Samstag, 20. Februar 2010

Baby J - Presents: Birth


Release Date:
17. November 1998

Label:
Bomb Hip Hop Records

Tracklist:
01. Intro
02. For My Army (Feat. A-Alikes)
03. Savior (Feat. Poetic)
04. Truth (Feat. Shaqueen, Omen & Shabazz The Disciple)
05. The God In Man (Feat. Knowledge Scientifik Cipher)
06. Unseen Hand (Feat. Kinzmen)
07. War Trilogy: P.O.W. (Projects Of War) / M.I.A. (Militia Incarcerated Alien) / Ambush (Feat. Celestial Souljahz)
08. Focus (Feat. Freestyle)
09. Threat Of Allegiance (Feat. Bless)
10. Pressure (Feat. Yogi)
11. Fire On Water (Feat. Fire)
12. Walk With A Bop (Feat. A-Alikes)
13. Angels Of Death (Feat. Yogi, Freestyle, Shabazz The Disciple & Poetic)
14. How Long? (Feat. G-Force)
15. The Lamb's Blood (Feat. Shabazz The Disciple)
16. Outro (Feat. DJ Noize)

Review:
Derby, Midlands, Großbritannien. Von dort stammt ein Produzent, der eine feste Größe im britischen HipHop darstellt, Mitte der Neunziger allerdings seine Bestrebungen auf die Metropole New York konzentrierte, um dort mit einigen respektierten Größen der amerikanischen Szene zu recorden. Ein überschaubarer Haufen an Gleichgesinnten ist es, den Baby J für sich gewinnen kann. Eine weitere Komponente ist sein Label: Bomb Hip Hop hat seine Heimat an der Westküste, doch mit den richtigen Connections landet Baby J bei dem Qualitätslabel aus San Francisco und veröffentlicht dort 1998 "Birth", das seitens des Labels zuerst sogar als Instrumental-Platte gedacht war.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Glücklicherweise ist es keine Instrumental-Scheibe geworden, denn auch wenn die Qualität zweifelsohne in beiden Fällen hoch gewesen wäre, die spektakulärere Variante hat man hiermit vor sich. Denn zwischen Emcees und Producer herrscht eine unglaubliche Chemie. "Recording Birth was like a family get together" sagt Baby J selbst über die Aufnahmen. Zu besagter Familie zählen neben einigen der feinsten Hardcore-Emcees der Ostküste auch eine kleine Auswahl aus Baby J's britischem Freundeskreis. Wenn das noch nicht reicht, um "Birth" außergewöhnlich zu machen, dann erledigt die Musik den Rest. Vergleiche zum oder Vorwürfe der Kopie des Wu-Tang-Sound, all das ist nichtig. Baby J produziert wie der östliche Arm des HipHop-Gottes. Dass er dabei u.a. dem Wu-Sound ähnlich klingt, tut nichts zur Sache, legt sich dieser Umstand ja alleine schon durch die Gäste nahe. Doch 1998 gab es kaum einen Produzenten, der Hardcore-Drumgerüste so atmosphärisch mit angestaubt und mystisch klingenden Samples kombinierte. Das Konzept, unter dem all dies verschnürt wird, ist eigentlich nicht komplex: "Birth" meint die Geburt einer neuen Spezies nach dem Abtreten der momentan herrschenden, die sich in ihrem schädlichen Verhalten selbst zerstört - sprich: viel Platz für Kritik an der Menschheit und all ihren Lastern und Vergehen. Dafür erklimmen Straßenpoeten, Hardcore-Spitter, religiös motivierte Emcees sowieso Conscious Rapper das Podest und geben einen fantastischen Mix aus Ansichten und gehaltvollen Lyrics zum Besten, der immer für einen Denkanstoß sorgt. Und ganz abgesehen davon bekommt man hier einige der am kraftvollsten eingerappten Lines um die Ohren gehauen, die die HipHop-Welt je hervorgebracht hat: In diesem Zuge ist natürlich Poetic zu nennen, der in "Savior" alleine schon mit der Hook das marode Rap-Game zerlegt und sich im Verlaufe des Songs immer weiter in Rage rappt. Bezeichnend, dass der Song auch auf dem geplanten Soloalbum des Gravedigga hätte erscheinen sollen. Ähnlich hart geht es in "Truth" zur Sache, für das die flammenspeiende Shaqueen mit Shabazz und Horrorcore-Phantom Omen zu einem die Industry verschlingenden Ungetüm mutiert - eine fulminante Mixtur aus stählernen Rap-Skills und unbändiger Wut; Baby J veredelt mit dramatischem, aber simplem Streichergerüst. Den zweiten weiblichen Auftritt bekommt man von Fire im ruhigeren mittleren Teil der LP: "Fire On Water" ist nicht weniger stimmungsvoll und lebt von der Kombo aus klasse Beat und einer weiteren großartigen Performance am Mic. Das können die "Angels Of Death" natürlich noch toppen, was mit gegebener Lineup nicht schwer fällt. Unterstützt werden sie von gedämpften Drums und grellen Scratches, die ein aufwühlendes Gesamtbild hinterlassen. Auch die beiden Auftritte der A-Alikes verlaufen perfekt: Während Baby J in "For My Army" unnachahmbar mit Streicher- und Gitarren-Sample hantiert, loopt er für "Walk With A Bop" eine Spieluhr, die sich bedingungslos an die Drumline schmiegt und den A-Alikes als Unterlage für ihre Auszüge aus dem täglichen Leben dient. Ganz anders Moorish Delta 7 Mitglied Knowledge Scientifik Cipher, der über langsame Gitarrenklänge die Schöpfungsgeschichte aus Sicht der Five Percenter (mit übermenschlichen Schwarzen, angesiedelt in Kemet, dem heutigen Ägypten, als Abbild des Schöpfers) wiedergibt. Darauf folgt das bezaubernde "Unseen Hand", das von Baby J mit überragend mystischen Samples bestückt wurde und in dem die Kinzmen (Property und Liberty) von der im Titel implizierten Weltverschwörung berichten. Weniger atmosphärisch, dafür ebenfalls einzigartig ist die "War Trilogy", in dem Baby J unter einem Kreuzfeuer aus Beats, Sirenengeheul, Querschlägern die Celestial Souljahz (Shabazz und Freestyle), die via Funkverkehr gehetzte Lines austauschen, in die Schlacht schickt - grandios. Bevor DJ Noize im "Outro" dann schließlich den abgeklärten Schlusspunkt setzt (bzw. scratcht), gibt es noch Baby J's erste Single (und Veröffentlichung überhaupt) aus dem Jahr 1996, die wohl für immer seine beste bleiben wird: In "The Lamb's Blood" - während Baby J seine Samples zu einem ehrfurchtgebietenden, hypnotischen Kunstwerk verknüpft - rappt sich Shabazz um Hals und Kragen und chiffriert die Zustände in den Ghettos in biblisches Vokabular:

"In these last days, the projects is like the caves
Facing the ten plagues, like Moses I free slaves
I broke bread in the den of sinners, and done the whore toast
During the plague of sores,
The lamb's blood was on my door post
The sinner gog the pagan, be in the synagogue of satan
Meditating on the prophecies, I'm revelating
"

Nach diesem Album veröffentlichte Bomb Hip Hop nichts mehr von Baby J. Nicht etwa aufgrund von Differenzen - nein - "Birth" verkaufte sich einfach so schlecht, dass sie keinen Gewinn erzielte. Ein Jammer, wenn man bedenkt, welch kreatives Potential hier versammelt und auch freigesetzt wurde. "Birth" markiert den Schaffenszenit vieler beteiligter Künstler, es ist voller Songs, die jedem Eastcoast-Head Tränen in die Augen treiben und anderen Künstlern ein Vorbild sein sollten. "Birth" ist Eastcoast-Hardcore (ironischerweise aus England) in Perfektion, es vereint wie kein anderes Album eine harmonisierende Elite an Emcees, die auch sinngemäß zusammenpassen. Damit hat es nicht nur vielen anderen Produzentenalben etwas voraus, es mag (zumindest aus Sicht eines Eastcoast-Anhängers) gut und gerne das beste Producer-Album aller Zeiten sein.

9.7 / 10

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