Samstag, 20. Februar 2010

Jedi Mind Tricks - Violent By Design


Release Date:
03. Oktober 2000

Label:
Superegular Recordings

Tracklist:
01. Intro
02. Retaliation
03. Contra (Feat. Killa Sha)
04. Speech Cobras (Feat. Mr. Lif)
05. Breath Of God (Interlude)
06. Death March (Feat. Virtuoso & Esoteric)
07. Words From Mr. Len (Part One)
08. I Against I (Feat. Planetary)
09. Exertions Remix (Feat. Virtuoso, Esoteric & Bahamadia)
10. The Prophecy (Interlude)
11. Heavenly Divine
12. Sacrifice
13. Permanent Midnight (Interlude)
14. The Deer Hunter (Feat. Chief Kamachi)
15. Blood Reign (Feat. Diamondback, Louis Logic & B.A. Barakus)
16. Words From Mr. Len (Part Two)
17. Genghis Khan (Feat. Tragedy Khadafi)
18. Trinity (Feat. Louis Logic & L-Fudge)
19. The Executioners Dream (Feat. J-Treds)
20. Muerte

Review:
HipHop-Heads kennen in der Regel den Film Hamburger Hill nicht, doch sie kennen dieses Bild: Das Cover des zweiten Albums der Jedi Mind Tricks. Zu diesem Zeitpunkt liegen hinter der Gruppe, die ursprünglich aus Ikon The Verbal Hologram alias Vinnie Paz und Stoupe The Enemy Of Mankind bestand, bereits einige Aufnahmen aus den 90ern und ein erstes, 1997 veröffentlichtes Album, das streckenweise noch zusammen mit den ebenfalls aus Philly stammenden Lost Children Of Babylon aufgenommen wurde. Mit Letzteren geht man kurze Zeit später getrennte Wege, integriert jedoch den wegen College bis dato verhinderten Jus Allah ins Aufgebot und veröffentlicht 2000 "Violent By Design", das in seiner ursprünglichen LP-Fassung 20 Tracks enthielt.

WRITTEN FOR Rap4Fame
Abseits des den Osten dominierenden Big Apples, tief im Untergrund der Stadt Philadelphia, sorgten einige Begebenheiten für die Verdichtung von Hardcore-Rap-Materie, die schließlich den Nährboden für eine Eruption dieses Ausmaßes lieferte. Wichtigster Faktor ist wohl Stoupe selbst, der lichtscheue, inzwischen legendäre Produzent, der zu dieser Zeit die Beats seines Lebens schustert. Aus dem Kreise der hier nicht mehr vertretenen Lost Children Of Babylon rührt der Einschlag und die Vorliebe für die ägyptische Mythologie (und deren Vermischung mit anderen mythologischen Thematiken), derer sich Vinnie bediente, her. Zum Themenspektrum hinzu kommen Spuren religiöser Organisationen wie der Five-Percenter (denen sich Jus Allah zurechnet) sowie Vinnie's Pseudo-Zugehörigkeit zum tatsächlichen Islam. Den Abschluss in der Zutatenliste machen Battle-Raps, denen sich beide Emcees sehr verschrieben sehen und die auch im Kreise der AOTP hochgehalten werden. Doch nicht irgendwelche Battle-Raps - Jus und Vinnie haben nicht die geringsten Hemmungen, inszenieren sich selbst als Schlächter und schleudern mit Raps um sich, die gleichwohl häretisch, beleidigend und politisch sehr unkorrekt sind, und damit eine ganz neue Dimension des Underground-Lyricism erklimmen. Eine Dimension, die ohne Stoupe sofort als Unseriösität in sich zusammenstürzen würde. Doch ab dem Moment, in dem das bedrückend stimmungsvolle "Intro" aus "Planet Of The Apes" rezitiert, gibt es kein Entkommen mehr. Schon die Stimmen (vor allem die von Vinnie) sind markerschütternd roh, geschliffen von simplen Drumlines, eingängig-düsteren Streichern und weiteren Samples, bei denen nur Stoupe selbst weiß, wie man sie findet. Doch mögen sie noch so exotisch sein, der pechschwarze Anstrich, den sie erhalten, steht ihnen teuflisch gut. So entsteht nacheinander Klassiker um Klassiker: "Retaliation" mit grandiosen Scratches und dominierenden Streichern, "Contra" mit dem jungen Killa Sha (Queensbridge), der mit seiner hellen Stimme perfekt zwischen Vinnie und Jus passt, oder natürlich das überragende "I Against I" mit seinem sagenhaften Vibraphon (im Original von Cal Tjader). Außerdem prägend für viele spätere Künstler ist der geplante Einsatz von Instrumental-Interludes, denen Film-Samples aufgesetzt werden (wie schon im Intro), um die dicht geschnürte Atmosphäre der LP noch zu vertiefen. Zwischendurch entladen Jus und Paz ihren Hass auf Christentum, Homosexuelle, Frauen und weitere. "Heavenly Divine" rechnet mit der Kirche ab:



"Sharp blades slash your vitals
Recitals will fight you and entice you to burn Bibles
Homicidal - The Hologram burn churches
[...]
Wait and see, we'll stick you with needles that's hypodermic
You heard the verdict, I'm with Allah cause he chose me
Broke into the Vatican, strangled the Pope with his rosary
"

Die Vielzahl der Gäste, die meist dem Umfeld (vorwiegend den frühen AOTP) angehören, verdient sich ihre Wahl durch Auftritte, die keinen Ausfall vorsehen. Doch alle wären sie nichts ohne Stoupe, der sein volles Können zeigt: Das wild-stürmische "Genghis Khan" ist ebenso genial wie "The Deer Hunter", mit dem sich Stoupe ein Denkmal perfektionierter Sample-Kunst setzt, indem er die Schwermütigkeit des Mathilde-Santing-Songs für die messerscharf spuckenden Bestien am Mic ("I'm high off the weed, drunk off the cops' blood") einfängt. Klassik-Sample findet sich im von Celli eröffneten und mit provozierendem Titel gekrönten "Trinity", während "The Executioner's Dream" nochmal die Symbiose von Film-Sample und langsam-bedrohlichem Rap-Song vorführt. Seinen trefflichen Abschluss findet das Album schließlich poetisch mit einem Auszug aus Wilfred Owen's Gedicht "Greater Love".

Man mag von den anstößigen Texten nun halten, was man will. Man mag sie als Provokation sehen, man mag sie nicht vollends ernst nehmen, man mag aber auch erschüttert die Nase rümpfen. Das ändert nichts an dem Status dieses Meisterstücks, dieses Manifests rohen HipHops. Diesem Fluch, dem die Jedi Mind Tricks seither erfolglos hinterherjagen - in der Hoffnung, nochmal die gleiche Stimmung heraufzubeschwören. Denn die Intonation der beiden Emcees war später anders und auch Stoupe's Blickfeld hinsichtlich seiner Sample-Wahl verrückte sich. Doch JMT hinterließen uns mit "Violent By Design" eine Aufnahme aus dem Zeitraum des Höhepunkts ihres kreativen Schaffens, einen Moment der Perfektion, für den die HipHop-Gemeinde dankbar sein sollte und der die Definition, wie hart ein Rap-Album sein kann, umschrieb.

9.9 / 10

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