Sonntag, 26. September 2010

Mobb Deep - Murda Muzik


Release Date:
17. August 1999

Label:
Loud Records

Tracklist:
01. Intro
02. Streets Raised Me (Feat. Big Noyd & Chinky)
03. What's Ya Poison (Feat. Cormega)
04. Spread Love
05. Let A Ho Be A Ho
06. I'm Going Out (Feat. Lil' Cease)
07. Allustrious
08. Adrenaline
09. Where Ya From (Feat. 8-Ball)
10. Quiet Storm
11. Where Ya Heart At
12. Noyd Interlude
13. Can't Fuck Wit (Feat. Raekwon)
14. Thug Muzik (Feat. Infamous Mobb & Chinky)
15. Murda Muzik
16. The Realest (Feat. Kool G Rap)
17. U.S.A. (Aiight Then)
18. It's Mine (Feat. Nas)
19. Quiet Storm (Remix) (Feat. Lil' Kim)

Review:
Manche Künstler stehen vor und scheitern zumeist auch an dem Problem, nach einem Klassiker einen ebenbürtigen Nachfolger aufzunehmen. Mobb Deep hatten nach 1996 dafür wohl nur ein müdes Lächeln übrig. Mit zwei Klassikern meißelten sie ihren Namen in die Gedenktafel, die spätere Generationen an die Besten des Genres erinnern wird. Knappe drei Jahre lassen sich Havoc und Prodigy danach Zeit und rutschen somit in eine ganz neue Zeitspanne des HipHop. Zu allem Überfluss fällt das vierte Album schon vorab Bootleggern zum Opfer, weswegen die finale Version von "Murda Muzik" noch einige Änderungen erfährt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Es war schon vorher abzusehen, dass dieses Album einen Wendepunkt in der Karriere der beiden QB-Mobbster markieren würde. Denn 1999 wandelt sich nicht nur der Sound von Havoc und Prodigy, die komplette Szene verändert sich. Die goldenen Jahre der Ostküste, für die der Sound, welchen IMD so makellos praktizierten, stand, haben sich verabschiedet, HipHop tritt ein in seine Wechseljahre. Symptomatisch dafür haben sich auch auf "Murda Muzik" einige Dinge getan: Havoc, der immer noch einen Großteil der Instrumentals selbst arrangiert, betritt neue Sound-Gefilde, Prodigy durchlebt vor allem einen stimmlichen Wandel, der während dieser LP sehr gut zu beobachten ist und erstmals auf den Prodigy, den man heute kennt, deutet. Bei Prodigy korreliert besagter Wandel wahrscheinlich auch mit dem ganz natürlichen Altern, das den nun 24-Jährigen in eine Position setzt, in der ein Teil der Bissigkeit für die Selbstinszenierung als angehender Veteran geopfert wird. Havoc verabschiedet sich weitesgehend von seinen Trademark-Snares, schleift seinen Sound etwas runder und lässt ganz klar durchscheinen, dass es nicht mehr 1996 ist. Ein Albtraum für alle bisherigen Fans, möchte man meinen. Doch so schnell sollte man das Album nicht zugrunde richten. Wer natürlich mit den falschen Erwartungen an das Werk herantritt, der wird in der Tat enttäuscht sein. Bei genauerer Beschallung fällt allerdings auf, dass die von Havoc konstruierte Atmosphäre in ihrer Intensität nahezu ebenso stark ist wie drei Jahre zuvor. Die Einstellung der beiden Jungs hat sich nicht geändert, Reality Rap regiert immer noch die Zeilen, was als logische Konsequenz nur eine bedrückende Gesamtatmosphäre zulässt, die mit dem "Intro" (und einem kurzen Reagan-Sample) auch prompt skizziert wird. Die folgende Reise beinhaltet Rudimente der Mittneunziger als auch Tracks wie das schwer melancholische "Streets Raised Me", das den Hardcore-Faktor gegen den Pathos von Chinky's eindringlichem Gesang tauscht. Doch nicht nur die Inhouse-Sängerin, deren spätere Auftritte ab und an ordentlich danebengingen, trifft hier zum ersten Mal mit Mobb Deep zusammen; auch die fruchtbare Zusammenarbeit mit The Alchemist sieht hier ihre ersten Früchte, vor allem im extrem starken "Thug Muzik". Selbst "Where Ya From", das neben 8-Ball auch noch einen Beat aus dem Süden importiert und somit einem späteren Trend vorgreift, findet seinen Platz und fügt sich dem Albumfluss. Denn wenngleich an einigen Stellen kleine Schönheitsfehler hervortreten, zieht das Album den Hörer in einen Bann, den es in dieser Form bei keinem anderen Mobb-Album (und generell bei wenigen anderen Alben) gibt. Die Rawness ist an vielen Stellen auf und davon - und trotzdem kann man sich in Tracks wie "Can't Fuck Wit" verlieren. Dazu kommen viele eher ruhige Tracks, so etwa das wehmütige "Where Ya Heart At" oder "The Realest", in dem man sich bestens mit Kool G Rap versteht. Auch wenn das Album weniger durch einzelne Highlights als durch konstant hohes Niveau besticht, gibt es einige Tracks, die hervorhebenswert sind: "Quiet Storm" erinnert an die abgebrühte Coolness des Glanzzeit-Prodigy, "What's Ya Poison?" spielt mit ausladendem Pianoeinsatz einem hungrigen Cormega in die Karten. Im Schlussteil ist "Aiight Then" eine interessante Nummer, die noch eine Ecke smoother als alle bisherigen Tracks produziert ist und trotzdem mit dem trockenen Style von Hav und P harmoniert. Ob man das Scarface-Theme und eine Interpretation von Brandy's "The Boy Is Mine" von Nas in "It's Mine" zusammenführen hätte müssen, bleibt Ansichtssache, die zu übende Kritik bleibt allerdings so überschaubar wie der sich anschließende "Quiet Storm"-Remix mit Lil' Kim.

Man muss zugeben, dass der Stern von Havoc und Prodigy hiermit zu sinken anfängt. Nicht, weil sie auf dem neu eingeschlagenen Pfad bereits zu diesem Zeitpunkt schluderten, sondern weil es abzusehen war, dass spätestens beim nächsten Album die erstaunliche Balance, die Mobb Deep auf ihrem vierten Album zwischen zeitgemäßer Weiterentwicklung und Besinnung auf den ungeschliffenen früheren Charakter ihrer Musik erreicht haben, verlorengehen würde. Als Gleichnis sei die Entwicklung von Prodigy aufgeführt: In den Mittneunzigern war er ein Ausnahme-Emcee mit der Mic-Präsenz eines Halbgottes, später verkam er zum zahnlosen, langsamen Veteranen. Auf "Murda Muzik" bekommt man den alten Prodigy noch oft zu hören, ahnt aber schon, wie der zukünftige aussehen wird. Wenn "Murda Muzik", atmosphärisch so kompakt und einnehmend wie wenige andere Alben, schlechtgeredet wird, dann liegt das an unrealistischen Erwartungen nach den Großtaten, die Mobb Deep einige Jahre zuvor vollbracht haben und die sie hier zu einem würdigen Ende bringen.

8.9 / 10

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