Montag, 15. Februar 2010

Brother Ali - Us


Release Date:
22. September 2009

Label:
Rhymesayers Entertainment

Tracklist:
01. Brothers And Sisters (Feat. Chuck D & Stokley Williams)
02. The Preacher
03. Crown Jewel
04. House Keys
05. Fresh Air
06. Tight Rope
07. Breakin' Dawn
08. The Travelers
09. Babygirl
10. 'Round Here
11. Bad Mufucker Pt. II
12. Best@it (Feat. Freeway & Joell Ortiz)
13. Games
14. Slippin' Away
15. You Say (Puppy Love)
16. US (Feat. Stokley Williams)

Review:
Das Erfolgsgespann geht in die nächste Runde: Wenige haben in den letzten Jahren so viel euphorische Kritiken erhalten wie Brother Ali am Mikrophon und Ant in der Regie. Der Albino Ali, der vor 2007 vielen schon als Geheimtipp galt, mauserte sich mit seinem in diesem Jahr erschienenen Album "The Undisputed Truth" zum Helden vieler neuer Hörer. Touren mit Atmosphere, die auch Europa einschlossen, untermauerten diesen neuen Status und bescherten dem Midwest-Qualitätslabel Rhymesayers ein neues Zugpferd. Doch da all dies schon zur Zwischenmahlzeit, der "The Truth Is Here" EP, gesagt wurde, seien hier keine weiteren Zeilen verschwendet: Ring frei für "Us".

WRITTEN FOR Rap4Fame
Diesmal hat er also nicht nur die Wahrheit im Gepäck, sondern auch noch eine handfeste und von Herzen kommende Botschaft: "There's no me and you, it's just us". Bei wem das Auge mithört, der darf sich über eine aufwändig hergerichtete Scheibe im Digi-Pack freuen, der die kompletten Lyrics gleich beigegeben sind. Auch wenn das Team Ant-Ali schon wesentlich länger zusammenarbeitet, ist man doch versucht, "Us" direkt mit "The Undisputed Truth" zu vergleichen - den Erfolg von 2007 zu überbieten wird schließlich kein leichtes Stück. Über eines darf man sich jedoch wieder gewiss sein: Ali hat erneut einige interessante Themen im Gepäck, die niveauvoll ausgeführt, doch trotzdem für jeden ansprechend gehalten werden: Mit Worten weiß Ali mit seinem einmaligen Singsang-Rap weiterhin problemlos umzugehen. Doch in der Vortragsweise darf man sich schon zum ersten Mal wundern, wo denn das Feuer geblieben ist, mit dem Ali 2007 noch "Watcha Got" abfeuerte. An dieser Stelle steht nun "Brothers & Sisters", in dem Chuck D den Hauptdarsteller vorstellt. Mit "The Preacher" geht Ali dann auch tatsächlich in die Vollen, ein Bläserteppich von Ant sorgt für die angemessene Kulisse. Der Song erinnert zudem daran, dass das Album ursprünglich unter dem Namen "The Street Preacher" geplant war. Dann begibt sich die Scheibe allerdings in eine entspannte Phase, die mir persönlich etwas zu lange dauert. Live-Instrumentierung hin oder her, Ant hätte es ruhig etwas mehr krachen lassen können: So hat "Bad Mufucker Pt. II" wenig mit dem gitarrenbeladenen Kracher der "Champion" EP zu tun, auch wenn die rückblickenden Lyrics über das Problemkind Ali einmal mehr überzeugen:


"Little boys and the girls they both packed heat
Both had something I need from 'em in their pants see
Broads got that booty all felt up in the backseat
Dudes got their lunch money boosted and their ass beat
'Can I get it back?', fuck naw don't even ask me
"

Ob Freeway und Joell Ortiz die richtigen Gäste sind, ist die nächste Frage, die man sich ernsthaft stellen sollte. "Best@It" ist solide, aber streckenweise nicht packend. Die Eindrücke und ersten Ängste, dass hier die Qualität des Vorgängeralbums nicht gehalten wird, sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ali von Anfang bis Ende ein hohes Niveau fährt: "House Keys" ist zwar sehr ruhig, erzählt aber eine lustige Geschichte, in der Ali aus Geldnot einen Teil seines Hauses vermietet, nur um laute, dealende Übermieter zu bekommen, zu deren Wohnung er den im Titel erwähnten Schlüssel noch immer besitzt. Geschichten wie diese weiß Ali perfekt vorzutragen; das war so, und das bleibt auch hier so - ein anderes Beispiel ist "Slippin' Away", in dem von Kumpel Ethan berichtet wird, dessen Leben dem Hustler-Dasein zum Opfer fällt. Nach wie vor stark ist die Zusammenarbeit zwischen Ant und Ali, die eine Übereinstimmung zwischen Atmosphäre und Inhalt garantiert. Daran, dass Ant keine wirklichen Bretter (wie sie auf "The Undisputed Truth" durchaus zu finden waren) zimmert, ändert das nichts. Die Notwendigkeit eines Tracks, der im Jahr anno Sklaverei spielt und der gepeinigten schwarzen Rasse verschrieben ist, erhebt sich zwar keineswegs, doch beschweren sollte man sich deswegen ob der starken Rap-Show nicht. Ein weiteres ernstes Thema gibt es in "Babygirl", das die inneren Narben eines Vergewaltigungsopfers offenlegt. Trotz dieser einwandfreien Stücke wären einige Beats von Ant, die dem Blues/Soul-Konzept mehr Power zugrunde lägen und auf denen es Ali vergönnt wäre, etwas mehr aus sich herauszugehen, wünschenswert - denn nur dann kann der Albino seine Rap-Stärken voll ausspielen. Ein Schritt in diese Richtung ist "Games", das sich als einziger Song die staatlichen Missstände zur Brust nimmt und zudem das Bild, das u.a. auch einige Rapper-Kollegen vom gesetzeswidrigen Weg des Geldschäffelns zeichnen, aus seinem positiven Licht rückt ("Shit, ain't nothing like The Sopranos / Real talk, you're probably better off at McDonald's"). Noch unerwähnt sind bis jetzt das Beat-technisch mittelmäßige "Round Here" sowie das stimmige "Fresh Air". Ein Streicherkostüm, auf das auch Slug bestens gepasst hätte, bietet "You Say", während in "Us" der Bogen zum Intro gespannt wird und das Album langsam ausklingt.

Die Frage, ob dieses Album gut sei, stand von Anfang an nicht zur Diskussion. Vielmehr sollte hier geklärt werden, wie gut "Us" ist. Und genau deshalb muss sich Ali - bzw. Ant - an dieser Stelle auch Kritik gefallen lassen. Die Scheibe ist ohne Zweifel gut, sie ist auch besser als die "The Truth Is Here" EP, doch Luft noch oben wäre reichlich gewesen. Das ist nicht unbedingt schlimm, doch in jedem Fall schade. So baut "Us" eine schöne Atmosphäre auf, die dem Albummotto ein attraktives Äußeres gibt. Besagte Kritik existiert also nur, weil man weiß, was außerdem möglich gewesen wäre: Ein paar Rhymes, in denen Ali auf die Kacke haut und die von Ant entsprechend vertont werden. Trotzdem ist "Us" (bis jetzt) eines der besten Alben des Jahres und schlittert nur knapp an einer höheren Wertung vorbei.

6.7 / 10

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