Sonntag, 27. März 2011

The Notorious B.I.G. - Ready To Die


Release Date:
13. September 1994

Label:
Bad Boy Records

Tracklist:
01. Intro
02. Things Done Changed
03. Gimme The Loot
04. Machine Gun Funk
05. Warning
06. Ready To Die
07. One More Chance (Feat. Total)
08. Fuck Me (Interlude)
09. The What (Feat. Method Man)
10. Juicy (Feat. Total)
11. Everyday Struggle
12. Me & My Bitch
13. Big Poppa
14. Respect (Feat. Diana King)
15. Friend Of Mine
16. Unbelievable
17. Suicidal Thoughts

Review:
Anfang der Neunziger schickt sich ein junger Mann an, seinen Namen in die HipHop-Annalen einzutragen. Talent wurde ihm mehr in die Wiege gelegt, als andere sich auch nur erträumen. Trotzdem dauert es ein Weilchen, bis Christopher Wallace vom schiefen Weg ablässt, um mehr durch Zufall in den Händen eines gewissen Sean Combs, A&R bei Uptown Records, zu landen. 1993 laufen die ersten Aufnahmen zum Album, doch als Puffy gefeuert wird, hängt sein neuer Schützling vorerst in den Seilen. Es dauert noch ein Jahr, bis der ursprünglich als Biggie Smalls und nun als The Notorious B.I.G. bekannte Wallace im Zuge der Neugründung von Puffy's Bad Boy Records sein Album "Ready To Die" fertigstellen kann.

WRITTEN FOR Rap4Fame
1994, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, profitiert Biggie bereits von einem gesunden Hype, der durch ein paar Auftritte bei Uptown-Kollegen und einen Beitrag zum Soundtrack zu "Who's The Man" noch genährt wurde. Was der am Anfang seiner Zwanziger stehende B.I.G. dann letztendlich auf die Welt loslässt, hätte wohl so niemand erwartet - ein Album, das gleichermaßen in der Chart-Welt als auch direkt in den Straßen Brooklyns einschlägt. Ersteres ist sicherlich dem mit einem Marketing-Riecher ausgestatteten Puffy zuzuschreiben, ist die Person des Christopher Wallace an sich doch ein äußerst ungeschöntes und krasses Spiegelbild der Lebensverhältnisse in Bedford-Stuyvesant, der das Mundwerk in völlig unzensierter Weise gewachsen ist. Ein weiterer und äußerst wichtiger Aspekt, der dem Erfolg dieser Platte in die Karten spielt, ist die versammelte Produzentengemeinschaft, die alle Bedingungen für einen Neunziger-Klassiker mit sich bringt: Easy Mo Bee stemmt sechs Tracks, dazu kommen Namen wie Norman & Digga, Lord Finesse oder DJ Premier. All diese Beitragenden können jedoch in keinster Weise davon ablenken, dass B.I.G. der uneingeschränkte Star des Albums ist. Mit einer Kindheit ohne Vater und einer Jugend als Crackdealer (die schließlich in neun Monaten Gefängnisaufenthalt endete) hat er einiges zu erzählen, weswegen dieses Album streckenweise wie eine Autobiographie anmutet. Darüber hinaus ist Wallace (im Gegensatz zu einigen Kollegen im Rap-Geschäft) nicht auf den Kopf gefallen, was vielleicht eine Erklärung dafür ist, wieso es ihm so leicht zu fallen scheint, mittels simpler Sprache äußerst prägnante und ansprechende Rhymes zu konstruieren. Die Geschichte beginnt im "Intro", in dem vier Ausschnitte (begleitet von der zeitgemäßen Musik, von Curtis Mayfield bis zu den Audio Two und Snoop Dogg) Biggie's bisheriges Leben skizzieren. Der aus dem Gefängnis entlassene Smalls verabschiedet sich mit einem "I got big plans" und gibt den Ring frei für "Things Done Changed", einen ersten Lagebericht über die zugespitzte Situation vor seiner Haustür. Das führt uns direkt zu "Gimme The Loot": Der abgebrannte Smalls sieht den Griff zur Tec-9 als einzigen Weg, das Sparschwein zu füttern, und unterhält sich (selbst in Rap-Kreisen ungewohnt radikal) mit seinem inneren Teufelchen ("Nigga, you ain't got to explain shit / I've been robbin' motherfuckers since the slave ships ") über ein staubtrockenes Arrangement von Easy Mo Bee. Dass dieser Track aus den '93er Sessions stammt, ist unschwer herauszuhören. Die zweite Aufnahmewelle (1994) stellt die radiofreundlicheren Tracks und Singles, beschert der Welt aber auch das unverschämt cool produzierte "Warning", das einen inzwischen zu beachtlichem Reichtum gelangten Biggie im Konflikt mit Neidern sieht:


"Damn, niggas wanna stick my for my cream
And it ain't a dream, things aint always what it seems
It's the ones that smoke blunts witcha, see your picture
Now they wanna grab they guns and come and getcha
"

Direkt nach der materiellen Existenzsicherung sind es die Ladies, die als Thema dominieren. Das beschert uns ein wenig produktives "Fuck Me"-Interlude sowie die von C. Thompson und Puffy in ein samtiges Isley-Brothers-Sample gebettete Erkenntnis, dass der "Big Poppa" die wichtigste Sportart meisterhaft beherrscht - die Hardcore-Fraktion der Hörerschaft wird eher bei "One More Chance" einhalten, das zumindest ein druckvolles Instrumental aufzuweisen hat und dem Hörer Biggie's Ansichten über die Frauenwelt etwas genauer näherbringt. In diesem Zuge bietet "Friend Of Mine" (mit akzeptablem Beat) nichts Neues mehr. Anders dagegen die Ausführungen über die eigene Gangster-Braut in "Me & My Bitch". Die wahren Hammer-Tracks sind jedoch andere: "Juicy" ist nicht umsonst ein Mega-Hit (bissige Seitenhiebe Richtung Puffy wegen des geklauten Instrumentals darf an dieser Stelle jeder selbst hinzudichten), die viel zitierte und gesampelte Gegenüberstellung von lausiger Vergangenheit und Moet-getränktem Jetzt setzt sich sofort beim Hörer fest. Weniger auffällig aber ebenso gut ist der Titeltrack, der wieder den hungrigen Kriminellen zeigt. Ein wenig Bragging darf darüber hinaus natürlich auch nicht fehlen, weswegen Biggie mit Method Man vom später eher gemiedenen Wu-Tang Clan in einer starken Kollabo Rhymes wechselt und in Premier's Bombentrack "Unbelievable" eine titelgebende Charaktereigenschaft feststellt. Davor muss leider noch ein Reinfall - das deplatzierte und mit lustlosem Karibik-Flair verschandelte "Respect" - notiert werden, im wieder makellosen letzten Track ist das jedoch schon längst vergessen: In "Suicidal Thoughts" klingelt Biggie seinen Label-Boss aus dem Bett, um sich zuerst den kompletten Frust von der Seele zu rappen ("All my life I been considered as the worst / Lyin' to my mother, even stealin' out her purse / Crime after crime, from drugs to extortion / I know my mother wish she got a fuckin' abortion ") und dann dem Album sowie seinem Leben das Licht auszuknipsen.

Das ewige "Realness"-Geschwafel im HipHop war nie wirklich ernst zu nehmen, aber hier hat man ein Beispiel eines Albums vor sich, das zu großen Teilen so gut ist, weil der Interpret in vollen Zügen aus seinem Leben schöpfen kann und ihm dies meisterhaft gelingt. Dazu kommen natürlich die erstklassigen Produktionen. Trotzdem ist "Ready To Die" kein perfektes Album und hat seine schwächeren Momente (nicht viele, aber sie existieren). Man kann sich nur ausmalen, wie dieses Album ausgesehen hätte, wenn man sich nicht dazu entschieden hätte, massenfreundlicheres Material zu berücksichtigen. Dann allerdings wäre die LP heute wohl nicht der wegweisende und vor allem kommerziell erfolgreiche Klassiker, der sie ist. Es lässt sich also zusammenfassen: Biggie geht minimale Kompromisse ein, die ihn die volle Punktzahl kosten, die "Ready To Die" aber zu dem Status verhelfen, den es heute innehat - es ist der populäre Fingerzeig auf die ostküstliche Hardcore-Kultur.
9.2 / 10

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