manier selbst zu beweihräuchern, "Like What Like Me" adressiert die Auswahlkriterien für die Gefährtinnen der DGs und ist dabei wörtlich zu nehmen - das Hobby "Dumpster Diving" wurde ja bereits erwähnt und der Song selbst tropft mit jeder Sekunde so smooth-königlich von seinen satten Kicks, dass man nichts als Sympathie für die beiden Außenseiter empfindet. Ein wunderbares "Lush"-Interlude hat nicht vor, den Hörer aus dem Bann der Scheibe zu entlassen, andächtig ruhiges Klavier begleitet die als Outro hinter "Nexium" gespannten Sekunden, in denen Eddie Cantor zitiert wird - Balsam für die Seele, der auf dem Papier nicht unbedingt zusammenhängend klingt, in seiner Umsetzung aber so ungeheuer stark ist, dass selbst ein durchschnittliches "Pack Kevorkian" oder das im hinteren Teil der LP anzutreffende, schwächere (aber immer noch gelungene) "Dead Already" kaum Kritik bedarf. Instrumentale Outros an einigen Songs, rohe Stimmen, die anscheinend nur für ein solches Projekt kreiert wurden, bei den Doppelgangaz passt einfach alles zusammen, und zu allem Überfluss setzt es dann regelmäßig Hochkaräter: "Rap $ Unemployment" ("I'm sellin' the god's daughter, ain't no tellin' where I bought her") zerknuspert mit seiner Kick den wildesten Synthie-Banger, während hier vor allem EP seinen illustren Wortschatz zu präzisen Sätzen formt, die unter dem schwarzen Mantel hervorgeschossen werden. (Flow-)Technische Spielereien werden hier nicht nur nicht vermisst, sie hätten gar nicht ins Bild gepasst. Songs wie "Get Em" (großartig mit MF-Grimm-Voicecut) oder "Suppository" halten nichts von Hektik, sondern treffen mit eleganter Coolness punktgenau ins Schwarze. Mehr muss an dieser Stelle nicht gesagt werden, doch wer noch einmal in einem Song all das vereint haben will, wofür die Doppelgangaz stehen, dem sei zu "Doppel Gospel" geraten.

Bei dem, was die Doppelgangaz zelebrieren, bekommt der Begriff "Sharking" eine ganz neue Bedeutung. EP und Matter Ov Fact geben sich selbst als Antihelden, pfeifen darauf, sich selbst als die Obermacker darzustellen und nehmen lieber die Rolle der zwielichtigen Gestalten an, um die man in der Regel lieber einen Bogen macht. In diesem Fall wäre das allerdings ein großer Fehler, denn wem auch nur ansatzweise etwas an gutem Eastcoast-HipHop liegt, der sollte, der darf sein Jahr 2011 nicht ohne "Lone Sharks" verbringen. Dieses Album ist für die Leute, die letztes Jahr bei Roc Marciano feuchte Augen bekamen, doch wenngleich es hier genau dieser Rap für Erwachsene ist, wohnt ihm gleichzeitig der obskure Charakter inne, den die Doppelgangaz als relativ junge Künstler zu ihrem Markenzeichen erkoren haben - und die Symbiose funktioniert erstaunlich gut. Wer nun immer noch nicht überzeugt ist, dem ist nicht zu helfen, alle anderen dürfen sich über eines der Highlights (und einen Geheimtipp) des Jahres 2011, das nicht perfekt, aber doch verdammt gut geraten ist, freuen.

8.2 / 10

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